Heike Gewi - Lichtpunkte: Haiku

Es gibt 2 Antworten in diesem Thema, welches 2.921 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Svanvithe.

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    Heike Gewi ist eine wunderbare Poetin. Dass sie mit den Worten spielen kann und diese sich zu eindrucksvollen Momenten in Haiku zusammenfinden, beweist sie erneut mit der Sammlung "Lichtpunkte", in der sie ihre augenblicklichen Wahrnehmungen unter Einbeziehung des Zeitgeschehens (zweisprachig in deutsch und englisch) thematisiert.


    So kann der Leser auf den Spuren von "Krieg und Frieden"


    waffenstillstand -
    den nächsten baum besetzt
    ein schwarm kleiner grünlinge


    frieden
    in rosa schatten atme ich
    mandelblüten


    blumenfeld -
    so viele köpfe
    so viele meinungen


    wandeln, gelangt mitten hinein in den "Arabischen Frühling"


    sie lächelt,
    die welt um sie herum zerbricht
    Arabischer Frühling


    nicht angekettet -
    ich öffne meine arme
    im frühlingswind


    bekommt eine Ahnung von "Power und Stuff" in Aden, der Wahlheimat der Autorin,


    im kerzenlicht
    sich der brüder Grimm
    erinnern erinnern erinnern


    wind beugt die weide
    noch mehr zu ihrem spiegelbild
    rauhreif


    ge
    danken
    ernten


    taucht ein in "Meer und Stadt"


    abendspaziergang
    im warmen sommerlüftchen
    kehren worte zurück


    ein langer tag endet
    in der skyline der stadt
    wiegen sich boote


    stadtlichter
    keine chance
    sich ins blau zu drehen


    und findet zum Abschluss auch ein paar "Vergessene Zeilen" wieder.


    urteilsfrei
    ich starr' auf hirnteile,
    die die liebe abstellt


    wintergedanken
    das nichts, das ist
    und das nicht ist


    vertieft in lyrik
    den tag bewegen
    kalte Winde


    Die Haiku sind prägnant. Nachdenklich. Manchmal sachlich. Dann wiederum gefühlvoll. Zärtlich. Voller Leben. Nicht immer erschließen sie sich dem Leser bei der ersten Begegnung. Denn wie bei jeder Lyrik sind auch die Haiku von Heike Gewi persönliche Einblicke in ihre Welt. Und doch lassen sie Raum für eigene Interpretation und geben Gelegenheit zur Auseinandersetzung. Das Lesen regt zum Hinterfragen an, und immer wieder findet man neue Aspekte, die einem zuvor verschlossen blieben.


    Zudem ist die Gestaltung sehr gelungen und beweist Heike Gewis Kunst, wenn Buchstaben, Worte und Haiku in Bilder gekleidet über das Papier tanzen und das Auge des Lesers doppelt anregen.


    Bei meinem absoluten Lieblingshaiku...


    windstille
    für kurze zeit
    nur sein


    ... möchte ich die Zeit anhalten.


    Vielen Dank für diesen erfüllenden Lesegenuss.


    5ratten


    DAS ZITIEREN DER HAIKU WURDE VON DER AUTORIN GESTATTET!

    Das Leben ist das schönste Märchen. Hans Christian Andersen

    Einmal editiert, zuletzt von Svanvithe ()

  • Hallo Svanvithe,
    danke für die Rezi.
    Das klingt doch interessant.


    Nur der Link funzt bei mir nicht, ggf. noch mal ersetzen:

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    Mich irritiert etwas z.B. dieser Vers:

    im kerzenlicht
    sich der brüder Grimm
    erinnern erinnern erinnern


    Wenn man von der traditionellen Silbenvorgabe abweicht, was macht das Gedicht dann noch zum Haiku?
    Ist es denn nicht eigentlich nur ein kurzes Gedicht (was nicht schlecht sein muss, nur eigentlich kein Haiku ist)?


    LG von
    Keshia

    Ich sammele Kochbücher, Foodfotos und Zitate.


    <3 Aktuelle Lieblingsbücher: "The good people" von Hannah Kent, "Plate to pixel" von Hélène Dujardin und "The elegance of the hedgehog" von Muriel Barbery.

  • Hallo Keshia, danke für deinen Hinweis. An der Linksetzung arbeite ich noch, irgendwie bekomme ich das nicht so hin. Am zumindest das Bild sieht jetzt "ordentlich" aus.


    Die Frage hinsichtlich der traditionellen Silbenparameter 5 - 7- 5 hat mich, da ich selber Haiku schreibe, zunächst auch beschäftigt, allerdings bereits beim ersten Buch, das ich von Heike Gewi gelesen habe. Ich bin dann tiefer in die Materie eingestiegen und zitiere hier aus meiner eigenen Rezension zu "Haiku-Pick", dem zuvor genannten Werk:


    "Was macht ein gelungenes Haiku aus? Das Haiku ist zunächst einmal kurz und legt in der traditionellen japanischen Form einen Text vor, der in Wortgruppen von fünf, sieben und fünf Moren = Lauteinheiten gegliedert ist. Da sich die Lauteinheiten jedoch nicht ohne Weiteres auf die deutsche Sprache übertragen lassen, haben sich in der Vergangenheit freie Formen entwickelt, die in der Regel dreizeilig sind und mit zehn bis siebzehn Silben auskommen."


    Das heutige Haiku darf also traditionell oder "modern" sein. Beachten sollte man allerdings Folgendes:


    "Ein Haiku ist zudem konkret und gegenwärtig. Es thematisiert meist ein beobachtetes Geschehen, die momentane Wahrnehmung, das Erleben eines Augenblicks, oft mit Hilfe eines Jahreszeitenwortes (Kigo). Letztlich wird beim Haiku nicht alles gesagt. Das Unausgesprochene, Angedeutete, Ausgesparte ist wichtiger als das klar Ausgedrückte. Der Leser soll sich den Zusammenhang selbst erschließen."


    Habe ich dich überzeugen können?


    Liebe Grüße für ein aufregendes Lesejahr 2015!

    Das Leben ist das schönste Märchen. Hans Christian Andersen