Bertha von Suttner: Die Waffen nieder + Marthas Kinder

  • Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Band 1 und 2 von Bertha von Suttners Familienroman, der sich vor allem um die Friedensbewegung und die Sinnlosigkeit der Gewalt im Krieg widmet.


    Die Bücher wurden 1889 und 1902 geschrieben.


    In "Die Waffen nieder" ist die junge adelige Generalstochter Martha im Blickpunkt. Sie verliert zwei Männer im Krieg, sie beschreibt auch genau was sich nach dem preußisch-österreichischen Krieg in Königgrätz abgespielt hat. Wie 40 000 Menschen abgeschlachtet wurden, nicht mal medizinisch versorgt werden konnten, sondern oft elendiglich am Schlachtfeld zugrunde gingen, oft Tage nach der Schlacht. Manche auch lebendig begraben wurden, weil zwischen Totenstarre und Wundstarrkrampf nicht unterschieden wurde.


    Es ist auch ein Portrait der Gesellschaftsstruktur, die die an der Macht waren, wollen diese um jeden Preis erhalten und andere streben danach. Wissenschaftsleugnung, Machtausdehnung, Imperialismus - Probleme mit denen wir heute auch zu kämpfen haben. Martha setzt sich auch mit der Propaganda auseinander, was Wahrheit ist und was Kriegsmarketing ist versucht sie durch komparatistische Analysen herauszufinden. Sie stellt Krieg und Humanität genauso wie Vernunft und Dogma der Kirche als zwei Gegensätze gegenüber, somit kann es keinen humanen Krieg und auch keine vernünftige Kirche geben.


    Kaiser Franz Joseph war der Inbegriff des Konservatismus und der Kriegstreiberei. Er war ja auch gegen jeglichen Fortschritt, hat Autos, Elektrizität auch moderne Architektur immer abgelehnt oder konnte Neuerungen immer nur widerwillig zustimmen. Dieselbe unflexible Art hatte die Wiener adelige Gesellschaft


    Interessant waren für mich auch die Ausführungen vom französischen König Henri IV, der bereits im 16. Jh die Idee von einer allgemeinen Abrüstung und einer Vereinigung der europäischen Mächte in einem regelmäßigen Ratssitzungen. Leider wurde der König von einem Mönch ermordet, wahrscheinlich waren seine Ideen zu innovativ. Eine Art EU im 16.JH wäre aber spannend gewesen, und auch, wie sich die Geschichte anders entwickelt hätte.


    In der 2. Hälfte des 19. JH folgte ein Krieg nach dem anderen. Der Vielvölkerstaat begann massiv zu bröckeln. Opfer sind bloße Statistik.


    Bildung für Frauen war damals schwer zu erlangen, die Gymnasien für Mädchen entstanden erst gegen Ende des 19. JH in Wien auf Initiative von Rosa Mayreder.

    Martha hat sich vieles selbst erarbeitet und erlesen. Geschichtsbücher, Philosophie, Wissenschaftsbücher u.a. "On the origin of Species" von Darwin. Schritt für Schritt ist sie aus ihrem geistigen Umfeld ausgebrochen und hat sich emanzipiert. Ihr 2. Mann Baron von Tilling, ein Offizier in der habsburgischen Armee hat sie sehr bei den Friedensinitiativen unterstützt. Nach seinem Tod hat sie diese mit ihrem Sohn Rudolf weitergeführt.


    Die große Katastrophe wird auch vorausgesagt, es war damals also schon jedem klar, dass der große Krieg folgen wird.

    Bertha von Suttner musste das nicht mehr miterleben, sie starb genau 1 Woche vor dem Attentat in Sarajevo 1914.


    Zitate: "... das ist an allen Übeln Schuld, die meisten denken nicht"

    "Gemeinsamer Hass ist auch eine Art Liebe."


    Es wird von den Greueltaten der Schlachten geschrieben, der Gründung des Roten Kreuzes nach der Schlacht bei Solferino, dem Preußisch-Dänischen Krieg, sämtliche Schlachten, die die Habsburer in Italien und auch gegen Preußen führten. Was mir völlig gefehlt hat, war der Amerikanische Bürgerkrieg, der ja zur gleichen Zeit wütete.


    Band 2:


    Das Buch ist noch reifer und aktueller als "Die Waffen nieder". Ich möchte gar nicht so viel vom Inhalt erzählen.

    Es ist die Fortsetzung vom 1. Band, aber auch der Vorgänger vom Radetzkymarsch von Joseph Roth. Die Morbidität des Systems kündigt sich an, der große Krieg liegt schon schwer in der Luft.


    Rudolf verschreibt sich der Friedensbewegung, verzichtet auf sein Gut und die daraus ererbten Vorteile.

    Er ist natürlich blauäugig und sehr theoriebehaftet. Wachgerüttelt wird er, als er einer Feier der "Deutsch-nationalen Partei" beiwohnt. Offener gewaltbereitet Antisemitismus gepaart mit sehr niedrigem Bildungsniveau erschüttern ihn zutiefst. Leider sind diese Mittel auch heute noch aktuell und werden von den Rechtsparteien schamlos angewandt. Die Christlich-Sozialen (Vorgänger der ÖVP) und Klerus und Adel stützen die Antisemiten sogar, weil sie Verbündete brauchen, um sich gegen die Sozis und Liberalen zu erwehren. Ein Pakt mit dem Teufel quasi, das fällt natürlich immer auf einen zurück.


    Die "edle" Gesellschaft ist völlig abgehoben und versnobt. Beim Lesen war ich immer wieder froh, dass bei uns der Adel abgeschafft wurde, auch wenn es sicherlich immer noch gewisse Seilschaften gibt.


    Einer seiner wichtigsten Punkte bei seinen Vorträgen ist das sinnlose Wettrüsten der damaligen Mächte. Wenn viel in die Rüstung investiert wird, und wenn viele Waffen da sind, werden sie auch irgendwann verwendet.


    Dass die Bücher Bertha von Suttners ganz oben auf der Liste der Bücherverbrennungen der Nazis waren verwundert nicht.


    Sylvia, Marthas Tochter ist unglücklich verheiratet, wird öffentlich betrogen und verliebt sich in einen Jugendfreund.

    Als sie beginnt mit der Mutter über Scheidung zu sprechen, wird Martha bewusst, dass sie sich zwar immer sehr um die Friedensbewegung bemüht hatte, aber niemals an Frauenrechte dachte. Sie hat vieles hingenommen wie es war. Sylvia rüttelt sie da auf. Es sind einige Aspekte der Gleichberechtigungsdebatte vorhanden, wird aber nicht weiter ausführlich thematisiert. Sowohl Sylvia als auch Martha sind eigentlich keine Aktivistinnen, sondern nervlich nicht stark belastbar. Martha ist aber immer offen für neue Ideen, sie ist sich ihrer Eingeschränktheit bewusst und versucht diese aufzuweichen.


    Für mich enthalten beide Bände tiefgründige Wahrheiten, die zeitlos sind.


    Beide Bücher sollten Pflichtlektüre für Despoten und andere Megalomanen werden!