Beiträge von Tamlin

    Ich scheine in meiner Kindheit und Jugend entweder die falschen oder zu wenige Bücher gelesen zu haben, denn die tendenzielle Flut der "super braven Kinder" ist, von Ausnahmen wie der "Biene Maja" und Tim aus "Tim & Struppi" abgesehen, doch glatt an mir vorübergegangen. :rollen:


    Aber ich stimme zu, daß Tobi Tatze eher einer der "Lümmel aus der letzten Bank" als einer der "Fünf Freunde" ist. Seine Mama sieht das etwas anders und diese Mama, die nicht realisieren kann, daß Tobi kein Baby mehr ist, möchte man weder als Kind noch als Erwachsener geschenkt bekommen. Und so kommt es denn zum Eklat zwischen Mutter und Sohn, aus dem beide geläutert hervorgehen. Tendenziell... :breitgrins:


    Und - um auch diese Frage zu beantworten - Maulwurfsgulasch schmeckt wie Rindergulasch, nur mit Maulwürfen... (nehme ich an). :zwinker:


    Jedenfalls lautet auch meine Bewertung des Buches: 5ratten

    Winterliche Atmösphäre? Weihnachtsgeschichte?? "Der kleine Lord"??? Das erstaunt denn doch ein wenig und hätte jemand, der das Buch tatsächlich gelesen hat, eigentlich nicht passieren können/dürfen. :rollen:


    Ich fürchte, hier liegt eine Verwechslung zwischen "Der kleine Lord" von Hodgson-Burnett mit der adaptiven Fortsetzung "Der große Lord" von Raymond A. Scofield vor, die tatsächlich als Weihnachtsgeschichte apostrophiert ist. Zumindest vom Verlag.


    "Der kleine Lord" beginnt irgendwann im Vorfrühling in New York und setzt sich nach einer Ozeanreise in England fort - dort beschreibt die fortlaufende Handlung - mit einem kleinen amerikanischen Intermezzo - ungefähr ein Dreivierteljahr und endet irgendwann im November, Anfang Dezember. Also definitiv keine Weihnachtsgeschichte. Vielmehr die multisaisonale Geschichte einer Annäherung zwischen einem alten, verbitterten und "steifen" Aristokraten, der sich zum "guten" Menschen wandelt, nur weil er von seinem kindlich-naiven, demokratisch erzogenen Enkel in aller Unbefangenheit und stürmischen Liebenswürdigkeit für einen edelmütigen Menschen gehalten wird.


    Neben ein, zwei Prisen Sozialkritik steckt in dem Buch auch eine liebevolle Betrachtung der - historisch betrachtet ja nicht ohne Ironie - amerikanischen Vorliebe für die britische Aristokratie. Ein Aspekt, mit dem englische wie amerikanische Autoren seit jeher immer mal wieder gerne spiel(t)en. Mark Twain, Martha Grimes und eben auch Hodgson-Burnett.


    Die Bewertung "Zuckerguß" ist sicher richtig, aber es artet nie zur rührseeligen Klitsche aus - unter das Leichte, Heitere mischen sich ernste Untertöne und es lag wohl letztlich an dieser ausgewogenen, zeitlosen Mischung, daß sich dieses Büchlein auch heute noch großer Beliebtheit erfreut.


    :grmpf:

    Es gibt eine skandinavische Verfilmung der "Brüder Löwenherz", die bei uns seinerzeit als Miniserie - in m.W. vier Episoden - ausgestrahlt wurde. Im dritten Programm, glaube ich. Das Drehbuch schrieb Astrid Lindgren höchstselbst, so daß bis auf wenige Veränderungen, die sie selbst vornahm, der Film zu fast 100% der Romanvorlage entspricht. Der an skandinavischen Schauplätzen gedrehte Film, resp. die Serie ist grandios - allein schon die Filmmusik (Titelmusik) ist klasse.


    Ich weiß, daß Astrid Lindgren von christlichen Verbänden wegen dem "Freitod-Aspekt" ("Suizidverherrlichung") angegriffen und kritisiert wurde. Als isoliertes Ereignis herausgegriffen kann man das Ende des Buchs in diesem Lichte sehen, aber im Gesamtkontext erschließen sich Leben und Tod als Kreislauf oder als kontinuierliche Reise. Die Ausgangskonstellation eines Übergangs zwischen zwei Welten wird am Ende wieder aufgegriffen. Das Leben endet nicht mit dem Tod, sondern setzt sich in einem anderen Kosmos fort. Obwohl Lindgren tatsächlich die Meinung vertrat, daß jeder Mensch das Recht habe, seinen Tod selbst zu bestimmen, läßt sich das Ende der "Brüder Löwenherz" eher als eine "Walhalla-Alternative" zur christlichen Auffassung verstehen. Diese Interpretation erscheint umso naheliegender als da Dreiviertel des Buches ohnehin in einem rustikalen, nordischen Reich der Sagen und Mythen angesiedelt ist.


    Wie dem auch sei - wer sich für die "Brüder Löwenherz" ein versöhnlicheres - oder zumindest Kindern leichter zu erklärendes - Ende wünscht, wird mit dem Filmende zufrieden sein. Der Film endet eindrucksvoll mit der Botschaft "Licht am Ende des Tunnels" und dagegen können noch nicht einmal christliche Verbände etwas einwenden.


    :grmpf:

    @ Morwen:


    Wenn Du noch ein bißchen weiterlesen möchtest - es gibt eine lesenswerte, informative, augenzwinkernde Biographie zu Horatio Hornblower und den 11 Romanen von C.S. Forester:


    C.Northcote Parkinson, Horatio Hornblower - sein Leben und seine Zeit. Eine fiktive Biographie. (1970)


    Auf Deutsch u.a. bei Ullstein 1980 erschienen (mir vorliegende TB-Ausgabe). ISBN 3-548-20064-8



    Anm. 1: Parkinson, seines Zeichens Geschichtsprofessor, ist jener Parkinson, der dem lesenden Publikum vor allem durch seine Bürokratie- und Wirtschaftskritik bekannt sein dürfte.


