Cees Nooteboom - Der Ritter ist gestorben

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    Cees Nooteboom gehört zur ersten Garde europäischer Erzähler. Seit erzählerisches Werk weist allerdings eine merkwürdige zeitliche Lücke auf: es gibt ein leicht neoromantisch gefärbtes Frühwerk, begonnen mit dem bezaubernden "Philip und die anderen" von 1955, fortgesetzt mit "Der Ritter ist gestorben" von 1963. Dann folgt eine lange Zeit, aus der bemerkenswerte Reiseberichte stammen und einige journalistische Arbeiten. Und dann erst, 1980, schließt sich mit den fulminanten "Ritualen" das Spätwerk an. "Der Ritter" war als wütender Abschied von einem Poetenleben gedacht. Diese Haltung bestimmt den Duktus der Erzählung, und um es vorwegzunehmen: darunter leidet der Text unsägliche Qualen.


    Trotz aller Kritik, die ich anschließend ausgieße: Auch "Der Ritter ist gestorben" gehört zu den Büchern, denen man nach ein, zwei Seiten anmerkt, dass ein bemerkenswerter Autor darangesessen hat, wenn auch manches nachfolgende missglückt ist.


    Der Ansatz zieht den Leser sofort in ein reizendes intellektuelles Spiel hinein. In der kurz angerissenen Rahmenhandlung beginnt ein Schriftsteller, ein von einem verstorbenen Freund begonnenes Buch fertigzuschreiben. Der Verstorbene muss zu Lebzeiten wohl so etwas wie gehobene Trivialliteratur produziert haben, jedenfalls macht sich der Erzähler eher widerwillig und mit Grausen vor den bevorstehenden Stereotypen ans Werk. Was folgt ist eine Ineinanderschachtelung der Erzählebenen, denn der Verstorbene hatte seinerseits begonnen, ein Buch zu schreiben, in dem es darum geht, ein von einem anderen angefangenes Werk zu vollenden. Der Erzähler setzt den soeben verstorbenen Freund als Helden ein, um sich dessen Persönlichkeit zu nähern, und so steckt eine Matrjoschka in der anderen (Nooteboom vergleicht den Vorgang mit dem Etikett einer bestimmten niederländischen Kakaomarke). Schauplatz ist eine spanische Insel, recht offensichtlich Ibiza, auf der der Held der Geschichte in eine Art gealterte Bohème gerät, zu der auch ein gewisser Cyril gehört, der quasi die nächstkleinere Steckpuppe darstellt. Im alkoholschwangeren Kreise dieser Schriftsteller und Maler trifft er Clara, die Muse dieser Runde, mit der er eine von Beginn an aussichtslose Affäre erlebt, allerdings auch die Konfrontation mit Angst und Selbstzweifel, die ihn selbst, nach dem Tode von Cyril, vernichten werden.


    Der Text fällt sprachlich völlig aus dem Rahmen, wenn man die souveräne Prosa der späten Romane und Erzählungen, aber auch den Erstling "Philip und die anderen" daneben hält. Auffallend ist eine geradezu hysterische Bildersprache, die hart am Kitsch entlang balanciert. Und, ja, an einer Stelle bellt sogar irgendwo ein Hund. Es mag durchaus sein, dass Nooteboom hier entsprechend dem vorangestellten Programm versuchte, seinen Helden in die Maske des verstorbenen Freundes und Trivialautors schlüpfen zu lassen; nur: damit tappt er in eine selbstgestellte Falle und produziert automatisch einen Trivi. Die ironische Brechung, die distanzierte Zurücknahme geht nach ein oder zwei anfänglichen Andeutungen jedenfalls verloren, der Erzähler der Rahmenhandlung - und damit letztlich Nooteboom selbst - verschmilzt mit der Atmosphäre von Aufgeregtheit und Klischee. Richtig schlimm ist eine Symbolisierung eines Liebesaktes mit einer Stierkampfphantasie im letzten Drittel des Textes.


    Nooteboom mochte dieses Buch später selbst nicht, und für sein heiteres und entspanntes Urteil darüber verdient er Sympathie. Immerhin entfaltet der Text, wenn man ihm nicht mit überhöhten Erwartungen gegenübertritt, durchaus seinen Reiz, insbesondere einige Charaktere sind meisterlich getroffen.


    Wer an Nooteboom kein gesteigertes Interesse hat, kann sich diese Erzählung ruhig ersparen und stattdessen die Glanzlicher zu Hand nehmen - Philip und die anderen, Rituale, Die Folgende Geschichte, oder auch eine Sammlung der großartigen Reiseberichte; wer es mag, meinethalben auch die Lyrik, mit der ich aber allgemein nicht warm werde. Wer dagegen Höhen und Tiefen eines bestimmten Autors kennen lernen will, mag hier zugreifen, aufschlussreich ist das allemal. Insoweit ergibt auch die Neuveröffentlichung einen Sinn.


    2ratten

    Einmal editiert, zuletzt von Gronauer ()

  • Ach, Gronauer, wie ich es liebe, wenn Du liest! :herz:
    Nooteboom ist schizophren und ja, ich kenne das Buch, aber nein, ich habs nicht zu Ende gelesen und es ist schon länger her. Ich hatte eine zeitlang so eine Nooteboom Phase und momentan warte ich auch auf das ----blablabla Füchse - Buch. Aber, die Bibliothek tut nicht weiter. Da ich ihn kenne, kauf ich mir das sicher nicht.
    Du schreibst:


    Zitat

    Der Ansatz zieht den Leser sofort in ein reizendes intellektuelles Spiel hinein


    - Das tut das Glasperlenspiel auch und man liest es nie im Leben zu Ende. So gesehen und soweit ich mich erinnere sind Deine 2 Ratten auch meine Meinung, denn ich glaube mich zu erinnern es deswegen und überhaupt und außerdem, sowieso...furchtbar zu finden.
    Tipp: Lest die Micky Mouse, die ist unterhaltsamer. Tatsächlich.
    Und: 5 Ratten für Dich. Niemals aufhören.

    Einmal editiert, zuletzt von cori ()