Anne Rabe - Die Möglichkeit von Glück

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    Titel: Die Möglichkeit von Glück

    Autorin: Anne Rabe


    Allgemein:

    384 S.; Klett-Cotta, 2023


    Zitat von Amazon

    Inhalt:

    [...]

    Stine kommt Mitte der 80er Jahre in einer Kleinstadt an der ostdeutschen Ostsee zur Welt. Sie ist ein Kind der Wende. Um den Systemwechsel in der DDR zu begreifen, ist sie zu jung, doch die vielschichtigen ideologischen Prägungen ihrer Familie schreiben sich in die heranwachsende Generation fort. Während ihre Verwandten die untergegangene Welt hinter einem undurchdringlichen Schweigen verstecken, brechen bei Stine Fragen auf, die sich nicht länger verdrängen lassen.

    [...]



    Meine Meinung:

    Die Autorin hat selbst erzählt, das sie verstehen wollte, wie die DDR Vergangenheit insbesondere Ostdeutschland immer noch prägt und auch, was das eigentlich mit Gewalt zu tun hat.


    Für mich hat der Roman vor allem den Blick auf eine Familie gezeigt, die von Gewalt geprägt war. Auch, weil schon die Eltern der Protagonistin Stine Gewalt in ihrer Kindheit erfahren haben. Für Stine sind diese Erinnerungen auch eng verknüpft mit der hohen Stellung ihrer Eltern innerhalb der DDR Hierarchie, auch wenn sie nicht so genau greifen kann, wie diese konkret aussah. Denn aufgewachsen ist Stine erst nach der Widervereinigung. Sie fragt sich allerdings als Erwachsene, nun auch selbst Mutter zweier Kinder, warum ihre Mutter und der Vater ihre Kinder so schlecht behandelt haben? Warum war sie nie genug?


    Die Autorin verbindet die Gewalterfahrungen ihrer Protagonistin stark mit der Frage, ob und wie diese Gewalt mit beiden Diktaturen auf deutschem Boden zusammen hängt. Immer wieder schwingt dabei auch mit, das die Aufarbeitung der NS Vergangenheit in der DDR keine Auseinandersetzung mit den Tätern war.

    Das spiegelt sich im Verhalten ihres Großvaters wieder, der seine eigene Zeit als Soldat im 2. Weltkrieg nicht reflektiert und auch die Zeit davor nicht beleuchtet. Es bleiben in der Hinsicht viele Fragen unbeantwortet. Auch die genauere Rolle von Stines Eltern ist nicht so hundertprozentig klar. Eigentlich steht im Fokus tatsächlich eher die Gewalterfahrung die beide Geschwister, denn auch Stines Bruder Tim ist massiv davon betroffen, machen müssen. Ich fand die Zusammenhänge zur Geschichte der DDR manchmal etwas zu konstruiert, Denn auch die Gewalterfahrungen in der BRD haben meiner Meinung nach mit der Gewalterfahrung der Vergangenheit nach wie vor zu tun.

    Die Autorin hat, so verstehe ich es zumindest, die These das die Erfahrung der Diktatur zu weiteren Gewalt führt und das dies insbesondere in der DDR nicht abrach, weil der Übergang von der einen zur andren Diktatur relativ schnell und ohne Pause passierte. Das eine Feindbild wurde halt mit einem andren ausgetauscht. Gewalt ist das zentrale Thema des Romans, und versucht sich der Frage zu stellen was das mit den Menschen macht.


    Ich weiß, das die Autorin das vor allem im Hinblick auf die momentanen Entwicklungen in den ostdeutschen Bundesländern betrachtet. Auch weil die Diktaturerfahrung dieser Bundesländer noch nicht so lange her ist und dadurch die Generationen weiterhin anders prägt. Die Eltern von Stine können unbehelligt ihr Leben leben, niemand hat sie je dafür zur Rechenschaft gezogen, weder für ihre Tätigkeit in der DDR noch für die Gewalt, die sie offen gegenüber ihren Kindern ausgelebt haben. Stines Mutter versucht sogar weiterhin die Kontrolle über sie zu erlangen.


    Ein Roman über den ich sicher noch eine Weile nachdenken werde und der mich in der Klarheit beeindruckt hat, in der die Autorin über die Gewalt spricht, aber auch darüber, wie schwierig es ist, einzuordnen, was passiert ist, wenn man in einer von Schweigen und Andeutungen gleichermaßen umgeben ist. Stine findet langsam den Mut, eigene Antworten zu finden. Mich hat der Roman wirklich nachhaltig beeindruckt.


    5ratten