Dennis Lehane – Im Aufruhr jener Tage

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    Inhalt: Danny Coughlin steht im Bostoner Polizeidienst eine glänzende Karriere bevor, nicht nur, weil sein Vater bereits in einflußreicher Position bei der gleichen Behörde arbeitet. Aber vor der Beförderung vom Streifendienst zum Detective verlangt Dannys Patenonkel Eddie McKenna, ein Jugendfreund seines Vaters und Leiter eine undurchsichtigen Spezialabteilung, einen Undercovereinsatz: Danny soll sich in diverse Gruppen einschleichen, die dem kommunistischen, anarchischen oder auch nur gewerkschaftlichen Spektrum zugerechnet werden. Der Erste Weltkrieg neigt sich dem Ende entgegen und in den USA ist die Angst vor Revolution, Anarchie und Terrorismus weit verbreitet, lieber schaltet man auch eine harmlose Gruppe zuviel aus als eine zuwenig. Nur widerwillig übernimmt Danny den Auftrag und gerät dabei schon bald zwischen alle Fronten, zumal auch seine Vorgesetzten ihm gegenüber nicht mit offenen Karten spielen.


    Zur gleichen Zeit verschlägt es Luther Laurence nach Boston. Luther ist schwarz, hat in Tulsa einen schwarzen Dealer erschossen und deshalb seine schwangere Frau bei seiner überstürzten Flucht zurückgelassen. Er hofft, in Boston für eine Weile untertauchen zu können, bis Gras über die Sache gewachsen. Mit Hilfe eines Ehepaars, die sich für die Emanzipation der Afroamerikaner einsetzen, bekommt er die Stelle als Hausdiener bei den Coughlins und lernt dort auch irgendwann Danny kennen, der zum Leidwesen seiner Familie seine Wohnung im italienischen Viertel nicht aufgeben will und nur gelegentlich zu Besuch kommt. Trotz aller Unterschiede freunden sich die beiden an, was in einem von Rassenschranken durchzogenen Boston jener Jahre für beide nicht ohne Risiko ist. Als Danny seine Undercoverarbeit aufgibt und wieder zum Streifendienst zurückkehrt, hat er seine Meinung zu Gewerkschaften geändert und beginnt, sich für seine Arbeitskollegen einzusetzen. Ein Wechsel an der Spitze des Präsidiums treibt die Konfrontation zwischen Stadt und Polizisten voran, Streik liegt in der Luft ...



    Meine Meinung: Vorweg noch der Hinweis, daß es noch einen weiteren Erzählstrang gibt, der bei weitem nicht so prominent wie jene um Danny und Luther ist, aber als Kontrast eine wichtige Funktion erfüllt. Dieser dreht sich um die Baseball-Legende Babe Ruth, und wer (wie ich) keine Ahnung von Baseballregeln hat, sollte sich vor der Lektüre vielleicht ein bißchen Grundwissen anlesen (mir hat der entsprechende Wikipedia-Artikel gereicht). Es ist zwar vermutlich fürs Verständnis insgesamt nicht unbedingt entscheidend, aber man hat mehr davon, wenn man zumindest ungefähr ahnt, von was die Rede ist. Babe Ruth gerät nur vereinzelt in Berührung mit den Protagonisten des Romans und mit ihren Sorgen und Problemen, und wo er das tut, versteht er sie kaum, auch wenn er selbst aus einfachen Verhältnissen stammt. Seine Sorgen drehen sich um den nächsten Vertragsabschluß, bei dem noch ein paar tausend Dollar rauszuholen sind. Damit bewegt er sich in einer völlig anderen Welt als die am Hungertuch nagenden Polizisten, aber wie gesagt: gerade diese Kontrastfunktion ist wichtig.


    Die Hintergründe des Polizeistreiks sind, soweit ich das andernorts nachgelesen habe, richtig und gut verpackt, wie auch historische Persönlichkeiten nicht zu aufdringlich integriert sind. Überhaupt liest sich die ganze Geschichte sehr abwechslungsreich, wozu die verschiedenen Milieus, in denen man sich hier bewegt, nicht wenig beitragen. Danny wohnt wie gesagt im Italienerviertel, seine Eltern in einem der besseren Viertel, man lernt den Hafen und ein paar Spelunken, heruntergekommene Polizeireviere und ähnlich attraktive Orte kennen. Die Polizisten stammen fast alle aus irischen Familien, dann gibt es Dannys italienische Nachbarn und Luther bewegt sich in Kreisen, die mit Dannys Lebenswelt keine Berührung haben und schon erst recht nicht mit der von Dannys Eltern. Dazu kommen die Vertreter der offiziellen Gewerkschaften und ein buntes Sammelsurium von Spinnern und tatsächlichen Anarchisten. Das alles rührt Lehane recht geschickt und stimmig zusammen. Allerdings hatte ich auf gefühlt jeder zweiten Seite den Eindruck, daß hier auf eine Verfilmung hin geschrieben wurde, laut genug danach rufen jedenfalls hinreichend Szenen. Das ist gar nicht mal negativ gemeint, sondern vor allem Ausdruck dessen, daß Lehane hier gute Bilder geschaffen hat – ich mußte, auch wenn das eine spätere Zeit und wiederum ein anderes Milieu betrifft, zwischendurch öfter an den Film Hoffa denken. Für ein paar unterhaltsame Lesestunden mit einem für mich neuen historischen Hintergrund angereichert mit Familienepos und Gesellschaftsporträt gibt es


    4ratten


    Schönen Gruß
    Aldawen

    Einmal editiert, zuletzt von Aldawen ()