Jochen Mai, Daniel Rettig - Ich denke, also spinn ich

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    Jochen Mai, Daniel Rettig: Ich denke, also spinn ich. Warum wir uns oft anders verhalten als, als wir wollen. München 2011, dtv Deutscher Taschenbuch Verlag, ISBN 978-3-423-24873-0, Softcover/Klappenbroschur, 382 Seiten, Format: 13,5 x 21 x 3,5 cm,
    EUR 14,90 (D), EUR 15,40 (A).


    Am Anfang war ein Gespräch unter Kollegen über den Matthäus-Effekt. Das hat nichts mit Lothar Matthäus zu tun, sondern beschreibt das Phänomen der positiven Rückkopplung: Hat ein Mensch erst einmal Erfolg, erwachsen ihm daraus häufig viele weitere Erfolgschancen. „Success breeds success“ sagen die Amerikaner dazu. Der deutsche Volksmund ist da etwas derber: „Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen“. (Im Buch findet man den Matthäus-Effekt auf Seite 341.)


    Jochen Mai und Daniel Rettig wurde bewusst, dass es eine ganze Menge solcher psychologischer Phänomene gibt, die unser Denken, Fühlen und Handeln beeinflussen, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Und so entstand die Idee, die interessantesten dieser Effekte zu einem Buch zusammenzustellen. Denn wer diese Mechanismen kennt und weiß, wie manipulierbar unsere Emotionen und Entscheidungen sind, kann die Effekte erkennen und ihnen bis zu einem gewissen Grad entgegentreten – oder sie selbst nutzbringend anwenden. Manipulation ist ja nicht grundsätzlich etwas Schlechtes.


    124 dieser psychologischen Effekte stellen uns die Autoren in ihrem Buch vor. Dass man von dem einen oder anderen Phänomen schon mal gehört hat, liegt drin. Doch es bleibt noch jede Menge zum Staunen und Wundern übrig. Die Lichter gehen einem beim Lesen gleich serienweise auf!


    Wir erfahren zum Beispiel, wieso jemand, der täglich anderthalb Stunden zur Arbeit pendelt, pro Woche einen ganzen Arbeitstag aus dem Bewusstsein verliert (Pendler-Amnesie, Seite 28.) Ein erschreckendes Experiment zeigt, dass das Böse in jedem von uns steckt. Und wie wenig es braucht, damit es zum Vorschein kommt (Luzifer-Effekt, Seite 75). Warum Männer fremdgehen und welcher Zusammenhang zwischen Intelligenz und Treue besteht, dafür ist der Coolidge-Effekt eine einleuchtende Erklärung (Seite 96).


    Wir lernen ein paar fiese Tricks aus der Giftküche der Verkaufspsychologie und wissen danach, warum wir aufpassen sollten, wenn der Verkäufer Zahlen nennt (Anker-Effekt, Seite 105) und warum wir beim Einkaufen bloß nichts anfassen sollten (Endowment-Effekt, Seite 120).


    Schade, dass man sich auf lange Sicht nicht mehr als rund 15% des Gelesenen merken kann. Das liegt am Vergessens-Effekt (Seite 164). Hier gibt es so vieles, was man unbedingt im Gedächtnis behalten möchte! Beim Begründungs-Effekt (Seite 220) könnte das klappen. Die magische Wirkung des Wörtchens „weil“ ist so absurd, dass man das fast nicht vergessen kann!


    Weitere Beispiele hier:


    Jeder, der sich in Internetforen herumtreibt, dürfte schon einmal mit dem Godwin’schen Gesetz in Berührung gekommen sein. „Es besagt, dass Online-Diskussionen (…) nur lange genug laufen müssen, bis jemand unvermeidlich einen Nazivergleich oder einen Vergleich mit Hitler einbringen wird.“ (Seite 190). Das war zwar satirisch gemeint, stimmt aber trotzdem. Doch wenn man weiß, dass diese Vorgänge zu den psychologischen Phänomenen gehören und das Kind sogar beim Namen nennen kann, sieht man das auf einmal viel gelassener.


    Manipulierbar sind wir in allen erdenklichen Situationen. Entsprechend werden in dem Buch psychologische Phänomene aus unterschiedlichsten Bereichen vorgestellt: Leben, Fühlen und Lieben … Konsumieren, Denken und Entscheiden … Lernen, Arbeiten und Kooperieren … wie wir gewinnen und wie uns die Medien beeinflussen. Dass man bei dieser Materialfülle nicht enorm in die Tiefe gehen kann, versteht sich von selbst. Die Effekte werden hier kurz und knackig vorgestellt. Wer über einzelne Punkte mehr wissen will, wird selbst recherchieren müssen.


    Nach Lektüre dieses unterhaltsamen und lehrreichen Buchs sieht man überall psychologische Phänomene und muss verflixt aufpassen, dass man nicht zum Klugschnacker wird: „Das liegt am Diderot-Effekt! “ – „Klarer Fall von Entscheidungsparalyse! “ – „Schon mal was vom TINA-Prinzip gehört?“ Das ist nicht der richtige Weg. Doch es wird mit Sicherheit Gelegenheiten geben, bei denen sich das hier erworbene Wissen auszahlt.


    Die Autoren:
    Jochen Mai, geboren 1968, ist Diplom-Volkswirt, Wirtschaftsjournalist und Leiter des Ressorts Management + Erfolg bei der „WirtschaftsWoche“. Sein Blog und Jobportal karrierebibel.de wurde 2009 mit dem Lead-Award ausgezeichnet.
    Daniel Rettig, geb.1981 in Köln, absolvierte die Kölner Journalistenschule und studierte parallel dazu Volkswirtschaft und Politik. Praktika u. a. beim ›Spiegel‹, der ›Financial Times Deutschland‹ und der „WirtschaftsWoche“. Dort arbeitet der Diplom-Volkswirt seit 2008 als Redakteur im Ressort Management & Erfolg.