    Anm. 2: Neben den 11 Romanen gibt es zusätzlich noch drei Erzählungen über Hornblower von C.S. Forester, die m.W. auf dt/engl. sowohl einzeln als auch in einem Sammelband erschienen sind, in dem C.S. Forester auch über die Entstehung seines Werkes berichtet.
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    Meine Meinung mag den einen oder anderen entsetzen, aber ich kann die Aufgabe der Hugendubelfiliale am Marienplatz nicht als Verlust empfinden! Vor 30 Jahren war das zwar meine Lieblingsquelle zum Stöbern und Schmöckern (mit sturer Regelmäßigkeit bis zum Vivalidi-Kehraus...), aber nachdem der Laden vor einigen Jahren umgebaut wurde, traten sich dort Menschen und Bücher in etagenweiser schlauchartig anmutender Enge auf die Füße. Und wer die 500 m bis zum riesigen Hugendubel am Stachus scheut, findet im Umkreis von 200 m noch zwei weitere Ersatzanlaufstellen - die etwas versteckt gelegene Stammhausbuchhandlung und den weitläufigen Laden in Richtung Theatinerkirche. Also insofern... :rollen::breitgrins:
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    [quote author=Aldawen] ... bleibt es für mich vor allem ein Werk, in dem zwei Jugendliche (von Julia wird gesagt, sie sei 14, für Romeo wird – glaube ich – kein Alter genannt, aber er benimmt sich kaum älter als 15 :rollen: ) ihren Pubertätsschmerz ausleben. Bevor jetzt entsetzte Aufschreie kommen: Ja, ich weiß, ich vereinfache hier bestimmt ganz furchtbar ... [/quote]


    Die Sorge ist grundlos. Obwohl viele Leute es aus unerfindlichen Gründen für DIE tragische Liebesromanze der Weltliteratur halten, ist das Stück eine Teenagertragödie. Julia ist so um die 12/13 Jahre alt und Romeo ca. 14/15. Und so führen sie sich auch auf. Shakespeare wird nicht umsonst als einer der Begründer der Psychologie betrachtet. Das lamoryante, überzogene, nervige Verhalten der beiden Protagonisten entspricht der gestalterischen Absicht des Autors. So what... :breitgrins:
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    Wir lasen das Stück in der Schule, aber es wurde nach meiner Erinnerung nicht in Grund und Boden interpretiert. Meines Erachtens gehört der Inhalt des Theaterstücks zu jenen Stoffen, die von zeitloser Gültigkeit sind. Dieser Eindruck mag aber auch daran liegen, daß ich es in den 80er Jahren bei den Münchner Theaterfestspielen in einer hochmodernen Inszenierung gesehen habe. Die Räuberbande war - bis an die Zähne bewaffnet - als Terroristengruppe aufgezäumt, kam in einem VW-Bus auf die Bühne gefahren, die Toten wurden auf einem Billardtisch aufgebahrt usw. Die Förmlichkeit der Texte und ihr leidenschaftlicher Pathos nahmen sich in diesem Kontext leicht anachronistisch aus, aber die Gesamtwirkung war wirklich ziemlich eindrucksvoll - und unvergeßlich.
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    Hätte ich das Cover nicht wiedererkannt, wäre es mir schwergefallen, die Geschichte anhand des Klappentextes etc. wiederzuerkennen... :rollen:


    Der englische Titel dieses Buches - "Stormbird" - ist weitaus stimmiger als die deutsche Benamsung "Jenny und das Geheimnis von Newbrigg". Das Buch ist nämlich keine Abenteuergeschichte, sondern eine kindergerechte Umsetzung der gegen Ende des 19. Jahrhunderts beliebten "Gothic-Mystery-Novel". Die volkstümliche Geschichte spielt in einem kleinen Fischerdorf an der englischen Küste im ausklingenden viktorianischen Zeitalter. Die mutterlose Jenny wird von ihrem Vater, den Existenzsorgen plagen, im freudlosen Haushalt einer entfernten Tante geparkt, während er auf einem Fischtrawler zur See fährt.


    Schon bald merkt Jenny, daß mit ihrer Tante etwas nicht stimmt, über das weder sie noch die Leute im Dorf reden wollen. Die unerwartete Freundschaft mit Joshua, dem vogelkundlich begeisterten Sohn des Arbeitgebers ihrer Tante und die gemeinsamen Exkursionen ins örtliche Sumpfgebiet muntern Jenny ein bißchen auf, aber auch in Joshuas Familie herrscht seit einem rätselhaften Unglücksfall in der Vergangenheit eine bedrückende Atmosphäre. Erst als die Kinder selbst in Gefahr geraten, gelingt es ihnen, das dunkle Geheimnis zu lüften, das sich um beider Familien rankt. Wer das Übernatürliche liebt, wird von diesem kleinen Roman allerdings enttäuscht sein, denn hier geht es lediglich um die Psychologie von Schuld und Sühne, während rächende Geister und das Böse durch Abwesenheit glänzen.
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    Ich kann die scharfe Verurteilung, die einige Rezensenten Guy Gavriel Kays "Die Fürsten des Nordens" angedeihen lassen, nicht teilen. Es ist richtig, daß Kay sich sehr stark an die Geschichte verschiedener Teile Britanniens als Schauplatz seiner Handlung anlehnt und der Roman eher im Reich des nacherzählenden historischen Romans als im Genre Fantasy anzusiedeln ist, obwohl er in einem fiktiven Paralleluniversum spielt. Aber bis auf das Fehlen einer Karte läßt sich darin kein Nachteil sehen. Im Gegenteil - die eher nüchterne Sachlichkeit und der weitgehende Verzicht auf überschwengliches Pathos und Gefühlsduselei ist sehr zu begrüßen. Die abgehandelten Stoffe und Nebenstränge wie auch die zurückhaltende Erzählweise haben die nordischen Sagas zum Vorbild. Kay spielt mit Versatzstücken dieser Erzähltradition, anstatt sie in epischer Breite á la Avalon auszuwalzen. Er hat bei früheren Adaptionen von Sagenstoffen und freier Fantasy hinlänglich bewiesen, daß er auch anders vorgehen, psychologisch in der Tiefe gründeln, heftige Emotionen beschwören und auf die Tränendrüse drücken könnte. Aber er tut es hier angenehmerweise nicht, sondern beläßt es bei Andeutungen. Das entspricht dem Wesen der eher nüchternen Erzählweise nordischer Sagas. Deren Crux besteht darin, zwar von vielem zu erzählen und menschliche Schicksale vor dem Ohr des geneigten Lesers auszubreiten, aber bei Einzelheiten eher unbestimmt zu bleiben.


