[Uganda] Okot p'Bitek – Lawinos Lied. Ocols Lied. Ein Streitgesang

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    Lawinos Lied: In insgesamt 13 Abschnitten betrachtet Lawino die Konflikte, die sich zwischen ihr und ihrem Mann Ocol dadurch ergeben, daß sie an traditionellen Sitten, Gebräuchen und Denkweisen festhält, während Ocol sich, geprägt durch ein Universitätstudium, der westlichen Lebensart zuwendet. Das baut sich langsam von eher häuslichen Dingen auf bis es bei abstrakteren Themen endet. Pro Abschnitt steht jeweils ein Thema im Mittelpunkt, wie z. B. die Namesgebung, Ernährung, Krankheiten und Heilmittel, Religion, Politik. Dabei gelingt es Okot sehr gut, die Parallelen und Unterschiede zu zeigen, und damit letztliich auch die Frage zu stellen, warum die Aufgabe der eigenen Traditionen gut sein soll. Besonders deutlich wird dies im Abschnitt über die Religion. Ist es wirklich der Unterschied zwischen „modern“ und „rückständig“, ob man zu einem unsichtbaren Gott betet, der geflügelte Wesen als Boten einsetzt und als dessen Sinnbild man sich ein Kreuz um den Hals hängt, oder ob man zu unsichtbaren Geistern betet, Schreine mit Bäumen zur Erinnerung an die Ahnen errichtet und ein Stück Krokodilkiefer trägt?


    Ocols Lied: Dieses umfaßt nur neun Abschnitte, und Ocol schwankt diesen zwischen dem Ärger über die eigene Herkunft, dem Bedauern all jener, die sich seiner Modernität nicht anschließen wollen, und der Desillusionierung über die Unabhängigkeit des Landes und die Übernahme durch schwarze Politiker. In der afrikanischen Geschichte kann er nichts erkennen, was des Erinnerns wert wäre: „Welch stolzes Lied könnte man schon von Verlierern singen?“



    Diese deutsche Ausgabe ist eine Übersetzung aus dem Englischen, obwohl Lawinos Lied ursprünglich von Okot auf Acholi verfaßt wurde (bei Ocols Lied ist dies nicht sicher, da zumindest keine Acholi-Fassung von Okot vorliegt). Da Okot aber selbst die Übertragung ins Englische besorgte, ist das vermutlich nicht ganz so dramatisch, wie es sonst schon mal bei Übersetzungen über eine dritte Sprache vorkommt. Zudem hat sich der Übersetzer Raimund Pousset, wie er in seinem Nachwort erläutert, auch der Hilfe von Acholi-Sprechern versichert und versucht, den Rhythmus des Originals soweit möglich beizubehalten. Ich bin nicht sicher, daß dies die beste Entscheidung war, weil es sich für mein Empfinden streckenweise doch etwas „holprig“ las, nicht in der Wortwahl, sondern eben gerade im Rhythmus.


    Von diesem formalen Aspekt abgesehen hat mir der Streitgesang zwischen Frau und Mann aber wirklich gut gefallen, weil Okot es wunderbar schafft, die beiden Ansichten zu kontrastieren. Daß seine persönlichen Präferenzen eher (aber nicht ausschließlich) auf der Seite Lawinos liegen, ist dabei erkennbar. Tatsächlich war Okot der Ansicht, die Afrikaner könnten westliche Kultur bestenfalls nachahmen und täten gut daran, sich auf ihr eigenes Erbe zu besinnen. Das muß nicht zwangsläufig mit einem starren Festhalten einhergehen, man täte ihm wohl Unrecht, wollte man ihm dies unterstellen. Aber als Basis für eine Identität taugt adaptiertes nicht so gut wie im Kontext gewachsenes, damit hatte er sicher recht.


    Diese Ausgabe wird durch eine umfängliche Biographie Okot p'Biteks, die ziemlich identisch mit dem Wikipedia-Artikel ist und wohl als Vorlage für letzteren gedient hat, sowie ein mehrseitiges Glossar ergänzt. Als Ergänzung empfiehlt sich sicher auch der Wikipedia-Eintrag zu Lawinos Lied, der neben der Veröffentlichungsgeschichte auch auf die Interpretationsansätze dieses wichtigen Werkes ostafrikanischer Literatur eingeht.


    4ratten


    Schönen Gruß,
    Aldawen

    Einmal editiert, zuletzt von Aldawen ()

  • Ich habe diese Buch schon vor einigen Monaten gelesen, aber - Schande über mein Haupt - nichts dazu geschrieben. Dabei hatte mir doch vor allem der erste Teil "Lawinos Lied" sehr gut gefallen.