  • Besten Dank für die äusserst unterhaltsame Rezi!


    Habe es gleich als Download gekauft und werde morgen mit dem Lesen anfangen - ich möchte die ganzen Effekt auch kennen lernen :smile:

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • Ich habe das Buch in den letzten Tagen gelesen und bin nicht so begeistert. Wie Vandam schon schrieb, wer tiefere Einblicke in die Materie sucht, muss zu anderem Material greifen. Dem hätte man allerdings entgegenwirken können, indem gewisse Dinge einfach weggelassen werden (siehe Kritik).


    Inhalt:
    Der Mensch verhält sich nicht immer so, wie es die Vernunft gebieten würde. Bauch und Herz steuern uns oft in eine andere Richtung als in die, die wir eigentlich einschlagen wollten. Und sehr häufig passiert diese Umlenkung erst noch im Unterbewusstsein, was es so gut wie unmöglich macht, sich dagegen zu wehren. Ausser man kennt gewisse Funktionsweisen der menschlichen Psyche und ist gleichzeitig ständig auf der Hut. Ein paar dieser psychologischen Reflexe werden im vorliegenden Buch geschildert.


    Meine Meinung:
    Auf 384 Seiten werden in diesem Buch rund 120 Effekte und Phänomene rund um die menschliche Psyche beschrieben. Es war also in erster Linie eine Fleissarbeit, die die beiden Autoren hier geleistet haben, indem sie allerhand Studien zu menschlichen Verhaltensweisen zusammengetragen (oder im Internet nachrechcheriert) und in leicht verständlicher Form zusammengefasst haben. Das haben die Autoren gut und in lockerem Ton hinbekommen, da merkt man, dass die beiden das Schreiben von kurzen, aussagekräftigen Texten gewohnt sind (es sind beide Journalisten).


    Die Kehrseite der Medaille ist, dass mir ein paar der besprochenen Phänomene zu kurz abgehandelt wurden, besonders gegen Ende des Buches franst die Qualität doch arg aus und aufgrund mangelnder Daten (oder mangelnder Recherchelust) werden die Kapitel dann bisweilen mit wenig informativem Blabla aufgefüllt. Das lässt sich zwar immer noch gut lesen, aber teilweise merkt man schon, dass da auch recherchetechnisch bestenfalls an der Oberfläche gekratzt wurde. Es kommt noch dazu, dass ich einen guten Teil der Phänomene bereits kannte, weil ich auch die Wissenschaftsseite meiner Tageszeitung lese und so manches schon detaillierter beschrieben bekommen habe.


    Allerdings haben mich die Autoren mit ein paar Effekten, die ich noch nicht kannte, auch verblüfft, besonders im Teil «Brot und Spiele», der sich vor allem um das Konsumverhalten und wie Verkäufer das Ausnutzen dreht. Da sind dann doch ein paar Dinge aufgetaucht, die mir nicht bewusst waren (und die ich mir hoffentlich merken kann, auch wenn in dem Buch an anderer Stelle darauf hingewiesen wird, wie schlecht es um die menschliche Merkfähigkeit bestellt ist).


    Insgesamt ein interessantes Buch, das ich dann und wann sicher hervorkramen werde, um nochmals Dinge nachzuschlagen. Allerdings hätte ich mir weniger Phänomene und dafür etwas längere Texte in den einzelnen Kapiteln gewünscht. Pseudo-Effekte à la Murphy's Law oder den Vorführeffekt hätte es wirklich nicht gebraucht und andere Dinge hätte man problemlos in einem Kapitel zusammenfassen können. So wird das Phänomen, dass Erfolgreiche weiteren Erfolg beinahe anziehen, während andere sich mühselig abstramplen, in der einen oder anderen Form in verschiedenen Kapiteln abgehandelt, der zusammenfassende Satz «Der Teufel scheisst immer auf den gleichen Haufen» kommt sogar zweimal vor...


    Fazit:
    Eine nette Lektüre, die mir den einen oder anderen Aha-Effekt (der ist übrigens auch beschrieben) beschert hat, aber nichts, worauf die Welt gewartet hätte.


    6 von 10 Punkten


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    Noch ein paar Bemerkungen zur Ausstattung des eBooks:
    Ich habe beim Kauf offenbar einen Fehler gemacht, indem ich zur PDF-Version des Dokuments griff. Ich war der Hoffnung, dass mir in der Version die Seuche namens DRM erspart bleiben würde. Dem war nicht so, aber das ist halb so tragisch.


    Viel enttäuschter war ich darüber, wie das PDF auf meinem Reader angezeigt wurde. Während es auf dem Notebook-Bildschirm (in Adobe Digital Editions) perfekt angezeigt wird, reissts mir im Reader die Seiten auseinander, weil gewisse Dinge offenbar zu breit für den Bildschirm sind. Dabei ist die Schrift schon sehr klein, wenn ich sie noch kleiner stellen würde, könnte ich sie nicht mehr lesen. Beim Grösserstellen der Schrift fragte ich mich dann wiederum, wo da die Abstufung bleibt. Mein Reader kennt 5 Grössenabstufungen der Schrift, von "normal" zu "gross" war beim PDF aber eher in die Kategorie von "winzig" zu "riesig" einzuordnen.


    Dass die Zeilenabstände sogar innerhalb der gleichen Seite stark variierten fand ich auch ziemlich schräg.


    Nun weiss ich nicht, ob das grundsätzlich am PDF-Format liegt und mein Reader damit Probleme hat oder ob die Datei seitens des Verlags lausig aufbereitet wurde. So schnell werde ich jedenfalls kein PDF mehr kaufen.

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.