    Es ist richtig, daß hinter den "Erlingern" die sogenannten Wikinger stehen - jedoch in einer vagen Gesamtheit, die sowohl die Noch-Nicht-Wikinger Angeln und Sachsen im Stadium ihres ersten Fußfassens in Kent im 5. Jahrhundert einschließt als auch die zeitlich viel späteren Danen und Norweger, die mit den inzwischen britischen Angelsachsen ab dem 8. Jahrhundert im Clinch lagen. Der fiktive Söldnerverbund von Jormsvik ist eine Mischung aus dem gleichnamigen Jormsvik an der Ostsee des 10. Jahrhunderts und dem authentischen, nordenglischen Jorik (heute York) des 9. Jahrhunderts. Ersteres lag am Meer und war eine Wikingerfestung, um die sich eine blutige Saga rankt, letzteres Zentrum eines eigenständigen Königreichs im nordenglischen Binnenland. Ein ähnliches Konglomerat stellt die beiläufig erwähnte zweimalige Plünderung eines weiß der Kuckuck wo liegenden "französisch" klingenden Klosters durch die erlingischen Jormsviksöldner dar. Pate stand wohl einerseits der Überfall auf Lindisfarne im ausgehenden 8. Jahrhundert als auch normannische Raubzüge im gallischen Binnenland des 6. Jahrhunderts.


    Hinter den Cyngael lassen sich nicht nur die Kelten des Rückzugsgebiets Wales vermuten, denn es sind auch Anklänge nach Irland sowie zu den keltischen Stämmen Südostenglands feststellbar. Hinter den Anglcyn stehen nicht nur die Angelsachsen und Alfred der Große sowie ihr Clinch mit den Wikingern aus York und skandinavischen Horden, sondern es deuten sich auch Bezüge zu den keltisch-romanischen Briten aus East-Anglia des 5. Jahrhunderts an. Chronologisch reicht die Spannweite vom 5. Jh.n.Chr. bis zum 10.Jh.n. Chr. und der geografische Bezugsrahmen konzentriert sich zwar auf die Osthälfte Englands und Wales (im Westen), greift aber "überseeisch" bis nach Frankreich und an die Gestade der östlichen Ostsee aus. Den zeitlich wie geographisch kunterbunt durcheinandergewürfelten Sachbezügen ist vermutlich teilweise die manchmal schwer vorstellbare Streckenführung der fiktiven Infrastruktur und die eher vage bleibende allgemeine Geographie geschuldet. Betrachtet man Märchen und Legenden als Teil der Realität, beschränkt sich die Fantasy in "Die Fürsten des Nordens" auf die Verlegung der Handlung und der Personenpalette in ein Paralleluniversum, denn Mythologie und Gehalt an übernatürlichen Wesen stellen lediglich eine extemporierte Adaption authentischer Vorlagen dar und warten nur spärlich mit Neuschöpfungen wie z.B. der neckischen Idee von der Degeneration der Elfen auf.


    Man kann Kay wahrhaftig nicht vorwerfen, zu wenig und nicht gründlich genug recherchiert zu haben oder die gewonnenen Sachinformationen unstimmig umzusetzen. Die Handlung ist sauber, wenn auch knapp, doch ohne lose Enden konstruiert und die dahinter stehenden Motivationen sind glaubwürdig geschildert. Das Buch gewinnt geschichtliche Tiefe durch die eingestreuten, nacherzählenden Episoden, die in gedrängter Form die Vorgeschichte der charakterisierten Personen referieren sowie durch einige erzählerische Seitenableger, die für den Fortgang der Handlung zwar meist ohne Bedeutung sind, aber für Lokalkolorit (Land und Leute) sorgen. Allenfalls könnte man kritisieren, daß dieses Buch keine Fantasy ist, sondern ein Sachbuch, das sich als Fantasyroman kostümiert, um nicht an der grundsätzlich allen historischen Romanen innewohnenden Problematik zu scheitern, Geschichte nur mit dem Vorwissen des Nachhinein durch eine neuzeitliche Brille betrachten zu können, ohne den natürlichen Vorsprung an Wissen oder moderne Werturteile (inkl. politische Ambitionen) gänzlich ausblenden zu können.


