Hallo zusammen
Jaqui hat in einem anderen Thread ein interessantes Posting (mit einem lesenswerten Link) verfasst. Da uns die Thematik in den nächsten Jahren garantiert noch beschäftigen wird, scheint mir ein eigener Thread sinvoll.
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Verkommt der Buchmarkt dank eBooks zu einem Einheitsbrei, wie Autoren befürchten: http://www.orf.at/stories/2131874/2131875/
Denn Reader können, je nach Art und Marke, einiges aufzeichnen: "Wie lange braucht der Leser für das ganze Buch? Wie oft macht er Pause bzw. wo wird am häufigsten abgebrochen? Wird es ein zweites Mal gelesen? Wo und wie oft werden Notizen eingetragen oder Passagen an Freunde weitergeleitet? Welche Stichwörter werden bei der Suche nach neuer Lektüre verwendet?"
Mein Reader hat kein WLAN, zahlreiche andere dagegen schon.
Kritiker befürchten daher eine „Vermassentauglichung“. Verlage könnten ihre Autoren unter Druck setzen Passagen massentauglich zu schreiben, damit sie verkauft werden. Einige Verlage wehren sich aber auch dagegen: „Wir kürzen ‚Krieg und Frieden’ nicht, nur weil einige Leute es nicht zu Ende gelesen haben."
Bei Klassikern wird es sicher nicht dazu kommen, aber bei aktuellen Büchern kann ich mir so einen Eingriff schon vorstellen. Immerhin wollen die Verlage was verkaufen.
Und noch ein interessanter Satz findet sich in dem Artikel: So ist das Bestsellerdasein von „50 Shades of Grey“ weniger der packenden Geschichte zu verdanken als vielmehr der Tatsache, dass sich dank E-Books auch erotische Bücher überall und völlig unerkannt lesen lassen.
Katrin
Ich stehe der Idee, die hinter diesen Auswertungen steckt, positiv gegenüber. Und zwar nicht, weil ich gerne Einheitsbrei lese, sondern weil es tatsächlich eine Chance wäre, die Qualität von Büchern zu verbessern. Zumindest im nicht-hochliterarischen Sektor, wo die Autoren mehr Künstler als Handwerker sind und sich sowieso von niemandem was vorschreiben lassen. Massentauglich muss nicht gleich schlecht sein, im Gegenteil... abgesehen davon würde zu uniforme Schreiberei abgestraft, die Bücher würden (trotz perfekter Länge und Wortwahl) in den Regalen liegen bleiben.
Das zeigt sich beispielsweise bei Medienmitteilungen, die von PR-Profis so verfasst werden, dass die Erwartungen des Journalisten erfüllt werden: Das Wichtigste steht zuerst, sie ist so kurz wie möglich und verständlich formuliert. Trotzdem liest kein Journalist das Zeug gern, weils immer dasselbe ist (Stichwort Textbausteine) und mans dann doch noch auseinander nehmen und umformulieren muss. Während Journalisten nicht drum herum kommen, diese Texte zu lesen, siehts bei den Buchlesern doch etwas anders aus.
Trotzdem bin ich sehr skeptisch gegenüber der Datenauswertung. Aus dem simplen Grund, dass ich den Verlagsmenschen schlicht nicht zutraue, aus einem Wust von Daten die richtigen Schlüsse zu ziehen. Lektoren sind keine Analytiker und Analytiker sind keine Lektoren. Und man braucht zwingend beide Fähigkeiten, um Readerdaten interpretieren zu können, vor allem bei nicht eindeutigen Fällen. Beispiel: Wenn von 100 Lesern 20 ein Buch nach dem fünften Kapitel abbrechen, dann kann man davon ausgehen, dass dort irgendwas nicht stimmt. Wenns aber nur 5 Leser sind, die dort abbrechen, 7 nach Kapitel sechs, 3 in der Mitte von Kapitel sieben und fünf nach Kapitel acht - tja, dann finde mal den Fehler... Die Interpretation "der ganze Mittelteil ist Mist" wäre schnell bei der Hand, aber wahrscheinlich nicht richtig, weils ja immer noch 80 Leser gibt, die zu Ende gelesen haben...
Man könnte jetzt denken, dass deshalb nur bei ganz eindeutigen Fällen irgendwelche Rückschlüsse für die Zukunft gezogen werden (was ja auch sinnvoll wäre). Allerdings würde ein Verlagsmanager (dessen Lohn evtl teilweise vom Umsatz abhängt) bei einer Abbruchquote von 20 Prozent nervös genug, um von seinen Untergebenen ein Handeln zu fordern. Und diese würden dann - in aller Unschuld und damit der Chef zufrieden ist - irgend etwas in die Daten interpretieren und schon haben wir den Salat.
Kommt noch dazu, dass es für die meisten Verantwortlichen schwer zu begreifen sein dürfte, dass solche Daten erst in einer grossen Masse eine gewisse Aussagekraft haben. Wenn du ein Buch 30000-mal im Print verkaufst und 2000-mal als eBook kannst du es im Prinzip vergessen, von diesen 2000 auf die anderen 30000 schliessen zu wollen - zumal du noch das Problem hast, dass Leser mit Readern nicht mit Print-Lesern zu vergleichen sind. Auch wenns da natürlich eine grosse Schnittmenge gibt - aber ein Leser mit Reader ist nunmal ein Vielleser oder - im selteneren Fall - ein Mensch, der einfach jedes Gadget besitzen muss. (Und Leute, die auf Multifunktionsgeräten wie Handys und Tablets lesen sind nochmal was anderes.)
Nun ja, ich lehne mich mal zurück, lasse Daten sammeln und schaue, was dabei rauskommt.