[Färöer] Heðin Brú – Ketil und die Wale

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    (auch unter dem Titel Des armen Mannes Ehre)


    Inhalt: Große Aufregung herrscht rund um den Sörvagsfjord, denn eine Herde Grindwale hat sich hineinverirrt. Sofort beteiligt sich jeder, der irgend kann, an der Jagd. Anschließend werden die erbeuteten Wale versteigert. Angetrunken wie Ketil ist, übernimmt er sich dabei. Nun hat er zwar jede Menge Walfleisch, aber keine Ahnung, wie er es bezahlen soll, wenn die Abrechnung kommt. So sinnt er zusammen mit seiner Frau auf alle möglichen Einnahmequellen, fährt mit seinem jüngesten Sohn Kalvur, dem einzigen, der noch bei ihnen lebt, zum Fischfang, fängt Seevögel, seine Frau strickt Jacken, das Fell eines geschossenen Seehunds wird verkauft. Aber der Zahltag rückt immer näher, und das Geld will nicht reichen. Zudem muß Ketil immer wieder feststellen, daß seine Kinder andere Vorstellungen vom Leben haben und Ansprüche stellen. Sich nur für die Steuern auf hergebrachte Art abzuschuften, fällt ihnen nicht ein – sehr zum Mißfallen der traditionsbewußten Alten.



    Meine Meinung: Als Einblick in die Lebensbedinungen, die noch auf den 1930er Jahren auf den Färöern herrschten, ist der Roman allemale gut. Egal ob Walfang oder Fischerei, Hauswirtschaft oder Brauchtum, alles kommt ein bißchen vor. Das ist angesichts des schmalen Umfangs aber auch das größte Manko des Romans. Vieles bleibt doch knapp und mehr als einmal hatte ich das Gefühl, das etwas in der Geschichte oder auch zwischen den Sätzen einfach fehlen müsse. Das mag daran liegen, daß mir das färöische Leben jener Zeit nicht so vertraut ist wie Brú und seinem Publikum und ich deshalb mehr Erläuterung gebraucht hätte.


    Abgesehen von diesen fast landeskundlichen Aspekten laufen hier auch noch zwei Konfliktlinien durch die Erzählung. Die erste betrifft das Generationenverhältnis und die gewandelten Vorstellungen davon, wofür man arbeitet und wie die Arbeit entlohnt zu werden hat. Während Ketil, seine Frau und etliche ihrer Altergenossen die Jungen für undankbar und gar faul halten, wollen diese einfach nur ein etwas komfortableres Leben als ihre Eltern, in einem festen Haus, ordentlich gedeckt, so daß man sich nicht bei jedem Sturm ans Dach hängen muß, auch mal mit ein paar Süßigkeiten aus dem Laden für die Kinder. Die Positionen sind einigermaßen unvereinbar, und entsprechend sprachlos stehen Ketil und seine Frau ihren Kindern gegenüber. Der zweite Konflikt wird hier im wesentlichen zwischen Ketil und seinem Nachbarn Klavus ausgetragen. Während Ketil nämlich das ist, was man im besten Sinne rechtschaffen nennt, ist Klavus ein eher unangenehmer Zeitgenosse, der sich mit Tricksereien und Diebstählen durchbringt. Und obwohl alle um seine Aktivitäten wissen, wird er nicht geschnitten oder bestraft, sondern als unvermeidbares Übel irgendwie hingenommen, manchmal sogar – wenn er Schlitzohrigkeit beweist – mit einem Schmunzeln und etwas zu essen versorgt. So interessant das alles ist, oder vielmehr sein könnte, es kommt bei der Kürze des Romans einfach nicht recht zum Tragen, dafür wären mindestens 200 bis 300 Seiten mehr nützlich gewesen. Es bleibt der Eindruck einer nur halbfertigen Erzählung mit größerem Potential.


    3ratten


    Schönen Gruß
    Aldawen