    Fazit = Ein gut geschriebenes, glaubwürdiges Buch, das Personen und Handlungen zwar in eine Parallelwelt transferiert, aber bei den der wirklichen Welt entlehnten sachlichen Hintergründen und Informationen auf jene Art künstlerischer Freiheit verzichtet, die unweigerlich zu Falschdarstellungen führt, über die man sich in vielen historischen Romanen wegen ihrer frech als "wahr" behaupteten Unstimmigkeit fürchterlich ärgern kann. Deshalb:


    5ratten

    Schwer zu sagen, ob dieser Roman mit hohem Gänsehautpotential in die Sparte "Paranormal" gehört oder nicht. Meines Erachtens ließe er sich der Sparte Horror-Thriller zuordnen, denn die Elemente nüchterner, polizeilicher Ermittlungsarbeit spielen keine Hauptrolle. Sollte Sigurdardottir jedoch den sich auch in ihrem Roman "Feuernacht" - aus der Dora-Gudmundsdottir-Serie - andeutenden Pfad der Vermischung von Übernatürlichem und Kriminologischen weiterverfolgen, landet ihr Oeuvre ohnehin früher oder späte in toto in der Mystery-Abteilung.


    Dem Horrorgenre an sich wegen seiner No-Fair-Play-Attitüden abhold, las ich den "Geisterfjord" mit der falschen Erwartung, einen in Island spielenden Kriminalroman vorzufinden. Diese Erwartung wurde teilweise enttäuscht. Die Geschichte ist allerdings atmosphärisch dicht konstruiert, logisch aufgebaut und gut geschrieben, weshalb ich das Buch nicht mehr weglegen konnte und an einem Wochenende durchgelesen habe. Es ist nicht unbedingt zu empfehlen, das Buch nachts zu lesen, denn kalte Stromstöße, die die Rückenwirbelsäule herunterrieseln, sind garantiert und dagegen helfen auch keine heißen Getränke.


    Wie bei einem "richtigen" Kriminalroman schälen sich die Zusammenhänge erst allmählich heraus, aber da die Ober- und Untertöne spukhaft sind, i.e. Spuk als Realität dargestellt wird, zeichnet sich schon früh ab, daß die alle Mysterien und das scheinbar Übersinnliche rational aufklärende, versöhnliche "Bibliotheksszene" wohl ausfallen wird. Der Roman endet mit ein paar Überraschungen. Der Kreis, den die Geschichte beschreibt, bleibt offen und gibt eventuell Raum für mögliche Fortsetzungen. Für die Serien-Junkies unter den Lesern ist Hopfen und Malz also noch nicht verloren, auch wenn dieses Buch erst einmal einsam und allein in der isländischen Landschaft steht.


    :todmuede::buchalarm::lesewetter:
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    Ich mag keinen Schokoladenpudding, daran könnte es also auf sympathetisch-kulinarischem Wege liegen, daß mir das Buch quer im Magen lag. Ich hatte beim Lesen den Eindruck, als hätte die Autorin drei (oder so) mehr oder weniger gute Ideen gehabt, die für sich allein nicht tragfähig waren, aber - Brüchen nicht achtend - irgendwie zusammengeschraubt werden konnten. Oder als wäre das Buch das zusammengestrichene Fragment eines ursprünglich sehr breit und tief angelegten Romans für Erwachsene, der durch Umarbeiten für Jugendliche adaptiert wurde.


    Die Grundidee einer mittelalterlichen Geheimgesellschaft, deren Macht sich bis in die heutigen Tage erstreckt, ist zwar in der Literatur nicht gerade selten, aber immer wieder - so auch hier - faszinierend. Leider wird sie einer Internatsgeschichte mit den üblichen Zutaten und einer Kriminalgeschichte mit teilweise unglaubwürdigen Opfern und Folgen untergeordnet. Vieles wird nur angedeutet und gewinnt weder Tiefgang noch Gewicht und am Ende geht alles kinderleicht in Rauch und Wohlgefallen auf, wodurch endgültig unerklärlich wird, wie die Geheimgesellschaft überhaupt so lange existieren und agieren konnte, ohne aufzufallen und enttarnt zu werden. So, wie die Geschichte aufgezäumt ist, ist es ziemlich unglaubwürdig, daß sich eine ganze Stadt in der Hand des Komplotts befinden soll und alles wieder gut wird, weil ein 16jähriges Schulmädchen die richtigen Fragen stellt.


    Schade - zu viele Elemente aus zu vielen Genres bewegen sich hier auf klischeehafte, gekünstelt wirkende Weise parallel zueinander, ohne sich zu einem harmonischen Ganzen zu vereinigen. Gute Grundidee, aber die darauf aufbauende Geschichte zerfällt in zu viele Bruchstücke, die miteinander darum rangeln, die Hauptrolle zu spielen.


    1ratten

    Ein Buch ist gar nichts, es muß schon Teil einer Serie sein. Serien sind IN. Serien sind groovy. Serien liegen voll im Trend - und verkaufen sich auch besser. Unter einer Triologie oder Quadriga geht es nicht! Oberstes Bücherkoboldgesetz. :grmpf:


    Wenn rächende Schatten und Nebel ein Buch zum Teil einer Serie machen, dann hätte ich einen megaheißen Tipp, der einen Strauß an wikipedia- und amazonrelevanten (die Horte der letzten Weisheit und garantiert zutreffenden Informationen...) Spekulationen ermöglicht. Schreibt Zafón vielleicht auch unter Pseudonym, was bei Autoren nicht ohne Beispiel ist? Gibt es ein verschollenes Werk, das die Nebel-Triologie oder -"Vierologie" zum Quintett abrundet? Der Titel als entlarvender Anzeiger für Bücherschnüffler auf der beinharten Queste nach geheimen Teilen einer Serie? Da wären gleich zwei aus diesem Blickwinkel mögliche, eventuelle Pseudo-Autoren zu nennen - Joan Aiken und Rodney Bennett. Erstere schrieb das Buch "Schattengäste" (viele Geister und viel Nebel), letzterer das Buch "Die Kreuze im Nebel" (ein Geist und jede Menge Nebel). Stammen auch diese Bücher in Wirklichkeit von Zafón...??? :rollen:


    Nein, stammen sie nicht! Nur weil verschiedene Bücher eines Autors an ähnlichen Schauplätzen spielen oder in demselben Universum angesiedelt sind oder vergleichbare Elementen in ihnen auftauchen, macht sie das noch nicht zum Teil einer Serie. Bei einer Serie bauen die Handlungen aufeinander auf, die Erzählstränge werden fortgesetzt und die in ihnen vorkommenden Personen werden schrittweise älter und reifen (manchmal) an Erfahrung. Die Erschaffung eines fiktiven Universums allein reicht nicht aus, um alle Bücher, deren Handlungen darin angesiedelt sind, zu einer Serie zu verknüpfen. Auch das Vorkommen einzelner Personen in verschiedenen Büchern, die einander durch verwandtschaftliche oder freundschaftliche Bande verbunden sind, muß besagte Bücher noch nicht zum Teil einer Serie machen. Oben erwähnte Joan Aiken hat verschiedene Bücher geschrieben, in denen immer mal wieder dieselben Personen ein Gastspiel geben. Bei Wikipedia werden die Bücher locker flockig als Teil einer Serie namens "Die Wölfe von Willoughby" gelistet. Diese Serie gibt es als solches aber gar nicht. Einige der gelisteten Bücher nehmen indirekt aufeinander Bezug und ein, zwei sind sogar auf Basis derselben Protagonisten direkte Fortsetzungen voneinander, aber die einzige konsequent übergreifende Verbindung ist die Ansiedlung aller Handlungen in demselben (fiktiven) Universum.


    Ob das bei Zafóns Büchern ebenfalls der Fall ist, würde ich jedoch nicht behaupten. Stammten "Der dunkle Wächter" und "Der Fürst des Nebels" von verschiedenen Autoren, würde man wahrscheinlich - aufgrund einzelner atmosphärisch ähnlicher Elemente vielleicht sogar berechtigt - von Adaptionen reden. Bei demselben Autor bliebe lediglich die Frage zu klären, ob ein Autor sich selbst adaptieren oder gar plagieren kann? Die beiden Bücher sind keine Teile einer Serie im eigentlichen Sinne aufeinander aufbauender und sich fortsetzender Handlungen. :trinken:



    P.S.:
    Ein Rezensent in diesem Thread kritisierte die Unglaubwürdigkeit einiger Elemente der Geschichte wie z.B. den Umstand, daß niemand jemals zu essen und zu trinken scheine. Auf der Basis müßte man dann jedoch rund 90% der Literatur zeihen, daß in ihr keine Toilettengänge geschildert oder erwähnt werden ... so von wegen glaubwürdige Darstellung des täglichen Lebens... :wegrenn:


    :baden:

    @ HoldenCaulfield:


    Innerhalb der letzten fünf Jahre gab es mal eine Gesamtausgabe in zwei Bänden. Wenn ich mich nicht irre, umfaßte der eine Band alle bis dahin auf Deutsch vorliegenden Bücher der einen Serie und der andere Band die der anderen Serie, aber da kann ich mich irren. Ich bin auch nicht sicher, ob der Verlag in diesem Fall ebenfalls DUMONT war - wie bei den Einzelbänden - oder ein anderer (Carlsen?). Beide Bände der Gesamtausgabe waren relativ günstig - ca. 20 €uro, glaube ich.


    Wer möglichst viele Bände auf einmal zu guten Konditionen erhaschen will, für den könnten sich die beiden Sammelausgaben allerdings eventuell lohnen. :zwinker:
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    ... Zwar scheint sie in dieser Serie gemäßigter ans Werk zu gehen, als in der Balaclava-Reihe, aber eine gewisse Skurrilität was Personen oder Begebenheiten angeht, ist auch hier gegeben. ...


    Ach ja...? :rollen: :breitgrins:


    Nach "Kabeljau & Kaviar" sowie "Rolls Royce & Bienenstiche" sprechen wir uns wieder... :trinken: :kaffee:


    :belehr:

    Ich spiele mal ein wenig den "Erklärbären" ... :belehr: :leserin:


    @ Alle:


    (1) Mehrere römische (und griechische) Autoren haben sich mit Germanien befaßt. Es gibt keine "germanischen" Schriftquellen - sieht man von Sagen ab, die ungefähr in diesem Zeitraum (oder ein paar Jahrhunderte später) im nordischen Raum entstanden sind und in denen die Ereignisse rund um die Varusschlacht eventuell einen Nachhall fanden. Von den römischen Autoren haben mit Sicherheit nur Velleius Paterculus, der eine römische Kavallerieeinheit in einer der Legionen von Drusus und Tiberius befehligte, als Arminius in deren Heer germanische Hilfskontingente kommandierte und sein Zeitgenosse Strabo(n), der bei dem Triumphzug des Germanicus (siehe unten) unter den Zuschauern war, viele der beteiligten Personen persönlich gekannt. Cassius Dio und Tacitus sowie Florus schrieben mit zeitlichem Abstand und schöpften aus sekundären Quellen.


    Der Begriff "Germania" wird von römischen Autoren unterschiedlich gebraucht – als Namensbestandteil (keltischer) Stämme, für alle Stämme östlich und einige westlich des Rheins, allgemein als geographischer Begriff und teilweise auch als stilistischer Kunstgriff (lat. "germanus" = wahr, aufrichtig). Letzteres dürfte bei Tacitus eine gewisse Rolle spielen, der mit der Beschreibung der "Germanen" ein idealistisch verklärtes Sittengemälde entwarf, das er seinen (dekadenten) Mitbürgern als Spiegel vorhielt, um sie an ihre tugendhaften Ursprünge zu erinnern. Er selbst weilte nie in Germanien, sondern befragte lediglich Soldaten, die dort gedient hatten.



