Heimito von Doderer - Ein Mord, den jeder begeht

Es gibt 1 Antwort in diesem Thema, welches 3.428 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von yanni.

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    Erzählt wird die Lebensgeschichte von Conrad Castiletz, dem Sohn eines wohlhabenden Kaufmanns aus der Textilbranche. Im Grunde verläuft die Kindheit eher unspektakulär, Conrad ist ein mittelmäßiger Schüler und auch ansonsten nicht weiter auffällig. Allerdings ist er recht gutaussehend und hat somit auch ziemlich bald ein paar Abenteuer, die aber - auch durch das Einwirken von Conrads Lehrmeister in Lebensdingen, Albert Lehnder - eher Geplänkel bleiben. Späterhin wechselt Conrad in die Industrie und wird Assistent des Direktors in einer Textilfabrik. Eine glänzende Zukunft scheint vor ihm zu liegen, als er seine zukünftige Frau kennen lernt, deren Schwester vor acht Jahren einem Raubmord zum Opfer gefallen ist, der bis zum Tage der Handlung nicht aufgeklärt werden konnte. Nach der Hochzeit zeigt sich, dass Conrad sich immer mehr mit diesem Mord und der toten Schwester seiner Frau im Allgemeinen beschäftigt. Der Zufall bringt ihn in Kontakt mit dem Kriminalinspektor, der seinerzeit die Untersuchungen im Mordfall Louison Veik leitete. Von hier an ist es für Conrad klar: Er selbst wird den Mordfall an seiner Schwägerin aufklären.


    Dieser frühe Roman Heimito v. Doderers zeigt bereits eine der stilistischen Besonderheiten dieses Schriftstellers: Ein auktorialer Erzähler folgt der Hauptfigur bis in ihre verästeltsten Gefühlsregungen, doch werden diese ebenso detailliert wie metaphorisch beschrieben, so dass die Psyche Conrad Castiletz' zwar ausgeleuchtet wird, aber dennoch wenn nicht im eigentlichen Sinne verschlossen, so wenigstens irgendwie vage bleibt. Dabei gibt es viele und raffiniert mehrdeutige Einblicke in Zwischenmenschliches sowie, damit zusammenhängend, sehr kluge Reflexionen über die Rolle von Ordnung und Ungeordnetheit im Leben.


    Interessantes Detail: Mir ist nicht so recht klar geworden, was denn nun der "Mord" ist, den angeblich jeder begeht. Der Mord an Louison Veik kann mE nicht gemeint sein, aber Heimito von Doderer ist ja der Meister der tiefgründigen Metapher und so hat man hier noch eine ganze Weile Stoff zum Nachgrübeln über den Titel. Todesfälle gibt es in dem Buch in ausreichender Menge, aber vielleicht ist auch gar kein wirklicher Todesfall gemeint, Eindeutigkeit scheint hier kaum intendiert bzw. erreichbar. Insgesamt jedenfalls ein ebenso kurzweiliges wie anspruchsvolles Lesevergnügen.

    Einmal editiert, zuletzt von fairy ()

  • Hallo Bartlebooth,


    dieses Buch habe ich noch nicht gelesen, aber es erinnert mich an "Ehe die Spuren verwehen" von Ch. Brückner.
    Eine junge Frau läuft einen Mann ins Auto und stirbt dadurch. In diesem Buch, das ich der Ich-Form geschrieben ist, begnügt sich der Mann nicht mit der Feststellung seiner Unschuld, vielmehr will er die Hintergründe dieses Vorfalls(evt. Selbstmord) erforschen. Auf der Suche nach der Vergangenheit dieser Frau lässt er sein eigenes Leben immer weiter hinter sich und dringt tiefer und tiefer in das der Frau ein. Es wird zu einem Zwang für ihn, er kann nicht mehr aufhören. Er geht sogar so weit in ihre Wohnung einzuziehen.


    Es erschien mir so, als würde er Stück für Stück sein eigenes Leben auslöschen um ihres wiedererstehen zu lassen. Das bleibt nicht ohne Spuren für sein Leben. Zwar kehrt er am Ende zu seiner Familie zurück, aber nicht mehr als der, der er einmal war.


    Vielleicht ist mit dem "Mord", den jeder begeht, eine Wendung im Leben gemeint, die man selber herbeigeführt hat. Man tötet seine alte Anschauung oder dergleichen ab.
    Da sich jeder Mensch im Laufe seines Dasein weiterentwickelt, wird er folglich alte Ansichten, Gewohnheiten etc. ablegen - auslöschen.


    gruß
    yanni