Beiträge von nikki

    Hallo zusammen,


    spät aber doch kommen noch meine abschließenden Bemerkungen.


    Kapitel 6: Gamboa führt eine glückliche, funktionierende Ehe, ist aber auf dem besten Weg, seiner Karriere ein Ende zu setzen. Das Gespräch zwischen dem Coronel und Alberto war sehr aufschlussreich. Der Coronel verlangt Beweise für Albertos Anschuldigungen. Dieser kann keine vorbringen, was dem Coronel die Chance für eine Offensive bietet: er konfrontiert Alberto mit seinen Erotikgeschichten und droht ihm mit Rausschmiss und Psychiater. Dann kommt der Meisterzug: wenn Alberto alle Anschuldigungen fallen lässt, sich für den Rest des Schuljahres gut benimmt, werden die Geschichten verbrennt und niemand erfährt etwas davon. Alberto zieht daraufhin seine Anzeige zurück und lässt somit auch Gamboa im Stich. In der Zelle trifft er auf Jaguar und sagt ihm, er habe ihn denunziert. Gleichzeitig erfahren wir auch, dass Jaguar und Higueras bei einem ihrer früheren Überfälle verraten wurden. Higueras wird geschnappt, kommt ins Gefängnis und Jaguar landet auf der Straße.


    Im Kapitel 7 erfahren wir, dass der Vorfall aus dem Register gelöscht wird. Gamboa muss sich für seine Vorschriftentreue verteidigen. Die Devise lautet , Abwarten und Tee trinken, mit der Zeit löst sich alles. Gipfel der Ironie ist die Aussage vom Capitán, dass schlussendlich die Gerechtigkeit gesiegt habe.
    Alberto und Jaguar dürfen nun auch in den Schlafsaal zurück. Jaguar schwört, nicht gewusst zu haben, dass Arana Cava verraten hat. Er macht es sehr glaubwürdig, wusste er es wirklich nicht?
    Auch Szenen aus Jaguars Jugend kommen wieder vor. Nachdem er von Zuhause geflohen ist, geht er zu seinem Paten. Dort wird er ziemlich ausgenutzt, muss sehr viel arbeiten und wird auch von der Frau des Paten zum Beischlaf genötigt.


    Kapitel 8 war wiederum sehr interessant und spannend. Jaguar und Alberto sind wieder im Schlafsaal. Schnell wird Jaguar beschuldigt, die Mitschüler verraten zu haben. Nur Boa steht zu Jaguar. Hier zeigt sich, dass er mehr als nur ein Mitläufer war, scheinbar empfand er Jaguar trotz aller Zweifel als einen Freund. Alberto wird unruhig, da er fest damit rechnet, Jaguar wird alles erzählen; dass er der Denunziant ist, aber der Jaguar schweigt. Er lässt die Beschimpfungen über sich ergehen. Am Schluss schreit der ganze Saal „Verräter!“, auch Alberto. Jaguar bleibt stumm, er selber will kein Denunziant sein. Vielmehr ist er tief enttäuscht von seinen Kameraden, da er alles für sie getan hat und nun lassen isie hn einfach so fallen.


    Das Epilog spielt am Ende des Schuljahres. Gamboa unterhält sich mit Jaguar. Dieser hat ihm einen Zettel geschrieben, wo er zugibt, Jaguar ermordet zu haben. Der Grund warum er diese Beichte ablegt, ist dass er inzwischen erkannt hat, wie es ist, ein Außenseiter zu sein, ein unbeliebter Teil innerhalb einer Gruppe. Aus diesem Grunde empfindet er so etwas wie Reue. Gamboa winkt aber ab, er will mit der Geschichte nichts mehr zu tun haben.
    Alberto findet nach Schulschluss Zugang zu seiner alten Clique. In diesem Kreis weiß man nichts von seinen Jahren in der Kadettenschule; immer mehr kann er Arana aus seinen Erinnerungen verdrängen. In dieser Umgebung hatte er wieder seine Zukunft erlangt.
    Jaguar sucht nach dem Schulschluss Terese auf. Bei ihnen kommt es zu einem Happy-End, sie heiraten. Er erzählt das alles in der Schlussszene Higueras. War Higueras sein einziger wahrer Freund, der ihm durch Verrat entrissen wurde? Nach dieser Szene startete seine Odyssee und hier liegt auch sicherlich der Grund seines Hasses Denunzianten gegenüber. Ich glaube aber nicht, dass er ihm oder Terese von der Geschichte mit Arana erzählt hat.



    Dieser Schluss lässt viel Raum für Spekulationen offen: Wie können Jaguar und Alberto diese Vergangenheit scheinbar so leicht vergessen? Ist Jaguar nur kaltblütig, empfindet er keine Reue? Er unterscheidet zwischen Denunziation aus Feigheit (Arana) und Denunziation aus Rache (Alberto). Irgendwie ist er mir trotz all der Gräueltaten sympathischer gewesen als Alberto; was mich irgendwie erschreckt. Schwergefallen ist mir manchmal auch, mir hier 15-16-jährige Burschen vorzustellen; v.a. Jaguar schien mir in seinem Benehmen viel reifer, viel erwachsener. Der Mord wird schlussendlich nicht geahndet. Alberto sagt nichts, Jaguar stellt sich nicht. Hat er die Lektion fürs Leben gelernt? Hätte er Aranas Situation verstanden, hätte er ihn glaube ich nicht getötet. Er hätte Aranas Motivation verstanden. Für Arana waren sie keine Kameraden, sondern Feinde – dadurch kann man sein Motiv in einem anderen Licht sehen. Ich glaube, Verräter bleiben für Jaguar noch immer verabscheuungswürdige Personen, aber ich glaube nicht, dass er noch einmal zu solch drastischen Maßnahmen greifen würde. Alberto wird wohl sein Inginieurstudium in den USA antreten und die Geschichte als eine unglückliche Episode aus seiner Vergangenheit abhacken. Auch ziemlich kaltblütig.


    Insgesamt ein tolles Buch, das sich um Themenkomplexe Erwachsenwerden, Freundschaft, Außenseitertum, Denunziation, Feigheit, Rache, Loyalität und Gruppendynamik dreht und eingebettet ist in Lima der 1950-er Jahre. Sehr empfehlenswert!


    @mombour, Du hast Recht, António Lobo Antunes ist ein wahrer Meister von verwirrender - aber lohnender - Polyphonie. Auch ein sehr empfehlenswerter Autor.


    Liebe Grüße
    nikki

    Hallo!


    Ich wollte mich nur mal zwischenmelden. Ich bin auch durch, habe aber leider meinen Laptop, das Buch und die Notizen bei meinen Eltern vergessen. Nächste Woche fahre ich hin und schreibe dann noch was zu diesem wirklich tollem Buch!


    Liebe Grüße
    nikki

    Hallo!


    Ich befand mich auch im Dilemma, ob ich spoilern sollte oder nicht. Aber ich habe mir gedacht, ich hebe die Kapitelnummern hervor und damit wissen diejenigen, die nicht so weit sind, worüber ich gerade schreibe. Sonst hätte ich lauter weiße Kästen vor mir.



    Bis auf den Mord, und der wird ja leider schon im Klappentext erwähnt. Das war mir allerdings entgangen - meine schwedische Bibliotheksausgabe hat gar keinen Klappentext und den deutschen hatte ich nicht gelesen - und so war ich wirklich schockiert.


    In der spanischsprachigen Ausgabe steht auch nichts darüber und ich hatte es wirklich, wirklich nicht erwartet. Das 8. Kapitel habe ich noch immer bildlich vor mir.


    Ich bin inzwischen mit Kapitel 5 durch.


    Kapitel 4: Jaguar wurde auch eingesperrt und alle haben Angst, er würde sie verraten. Boa meint auch, Jaguar habe kein Ehrgefühl. Alberto sitzt auch in der Zelle, weil Gamboa nicht wollte, dass er zurück in den Schlafsaal geht. Über sein Fehlen dort wird nichts berichtet. Alle konzentrieren sich mehr auf das Fehlen Jaguars. Es kommt zu einem Gespräch zwischen Alberto, Capitán Garrida und Gamboa. Garrida versucht Alberto einzuschüchtern, er droht ihm, dass er von der Schule fliegen wird und erklärt, er wolle alles vergessen, wenn Alberto die Klappe hält. Der Junge widersteht aber, was ich ganz stark fand. Als Garrida weitere Drohungen ausspricht, mischt sich auch Gamboa ein und meint, dass der Kadett Recht auf eine Untersuchtung hat. Er selbst werde Meldung an den Mayor erstatten; er besteht auf Disziplin und Ordnung. Im Gegenzug offenbart Garrida seine Vorstellung vom Militär: im Heer lernen die Jungs, Männer zu sein. Und Männer saufen, rauchen, f****n, usw... Alle tun das, nur die Schlauen lassen sich nicht erwischen. Verwegenheit und Geschicklichkeit gehören auch zum Soldatsein. Er will die Sache unbedingt kleinspielen und vertuschen. Aber da hat er nicht mit Gamboa gerechnet.


