Jan Weiss - Das Haus mit den tausend Stockwerken

  • Ein Mann wacht nach einem quälenden Albtraum in einem Treppenhaus auf, das sich scheinbar vollkommen gleichförmig unendlich weit nach oben und nach unten erstreckt. Dieser Mann weiß wie er heißt - Peter Brok - aber ansonsten erinnert er sich an nichts - nicht, wie er dort hin kam, nicht was er dort tun wollte, seine Vergangenheit ist wie ausgelöscht.


    Doch schließlich entkommt er dem immer gleich aussehenden endlosen Schacht, er begegnet anderen Menschen - einem blinden Arbeiter, zu einer Nicht-Existenz und dem Warten auf den Tod verdammt - und erkennt, dass er sich in Mullerton befindet. Mullerton ist ein riesiges Hochhaus, in dem eine ganze Gesellschaft existiert, erschaffen und despotisch regiert von dem zum Gott erhobenen Ohisver Muller. Während sich in den oberen Stockwerken eine Rebellion zu bilden beginnt, erforscht Peter Brok - der aufgrund eines seltsamen Eingriffs unsichtbar ist - die Ebenen des riesigen Turmes. Er bekommt es mit Verbrechern und Mördern zu tun, rettet schöne Frauen vor dem Schicksal der Lustsklavin oder dem Krematorium, erkennt, dass die Sterne nicht wirklich käuflich sind, gerät selbst in Gefangenschaft und wird wieder befreit - und kommt bei seinen Abenteuern dem Diktator dieser auf Verbrechen und Täuschung beruhenden Welt immer näher, dessen Vernichtung er sich zur Aufgabe gemacht hat.


    Die Stockwerke von Mullerton ist strikt nach Gesellschaftsschichten geordnet, der Zugang zu bestimmten Etagen ist von Ansehen, Reichtum und der Willkür Mullers abhängig, und obwohl es dort überirdische, phantastische und süchtig machende Wunder zu bestaunen gibt, sind die Bewegggründe der Menschen doch mit jeder anderen - realen - Gesellschaft vergleichbar. Brok kommt mit Neid, Verrat, Liebe, Anbetung, Hass und Freude in Berührung und muss sich doch selbst von diesen allzu menschlichen Gefühlen ausschließen, um seine “Mission” erfüllen zu können. Nur zwischendurch, wenn ihn ein immer gleicher Albtraum überfällt, erlebt er Verzweiflung.


    “Das Haus mit den tausend Stockwerken” ist ein phantastischer Roman aus dem Jahr 1929, und man merkt ihm sein Alter an. Allzu oft ist zu bemerken, dass der Autor sich in Schilderungen der Wunder Mullertons verliert; da wird in fantastischer Farbenpracht das Panorama einer Zukunft ausgebreitet, die im technischen Bereich damals vielleicht wahrhaft utopisch anmuten konnte, deren “Wunder” im 3. Jahrtausend allerdings viel von ihrem Zauber verloren haben. Dahinter bleibt die Konzeption der diktatorischen Gesellschaft mit ihrem allwissenden Herrscher und seinem Terror zurück, erscheint teils sogar nur als Mittel zum Zweck, um Peter Broks Reise noch fantastischer, abenteuerlicher und unterhaltsamer dastehen zu lassen. Auch die Figuren machen nicht den Eindruck von wirklich lebenden Figuren, sondern haben feste, fast absurd anmutende klischeehafte Rollen zu erfüllen - die schöne Geliebte, der brutale Schläger, der hinterhältige Verräter, der kriecherische General. Da ist von echten Charaktereren oder gar von Persönlichkeitsentwicklung nichts zu spüren. Dies gilt auch und vor allem für Peter Brok, denn bis zum Ende ist nicht klar, was denn nun eigentlich Wirklichkeit und was Traum, Wahnidee oder Phantasie ist.


    Der Autor:
    Jan Weiss (1892-1972) gehörte zur Riege der bekanntesten tschechischen Autoren, ist allerdings außerhalb seines Heimatlandes nicht besonders bekannt geworden. Nachdem er zunächst seine Erlebnisse im ersten Weltkrieg in Form von Romanen verarbeitet hat, hat er sich später dem aufstrebenden Genre der Science Fiction zugewandt.

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