Brunonia Barry - Die Mondschwimmerin

  • Tut mir leid, falls ich das Buch falsch eingeordnet haben sollte. Ich bin mir gar nicht sicher, welches Genre hier am ehesten zutrifft...



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    Brunonia Barry: The Lace Reader


    Harper Collins Publishers; 390 Seiten




    Deutscher Titel: Die Mondschwimmerin (erschienen bei btb)


    Klappentext: „Towner Whitney hails from a family of Salem women who can read the future in the patterns in lace. But sometimes this gift is more like a curse – when Towner was just fifteen she predicted, and witnessed, something so horrific that she fled Salem, and swore she would never return.
    And when her beloved Aunt Eva disappears, Towner feels the ties of family calling her back. In the sickly shadows and whispered half-memories of her home town, the ghosts of her fractured past are forced to light. And with them comes the threat of terrifying new disaster…”

    Erster Satz:
    „My name is Towner Whitney.“


    Und so war’s: Weil ihre geliebte Großtante Eva spurlos verschwinden ist, kehrt Towner Whitney in ihre Heimatstadt zurück. Seit dem Suizid ihrer Zwillingsschwester Lindley hat Towner Salem nicht mehr betreten und auch jetzt, 15 Jahre nach der Tragödie, fällt ihr die Heimkehr äußerst schwer. Körperlich geschwächt von den Nachwehen einer Gebärmutter-Entfernung sieht sie sich nun zusätzlich mit den Erinnerungen an ihre Kindheit und Jugend konfrontiert, die Towner trotz Elektroschocktherapie immer noch verfolgen und manchmal auch quälen.
    Dennoch harrt sie aus und wartet auf Neuigkeiten von Eva, nur um letztendlich jene Nachricht zu erhalten, die sie die ganze Zeit über gefürchtet hat: Eva ist tot. Die Polizei fand ihren toten Körper, ertrunken draußen im Meer – und das obwohl sie doch immer so gut schwimmen konnte. Da die Obduktion jedoch keine Hinweise auf Fremdverschulden entdeckt, trägt die Familie Eva bald zu Grabe und beginnt danach, den Nachlass zu ordnen. Towner erbt so das große Haus ihrer Großtante, beschließt aber sofort es zu verkaufen und so bald wie möglich nach Kalifornien in ihr selbst gewähltes Exil zurückzukehren. Nach Evas Tod hält sie nichts mehr in jener Stadt, die für Towner mit so viel Schrecklichem verbunden ist.
    Doch dann geschieht etwas Unerwartetes: Eine weitere Frau wird in Salem vermisst gemeldet – und plötzlich erscheint es gar nicht mehr so sicher, ob Evas Tod tatsächlich bloß ein Badeunfall gewesen ist. Denn der Mann, dem das Verschwinden jener Frau angelastet wird, hat in der Familie Whitney vor Jahren tiefe Narben hinterlassen und mit Eva daher mehr als nur eine Rechnung offen...
    Während die Polizei verzweifelt nach der Vermissten sucht, beginnt für Towner eine aufrüttelnde Reise in die Vergangenheit ihrer Familie, die am Ende ihr ganzes Selbst in Frage stellen wird…


    Aber es gibt noch jemanden, der etwas in Frage gestellt hat: nämlich ich. Das Schreiben der Inhaltsangabe erwies sich als so verzwickt, dass ich mehr als einmal an meiner Fähigkeiten zu schreiben gezweifelt habe. Selbst den vierten (oder war’s doch der fünfte?!) Versuch, den ihr hier lesen könnt, kann ich bestenfalls als Kompromiss bezeichnen, da er nur einen Bruchteil der Motive erwähnt, die im „Lace Reader“ eine Rolle spielen. Die Wahrsagerei, Salem und seine Vermarktung als Schauplatz der Hexen-Prozesse oder die häusliche Gewalt sind nur drei von vielen interessanten Themenkomplexen, die ich, um die Geschichte hier nicht vollständig nachzuerzählen, leider habe unter den Tisch fallen lassen müssen.
    Ärgerlicherweise bin ich jedoch die einzige, die sich mit der Vielzahl an Motiven überfordert sah. Denn auch der Autorin scheint sie langsam über den Kopf gewachsen zu sein. So wird – um nur eines von vielen Beispielen zu nennen – ausgerechnet das Namen gebende Zukunftslesen aus geklöppelter Spitze schwer vernachlässigt. Die Auszüge aus „The Lace Reader’s Guide“, ein von Eva geschriebenes Buch, stehen zwar zu Anfang eines jeden Kapitals, aber abgesehen davon hat das Wahrsagen nur wenig bis gar nichts mit der Handlung zu tun. Oder besser: Es motiviert gewisse Teile der Geschichte, ohne sich gleichzeitig harmonisch in diese einzufügen. Das Lesen von Spitze wirkt so stets seltsam deplaziert und geht neben gewichtigeren Themen schlichtweg unter, da es zum einen weniger vertreten ist und natürlich auch nicht deren Dramatik aufweist.


    Ich kann mir daher nicht ganz erklären, wieso die Autorin dennoch auf die Klöppelspitzen-Kiste bestanden hat. Das Buch ist nämlich vor allem eines: eine Familiengeschichte. Und obendrein nicht einmal eine besonders schlechte, wenn man sich den ganzen unnötigen und verwirrenden Schnickschnack wegdenkt. Zu verdanken ist das vor allem der weitestgehend ordentlichen Charakterisierung. Während Brunonia Barry die Ich-Erzählerin Towner (aus gutem Grund) recht unscharf zeichnet und nur wenig von ihrem Wesen preisgibt, gelingt es ihr anderswo, durch nur wenige Zeichen eine interessante und runde Persönlichkeit zu kreieren. Beeindruckt hat mich vor allem Towners Mutter May, eine lebenskluge und zugleich eigenwillige Amazone, die sich nicht um Konventionen schert, sie aber auch nicht einfach um der Rebellion Willen ignoriert. Sie geht den Weg, den sie gewählt hat, ganz gleich, ob andere darauf mit Unverständnis reagieren oder sich von ihr abwenden.


    Doch leider gehen auch gelungene Figuren wie May früher oder später zwangsläufig unter. Denn obwohl die Vergangenheit der Familie Whitney im Vordergrund steht, pendelt die Handlung allzu häufig unentschlossen zwischen Familienepos, Krimi, Liebesgeschichte und Esoterik-Schmoo hin und her. Genres miteinander zu kombinieren ist nun natürlich nichts prinzipiell Schlechtes. Verknüpft ein Autor die Genres aber gar nicht oder nur sehr lose miteinander, entsteht – wie auch bei Barrys „The Lace Reader“ – der Eindruck, dass man zwei verschiedene Geschichten auf einmal verfolgt und die Charaktere nur zufällig die gleichen sind. So steht beispielsweise die kleine Liebelei zwischen Towner und dem Polizisten Rafferty relativ zusammenhanglos neben der Familiengeschichte der Whitneys. Das einzige Bindeglied ist hier Großtante Eva, deren Verschwinden zufällig von Rafferty untersucht worden ist und die für ihn seit seinem Zuzug die einzig echte Kontaktperson gewesen ist. Und das war’s eigentlich auch schon. Die Bedeutung der Liebesgeschichte für den Plot tendiert zudem gegen Null Komma Null Null Gar Nicht Vorhanden, was schade ist, da sie meines Erachtens nicht übel geschrieben ist.


    Wirklich schlecht geschrieben ist nur eines: der Schluss. Das Ende ist nämlich beinahe so doof wie diese Sorry-alles-nur-geträumt-Nummern, die sich eigentlich nur noch in miesen Fanfiction finden lassen. Denn ich habe im gesamten Buch nichts Handfestes gefunden, was auf diese Auflösung hindeutet. Sie fällt gewissermaßen urplötzlich vom Himmel und schreit „Schaut her! Ich bin originell!“ Und das stimmt eigentlich auch, also das mit der Originalität. Mich hätte es allerdings gefreut, wenn mich die Autorin Stück für Stück an dieses Ende herangeführt und es mir nicht auf, sagen wir einmal, zehn Seiten um die Ohren gehauen hätte. Meine Verwirrung wäre dann vermutlich ein wenig geringer ausgefallen. Aber man kann ja bekanntlich nicht alles haben, nicht wahr?


    Alles in allem war „The Lace Reader“ ein eher durchwachsener Start ins neue Lesejahr! Die Charakterisierung vermochte zwar manches wettzumachen, aber letztendlich überwog leider das Negative, weshalb das Buch keinen festen Platz in meinem Regal erhalten wird.



    2ratten