Leonard Bell - Der Petticoat-Mörder

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    REZENSION – Historische Krimis, die in jüngerer Vergangenheit spielen, scheinen bei Verlagen und Lesern gerade hoch im Kurs zu sein. Hier noch eine Lücke für die eigene Krimireihe zu finden, scheint schwierig, ist aber dem unter Pseudonym Leonard Bell schreibenden deutschen Autor mit seinem spannenden, zugleich unterhaltsamen Auftaktroman „Der Petticoat-Mörder“ bestens gelungen. Der 2. Weltkrieg liegt schon einige Jahre zurück. Die Schrecken des Nazi-Regimes hat man verdrängt oder will sie vergessen machen – Schwamm drüber! In West-Berlin herrscht Ende der Fünfziger Jahre eine euphorische Aufbruchstimmung.

    In dieser Zeit kommt der 23-jährige Fred Lemke als unerfahrener Quereinsteiger mit dem „zweitschlechtesten Zeugnis seines Jahrgangs“ als Kriminalassistent zur Berliner Kripo und wird gleich an seinem ersten Arbeitstag mit einem Mordfall betraut. An einem See- Ufer wurde eine männliche Leiche gefunden. Während sein wesentlich älterer und Fred ständig mit lateinischen Zitaten nervender Vorgesetzter, Kommissar Auweiler, schnell von einem Raubmord ausgeht und den Fall zügig erledigt sehen will, glaubt Fred nach Gesprächen mit der Ehefrau des Opfers, dessen Haushälterin und der Geliebten, einer wegen Erpressung vorbestraften Varieté-Tänzerin, mehr dahinter zu entdecken. Gemeinsam mit seiner nur wenige Jahre älteren Kollegin, der unnahbaren Sonderermittlerin Ellen von Stain, die mit ihm am selben Tag neu im Morddezernat begonnen hat, versucht er hinter die Geheimnisse der im Fall verstrickten Personen zu kommen, wobei er – zum Ärger seiner beamteten Vorgesetzten allzu oft seinem Bauchgefühl folgt und die Ermittlungen nach deren Meinung unnötig in die Länge zieht. Es versteht sich natürlich von selbst, dass letztlich nur Fred Lemke auf der richtigen Spur ist und – erneut zum Ärger seiner Vorgesetzten – den wahren Täter findet.

    Autor Leonard Bell setzt sich mit seinem „Petticoat-Mörder“ wohltuend von anderen „Nachkriegskrimis“ ab. Zwar beschreibt auch er die politische und gesellschaftliche Situation des gesellschaftlichen Neuanfangs in den späten Fünfzigern, in der Nazi-Verbrechen allzu leichtfertig als Befehlsausführung verharmlost wurden, NS-Beamte mit scheinbar weißer Weste wieder in den Beamtenstatus übernommen sind und unbelehrbare Alt-Nazis sich in Kameradschaften zusammenschlossen. Doch Leonard Bell verzichtet auf die gängige Schwarz-Weiß-Malerei und bedient sich nicht des Klischees, zwingend unter ihnen seine Mörder zu suchen. Mit Fred Lemke tritt bei Bell die junge, die unbelastete Generation an, für ein besseres Deutschland zu arbeiten. Doch auch Fred muss sich vor alten NS-Seilschaften hüten – nicht zuletzt in der eigenen Behörde.

    Mit seinem Fred Lemke hat der Autor eine Figur geschaffen, deren Charakterisierung als noch unerfahrener Kripo-Quereinsteiger mit wachsendem Selbstbewusstsein ausreichend Raum für folgende Romane lässt. Auch das Geheimnis um die ominöse Sonderermittlerin Ellen von Stain, die sich in der Dienststelle anscheinend alles erlauben darf, hat Fred Lemke noch nicht lüften können. Sie scheint allerdings die einzige im Morddezernat zu sein, die Freds Qualifikation als Ermittler erkannt hat und ihn unmerklich unterstützt. Wir dürfen also gespannt sein, wie sich die Karriere des jungen Kriminalassistenten Fred Lemke in Leonard Bells gut gemachter, als Feierabend-Lektüre bestens geeigneter Krimireihe weiter entwickeln wird.