    (2) Das Problem bei der Lokalisierung der Varusschlacht ist, daß es eine vernichtende Niederlage von drei Legionen war, aber keine Schlacht im eigentlichen Sinne. Varus befand sich mit insgesamt weit über 30000 Personen auf dem Rückweg von einem friedlichen Sommerfeldzug, der ihn tief in das Gebiet der mehr oder weniger mit Rom befreundeten Cherusker geführt hatte. Ein Gebiet, in dem es einige vorgeschobene Kastelle und Truppenvorposten gab. Er schwenkte von seiner gebahnten und sicheren Marschroute ab, um Gerüchten über einen angeblich drohenden Aufruhr nachzugehen. Die drei Legionen zogen durch bewaldetes, unwegsames und hügeliges Gelände, das von schlechtem Wetter aufgeweicht war, als sie überraschend aus dem Hinterhalt angegriffen wurden.


    Die Varusschlacht bestand aus einer dreitägigen Abfolge massiver Guerillaangriffe auf eine (zumindest anfangs) über 25-30 Kilometer(!!) auseinandergezogene Marschkolonne. Nur am ersten oder zweiten Tag gelang es den Legionen, in ungünstigem Gelände ein behelfsmäßiges Marschlager zu errichten, in dessen Umfeld die Legionen aber keine gefechtsmäßige Aufstellung nehmen konnten. Bereits die Römer hatten sechs Jahre später bei Germanicus Rachefeldzug etwas Mühe, diesen Ort wiederzufinden und erkannten ihn nur an offen herumliegenden Gebeinen, an die Bäume genagelten Schädeln und Resten von zertrümmertem Kriegsgerät.


    Die leicht bewegliche Beute - Gefangene, Sklaven, Rüstungen, Waffen, Gold und Silber sowie Feldzeichen und sonstige Gerätschaften - zerstreute sich schnell über weite Gebiete der verschiedenen Stämme. Ein Teil der Gefangenen wurden hingerichtet, ein anderer Teil versklavt und später von Rom freigekauft oder zufällig befreit - teilweise noch 40 Jahre später. Zudem hatten die Germanen die Angewohnheit, erbeutete Rüstungen und Waffen in „heiligen“ Mooren zu versenken oder zu zerbrechen und den Göttern zu weihen. Jedenfalls dürften sich schon Tage oder wenige Wochen nach der sich über eine Strecke von ca. 30-50 Kilometer hinziehenden "Varusschlacht" nur noch jene Waffen und Gerätschaften dort befunden haben, wo sie zu Boden fielen, die völlig unbrauchbar und wertlos waren oder in den Boden getrampelt wurden und so den Plünderern entgingen.


    Die "Varusschlacht" war eins von dutzenden Gefechten zwischen Legionen und Stammesverbänden in jenem Gebiet, in dem DER Austragungsort für die Varusschlacht wahrscheinlich anzusiedeln ist. Diese Auseinandersetzungen fanden teilweise auf wesentlich begrenzterem Terrain statt als den hingezogenen Strecken, entlang derer die Zermürbung der Varus-Karawane erfolgte. Trotzdem findet man von diesen Gefechten heute keine Spuren mehr und ist ebenfalls bezüglicher der Austragungsorte auf Vermutungen angewiesen. Warum wird ausgerechnet vom Ort der "Varusschlacht" erwartet, als in Zeit und Raum eingefrorenes Diorama im Dornröschenschlaf zu ruhen, um irgendwann entdeckt zu werden? Doch nur, weil diesem Desaster im neuzeitlichen Bewußtsein und obendrein aus teilweise fehlgeleiteten Motiven eine überhöhte Bedeutung verliehen wurde. Insofern kommt jeder Ort, der als Austragungsort einer römisch-germanischen Auseinandersetzung identifiziert wird, nicht allein für die "Varusschlacht" infrage, sondern gleichermaßen auch für alle anderen Gefechte des Zeitraums 1 n. Chr. - 17. n. Chr. ...



    (3) Den meisten „Germanen“ ging es schon deshalb nicht um einen "Freiheitskampf gegen römische Fremdherrschaft", weil es bis auf die Identitäten ihrer jeweiligen Stammes- und Sippenverbandes kein übergeordnetes "germanisches" Selbstverständnis gab. Die gemeinsame Zugehörigkeit zu derselben Sippe stellte kein Hindernisgrund für gegensätzliche, politische Strömungen sowie die Wahrung persönlicher Interessen und Intrigen im weiteren Verwandtenkreis dar - pro Rom, contra Rom oder weder noch. Der größte, stammesübergreifende Nenner entsprach ungefähr dem Motto: "Heute kämpfen wir mal gegen Nachbarn, Verwandte oder Römer und morgen schauen wir dann mal weiter..."


    Tatsächlich scheinen einige "Fürsten" der Cherusker ihr Brot auf beiden Seiten gebuttert zu haben, während andere als Vertreter der cheruskischen Pro-Römer-Partei sogar die ganze Zeit in römischen Diensten blieben oder sich neutral verhielten. Arminius Vater und seine Söhne standen allesamt zuvor in römischen Diensten, befehligten germanische Hilfskontingente und hatten vielleicht wie ihr Bruder/Onkel auch Besitztümer (Villa/Hof) in römischen Gebieten. Arminius war noch keine 25 Jahre alt, als ihm das römische Bürgerrecht verliehen und er in den röm. Ritterstand aufgenommen wurde. Besonders letzteres spricht dafür, daß er in römischen Diensten wertvolle Leistungen vollbrachte und überdies ein reicher Mann war.


    An den gegensätzlichen Auffassungen der romfreundlichen Partei änderte auch die Revolte des Arminius wenig. Während Arminius von Rom abfiel, blieb sein Bruder Flavus auf römischer Seite und befehligte weiterhin germanische Hilfstruppen, zu denen auch cheruskische Verbände gehörten. Andere cheruskische "Fürsten" wechselten in den Jahrzehnten nach der Varusepisode mit ihren Kriegern sogar mehrfach die Seiten, ohne daß das sonderliche Folgen gehabt hätte. Bei den übrigen germanischen Stämmen sah es ähnlich aus.



    (4) Vom römischen Standpunkt aus war der Verlust von drei Legionen zwar eine demütigende Niederlage, letztlich aber nur eine Episode des dreißigjährigen Kriegsverlaufs in den germanischen Stammesgebieten. Ohnehin besteht Grund zu der Vermutung, daß weder Augustus noch Tiberius vorhatten, die Germania magna dauerhaft zu okkupieren. Hauptsächlich könnte es darum gegangen sein, die gefährlichsten Gegner dauerhaft zu schwächen und eine Gallien vorgelagerte Verteidigungszone aus befreundeten Stämmen aufzubauen, resp. solche dort als Pufferzone anzusiedeln. Schon Cäsar hatte bei seinen Vorstößen nach Germanien erkannt, daß hier die gesellschaftliche Struktur und landschaftlichen Verhältnisse anders und wesentlich schwieriger waren als in Gallien. Andererseits wird argumentiert, daß die von Varus eingeleiteten Maßnahmen, in den germanischen Stammesgebieten Verwaltungsstrukturen nach römischem Vorbild zu etablieren, dafür sprächen, daß sich die römischen Pläne für Germanien geändert hätten und doch auf eine Eroberung abzielten.


    Militärisch betrachtet befand sich Rom zum Zeitpunkt der Varusschlacht in Germanien noch in der bewaffneten Aufklärungs- und Vorbereitungsphase für eine Eroberung weiter Gebiete. Das allerdings bereits seit 20 Jahren. Und Jahr für Jahr wurden vom Rhein ausgehend die "üblichen Sommerfeldzüge" in germanische Stammesgebiete unternommen, um zum Winter hin wieder in die Ausgangslager am Rhein zurückzukehren.


    Kaiser Tiberius traf nach seinem Regierungsantritt auf Anraten von Augustus die politische Entscheidung, die Feldzüge quer durch Germanien einzustellen, die Rheingrenze zu konsolidieren und die germanischen Stämme ihren inneren Zwistigkeiten zu überlassen. Diese ca. 16/17 n. Chr. endgültig gefällte Entscheidung – und nicht die Varusschlacht - stellt den eigentlichen Wendepunkt der römisch-germanischen Geschichte dar, denn in den drei vorangehenden Jahren unternahm der römische Feldherr Germanicus mit wechselhaftem Erfolg ausgedehnte, blutige Expeditionen durch die germanischen Stammesgebiete.



    (5) Die Frage nach dem Was-wäre-wenn läßt sich auch so beantworten, daß der Druck der römischen Feldzüge die germanischen Stämme, die sich gerne untereinander bekriegten, allmählich zu Bündnissen über Stammesgrenzen hinweg zu bewegen begann und ansatzweise auch zur Aufgabe traditioneller militärischer Konzepte zugunsten disziplinierteren Vorgehens in besser koordinierten und zentral geführten, großen Verbänden. Arminius vernichtete drei römische Legionen, indem er sie in Gelände lockte, in dem sie gegenüber seinen militärisch (noch) unterlegenen Verbänden benachteiligt waren und griff sie massiv aus dem Hinterhalt an. Er versuchte auch in späteren Gefechten gegen römische Legionen konsequent die Situation einer offenen Feldschlacht zu vermeiden, die für die kaum defensiv und nur leicht offensiv bewaffneten Stammesverbände leicht verhängnisvoll verlaufen konnte.


    Arminius fand zuletzt nicht nur unter den Cheruskern immer mehr Zulauf und hätte langfristig der zweite, germanische Stammesführer werden können, der - á la Marbod (Markomannen) - ein straff organisiertes, monarchisches Staatswesen mit einem schlagkräftigen Heer zustandebrachte. Rom hatte 9 n. Chr. noch Glück gehabt, denn Marbod weigerte sich, mit Arminius ein Bündnis gegen Rom einzugehen. Hinsichtlich Strategie und diszipliniertem Vorgehen machten die Germanen unter dem Einfluß von Arminius jedenfalls rasch Fortschritte. Das blieb auch den Römern nicht verborgen. Die bloße Möglichkeit, alsbald einer zentralen Machtkonzentration in Germanien gegenüberzustehen, die vereint gegen die inzwischen bis zu acht römische Legionen antraten, die jeden Sommer in Germanien operierten, könnte Tiberius bei seinem Entschluß beeinflußt haben. Eine kluge Entscheidung.


    Nachdem Rom die Eroberung des rechtsrheinischen Germanien aufgegeben hatte, lösten sich die innovativen politischen und militärischen Ansätze rasch in Luft auf. Die Stämme bekriegten sich munter untereinander und für die beiden Protagonisten - Arminius und Marbod - fiel bald darauf der Vorhang. Der eine wurde von rivalisierenden Verwandten ermordet, der andere vertrieben und ging nach Italien (Ravenna) ins Exil.



    (6) Die Gründe für die Eroberung "Germaniens" bestanden darin, die jungen Provinzen (Gallien, Süddeutschland, Alpenregion) und das Kerngebiet Italien zu schützen, das seit Jahrhunderten wiederholt von "vagabundierenden" Stammesverbänden bedroht worden war. So fing es an. Späterhin spielte die Aussicht auf Bodenschätze, Ländereien und Sklaven(!) - sowie die Rekrutierung neuer Hilfstruppen eine immer wichtigere Rolle. Die Rechnung, waffenfähige Krieger davon abzuhalten, in ihren Herkunftsgebieten Unruhe zu stiften, ging zumindest bei wirklich heimatfernen Einsätzen auf. Vor allem in den Anfängen der römischen Kaiserzeit war auch von Bedeutung, daß sich das Heer von einer defensiven Bürgermiliz in eine riesige, stehende Berufsarmee verwandelt hatte, deren Legionen "außenpolitisch" beschäftigt werden mußten, um nicht zum innenpolitischen Unsicherheitsfaktor zu werden und in Rom den Königsmacher spielen zu wollen.



