Julian Fellowes - Eine Klasse für sich

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    Damian Baxter war einst ein Emporkömmling, von den Reichen und Arrivierten häufig lächelnd geduldet, aber nie so ganz akzeptiert. Vierzig Jahre später ist er Multimilliardär - und todkrank. Weil er weiß, dass er ihm nicht mehr viel Zeit bleibt, nimmt er Kontakt mit einem Freund von damals auf und bittet ihn um einen letzten Gefallen. Er soll herausfinden, ob es stimmt, was Jahrzehnte zuvor in einem anonymen Brief angedeutet wurde, nämlich dass Damian ein uneheliches Kind hat.


    Der besagte Freund (und der namenlos bleibende Erzähler) ist höchst verwundert über diesen Auftrag, ist er doch mit Damian schon seit langem zerstritten. Dennoch lässt er sich auf die Spurensuche ein und taucht bei seinen Recherchen selbst noch einmal tief ein in die Vergangenheit und all das, was ihn einst mit Damian verbunden hat: Jungsein in den späten 60er Jahren, das Aufbrechen verkrusteter Strukturen damals, als man glaubte, alles würde sich grundlegend ändern durch die 68er-Bewegung, die kleine Clique, zu der beide gehörten, die rauschenden Feste, die Flirts ... und auch die Rivalitäten, denn während der Erzähler zwar aus der Oberschicht stammt, hatte er als junger Mann doch nie das Gefühl, richtig dazuzugehören, während dem attraktiven, wortgewandten und draufgängerischen Damian die Herzen vieler Frauen nur so zuzufliegen schienen.


    Julian Fellowes, der als Drehbuchautor von "Downton Abbey" einem größeren Publikum bekannt wurde, kombiniert das Detektivspiel des Erzählers geschickt mit einem großartigen Gesellschaftsporträt und entlarvt dabei die Überheblichkeit und den Standesdünkel der Upper Class mit ziemlich spitzer Feder. Die Zeitsprünge zwischen den späten 60er Jahren und der Erzählgegenwart Ende der 2000er lassen immer wieder interessante Vergleiche zwischen den Erwartungen der damaligen Jugend und der realen persönlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen zu, und auch wenn die wenigsten Figuren wirklich sympathisch daherkommen, so übt das Buch doch eine ziemliche Faszination aus und zeigt eine in sich geschlossene, in vielem veraltete und überkommene Welt, in die man damals wie heute als Außenstehender nur schwer eindringen kann (und das nach der Lektüre dieses Romans wohl auch gar nicht mehr wollen würde).


    Ich hatte vor dem Lesen etwas Bedenken, ob ich mich da auf fast 500 Seiten gepflegte Langeweile einlasse, wurde aber ganz schnell eines Besseren belehrt. Fellowes gießt seine scharfen Beobachtungen, oft mit etwas sarkastischem Humor, in elegante Formulierungen, die Maria Andreas wirklich kongenial ins Deutsche übertragen hat - das alleine hat schon viel Freude gemacht beim Lesen, und dass die Suche nach Damians mutmaßlichem Kind buchstäblich bis zur letzten Seite spannend geblieben ist, war natürlich auch kein Fehler.


    4ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen