Edi Graf (Hrsg.) - Weihnachda auf Schwäbisch – Geschichten und Verse

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    Edi Graf (Hrsg.) Weihnachda auf Schwäbisch – Geschichten und Verse, Tübingen 2012, Silberburg-Verlag, ISBN 978-3-8425-1220-7, Hardcover, 199 Seiten, mit zahlreichen zweifarbigen Illustrationen von Uli Gleis, Hardcover, Format: 21 x 14,4 x 2,4 cm , EUR 14,90.


    „Em Stall von Bethlehem isch gwea,
    Wo s Jesuskend im Straoh isch glea,
    E Fuaterkrippe griicht als Bett,
    Dromrom hots Küah ond Ochse ghet.“

    (Kurt Dobler, Seite 158)


    Fast 90 schwäbische Gedichte, Liedtexte und Geschichten zum Thema „Weihnachtszeit“ hat der Herausgeber Edi Graf hier zusammengetragen. Gereimtes und Ungereimtes, Traditionelles und Neues, Anrührendes, Kritisches und Brüllkomisches, verfasst von Freizeitautoren und von Profis. Es geht um Winter, Schnee und Eis, um den Nikolaus, um vorweihnachtliche Traditionen und Kindheitserinnerungen, um das Weihnachtsfest an sich und um die Legende von den Heiligen Drei Königen.


    Jetzt ist der Schwabe ja nicht für viele Worte und Romantik berühmt, sondern eher dafür, dass er eine Sache mit wenigen Worten gnadenlos auf den Punkt bringt. Demzufolge hält sich die Kitschgefahr bei diesen Texten auch in Grenzen. Nur wo professionelle Songtexter schwäbischen Interpreten Weihnachtslieder auf den Leib geschrieben haben, da tropft manchmal ein bissle das Schmalz. Aber nur sparsam ... wie es sich für Schwaben gehört.


    Romantisch-nostalgisch wird’s, wenn die Kindheitserinnerungen an Advents- und Weihnachtsbräuche ins Spiel kommen. Man fühlt sich wirklich zurückversetzt in die warme Stube, in der es nach selbstgebackenen Bredle bzw. Gutsle duftet, wenn die ganze Familie friedlich beisammen sitzt. Aber natürlich waren und sind die Autoren lebenserfahren genug, um zu wissen, dass auch einiges schiefgehen kann, wenn sich die gesamte Sippe in der guten Stube drängt:


    „Oms Kripple ondrem Chrischbaum ’rom
    Goht d Eiseboh em Reng
    Am Heiligobed isch halt d Stub
    Für älles a wenig z’eng.“

    (Fritz Holder, Seite 160)
    Ja, und das geht dann schlimm aus. Zumindest für die Hirten in der Weihnachtskrippe ...


    Adventszeit hin, Weihnachten her: Mit den Requisiten leistet man sich keine Sentimentalitäten. Wenn sie ausgedient haben, ist es mit der Herrlichkeit vorbei:


    „Ond da Adventskranz trait ma fot,
    Weil der jetz d Nodla falla lot!“

    (Rösle Reck, Seite 70)


    „Dr allerschönst Christbaum isch noch a baar Däg
    Em Stüble zum Wohna halt grausig em Wäg.
    Ond kommet d Dreikönig, no ischs höchste Zeit,
    No wird er ganz formlos zom Fenster naus keit.“

    (Margrit Höfle, Seite 182)


    Wirklich zum Schreien komisch sind die Geschichten, die aus der Perspektive kleiner Kinder erzählt werden ... Begegnungen mit dem Nikolaus, der sich entweder vor der Zeit als verkleideter Nachbar entpuppt oder über Jahre hinweg als beängstigende Schreckgestalt empfunden wird. Das Gedicht „Nikolaus-Obed“ des Rottweiler Schriftstellers Egon Rieble (Seite 40 ff) ist ein wunderbares Beispiel dafür. Sebastian Blau hat es einmal als das „schönste schwäbische Nikolausgedicht“ bezeichnet. Dem kleinen Fritz fallen beim polterigen Auftritt des Nikolaus alle seinen kleinen Sünden ein. Ob’s jetzt was mit der Rute setzt? Oder kommt er nochmal davon?


