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Über das Buch: Zweiundzwanzigjährig wird Victoria Kulmus 1735 die Frau des Professors Gottsched, damals berühmt als einflußreichster Kritiker der deutschen Sprache und Literatur. Voller Bewunderung folgt sie seinem Ideal, »für den Mann das Paradies seiner Augen, die Göttin seiner Lust und der Quell seiner Gedanken zu sein.« Als er sie wegen ihrer Intelligenz zu seiner »Gehilfin« ernennt, ihr Lateinunterricht gibt und sie im Übersetzen unterweist, ist sie seine gelehrigste Schülerin. Aber schon bald beginnt die »Gottschedin«, sich geistig zu emanzipieren. Sie fertigt Übersetzungen nicht mehr nur anonym für ihren Mann an, sondern sucht sich eigene Projekte, die unter ihrem Namen erscheinen. Mehr noch: Sie schreibt eigene Lustspiele – derb, witzig, die Philister aufstörend. Bald ist sie berühmt, berühmter als ihr Mann, dessen Ruhm verblaßt. An diesem Punkt beginnt die Entwicklung für sie verhängnisvoll zu werden. Ohnmächtig muß sie erkennen, daß sie weiterhin von dem Einfluß und den kleinen Intrigen ihres Mannes abhängig bleibt, daß sie, auch wenn sie »die erste Schriftstellerin Deutschlands« ist, nie aus dem Schatten Gottscheds heraustreten wird. Resigniert stirbt sie mit 49 Jahren.
Meine Meinung: Renate Feyl hat hier eine – trotz der gewählten altmodischen Sprache, die aber sehr gut zu der Erzählung im wesentlichen aus der Sicht der »Gottschedin« paßt – flüssig zu lesende Beschreibung von Victorias Leben verfaßt. Wie nahe an der Realität sie mit den Details ist, kann ich nicht beurteilen, aber der o. a. Klappentext paßt wieder einmal nur beschränkt zum Buch. Denn zumindest in Feyls Darstellung (und ich denke, das trifft die Wahrheit durchaus) steht Victoria nach ihren großen Übersetzungen und eigenen Arbeiten keineswegs im Schatten ihres Mannes, eher umgekehrt. Aber ihre Eigenständigkeit wird durch rechtliche Rahmenbedingungen, gesellschaftliche Moralvorstellungen und vor allem Gottscheds Verhalten maßgeblich beeinträchtigt. Solange sie ihm zuarbeitet, scheint die Sonne über dieser Ehe, aber den Erfolg seiner Frau verkraftet Gottsched nicht und rächt sich mit zahlreichen Nickligkeiten und amourösen Abenteuern. Aus der Ehe wird eine reine Wohngemeinschaft, nur Victorias Tod (die Beschreibung klang irgendwie nach Schlaganfall) eröffnet Gottsched nochmals die Möglichkeit, ihren Erfolg als den seinen auszugeben. Diese ganze Entwicklung erscheint recht zwangsläufig, ich hatte nur selten das Gefühl, daß andere Reaktionen möglich gewesen wären – dafür hätten beide anders veranlagt sein müssen. So eröffnet diese biographische Erzählung einen spannenden Blick auf eine bemerkenswerte Frau. Ich glaube, ich würde gerne mal eines ihrer Stücke aufgeführt sehen, aber ich bezweifle, daß diese noch irgendwo auf dem Spielplan stehen.
Schönen Gruß,
Aldawen