[Nigeria] Biyi Bandele-Thomas – Bozo David Hurensohn

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    Inhalt: Ein etwas kauziger Lehrer an einer nigerianischen Sekundarschule freundet sich ein wenig mit einem seiner Schüler an. Und als dieser wieder einmal bei dem Lehrer den Nachmittag verbringt, erzählt der Lehrer sein Leben. Dabei berichtet er auch von einer jungen Frau, mit der er mal zusammen war und die ihm ihrerseits die Geschichte ihres ersten Freundes Bozo Macika, Taufname David, erzählt hat und die der Lehrer versucht hat, aufzuschreiben. Dieses Manuskript gibt er seinem Schüler zu lesen.


    Bozo wird von seinem Vater nur „Hurensohn“ genannt, denn die schwere Geburt führte dazu, daß Bozos Mutter keine Kinder mehr bekommen konnte und das wiederum beeinflußte den Vater so stark, daß er keinen Sex mit seiner Frau mehr haben konnte. Bozo war ein intelligenter Junge, der seine Lehrer schon früh mit philosophisch-theologischen Disputen zur Verzweiflung trieb. So blieb es nicht aus, daß er schließlich von der Schule flog. Seine ältere Schwester sieht zwar sehr gut aus, hat aber darüberhinaus nicht allzu viel im Kopf. Als Bozo einmal vom Markt kommt, kehrt er zu einer Familientragödie zurück: Die Mutter hat – wohl in einem Anfall von Irrsinn – ihren Mann und ihre Tochter wegen eines inzestuösen Verhältnisses mit einem großen Küchenmesser erstochen. Sie wird verurteilt und in eine Anstalt eingewiesen, Bozo ist nun auf sich gestellt. Er wird zunächst ein recht erfolgreicher Geschäftsmann, bevor er sich immer mehr in Marihuana-Räuschen verliert, aber auch damit ist das untere Ende von Bozos Karriereleiter noch nicht erreicht, er braucht noch einen spektakulären Abgang ...



    Meine Meinung: Durch die geschachtelte Erzählstruktur, die durch Kapiteleinteilung klare Abgrenzungen erfährt, kann Bandele-Thomas mit einer gehörigen Portion Distanz auf die Gesellschaft Nigerias kurz nach der Unabhängigkeit mit all ihren Umbruchsproblemen blicken. Dabei übertreibt er sicher an manchen Stellen, um die Situation ins Absurde zu wenden, aber gleichzeitig verdeutlicht diese Übertreibung eben auch die jeweils zugrundeliegenden Probleme, die sich in den äußeren Symptomen von Drogen, Gewalt und Inzest manifestieren. Dies war jetzt binnen relativ kurzer Zeit mein dritter nigerianischer Roman, in dem Pädophilie und/oder Inzest eine Rolle spielte, und das schockiert mich mittlerweile wegen dieses Umfangs schon, wenn ich mal davon ausgehe, daß die Häufigkeit des Motivs in Romanen Rückschlüsse auf die Verbreitung in der Gesellschaft zuläßt. Inwieweit das ein zulässiger Rückschluß ist, weiß ich allerdings nicht, da ich keine entsprechenden Statistiken kenne (und auch bezweifle, daß dergleichen überhaupt existiert).


    Bozos Leben weist ein paar Parallelen zu dem Leben des Lehrers auf, gerade so viel, daß man während des Lesens schon Zweifel an der „Echtheit“ dieses Manuskripts bekommt. Tatsächlich spielt der Lehrer mit seinem Schüler rund um dieses Manuskript und seine eigene Lebensbeschreibung ein kunstvolles Verwirrspiel, das aber nicht ohne Sinn und Ziel ist. Das ergibt sich spätestens ganz am Ende aus den Konsequenzen, die der Schüler und Ich-Erzähler dieses Strangs zieht.


    Trotz der durchweg ernsten Themen war das Ganze aber recht vergnüglich zu lesen, und da Bandele sich auch nicht mit seitenlangen Beschreibungen aufhält, schnell und präzise auf den Punkt. Darunter leidet zwar die Charaktertiefe, selbst bei Bozo, den man als Leser noch am besten kennenlernt, aber eine psychologische Entwicklungsstudie war sicher auch nicht Bandeles Absicht. Und auch, wenn der Blick auf die Gesellschaft eher als grelles Schlaglicht daherkommt, so ist dieser doch nicht weniger realistisch und frustrierend, wenn es um die Bewertung des „Gesehenen“ geht – wofür der Roman aber natürlich nichts kann ...


    4ratten


    Schönen Gruß
    Aldawen