Franz Werfel – Jacobowsky und der Oberst

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    Inhalt: Im Juni 1940 rücken die Deutschen auf Paris vor, und die Gäste des Hotels Mon Repos et de la Rose sehen der Notwendigkeit der Flucht ins Auge. Dem quirligen Jacobowsky, den der Gedanke daran nach vier vorangegangen Fluchten nicht mehr schreckt, gelingt es sogar, ein Auto aufzutreiben. Aber wer wird es fahren? So ergibt sich eine Notgemeinschaft, denn ein im Hotel anwesender polnischer Offizier, Oberst Tadeusz Boleslav Stjerbinsky, und dessen Faktotum Szabuniewicz müssen wichtige Dokumente nach England bringen. Die erste Krise entsteht aber schon vor der Abfahrt, da der Oberst keineswegs auf direktem Weg zur Küste will, sondern zuvor noch eine Frau, Marianne Deloupe, abholen. Da Jacobowsky, im Gegensatz zu Szabuniewicz und erst recht zum Oberst sich als außerordentlich geschickt darin erweist, alles mögliche zu organisieren, vor allem das dringend benötigte Benzin, wird Stjerbinsky mit der Zeit recht eifersüchtig. Einen Zusammenstoß mit einer deutschen Patrouille übersteht man nur, in dem der Oberst als verrückt ausgegeben wird. Danach trennt sich Jacobowsky von den dreien. Ein paar Tage später treffen sie zufällig in einem Küstenort wieder zusammen. Jacobowsky ist gerade in einem Café der allgemeinen Verhaftung entgangen, als der Oberst und Marianne hereinkommen. Ein englischer Offizier wartet schon, um den Oberst (und zur Not auch seine „Frau“) nebst anderen Offizieren nach England zu bringen. Für Jacobowsky aber scheint es keinen Platz zu geben, als Zivilist interessiert er den Engländer nicht, ganz gleich, was der Oberst und Marianne auch immer vorbringen, aber letztlich gelingt es doch, dafür bleibt Marianne zurück.



    Meine Meinung: Obwohl eine Vielzahl von Personen auftreten, konzentriert sich das Stück eigentlich auf drei Personen: Jacobowsky, den Oberst und Marianne. Ist Marianne anfänglich ausschließlich die Geliebte des Obersts, die die Kriegsrealität um sich herum einfach verdrängt, so entwickelt sie sich unter den Bedingungen der Flucht und dem Charme Jacobowskys zu einer echten Kämpfernatur. Und natürlich verläßt sie am Ende Frankreich nicht, den Name Marianne trägt sie nicht zufällig. Sie wird im Land bleiben, sich der Résistance anschließen und auf die Rückkehr des Oberst warten. Insgesamt wird dadurch aus ihr eine eher positive Figur.


    Jacobowsky ist hier der eindeutige Sympathieträger. Obwohl mit einem schweren Schicksal geschlagen – als polnischer Jude zunächst aus Polen nach Deutschland, dann nach Wien, dann nach Prag und schließlich nach Paris geflüchtet und immer wieder eine neue Existenz ohne Dauer aufgebaut – verzweifelt er nicht am Leben. Seiner Ansicht nach gibt es immer zwei Möglichkeiten. Wenn die bessere eintritt: gut, wenn die schlechtere eintritt, dann gibt es wieder zwei Möglichkeiten, von denen die einer gut ist und die andere zwei Möglichkeiten eröffnet ... Nur dieser unerschüttliche Optimismus, der ihn das Leben lieben läßt, ohne daran zu hängen, wie er sagt, erlaubt wohl die notwendige geistige Flexibilität, um unter solchen Umständen dann doch zu überleben.


    Im Vergleich dazu ist der Oberst einfach ein aufgeblasener Gockel, der sich in seinem Adel und militärischen Titel sonnt, lebensuntüchtig in jeder Situation, und ohne die Unterstützung Szabuniewicz völlig aufgeschmissen. Dazu ist er leicht erregbar und eifersüchtig, weshalb er sich auch mit Jacobowsky um Marianne duellieren will. Seine Ehren- und Moralbegriffe sind noch die des 19. Jahrhunderts und der Realität völlig unangemessen. Dadurch wird er nicht gerade zum Unsympath, er erweckte, zumindest bei mir, eher Mitleid.


    Werfel hat hier, noch während des Krieges, ein Stück geschrieben, das aus der Kombination dieser durchaus abgefahrenen Typen vor dem furchtbaren Hintergrund des Krieges wirklich eine Komödie einer Tragödie in drei Akten darstellt. Die komischen Aspekte, die sich vor allem aus den – einseitig zu Jacobowskys Gunsten ausgehenden – Wortgefechten zwischen diesem und dem Oberst ergeben, kontrastieren einerseits mit dem tragischen Hintergrund, so daß ich zwar mehrfach ins Schmunzeln geraten bin, nur um mir im nächsten Moment klarzumachen, über was ich mich da eigentlich gerade amüsierte, andererseits betonen sie die der Handlung innewohnende Tragik. Auch wenn Stücke eigentlich aufgeführt und nicht gelesen werden sollten: Dieses kann man auch mit Genuß und Gewinn nur lesen (und dann vielleicht vergleichen, was in der Verfilmung mit Danny Kaye und Curd Jürgens davon auf der Strecke geblieben ist).


    5ratten


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Danke für die schöne Rezi. Ich glaube, das Stück sollte ich auch mal lesen. Den Film mit den Titanen Jürgens und Kaye fand ich jedenfalls wunderbar und in der Kathedrale meines Herzens wird immer eine Kerze für die beiden brennen. :smile: