Michael Honig - Mächtig senil. Die unglaublichen Pflegejahre des Wladimir P.

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    Korruption so weit das Auge reicht - darum geht es in diesem Buch maßgeblich. Das Setting ist ein ganz besonderes: Rußland im Jahre 2035 in einer abgelegenen Datscha. Nein, es ist keine kleine beschauliche inmitten von Birkenwäldern und sonst gar nichts. Das heißt, die Birkenwälder, die stimmen schon, aber es gibt eine gut ausgebaute Chaussee, die dorthin führt, denn diese Datscha beherbergt etwas Einzigartiges: Und zwar den greisen Wladimir Putin, den ehemaligen Ministerpräsidenten, Präsidenten und was weiß ich noch alles (Obacht: nur der kleinste Teil davon ist der Öffentlichkeit bekannt) der Russischen Föderation für lange, lange Jahre. Nun ist er nur noch ein Schatten seiner selbst, denn der alte Mann ist nicht mehr im Amt, schlimmer noch, er ist senil geworden, dement, ja geistig so umnachtet, dass er nicht einmal seine engsten Gefährten mehr erkennt. Naja, meistens. Manchmal erkennt er sie dann doch und manchmal sieht er in ihnen jemand anderen.


    Dieses Buch ist von einem englischen Autor namens Michael Honig geschrieben und das merkt man. Ich zumindest. Denn man begegnet einer ganzen Reihe von Klischees, die sowohl im Zusammenhang mit der ehemaligen Sowjetunion als auch mit Putin stehen - Vetternwirtschaft, Macht, Korruption und Korrumpierbarkeit, Gewalt, Prunk, Krieg. Sicher alles zutreffend und passend. So präsentiert sich Putin auch im Alter noch gern mit entblößtem Oberkörper, immer isn Erwartung eines Fotografen, seine umfangreiche Sammlung wertvollster Uhren - viele davon Bestechungsgeschenke - ist immer bei ihm, auch ist der greise und demente Putin umgeben von korrupten Bediensteten. die darauf hoffen, dass er möglichst lange am Leben bleibt, um sich auf mannigfaltigste Art und Weise an ihm bereichern zu können.


    Alles korrupte Typen, bis auf Putins persönlichen Pfleger Nikolaj Scheremtjew, aus dessen Sicht die Geschehnisse geschildert werden. Der mag das alles gar nicht und als es für ihn dann zu einer Notwendigkeit wird, tut er sich unendlich schwer. Bis dann... aber lesen sie selbst. Oder auch nicht.


    Denn hier wurde eine originelle Idee verarbeitet, aber ich habe mehr erwartet. Wesentlich mehr. Für mich beinhaltet ein Roman, der im Jahre 2035 spielt, auch gewisse Vorgriffe in die Zukunft, eine Fingerzeig für Spitzfindigkeit und Ideenreichtum des Autors, aber auch für seine Logik, sein Allgemeinwissen und seine Eloquenz. Nichts von all dem findet sich hier. Wenn Sie meinen, mit wahnwitzigen politischen Veränderungen auf globaler Ebene konfrontiert zu werden oder möglicherweise futuristischen technischen Konstrukten begegnen - alles Fehlanzeige. Auf diesen aus meiner Sicht durchaus wichtigen Aspekt ist Michael Honig wenn, dann nur absolut minimal eingegangen. Zudem wird immer wieder deutlich, das das alles nicht so richtig nahe dran ist an der realen Person Putin, lässt man die erwähnten Klischees und die wiederholte Auflistung seiner eroberten Gebiete mal außer acht.


    Was ich allerdings - soweit ich es beurteilen kann - ganz große Klasse finde, ist die Übersetzung durch Henriette Zeltner. Schon der Titel ist einfach genial. Im Original heißt das Werk "The Senility of Vladimir P." Die deutsche Variante toppt das doch um Längen, finden Sie nicht? Und dann noch der Untertitel mit den Pflegejahren - der muss doch jedem Freund der deutschen Sprache wie Öl runtergehen!


    Dennoch: Für mich zu wenig, um einen satirischen Roman, der aus meiner Sicht auch noch erhebliche Längen hatte, uneingeschränkt genießen zu können. Aber vielleicht ist das ja auch gar nicht das Ziel des Autors! Vielleicht ist Leiden angesagt - wie man es über so manchen Untertanen dieses derzeit noch gewaltigen Herrschers hört und liest!
    3ratten

    Einmal editiert, zuletzt von TochterAlice ()