Elisabeth Reichart - Die unsichtbare Fotografin

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    Die Fotografin Alice reist, teils aus beruflichen, teils aus persönlichen Gründen, um die Welt. Die Handlung tritt hinter Gesprächen oder Gedankenfetzen zurück. Ein Ereignis aus Tokio taucht immer wieder auf, aber auch Reflektionen zu ihrem Beruf als Fotografin bzw. zu künstlerischen oder gesellschaftskritischen Aspekten der Fotografie. Bestimmend sind jedoch die persönlichen Beziehungen.


    Die Protagonistin und Erzählerin Alice wird charakterisiert über die Personen, mit denen sie sich umgibt. Natürlich teilt sie auch eigene Gedanken, ist allerdings erschreckend unreflektiert, wenn es um sie selbst geht. Doch darüber, welche Personen sie in ihr Leben lässt und wie sie sich von ihnen behandeln lässt, erfährt man auch manches über sie. Selten sind es ausdrucksstarke Momente, wie etwa die Erinnerung an die ständig abwesende, hinter einer Tür weinenden Mutter und den Entschluss, nie sesshaft zu werden, nie Mutter, nie Hausbesitzerin. Meist sind es indirekte Beobachtungen, z.B. wie sie sich seit der Kindheit von ihrem Bruder Bob nieder machen lässt und er trotzdem ihre Hauptbezugsperson ist und sie bedingungslos zu ihm steht. Überhaupt wählt sie Personen als Freunde oder Liebhaber, die sie zu Ratgebern und Mentoren erhebt, die sie allerdings ausnutzen, um sich selbst besser zu fühlen, oder für ihr eigenes Vorwärtskommen instrumentalisieren. Der Fotograf James bildet eine Ausnahme; zwar versucht er ihr einen anderen künstlerischen Weg einzureden, doch er ist selbst so gefestigt in seiner Persönlichkeit und seinen Ansichten, dass er sie nicht erniedrigen muss, um sich besser zu fühlen. Leider hat er nur kurze Momente innerhalb der Geschichte. Im Wesentlichen ist ihr Leben von egozentrischen Männern und labilen Frauen bestimmt.


    Auch die gewünschte Wirkung ihrer Fotografie ist aussagekräftig: Sie möchte Verborgenes aufdecken und Wahrheiten ablichten, während sie sich selbst hinter der Kamera versteckt, unsichtbar bleibt. Seltsam nur, dass sie in erster Linie als Architektur- und Landschaftsfotografin ihr Geld verdient. Hin und wieder nimmt sie Straßenszenen auf, wobei sie jedoch die Gesichter von Menschen tunlichst vermeidet. Oder sie fotografiert auf deren Bitte ihr nahestehende Personen. Natürlich werden diese Bilder alle sagenhaft gut und sind ein Blick in die Seele des Abgelichteten, blabla. Alice beherrscht also verschiedene Arten der Fotografie meisterhaft.


    Schon am Anfang hat mich eine wesentliche Prämisse innerhalb der Geschichte maßlos geärgert: Alice fotografiert in China (angeblich?) etwas, was sie besser nicht dokumentiert oder auch nur gesehen hätte. Dies geschieht während einer nächtlichen Aktion, sie nimmt nicht richtig wahr, was um sie herum geschieht, hat Angst und ist verwirrt. Sie weiß noch nicht mal genau, was sie durch den Sucher der Kamera sieht und ablichtet, ihr Blickfeld ist dunkel und verwackelt. Und dennoch, als kurz darauf erschreckende Fotos auftauchen, werden diese von einer Handvoll Personen sofort ihr zugesprochen. Von ihrer Agentin, einem Mentoren, ihrem Bruder - sie alle sind überzeugt, unverkennbar ihren Stil erkennen zu können. Und das, obwohl sie einfach nur die Kamera in eine Richtung gehalten und wahllos den Auslöser gedrückt hat. Was sagt das über ihre meisterhaften Fotografie aus?


    Viele Passagen des Buches enthalten leere Diskussionen voller Plattitüden, meist von Künstlern: Von der orientierungslosen Fotografin, dem Schriftsteller mit Schreibblockade, dem Musiker ohne Töne, dem schwermütigen Portraitfotografen, aber auch der fatalistischen Physikerin.


    Einige Male dachte ich daran, das Buch abzubrechen, weil es noch skurriler wurde, noch konstruierter. Weil nur noch mehr absurdes Leid hinzu kam.



    Während des Lesens habe ich oft ungläubig den Kopf geschüttelt, nun im Rückblick frage ich mich, warum ich tatsächlich bis zum Ende gelesen habe.


    :flop:

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges

  • Natürlich werden diese Bilder alle sagenhaft gut und sind ein Blick in die Seele des Abgelichteten, blabla.

    An dieser Stelle bemerkte ich Deine nachlassende Motivation zum Abfassen dieser Rezi, die für einen Buchflop dennoch erstaunlich lang geworden ist. ^^

  • Natürlich werden diese Bilder alle sagenhaft gut und sind ein Blick in die Seele des Abgelichteten, blabla.

    An dieser Stelle bemerkte ich Deine nachlassende Motivation zum Abfassen dieser Rezi, die für einen Buchflop dennoch erstaunlich lang geworden ist. ^^

    Naja, irgendwie fällt es mir leichter, mich in einer Rezi über ein Buch zu ärgern... Und Reichart hat mir viele Ansatzpunkte geliefert, irgendwo musste ich abkürzen. :breitgrins:

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges