@ Saltanah & Pandora:
(1) *Wir sind aufs Hexen ganz versessen* IST der alte deutsche Titel von *Charmed Life = Neun Leben für den Zauberer*.
(2) Was findet ihr am Ende von *Feuer und Schierling* denn so mysteriös oder unverständlich??
Das Buch ist nicht nur eine moderne Adaption der beiden zugrundeliegenden Märchen/Sagen, sondern auch deren Synthese, wobei einzelne Motive der beiden Vorlagen neu interpretiert werden.
Am Ende wird konsequent ein erzählerisches Prinzip fortgesetzt, das im ganzen Buch zum Tragen kommt - vieles kommt sehr indirekt in versteckten oder verschlüsselten Anspielungen zum Ausdruck, manches bleibt deshalb ungesagt.
Der deutsche Leser hat jedoch das Problem, daß sowohl die zugrundeliegenden Märchen als auch die in den Anspielungen reflektierten Sprachbilder und literarischen Bezugspunkte im deutschen Sprachraum kaum bekannt sind und darum im Mitdenken beim Lesen keine automatische Resonanz finden.
Die am Ende präsentierte Lösung ist spitzfindig, aber in Wahrheit ist es nur ein Zwischenergebnis. Jones will darauf hinaus, daß die Grundproblematik zeitlose Gültigkeit besitzt - einerseits die der Beziehungen zwischen Laurel und Menschen, andererseits die der Beziehung zwischen den *Helden* Tom Lynne und den Polly.
Es wird nicht ausgesprochen, aber nach Ablauf von 9 Jahren wird wieder ein Leichenzug die Straße entlangfahren und wenn sich Tom und Polly in ihrer Liebesbeziehung zueinander irgendwann nicht mehr auf gleicher Augenhöhe begegnen, könnte Tom eines Tages in dem Sarg liegen, denn sein Vertrag mit der Elfenkönigin (Laurel) wurde nur ausgesetzt, aber nicht aufgelöst. Anders als die Märchenfigur Janet haben Polly und Tom die Elfenkönigin nicht wirklich besiegt, sondern nur eine Art Waffenstillstand erreicht, dessen Dauer von ihnen selbst abhängt.
Die Geschichte und damit auch das Ende beruht auf einer Synthese von zwei Märchen/Sagen:
(1) Die Janet im Märchen verliebt sich in einen Elbenprinzen, der sich jedoch als Mensch herausstellt, der einst von der Elfenkönigin gefangen wurde und ihr verfiel. Janet befreit den Mann, den sie liebt, weil sie sich an ihn klammert und an ihm festhält - ihn buchstäblich durch diverse Verwandlungen mit den Händen festhält und ihn durch DAS, was sie aus Liebe tut, freikauft. Übertragen gesehen ist das ein Machtkampf zwischen Janet und der Elfenkönigin um den BESITZ von Tom.
Mit diesem Begriff und der Frage, inwieweit man einen Menschen, den man liebt, besitzen kann, spielt Jones. Ist jemand zu lieben und ZU ihm zu gehören gleichbedeutend damit, diesem Jemand zu gehören? Und ist eine Liebe, die auf Abhängigkeit voneinander beruht, überhaupt wahre Liebe?
Es geht die ganze Geschichte hindurch immer wieder um verschiedene Aspekte von *Besitzen* und *Benutzen* im Zusammenhang mit Beziehung und Liebe - und dazu gehören auch spitzfindige Nebenbedeutungen floskelhafter Aussagen IN Beziehungen wie *MEIN(e) Mann/Frau*.
Besitzen/Benutzen ist auch die Grundlage der Bindung zwischen Laurel und Tom. Und Tom hinwiederum versucht bis fast zuletzt die Liebe von Polly zu ihm und damit auch Polly=Janet als Waffe gegen Laurel zu benutzen. Er verläßt sich darauf, daß sie ihn liebt = ihm gehört oder er ihr, was nicht ganz auf dasselbe hinausläuft.
Diesem Besitzanspruch von Liebe und dem Benutztwerden oder Benutztwerdenkönnen erteilt Jones durch das ganze Buch hindurch immer wieder eine klare Absage. Daraus resultiert aber auch, daß die Methode von Janet als Lösung des Grundproblems nicht infrage kommt. Tom Lynne kann weder sich auf diese Weise retten noch von Polly so gerettet werden.
Jones Lösung lautet, daß eine gemeinsame Zukunft der beiden möglich ist, aber NUR dann, wenn BEIDE akzeptieren, daß keiner dem anderen (als Besitz) gehört und sie gleichberechtigte Beziehungspartner werden - ohne deshalb (irgendwann) Besitzansprüche auf den anderen anzumelden. Weshalb man das Ende der Geschichte auch als Ergebnis einer erfolgreichen Emanzipation sehen könnte - Tom emanzipiert sich von Laurel, Polly emanzipiert sich von Tom, der seinerseits genötigt ist, das anzuerkennen und fürderhin zu respektieren.
(2) Die zweite Version des Stoffes ist mehr eine Sage als ein Märchen. Der Lautenspieler Thomas Learmont gerät ins Elfenreich, dient (die üblichen) sieben Jahre der Elbenkönigin und kehrt dann in die Menschenwelt zurück. Als Dank für seine Dienste schenkt sie ihm zum Abschied einen Apfel, der den, der ihn verspeist in die Lage versetzt, niemals zu lügen. Und sie teilt ihm mit, daß sie ihn nicht für immer ziehen läßt, sondern eines Tages zu sich zurückrufen lassen wird und er ihrem Befehl dann folgen müsse. Thomas Learmont hält ihr Geschenk zunächst für eine zweifelhafte Gabe, aber sie bringt ihm späterhin viel Ruhm und Reichtum ein. Er wird als *Thomas-der-Reimer* bekannt, da er meist in Versen Prophezeiungen trifft, die sich immer als wahr herausstellen.
Dennoch ist er in der Menschenwelt nie ganz glücklich und sehnt sich immer ins Elbenreich zurück. Und deshalb folgt er auch frohen Mutes den Boten, die die Königin ihm eines Tages sendet und verschwindet auf immer.
Jones Adaption basiert sehr stark auf der zweiten, thomaszentrierten Vorlage, aber sie verbindet sie mit der märchenhaften janetzentrierten Version, indem sie Variationen einbaut, die eben ein Ende ermöglichen, in dem Tom Lynne und Polly die Elfenkönigin Laurel austricksen.
Ein zentrales Motiv ist *Betrug/Täuschung* als Vergehen gegenüber dem Grundgebot zu *sportlicher Fairness*, was in der englischen Erzähltradition und deshalb auch im Bewußtsein des Lesers eng mit dem literarischen Sprachbild vom *Betrogenen Betrüger* verknüpft ist.
Anders als in den Vorlagen schließt Tom nicht freiwillig einen Vertrag mit der Elfenkönigin oder wird dazu verführt, sondern andere schließen den Vertrag über ihn ab - er akzeptiert zwar die Konsequenzen, aber dadurch, daß sowohl die Grundabmachung nicht *fair* zustandekam als auch andere Akteure die Spielregeln brachen, eröffnen sich ihm Möglichkeiten, sich von Laurel zu distanzieren und sich letzlich aus eigener Kraft aus dem Vertrag zu winden oder zumindest ein Patt (Waffenstillstand) zu erreichen.
Anders als in den Vorlagen arbeitet Laurel auf verschiedenen Ebenen mit Betrugsmanövern - *sie spielt nicht fair*. Ihre Gabe an Tom ist ein Geschenk mit Pferdefuß, das sich darum letztlich wider sie kehrt - Laurel wird zur um ihre Beute betrogenen Betrügerin.....