Frauke Buchholz - Skalpjagd

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    Frauke Buchholz: Skalpjagd. Kriminalroman, Bielefeld 2024, Pendragon Verlag, 978-3-86532-866-3, Klappenbroschur, 285 Seiten, Format: 13,2 x 2,3 x 20,2 cm, Buch: EUR 18,00.


    „Garner war mit Claudia Hofstätter in dem Tipi“, sagte Frank.
    Nora hörte auf zu kauen und sah ihn entgeistert an. „Dann ist er höchstwahrscheinlich dem Mörder begegnet. […] Meinst du, er ist tot?“
    „Entweder tot oder in großer Gefahr“, sagte Frank. „Wir sollten eine Fahndung nach ihm einleiten.“
    (Seite 117)


    Schlauer als alle anderen?


    Wer die ersten beiden Bände, FROSTMOND und BLUTRODEO gelesen hat, weiß es schon: Ted Garner (42), der Held der Reihe, hält sich für den Größten. Das ist nicht weiter verwunderlich: Er hat Psychologie studiert, seine Kolleg:innen nicht. Er ist Profiler bei der Royal Canadian Mounted Police in Regina/Saskatchewan. Wo immer im Land seine Dienste benötigt werden, schwebt er wie der Messias ein und löst den Fall. Ein Teamplayer ist er nicht. Er traut niemandem und ist berüchtigt für seine Alleingänge. Und wenn er wieder mal Schopenhauer zitiert, machen die Dorfsheriffs nur verständnislos „hä?“.


    So hat sich bei Garner nach und nach das Bild verfestigt, dass er schlauer ist als alle anderen, dass er Probleme am besten allein löst und dass die Polizei ohne ihn nichts auf die Reihe kriegt. Genau mit dieser Einstellung manövriert er sich in Situationen hinein, in die ein „Normalbürger“ niemals geraten würde.


    Vom Profiler zum Therapeuten?


    Doch von vorn: Nachdem sein letzter Einsatz als Profiler ihn fast das Leben gekostet hat, drängt ihn seine Frau Pat, aus dem Polizeidienst auszuscheiden und sich als Psychotherapeut niederzulassen. Verständlich, aber keine gute Idee, weil Garner sich überhaupt nicht für die Probleme seiner Mitmenschen interessiert. Er will Rätsel lösen und dafür bewundert werden. Um seinen guten Willen zu beweisen, fährt er nach Vancouver zu einem Psychologenkongress und hört sich halbherzig die Vorträge dort an.


    Interessant findet er nur die attraktive junge Claudia Hofstätter, eine esoterisch angehauchte Trauma-Therapeutin aus Wien. Nach einem gemeinsamen Abend an der Bar begleitet er sie zu einer obskuren Peyote-Zeremonie, einem indigenen Ritual, das ihnen angeblich Zugang zum Unterbewussten und zu verschütteten Emotionen verschaffen soll. Das Ganze findet weitab vom Schuss in einem Tipi statt. Garner hält das zwar für ausgemachten Mumpitz, greift aber zu, als der Schamane Vernon Sun Dog psychogene Substanzen herumreicht.


    Böses Erwachen neben einer Toten


    Das Zeug beschert Garner einen erstklassigen Horrortrip – und als er wieder aufwacht, hat er ein Messer in der Hand und neben ihm liegt Claudia Hofstätter – tot! Jemand hat sie erstochen und skalpiert. Alle anderen Teilnehmer sind verschwunden.


    So high und verwirrt Garner auch sein mag: Er kapiert, wonach das aussieht. Und er kann nicht einmal ausschließen, dass er die Therapeutin im Drogenrausch getötet hat. Zur Polizei gehen will er auf gar keinen Fall. In seinen Augen gibt es nur einen, der den Mord aufklären – oder die Aufklärung verhindern – kann: ihn selbst. Also taucht er unter und macht sich unter falschem Namen auf die Suche nach dem Schamanen. Der müsste doch wissen, was hier passiert ist!


    Ted Garner ermittelt in eigener Sache


    Erst als Garner einen Bruder des Schamanen ausfindig macht, beginnt er zu ahnen, wem er hier mit seinen privaten Ermittlungen wirklich in die Quere kommt …


    Ein eigenbrötlerischer Held


    Gespannt und manchmal auch mit einem Kopfschütteln begleiten wir den eigenbrötlerischen Profiler bei dem verzweifelten Versuch, seinen Hals aus der Schlinge zu ziehen. Muss er denn immer alles alleine machen? Die Polizei von Vancouver ist alles andere als unfähig! Aber Garner geht eben von seinen bisherigen Erfahrungen aus.


    Erst ganz zum Schluss erfahren wir, wie die einzelnen Handlungsstränge zusammenhängen,

    Als Leser:in hat man kaum Chancen, sich das vorab zusammenzureimen. Man ahnt allenfalls grob, wo das Motiv zu finden sein könnte. Es frustriert mich immer ein bisschen, wenn einem auf den letzten Seiten jemand erklären muss, warum das jetzt so und so war.


    Spannung, Natur, Land und Leute


    Die Autorin hat eine sehr schöne Sprache und kann wunderbar Landschaften, Stimmungen und Bilder heraufbeschwören. Das steht hier allerdings ein bisschen in Konkurrenz zum spannenden Fortgang der Handlung. Ich habe mich dabei ertappt, ganze Passagen nur zu überfliegen, weil ich lieber wissen wollte, in welchen Hinterhalt Ted Garner als nächstes gerät und was jetzt mit Inspector Lombardis Tochter ist. Das ist schade, weil man hier abseits der Krimihandlung viel über Natur, Land und Leute erfahren könnte.


    Bevor jetzt jemand die Arie von der kulturellen Aneignung singt, weil hier eine weiße Deutsche einen Roman schreibt, in dem Menschen aus den First Nations eine Rolle spielen: Ich denke, Frauke Buchholz „darf“ das. Thema ihrer Dissertation war die zeitgenössische Literatur indigener Autoren der Vereinigten Staaten. Und sie hat einige Zeit in einem Cree-Reservat in Kanada verbracht.


    Die Autorin


    Frauke Buchholz studierte Anglistik und Romanistik und promovierte über zeitgenössische indianische Literatur. Sie liebt das Reisen und fremde Kulturen, hat viele Reservate in Kanada und den USA besucht und einige Zeit in einem Cree-Reservat verbracht. Heute lebt sie in Aachen. Bei Pendragon bereits erschienen: »Frostmond« (2021) und »Blutrodeo« (2022).