    Auch Krippenspiele haben ihre Tücken. Gnadenlos improvisiert wird in Rösle Recks Gedicht „D Herbergsuech“ (Seite 142), als der kleine Darsteller des Wirts seinen Text vergisst. „Nia meh gang i mit ’ra Goiß noch Bethlehem“ (Seite 162 ff), schwört sich der Bub, der in Hanne Zopfs Geschichte beim Krippenspiel eine Ziege in die Kirche hätte führen sollen. Recht hat er, sagt man sich als Leser ... nachdem man sich von seinem Lachanfall erholt hat.


    Ganz anders ist Sebastian Blaus meisterhaftes Gedicht „s Weggetaler Kripple“. Er verlegt die Weihnachtsgeschichte in heimische Gefilde. Wie es sich angefühlt haben muss, als arme Leute im rauen winterlichen Klima auf Herbergssuche zu sein, noch dazu mit einer hochschwangeren Frau, das konnten sich die Leute vorstellen. Ein sehr berührender Text, der nicht umsonst als der Klassiker unter den schwäbischen Weihnachtsgedichten gilt.


    Es gibt kritische Beiträge, die sich mit der Lage der Welt, dem Klimawandel und dem Konsumwahn befassen. Besonders deutlich wird in Helmut Engischs Gedicht „Z’ Bethlehem em Schopf“ (Seite 189 ff), worum es an Weihnachten eigentlich gehen sollte.


    So vielfältig wie die Texte sind auch die Variationen des Schwäbischen. Wo immer der Herausgeber die Information vorliegen hatte, hat er dazugeschrieben, woher der Autor kommt und in welcher Zeit der Text entstanden ist. Manchmal ist die Geschichte, die hinter einem Beitrag steckt, ebenso interessant wie der Text selbst. Das wunderschöne und ausgesprochen lange Gedicht „Schau Dezember“ (Seite 67) hat Edi Graf zum Beispiel einmal von seiner Vermieterin aufgeschrieben bekommen. Es beruht auf mündlicher Überlieferung, und sie hat es gerne bei Weihnachtsfeiern vorgetragen ... auswendig, versteht sich.


    Es ist kein großes Wunder, dass das Textverständnis schwieriger wird, je weiter der Autor vom Leser entfernt lebt(e) und je älter das Werk ist. Begriffe, die heute gar nicht mehr gängig sind, werden dankenswerterweise kurz erklärt. Ein wenig geübt sollte man schon im Dialekt-Lesen sein, sonst hat man nicht so viel von dem Vergnügen.


    Wenn man sich in die Dialektvarianten eingelesen hat, kann es vorkommen, dass man auf einmal die Stimme eines Bekannten im Ohr zu haben meint, der genau aus dieser Region stammt. „Ach“, hab’ ich mir so manches Mal gedacht, „wenn mir das jetzt die Luzia/die Traudl/der Schorsch vorlesen könnte, das wär’ schön!“


    Hat man ein Publikum, das dem Dialekt und der schwäbischen Direktheit gegenüber aufgeschlossen ist, findet man hier sicher auch so manches, das sich zum Vortragen eignet. Es muss ja nicht gerade das Adventsgedicht sein, das der Großvater dem Enkel in Toni Lauerers und Edi Grafs Geschichte „Weihnachten em Schwäbischa Wald“ (Seite 77) beigebracht hat:
    „Adpfend, Adpfend, da Williams brennt,
    trinksch oin, no zwoi, no drei ond vier,
    no hauts de mit em Grend an d’Tür.“


    Der Herausgeber
    Edi Graf, Jahrgang 1962, stammt aus Friedrichshafen. Er studierte in Tübingen und ist heute freier Redakteur und Moderator. Als Autor verfasst er Reiseführer, Kriminalromane und Hörspiele. Er moderiert unter anderem die schwäbischen Adventskonzerte in Bad Urach, bei denen die Idee zu diesem Buch entstand. Er lebt mit seiner Familie in Rottenburg am Neckar.