    Die Klage Lawinos über ihren "modernen" Mann, der sie wegen ihrer traditionellen Haltung verschmäht und sich eine passendere Frau sucht, hat eine unglaubliche Sprachgewalt, die mich begeistert hat. Ehrlich gesagt erinnerte sie mich manchmal an Hiobs Klage über die Prüfungen, die Gott ihm auferlegt hat. Dabei konnte ich Lawino in ihrer tiefen Verletztheit sehr gut verstehen, was aber nicht bedeutet, dass ich voll und ganz auf ihrer Seite gestanden hätte. Denn wenn sie auch recht darin hat, dass alles moderne, westliche nicht automatisch besser ist als die traditionelle afrikanische Lebensweise, so war mir die völlige Ablehnung aller westlichen Errungenschaften doch zu extrem. Wenn Lawino sich zum Beispiel gegen Impfungen ausspricht, dann kann ich ihr darin nicht mehr zustimmen.


    Ocols Lied bot einen interessanten Kontrast dadurch, dass er einerseits einem westlichen Lebensstil nachstrebt, sich gleichzeitig aber auch darüber beklagt, dass er als Schwarzer nie gleichberechtigt behandelt wird, und dass andererseits die die Macht übernehmenden Afrikaner auch keine positive Alternative zu den ehemaligen Kolonialherren darstellen. Er sitzt zwischen allen Stühlen und ihm fehlt die Stärke, die Lawino aus ihrem Stolz auf ihre Traditionen schöpfen kann. So wird er zu einer zwar unsympathischen, aber gleichzeitig tragischen Gestalt.


    Aldawens Kritik an der manchmal holpernden Sprache kann ich nachvollziehen. Auch ich habe an einigen Stellen den nicht ganz einwandfreien Rhythmus bedauert, vor allem, da eine einfache Umstellung der Worte manchmal Abhilfe hätte leisten können, aber trotzdem gefiel mir der Stil durch seine Sprachgewalt ziemlich gut.
    Die Stockholmer Stadtbibliothek besitzt eine andere englische Übersetzung von Lawinos Lied, nicht die von Okot persönlich nachgedichtete Fassung. Ich hatte bisher nur Zeit, das Vorwort des Übersetzers zu überfliegen, in dem er eine ziemlich großen Unterschied zwischen Okots englischer Fassung und dem Acholi-Original feststellt. Bei Gelegenheit werde ich mir diese dem Original genauer folgende Übersetzung angucken und mit der deutschen Übersetzung vergleichen.


    4ratten


    Zuletzt noch einmal vielen, lieben Dank an Aldawen, die mir dieses Buch geschenkt hat! :bussi:

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Freut mich, daß es Dir gefallen hat! Dann war ja dieser Teil des Preises aus dem Afrika-Tipspiel auch schon mal eine gute Wahl, und ich bin jetzt nur noch gespannt, wie Dir Tchicaya U'Tamsi gefallen wird, der kommt ja nächstes Jahr im SLW zum Zuge :zwinker:



    Denn wenn sie auch recht darin hat, dass alles moderne, westliche nicht automatisch besser ist als die traditionelle afrikanische Lebensweise, so war mir die völlige Ablehnung aller westlichen Errungenschaften doch zu extrem.


    Richtig, aber gerade in den Punkten hatte ich den Eindruck, daß auch Okot Lawino darin nicht mehr hundertprozentig folgt, sondern dieses Extrem auch subtil in Frage zu stellen vermag.



    Die Stockholmer Stadtbibliothek besitzt eine andere englische Übersetzung von Lawinos Lied, nicht die von Okot persönlich nachgedichtete Fassung.


    Das ist interessant! Was für eine Ausgabe ist das? Die würde ich mir auch gerne noch anschauen.

  • Richtig, aber gerade in den Punkten hatte ich den Eindruck, daß auch Okot Lawino darin nicht mehr hundertprozentig folgt, sondern dieses Extrem auch subtil in Frage zu stellen vermag.


    Genau den Eindruck hatte ich auch. Auf den ersten Blick sieht Lawinos Lied nach arger Schwarz-Weiß-Malerei aus, und Lawino malt ja auch in schwarzweiß, aber Okot selbst steht eben nicht hinter allen ihrer Aussagen - oder so schien es mir zumindest.


    Das ist interessant! Was für eine Ausgabe ist das? Die würde ich mir auch gerne noch anschauen.


    Das ist The Defence of Lawino in der Übersetzung von Taban Lo Liyong. Gibt's sogar neu bei Amazon:


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    Wir sind irre, also lesen wir!