Hanns-Josef Ortheil - Die Erfindung des Lebens

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    Hanns-Josef Ortheil - Die Erfindung des Lebens
    Gelesen vom Autor. Länge 7:53 Std.
    (Ich habe die - wohl leider gekürzte - Audible-Fassung gehört.)


    Die Erfindung des Lebens ist doch tatsächlich das erste Hörbuch, das ich vollständig, vom Anfang bis zum Ende gehört habe. Alle anderen, die ich besitze, habe ich irgendwann mal angefangen und wieder abgebrochen oder einfach noch nicht weitergehört. Denn eigentlich bin ich gar nicht der Hörbuch-Hörer. Ich lese lieber selbst, als dass mir vorgelesen wird. :zwinker:


    Aber mit der Erfindung des Lebens war das anders. Dieses Hörbuch hat mich gepackt. Nicht nur, dass die Geschichte, die da erzählt wird, Ortheils eigene Geschichte, die Erzählung seiner Kindheit ist. Nein, er liest sie auch selbst vor, und so hatte ich ihn ständig vor Augen und wusste: Der spricht über sich selbst.


    Die Erzählung beginnt mit der frühen Kindheit des jungen Hanns-Josef (oder Johannes, wie er im Buch heißt). Aufgewachsen als Einzelkind, erfährt er erst spät, dass er eigentlich das fünfte Kind seiner Eltern ist: Vier seiner Brüder waren entweder Totgeburten oder sind während des Zweiten Weltkriegs gestorben. Seine Mutter war nach dem Tod des vierten Jungen dermaßen traumatisiert, dass sie ihre Sprache verloren hat und fortan stumm war. Als dann aber doch noch ein fünfter Sohn, nämlich Johannes/Hanns-Josef, zur Welt kam, wuchs dieser zu Hause bei der stummen Mutter auf, mit der Folge, dass auch er verstummte und bis zu seinem siebten Lebensjahr nicht sprach.


    Während der Vater, der sich liebevoll um seine Familie kümmert und den Alltag managt, tagsüber seinem Beruf als Landvermesser nachgeht, verbringen Mutter und Sohn ihre gemeinsame Zeit stumm nebeneinander. Jegliche Kommunikation zwischen den beiden erfolgt stumm und ohne Worte. Erst als ein Klavier, ein Erbstück, in die Wohnung geschafft wird, eröffnet sich für den kleinen Johannes die Welt der Musik. Er lernt schnell und spielt bald sehr gut Klavier und entdeckt, dass die Musik ein Weg ist, sich auszudrücken und bemerkbar zu machen.


    Durch die Fürsorge des Vaters schließlich findet der Junge im Alter von sieben Jahren bei einer zufälligen Gelegenheit wieder zur Sprache - und lässt sie fortan nicht mehr los. Sobald er lesen und schreiben kann, beginnt er, die Welt um sich herum in Worte zu fassen. Schon als Kind verfasst er tägliche Aufzeichnungen und Notizen, schreibt Hefte und Kladden voll und macht sich so die Welt um ihn herum verständlich und begreifbar.


    Der Junge wächst heran, entwickelt sich zu einem hoffnungsvollen Talent am Klavier und hat sogar eine aussichtsreiche Karriere als Konzertpianist vor sich. Doch als dieser Traum wegen einer Verletzung platzt, ist er am Boden zerstört. Erst sein alter Klavierlehrer, der von seiner Leidenschaft für das Schreiben hört, kann ihn wieder aufbauen: Auch wenn Johannes seine Pianistenkarriere an den Nagel hängen muss, so hat er doch gewiss eine Zukunft als Schriftsteller vor sich. Der Rest ist Geschichte...


    Die zweite Ebene der Erfindung des Lebens ist eine Parallelhandlung, die zur Zeit der Niederschrift des biografischen Teils der Geschichte spielt, die mich jedoch bei weitem nicht so mitgerissen hat wie die Geschichte der Kindheit. Der erwachsene Autor sitzt in Rom und blickt zurück auf sein Leben, während er gleichzeitig eine Nachbarin kennen- und lieben lernt. Die Nachbarin hat eine Tochter, die zufälligerweise ebenfalls ein junges Talent am Klavier ist. Er gibt ihr Unterricht und verbessert ihr Spiel und erlebt durch sie noch einmal seine alte Zeit als Klavierspieler. Das ist, wie gesagt, längst nicht so interessant wie der autobiografische Teil des Buches, schmälert den Gesamteindruck aber dennoch keineswegs.


    Mir hat die Geschichte sehr gefallen. Hanns-Josef Ortheil ist ohnehin mein Autor der Stunde. Ich habe ihn erst in diesem Jahr für mich entdeckt und bin momentan dabei, möglichst viel von ihm in die Finger zu bekommen. Nicht zuletzt in Interviews und in einer Fernsehdokumentation über ihn, sein Leben und seine Arbeit ("Ortheils Oasen oder Wer schreibt, lebt") hat er mich sehr für sich eingenommen.


    Und wie Hanns-Josef Ortheil verrät, schreibt er auch heute noch jeden Tag in seine Notizbücher und besitzt mittlerweile tausende (!) von Kladden und Heften, die er schon gar nicht mehr in seinem Haus unterbringen kann und stattdessen auslagern muss. In diesen Kladden befindet sich quasi die Dokumentation seines kompletten Lebens. Faszinierend.


    Das Hörbuch und die Geschichte bekommen von mir 4ratten