Kage Baker – Die Ufer der Neuen Welt (Zeitstürme 2)

Es gibt 2 Antworten in diesem Thema, welches 1.242 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Aldawen.

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    Inhalt: Im 24. Jahrhundert hat die Menschheit zwei Dinge verwirklicht: Zeitreisen und Unsterblichkeit. Beides hat aber Einschränkungen, denn Zeitreisen funktionieren nur in die Vergangenheit, nicht in die Zukunft, und die Unsterblichkeit erfordert eine Unmenge teurer Operationen, die bereits im frühesten Kindesalter begonnen werden müssen. Das macht beides nur bedingt attraktiv für Leute mit hinreichend Geld, aber es ist hochinteressant für die Firma Dr. Zeus, einfach „die Company“ genannt. Dort hat man das Potential aus der Kombination erkannt und Teams in die Vergangenheit geschickt, die Waisenkinder – sofern diese die erforderlichen Parameter aufweisen – in Cyborgs im Dienste der Company verwandeln. Die Vergangenheit kann und darf zwar nicht verändert werden, aber schließlich gibt es genügend Bereiche in der Geschichte, zu denen die Überlieferungslage mehr als dünn ist. Und natürlich ist es nicht verboten, z. B. Papyri, die in der Bibliothek von Alexandria verbrennen werden, vorher abzuschreiben und für die Vermarktung durch die Company in einer fernen Zukunft „einzulagern“. Ein einträgliches Geschäftsmodell, von politischen Beratungen, Sicherungen von Genpools und ähnlichem ganz abgesehen.


    Letzteres ist einer der Hintergründe für den Einsatz eines solchen Teams um die Wende zum 18. Jahrhundert an der Küste dessen, was einmal Kalifornien sein wird. Dort soll ein Indianerstamm mit einer hochentwickelten merkantilen Kultur zur Übersiedlung in eine Basis der Company gebracht werden, nachdem man ihre Umwelt, ihre Kultur, ihr religiöses Gedankengut etc. so weit wie möglich aufgezeichnet und konserviert hat. Dabei soll der Glaube der Chumash an den Himmelskoyoten helfen, in dessen Maske einer der unsterblichen Mitarbeiter der Company auftritt, um im Rahmen dieses religiösen Gedankengebäudes die Übersiedlung vorzubereiten. Dabei gibt es aber nicht nur Widerstände und Zweifel bei den Indianern zu überwinden, auch zwischen den Cyborgs der Company und den aus dem 24. Jahrhundert zur Unterstützung gesandten sterblichen Techniker und Projektmitarbeiter gibt es Spannungen. Und als dann auch noch ein Prediger eines Nachbarstammes auftaucht, der eine aggressive Ein-Gott-Lehre vertritt, droht das ganze Projekt zu scheitern ...



    Meine Meinung: Die Grundidee ist an sich gar nicht schlecht. Eine nicht gerade kleine, auch über alle Jahrhunderte hinweg durch die Rekrutierung geeigneter Kinder immer weiter anwachsende Gruppe von Unsterblichen, die diskret Kunstschätze sichern, Einfluß auf die Politik nehmen, sich in verschiedenen Rollen in Organisationen wie der Kirche tummeln, und auf Grund ihrer Ausstattung über Wahrnehmungen und Wissen verfügen, das niemand sonst haben kann, und trotz allem immer noch mit moralischen Werten ausgestattet, gerät gerade deshalb auch immer mal in Widerspruch zu den Vorgaben ihres „Arbeitgebers“, der Company, der man aber letztlich doch immer gehorcht, weil es keine echte Alternative dazu gibt. Daß das Unternehmen, weil es nun einmal ein solches ist und Anteilseigner hat, die Renditen sehen wollen, diese kostspieligen Aktionen nicht aus Menschenfreundlichkeit oder wissenschaftlichem Streben, sondern des Profits willen durchführt, ist dabei nicht überraschend, sorgt aber gerade für das Spannungsverhältnis mit den unsterblichen Angestellten, die das Leben der Menschen in den Jahrhunderten eben doch sehr hautnah erleben. Aus dieser Konstellation ließe sich viel und vor allem eine richtig gute Story machen, leider verschenkt Baker die innewohnenden Möglichkeiten praktisch vollständig.


    Selbst wenn man sich auf das Gedankenspiel einläßt, daß es eine solche Kultur wie die der Chumash gegeben habe, so wirkt es nicht überzeugend. Warum ausgerechnet dieser Stamm und nicht ein anderer zur „Rettung“ ausgewählt wird, bleibt ziemlich im Dunkeln. Über die Arbeitsweise der Unsterblichen, und besonders über den Facilitator Joseph, der die Rolle des Sky Coyote spielen muß, erfährt man gerade genug, um der Story folgen zu können. Zwar gibt es mal ein Gespräch, in dem leise angedeutet wird, daß die Unsterblichen die Company eigentlich locker aushebeln könnten, aber warum das letztlich nicht geschieht und sich die Leute derart herumkommandieren lassen, hat sich mir auch nicht erschlossen. Von einer durchgehenden Logik, gleich in welchem Strang der Erzählung, gibt es weit und breit keine Spur. Das Ganze wirkte auf mich mehr wie eine simple Aneinanderreihung von Einfällen, ohne daß ihre Eignung für einen Spannungsbogen geprüft oder sie daraufhin angepaßt worden wären. Zwar gibt es am Ende noch eine Zusammenfassung durch Joseph, was nun aus den Chumash bzw. ihrem Erbe in der Zukunft wird, aber das rettete das Geschwafel zuvor auch nicht mehr.


    Bakers Erzähltonfall ist zudem nicht an die jeweiligen Situationen und Personen angepaßt. Ich fand es völlig in Ordnung, daß die Unsterblichen miteinander recht flapsig umgehen, immerhin kennen sie sich zum Teil seit Neandertaler-Zeiten, da hat man sich im 17. Jahrhundert vermutlich auch nicht mehr viel Neues zu sagen. Daß aber die Chumash genauso flapsig daherkamen, wirkte dann doch eher bemüht-witzig und verfehlte damit seinen Effekt – zumindest bei mir – auf ganzer Linie. Nein, davon muß ich sicher nicht mehr lesen als diesen einen Band.


    1ratten


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Nein, ich bin mit diesem eingestiegen (und auch gleich wieder aus :breitgrins: ), hatte mir aber auf der englischen Wikipedia den Beitrag zum ersten Band durchgelesen. Ich habe nicht den Eindruck, daß sie so stark aufeinander aufbauen, daß man den einen ohne den anderen nicht lesen kann oder meine Einschätzung völlig anders ausgefallen wäre, hätte ich den ersten Band gelesen. Dafür sind die Schwächen einfach zu umfassend und elementar.