Cynthia Harrod-Eagles - The Abyss (Morland Dynasty 18)

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    Nach dem Tod seiner Mutter ist Nicholas nun Herr auf Morland Place und setzt alles daran, dass ihm diesen Titel niemand streitig machen kann. Zu seiner Schwester und seiner weitläufigeren Verwandtschaft hat er so gut wie keinen Kontakt mehr, hat auch die altgedienten treuen Dienstboten größtenteils gegen solche ausgetauscht, die ihm nützlich sein können und schert sich kaum um die guten alten Traditionen und Gebräuche der Familie. Die Geschäfte überlässt er seinem verschlagenen Verwalter, der in die eigene Tasche wirtschaftet, und es dauert nicht lange, bis das einst so gepflegte Anwesen heruntergekommen wirkt.


    Seinen Bruder Benedict hat er nach Kräften verleumdet und gehofft, dass er und sein Ruf sich davon nie erholen werden, doch Benedict hat sich als Eisenbahningenieur einen Namen gemacht und arbeitet mit den berühmten Stephensons daran, die Eisenbahn als Verkehrsmittel Nummer eins in England zu etablieren - was schließlich zu einem offenen Konflikt mit Nicholas führt, der die Neuerungen komplett ablehnt und nicht zulassen will, dass die neue Bahnlinie über sein eigenes Land führt.


    Die beiden verfeindeten Brüder könnte man, wie der Klappentext es tut, tatsächlich als Sinnbilder für die alte und die neue Welt im Vereinigten Königreich betrachten: Nicholas, der sich zwar nur dann um das Althergebrachte kümmert, wenn es ihm nützlich ist, aber durch seine Boshaftigkeit und seine Machenschaften selbst auf den absteigenden Ast befördert hat und Benedict, der sich mit Feuereifer um das Neue bemüht und in der Eisenbahn die glorreiche Zukunft für das Land sieht. Allerdings ist Benedict nicht nur ein strahlender Sieger, denn so klug und besonnen er im Beruf agiert, so unbedarft und ist er in Herzensdingen, was ihm böse auf die Füße zu fallen droht.


    Überhaupt ist es ein eher düsterer Band der Reihe. Der früher so geliebte und tadellos in Schuss gehaltene Familienbesitz ist droht zu verwahrlosen, Menschen laufen sehenden Auges ins Unglück (was zumindest dem Leser schnell klar ist) und Nicholas ist einer der unsympathischsten Protagonisten in der ganzen Serie. Selbstsüchtig bis zum Anschlag und einer dieser Typen, die das Gekränktsein und die Opferrolle zur grässlich egozentrischen Kunstform erheben, ist er eindeutig der unwürdigste Erbe von Morland Place in dessen inzwischen vierhundertjähriger Geschichte.


    Ein wenig schade fand ich auch, dass wir über die restlichen Morlands diesmal gar nichts erfahren, weder über die Schwester der beiden noch die zahlreichen Cousins und Cousinen, die man aus den Vorgängerbänden kennt. Das darf sich im nächsten Band gerne wieder ändern. Langweilig war aber auch dieser Band auf gar keinen Fall. Im Gegenteil, selbst die Szenen auf den Eisenbahnbaustellen lesen sich fesselnd und faszinierend (und oft genug auch erschreckend angesichts der Gefahren, denen die Arbeiter tagtäglich ausgesetzt waren).


    Für den nächsten Band hoffe ich allerdings dennoch auf ein bisschen mehr positives Miteinander und Grund zur Freude für die liebgewonnenen Figuren :)


    4ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen