Ich bleibe beim Vorgeplänkel ...
Frühjahr 1613. Wir begleiten das junge (großelterliche) Paar zurück in die pfälzische Heimat, wo ihm in Heidelberg ein festlicher Empfang bereitet wurde. Friedrich hatte eine schwierige Position, er war der Führer der Protestantischen Union, die unter der Herrschaft seines Vaters gegründet wurde, war ab 1619 König von Böhmen und tummelte sich die nächsten Jahre auf den Schlachtfeldern des Dreißigjährigen Krieges, während seine Gattin Elisabeth bald nach Ausbruch des Krieges ins Exil nach Den Haag ging. Schon in der Pfalz, aber auch und erst recht im fernen Den Haag zeigte sich die Fruchtbarkeit des Paares, und Elisabeth gebar insgesamt dreizehn Nachkommen, unter ihnen Karl Ludwig, der spätere Vater von Liselotte, sowie Sophie, die spätere Tante von Liselotte und Mutter des künftigen Königs Georg I. von Großbritannien.
Nach dem Tod seines Vaters 1632 wurde der erst 15jährige Karl Ludwig neues Oberhaupt seiner Familie, erlebte aber den Dreißigjährigen Krieg hauptsächlich aus der Ferne, da er aus der umkämpften Pfalz nach London zu seinem Onkel Karl I. geflüchtet war.
Nach dem Westfälischen Frieden von 1648 kehrte Karl Ludwig zurück nach Heidelberg und sorgte in den folgenden Jahren dafür, dass seine im Krieg verwüstete Heimat wieder aufgebaut wurde. Er beschloss zu heiraten, und im Jahre 1650 gab es die nächste pompöse Hochzeit, diesmal zwischen Karl Ludwig und seiner ersten Frau, Prinzessin Charlotte von Hessen-Kassel, der Tochter des Landgrafen Wilhelm V. von Hessen-Kassel und Amalie Elisabeth von Hanau-Münzenberg. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor, unter ihnen unsere Liselotte.
Die Ehe zwischen Karl Ludwig und Charlotte stand unter keinem guten Stern. Laut Sophie, der jüngeren Schwester von Karl Ludwig, die ein paar Jahre im Haushalt ihres Bruders lebte, war Charlotte von schwierigem Charakter. Die Ehe ging bald in die Brüche, Karl Ludwig heiratete zum zweiten Mal, Louise von Degenfeld, die weitere dreizehn Nachkommen gebar, und wohnte nun mit beiden Frauen, die einander nicht leiden konnten, unter einem Dach, was erwartungsgemäß nicht lange gut ging. Die Stimmung war mies, und Sophie, die Lieblingstante Liselottens, die sich rührend um ihre kleine Nichte kümmerte, beschloss, Reißaus zu nehmen, einen Mann zu heiraten (1658 Ernst August von Hannover), ihrer Mutter, Königin Elisabeth von Böhmen, in ihrem Exil in Den Haag einen längeren Besuch abzustatten und die damals siebenjährige Liselotte kurzerhand zu deren Großmutter mitzunehmen, damit sie sich von der aufgeladenen Stimmung in ihrem Elternhaus erholen kann (ich verkürze hier etwas).
Dort lebt das Kind auf, versteht sich blendend mit ihrer Großmutter, die einen Narren an ihr gefressen hat, ihr ein kleines Hündchen schenkt und sie am liebsten ständig um sich herum haben möchte, spielt ausgelassen mit dem eineinhalb Jahre älteren Wilhelm III. von Oranien, dem zukünftigen König von England, und bekommt von ihrer Erzieherin den Spitznamen „dolle Hummel“ verpasst.
Aus dieser Zeit stammt auch ein undatierter Brief, den Liselotte an ihren Vater schickt und in dem sie begeistert von ihren Erlebnissen bei ihrer Großmutter berichtet – der erste erhaltene Brief einer Prinzessin, die mindestens 60.000 solcher Schreiben verfassen sollte.
Ich zitiere mal den Anfang des Briefes (vermutlich vom 23. November 1659):
„Hertz libster Papa. Ich glaube I. G. werden von matanten schon vernommen haben, das wir gesunt sein hir vor acht tagen angekommen. I. M. die konigin ist mir gar gnedich, hatt mir auch schon ein huntgen geschenket; morgen werde ich einen sprachmeister bekommen, der dantzmeister ist schon 2 mall bei mir gewesen; matante sacht, wen imant hir ist, der woll singen kan, sol ich auch singen lernen.“
Das ist alles ganz toll geschildert, ich lese mit großem Vergnügen und bin gespannt, was mich auf dem Lebensweg unserer jungen Madame noch erwartet.
To be continued ... 