[Iran] Abbas Maroufi – Symphonie der Toten

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    Autor: Abbas Maroufi
    Titel: Symphonie der Toten
    Originaltitel, Jahr: Samfoni-je mordegan, 1989
    Übersetzung aus dem Persischen: Anneliese Gharaman-Beck
    Verlag: Suhrkamp
    ISBN: 3-518-39384-7
    Ausgabe: Taschenbuch
    Seiten: 355



    Inhalt: Erzählt wird die Geschichte der Familie Urchani in Ardebil, im Nordiran an der Grenze zu Aserbaidschan. Der Vater Djaber Urchani, seines Zeichens recht erfolgreicher Trockenfrüchtehändler im Basar, ist ein unbeugsamer Patriarch. Weder seine Frau noch seine vier Kinder haben etwas zu sagen, mit Ausnahme vielleicht des jüngsten Sohnes Urhan, der die Geschäftstüchtigkeit des Vaters geerbt hat. Der älteste Sohn Yussof ist seit einem Unfall nur noch ein dahinvegetierendes Wesen, von dem alle hoffen, das es bald stirbt. Die Zwillinge Aidin und Aida sind dem Vater gleichfalls ein Dorn im Auge. Aida wird von ihm wegen ihrer Schönheit zur Mutter in die Küche verbannt und als sich endlich ein gut situierter Bräutigam einstellt, der sogar in Amerika studiert hat, tut er alles, diese Hochzeit zu verhindern. Aida kann sich zwar durchsetzen, wird in der Ehe aber auch nicht (mehr) glücklich und reißt damit auch ihren Bruder Aidin weiter in den Abgrund. Dieser würde gerne in Teheran an der Universität studieren, er sieht sich als Künstler und Poeten. Obwohl sein Vater zweimal seine gesamten Bücher, Gedichte und sonstigen Papiere verbrennt und ihn ins Souterrain verbannt, gelingt es ihm nicht, Aidins Willen zu brechen. Erst als er ihm das Militär auf den Hals schickt, entzieht sich Aidin. Er findet Schutz bei einer armenischen Familie und in der Tochter des Hauses, Ssurmeh, seine große Liebe. Nach der Rückkehr in sein Elternhaus, vor allem der Mutter zuliebe, die ihn am meisten von ihren Söhnen liebt, und unter dem störenden Einfluß zunächst noch des Vaters, später des jüngeren Bruders, der die Familiengeschäfte allein kontrollieren will, verfällt Aidin zunehmend dem Wahnsinn. Urhan wird durch die Mutter oft gezwungen, den Bruder zu suchen, wenn dieser wieder irgendwo „verlorengegangen“ ist. Und auch nach ihrem Tod kann sich Urhan von dieser Verpflichtung nicht freimachen, was ihn an einem kalten Wintertag zu einem langen Gang zu einem weit außerhalb der Stadt gelegenen Teehaus veranlaßt, ohne entsprechende Vorkehrungen gegen die Witterung und für die rechtzeitige Rückkehr getroffen zu haben.



    Meine Meinung: Angesiedelt ist das Ganze in den 1940er bis 1970er Jahren, das läßt sich aus mancherlei Hinweisen zu außeriranischen Begebenheiten ableiten. Ich glaube schon, daß ich die Familiengeschichte einigermaßen richtig zusammengepuzzelt habe, aber leicht macht es Maroufi seinen Lesern nicht gerade. Passend zum Buchtitel sind die Abschnitte des Romans als „Sätze“ bezeichnet und mit jedem wechselt die Erzählstimme. Innerhalb dessen, vor allem im ersten und vierten „Satz“, die vornehmlich Urhans Perspektive beinhalten, wechselt auch gerne schon mal die Erzählperson vom Ich- zum Er-Erzähler und zurück, von den Vor- und Rücksprüngen in der Zeit und rapiden, unmarkierten Ortswechseln dabei noch gar nicht zu reden. Daß man trotzdem nicht völlig den Überblick verliert, liegt – denke ich – vor allem an zwei Aspekten. Zum einen wiederholt Maroufi häufig Situationen aus verschiedenen Perspektiven, so daß man ein kompletteres Bild bekommt. Zum anderen ist die Struktur dieser Kain-und-Abel-Geschichte in ihrer Grundkonzeption von Beginn an ziemlich klar, es geht also vor allem um die konkrete Ausgestaltung und das Innenleben der Charaktere, das man sich in aus den ganzen Dissonanzen (Harmonien sucht man eher vergeblich) erarbeiten muß.


    Während ich Urhan als Charakter mit seinen Motiven noch gut verstehen konnte, fiel mir dies bei Aidin schon deutlich schwerer. Vor allem die Gründe für seinen geistigen Verfall wurden mir nicht klar genug, die angebotene Erklärung schien mir etwas zu mystisch. Am wenigsten ist mir jedoch der Vater verständlich. Warum er sich so gegen die Ehe Aidas sträubt, habe ich nicht nachvollziehen können. Er mag sehr traditionsbewußt sein, aber die Tatsache, daß der Schwiegersohn in Amerika studiert hat, dürfte trotzdem kein hinreichender Grund sein. Und auch wenn Aidin der ältere der beiden verbliebenen Söhne ist, nachdem Yussof als Erbe ausfällt, so habe ich auch nicht verstanden, warum Djaber sich so gegen Aidins Wunsch nach einem Studium und seine Schreiberei gewehrt hat. Schließlich stand mit Urhan schon ein williger und fähiger Nachfolger bereit. Vielleicht muß man mehr über die Familienstrukturen, kulturellen Bedingungen und Traditionen im Iran wissen, um hier wirklich folgen zu können.


    Insgesamt bleibt so für mich ein zwar sehr kunstvoll komponierter und durchaus auch soghaft formulierter Roman, aber ein bißchen weniger kunstvoll komponiert und ein bißchen klarer in der Darstellung hätte mir dann doch besser gefallen, simpel hätte es deswegen noch lange nicht werden müssen.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


    Schönen Gruß
    Aldawen

  • Ich breche dieses Buch nach 80 Seiten ab. Warum? Weil ich inzwischen so genervt von diesem Buch bin, dass jede weitere Seite Gefahr laufen würde, statt gelesen frustriert zerknüllt zu werden. Nicht, weil auf diesen Seiten kaum etwas passiert, sondern weil munter durch verschiedene Zeiten gesprungen wird und ich die Protagonisten nicht auseinanderhalten kann. Ich bin mir noch nicht mal sicher, ob ich es mit einem Erzähler der ersten oder der dritten Person zu tun habe, weil sich das von Satz zu Satz ändern kann. Ohne Aldawens Erläuterungen hätte ich nicht gewusst, ob es neben den Brüdern Aidin und Urhan noch einen dritten Bruder, Ssoudji, gibt, oder ob das ein Beiname Aidins ist.


    Ich habe momentan einfach nicht die Ruhe und Geduld, einem roten Faden nachzujagen, den es nicht gibt. Außerdem ist es schade um jede Minute, die ich mit diesem Buch verbringe statt mit einem Buch, das mich zu begeistern vermag.


    Viele Grüße
    Breña

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges