[Kenia] Meja Mwangi - Nairobi, River Road

Es gibt 2 Antworten in diesem Thema, welches 2.405 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Aldawen.

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    Kurzbeschreibung
    Dieser Roman aus dem Milieu der Armen und Gestraucheltem Nairobis beschreibt nicht nur die Lebensumstände in einer afrikanischen Großstadt, sondern auch das Leben in den wuchernden Städten mit ihren unzähligen Slums und dem Elend ihrer Bewohner. Hoffnungen auf ein besseres Leben werden enttäuscht und die Beziehungen untereinander gestört durch eine unmenschliche Umwelt.
    Ben, Wini und Ocholla gehören zu den Millionen von Afrikanern, die durch die Zerstörung der alten afrikanischen Traditionen jeglichen Halt verloren haben. Und obwohl Mwangi vor dieser Situation seinen Sarkasmus und seine Bitterkeit kaum verbergen kann, zeigt dieses Buch Momente praktischer, stiller Solidarität; die einzige Hoffnung der Betrogenen und Vergessenen.


    Meine Eindrücke
    Geprägt durch touristische Beschreibungen wissen wir wenig über den eigentlichen Alltag der Menschen in Kenia. Einen Teil davon stellt Mwangi in seinem Buch vor, nämlich den der einfachen Leute in der Stadt, denen Geld, Beziehungen und gesellschaftlicher Halt fehlen. Ben lebt als Bauarbeiter in Nairobi, in einer heruntergekommenen Wohnung, mit kriminellen Nachbarn und bestechlichen Kollegen. Sein Alltag besteht aus Staub, Dreck, Alkohol und Drogen - jeden Abend geht es in die Bars zu einem Gebräu namens Karara, bis im Lauf des Monats das Geld immer knapper wird.
    Bens Freundin Wini geht auf das College, arbeitet als Sekretärin und wie alle anderen Frauen sichert sie sich ihre Stelle, den Lebensunterhalt für sie und ihren Sohn Baby und die Wohnung mit sexuellen Gefälligkeiten.


    Das Buch war weniger schockierend als frustrierend. Zwar sind die Bedingungen unmenschlich und korrupt, aber das ganz große Problem ist die Hoffnungslosigkeit. Wini wird vielleicht eine bessere Stelle bekommen, wird sich aber auch immer dafür erkenntlich zeigen müssen. Und sie weiß dennoch nie, ob sie nicht einfach ausgenutzt wird und am Ende nicht doch mit leeren Händen dasteht. Ben entscheidet sich eines Tages für einen riskanten Weg, um auf der Baustelle bessere Arbeitsbedingungen zu bekommen. Er, der sich ansonsten nie um etwas anderes kümmert, als sein abendliches Karara, übernimmt irgendwann die Verantwortung für den inzwischen 6-jährigen Baby. Denn selbst das eigene Kind, das nie einen eigenen Namen bekam, bleibt bei Winis Suche nach mehr Glück im Ernstfall auf der Strecke.


    Mwangi zeichnet das Bild von Menschen, die um ihre Stelle am Ende der gesellschaftlichen Hierarchie wissen, denen aber auch Mittel und Wege fehlen, sich daraus zu befreien. Ihnen werden vor der Nase die Wohnungen geschlossen, ihre Restaurants und Slums werden abgerissen und niedergebrannt, jedes Fleckchen Erde wird rücksichtslos als Klo oder Müllhalde genutzt. Und ist die Slumhütte niedergebrannt, werden mit stoischer Ruhe neue gebaut, die schon am Abend drauf wieder stehen. Bis zum nächsten morgendlichen Räumungsapell.
    Ein eindringliches Buch, schlicht und geradeaus geschrieben und gerade dadurch sehr wirkungsvoll. Ben ist eine Figur, die mir sehr gut gefallen hat, weil er den Kopf nie ganz verliert und für sich persönlich kleine Ziele aufbaut und verfolgt.


    3ratten


    Dieses Buch war mein Beitrag für Kenia im Leseprojekt "Wir lesen uns rund um die Welt".



    Land im Betreff ergänzt. LG Aldawen

    ☞Schreibtisch-Aufräumerin ☞Chief Blog Officer bei Bleisatz ☞Regenbogen-Finderin ☞immer auf dem #Lesesofa

    Einmal editiert, zuletzt von Aldawen ()

  • *notier: lesenmuss* Danke, Bettina! :winken:


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Inhalt: Ben hatte einen guten Posten bei einer Versicherung. Aber eine alte Geschichte aus seinen Armeezeiten hat ihn eingeholt, und nun ist ziemlich unten gelandet, Hilfsarbeiter auf der Baustelle des Development House in Nairobi. Immerhin hat er seit einiger Zeit mit Wini eine feste Freundin, die eine gemischte „Karriere“ als Sekretärin und Prostituierte gemacht hat. Und da auch Wini ein bißchen verdient, kommen sie zusammen mit Winis Sohn Baby einigermaßen über die Runden. Die „Wohnung“ verdient zwar kaum diese Bezeichnung, und der Zustand der hausgemeinschaftlichen sanitären Anlagen läßt mehr als zu wünschen übrig, aber besser als die Papphütten in den Slums ist es allemal. Und solange noch ein paar Shilling für das abendliche Karara (ein Billigbier auf Maisbasis) übrig sind, ist das Leben auch irgendwie zu ertragen. Mit Ocholla hat Ben einen guten Kumpel auf der Baustelle, mit dem durchgeknallten Fahrer Onesmus aber auch einen Feind. Der indische Vorarbeiter ist überfordert und ständig mit Rauschgift und billigem Fusel zugedröhnt, so daß auf der Baustelle keiner mehr und schneller tut als unbedingt nötig. So könnte das Leben weitergehen, Ben und Wini denken sogar ans Heiraten, aber manchmal ergeben sich (tatsächliche oder vermeintliche) Chancen, die eine Frau wie Wini nicht vorbeiziehen läßt.



    Meine Meinung: Mwangi zeigt hier ohne Beschönigung, aber auch ohne Jammerei ein Nairobi, das die meisten Touristen nie zu sehen bekommen und mit Sicherheit auch nicht sehen wollen. Überleben ist hier eine Kunst, falsche Rücksichten darf man sich dabei nicht erlauben, denn die Chancen selbst für kleinste Verbesserungen sind rar und müssen genutzt werden. Aber sie haben auch immer einen Preis, der sich manchmal als zu hoch erweisen könnte. Und wer schon unten ist, der kriegt auch noch von allen Seiten einen drauf: Vor der Nase leer geräumte Wohnungen, niedergerissene Imbißbuden, niedergebrannte Slumhütten. Bestechung hilft manchmal, manchmal auch nicht – wer kennt sich da schon aus?


    Dem Leser wird hier nicht viel an Sinneseindrücken erspart, und ich war mehr als einmal froh, daß ein Buch nicht die in ihm beschriebenen Gerüche transportieren kann, denn dann hätte es ziemlich ekelhaft gestunken. Daß unter diesen Umständen auch von einem Cholera-Ausbruch die Rede ist, verwundert nicht. Anders als im Suff ist eine solche Umgebung vermutlich auch nicht zu ertragen, daher ist die Lebensweise der Menschen verständlich, auch wenn man sich wohl manches Mal denkt, daß sich das Geld doch sinnvoller ausgeben ließe als für die tägliche Karara-Ration. Ben sticht immerhin insoweit noch heraus, daß er sich nicht nur für sich selbst interessiert, sondern sich auch Winis Sohn Baby annimmt.


    Bei aller Fassungslosigkeit darüber, unter welchen Bedingungen Menschen tatsächlich noch überleben können (leben möchte ich das kaum nennen), bleibt auch bei mir auch Verwunderung (und ein bißchen Nachdenklichkeit) darüber zurück, welche Kleinigkeiten einen Tag zu einem guten Tag machen können. Eine Frage des Anspruchsniveaus, sicher. Aber Mwangi schafft es dadurch, seine Geschichte nicht völlig trostlos wirken zu lassen, und auch die von Bettina angesprochene Frustration stellte sich bei mir nicht ein. Es gibt Wege hinaus und sie führen, wie auch Ben weiß, entweder über Beziehungen (also eher etwas zufälliges) oder über Bildung, Bildung und nochmal Bildung. Ohne regelmäßigen Schulbesuch wird auch aus Baby nichts anderes werden als erst Parkbwana (die Jungen, die gegen kleines Entgelt auf Parkplätzen den Autofahrern freie Plätze sichern) und später Tagelöhner in Hilfsdiensten – und damit immer auf der Kippe und ohne Chance auf ein regelmäßiges Einkommen und halbwegs gesichertes Leben.


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


    Schönen Gruß,
    Aldawen