    (7) Zumindest zwei - eventuell auch alle drei - der im Verlauf der "Varusschlacht" eroberten Adler sowie die meisten Standarten und Feldzeichen der XVII., XVIII., XIX. Legion wurden bei den nachfolgenden römischen Feldzügen in germanischen Stammesgebieten wieder "eingesammelt". Sie wurden zurückerobert, wenn sie im Feld gegen die Legionen geführt wurden und - zumindest in einem Fall - auf den Tipp eines germanischen "Herzogs" hin, der sich damit bei Rom Liebkind machen wollte, aus einem Stammesheiligtum ausgegraben.


    Waffen und Rüstungsteile sowie persönliche Ehrenabzeichen trugen manchmal eingeprägte Signaturen, die auf die Zugehörigkeit zu bestimmten Einheiten hinwiesen. Ein Helm mit einem solchen Zeichen wäre ein sicheres Indiz. Ein Schmuckstück mit eingeprägten Insignien bedeutet dagegen jedoch nicht unbedingt, daß die gesamte Legion dort vorbeikam, sondern nur, daß derjenige, der es verlor, in der betreffenden Legion ausgezeichnet wurde. Das muß aber nicht die Legion gewesen sein, in der er zuletzt diente. Mal davon abgesehen, daß der Verlierer nicht zwingend ein Römer gewesen sein muß...




    @ Grotesque:


    Die schwangere Thusnelda wurde von ihrem Vater, einem der Wortführer der cheruskischen Pro-Rom-Partei, an die Römer ausgeliefert und nach Ravenna in Italien gebracht. Laut dem römischen Geschichtsschreiber Strabo nahm sie - mit ihrem dreijährigen Sohn Thumelicus an der Hand - am 26. 5. 17 n. Chr. als Prunkstück an dem Triumphzug durch Rom teil, der dem römischen Feldherrn Germanicus nach seinem Sieg über die Völker zwischen Rhein und Elbe bewilligt wurde. Danach verliert sich ihre Spur.


    Thusnelda und der Sohn des Arminius hatten als Statussymbole auch nach Arminius Tod (19/21 n. Chr.) eine Bedeutung. Hochrangige Geiseln wurden gewöhnlich gut behandelt und genossen alle erdenklichen Annehmlichkeiten. Vielleicht kehrte Thusnelda nach Ravenna zurück, wo auch andere Dauergäste geparkt wurden und führte dort ein friedliches, angenehmes Leben? Dies um so mehr als ihr Vater und ihr Schwager und dessen Familie bei den Römern in hohem Ansehen standen und ihr Bruder das römische Wohlwollen wiedererlangt hatte. Er nahm am Aufstand von Arminius teil und kehrte reumütig zu den Römern zurück. Er mußte ebenfalls an dem Umzug teilnehmen, durfte hernach aber in sein Amt als ubischer Priester nach Köln zurückkehren. Beider Vater nahm übrigens auch am Triumphzug teil – als römischer Freund und Bundesgenosse auf der Ehrentribüne...


    Tacitus deutet an, daß das launenhafte Schicksal später mit Thumelicus sein Spiel getrieben haben soll, führt das aber nicht weiter aus. Die Bedeutung seiner Bemerkung ist unklar, doch als von klein auf unter römischem Einfluß stehender und römisch erzogener cheruskischer „Adliger“ war Thumelicus eine Art Pfand und möglicher Garant für die Wahrung römischer Interessen in innercheruskischen Angelegenheiten.


    :elch:

    @ Aldawen & Sandhofer:


    Das Weltbild einer vergangenen Epoche ist m.E. für uns schon nachvollziehbar. Ein Ziel historischer und archäologischer Forschung besteht ja darin, das Leben vergangener Zeitphasen zu rekonstruieren und der Frage nachzugehen, was Menschsein und Lebenswirklichkeit im Profanen und Geistigen in der jeweiligen Phase bedeutete.


    Das Problem besteht eher darin, daß wir uns dem Lebensgefühl eines Menschen dieser Epoche nur wie ein Schauspieler der Verkörperung seiner Rolle nähern können, uns die Vorstellungskraft allein aber niemals zu einem exakten Zeitgenossen machen wird. Dazu müßten wir unseren eigenen Wissensstand über die Entwicklungen ab der Phase bis zum Heute ausblenden können. Wir sind und bleiben jedoch Kinder des Heute und das beeinflußt unsere Beurteilung des damaligen Lebensgefühls.


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    @ Saltanah & Co.:


    Ihr habt Recht - Maus I & II ist eines der packendsten und intensivsten Bücher über den Holocaust.


    Daß das "falsche Englisch" in der Übersetzung "falsch" klingt, könnte allerdings daran liegen, daß es gar kein "richtig falsches" Englisch ist, sondern daß der Erzähler Wladek zuhause yiddisch geprägtes Englisch spricht, aus dem in der Übersetzung dann eben jiddisch gefärbtes Deutsch wird. Mit dem Englischen und Deutschen ist folglich alles in Ordnung, die Umstellungen entsprechen den Regeln des jiddischen Satzbaus und sind kein Stilmittel, um Radebrechen auf Englisch (schlechtes Englisch) zu simulieren.
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    [Wenn es nicht unbedingt "unsere" Erde sein muß und auch nicht unbedingt alle Menschen abgeschüttelt werden müssen, erinnert es ein bißchen an die "Petaybee-Serie" (dt. Eisplanet-Triologie) von Anne McCaffrey...]


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