    Langsam wird auch klar, wie Jaguar zu dem Schlägertypen geworden ist. Ich bin jetzt überzeugt, dass er Teresas Jugendfreund ist. Am Strand sieht er sie mit einem anderen und flippt vollkommen aus. Wut, Trauer, Enttäuschung breiten sich aus und er verprügelt den Jungen nach chalaca Art.


    Im Kapitel 5 ist sich Boa auch nicht mehr sicher, ob Jaguar sie doch nicht denunziert, denn die Spinde werden durchsucht. Er will ihn ohne Beweise nicht belasten, aber sicher ist er sich nicht. Alle anderen halten Jaguar für einen Denunzianten.
    Es kommt zu einem Gespräch zwischen Gamboa und Jaguar, wo Jaguar es schwört, Ricardo nicht ermordet zu haben. Er verrät aber auch, er nennt keine Namen, meint aber, dass die ganze Kompanie immer alles mitgemacht hat. Jaguar spielt hier den Starken, Unbeugsamen; aber durch sein Verhalten verrät er sich selbst.
    Noch einmal eine Jugendszene: er sieht Terese schon wieder mit dem Jungen und es kommt zu einer Schlägerei vor ihren Augen. Es kommt zum Bruch, sie schaut ihn mit haßerfüllten Augen, er wirft ihr vor, eine Hure zu sein. Nach diesem Erlebnis kommt er nicht mehr nach Hause.


    Auch der Mayor findet Gamboas Bericht verrückt, hirnverbrannt. Aber er muss ihn dem Kommandanten vorlegen.




    Alberto bricht zusammen. Ich könnte mir vorstellen, dass mehr dahinter steckt, als bloße Betroffenheit über Ricardos Tod. Kann es sein, dass er dem Jaguar verraten hat, dass Ricardo der Denunziant war?
    Dass er sogar Tere Schuld an dem Tod Ricardos zuschieben will, zeugt meiner Meinung nach von sehr schlechtem Gewissen und dem Versuch, die eigene Schuld von sich zu weisen. Er hat nämlich - so deute ich die Situation - dem Jaguar von Ricardo erzählt, um seinen "Nebenbuhler" eins auszuwischen, und muss durch Teresas laue Reaktion feststellen, dass das gar nicht nötig gewesen wäre.
    Nun kann er seine Schuld nicht mehr ertragen und sucht jemanden, dem er alles erzählen kann. Großartig fand ich übrigens die Szene, wie er Gamboa anruft. Das Telefongespräch, immer wieder unterbrochen von Gesprächsfetzen der Kneipengäste - einfach toll.


    Ich glaube nicht, dass er ihn verraten hat. Er dachte darüber nach, aber ich glaube nicht, dass er es getan hat. Vielleicht plagen ihn Gewissensbisse, weil er Ricardo hintergangen hat; weil er keine Briefe mehr für ihn schreiben wollte und so den Jungen indirekt dazu getrieben hat, Jaguar zu denunzieren um Ausgang zu bekommen?



    Ricardos Tod hat die Kadetten wirklich betroffen gemacht, wie wir aus Boas Sicht erfahren. Der bekommt übrigens immer stärkere Konturen und wird immer interessanter. Wie kritisch er den Jaguar betrachtet, wirft eigentlich ein bezeichnendes Licht auf das Mitläufertum. Er hat sich dem Jaguar angeschlossen, um sich vor ihm zu schützen, um nicht selbst ein Opfer von ihm zu werden. Lange hat er wahrscheinlich auch vor sich selbst jede Kritik an seinem Anführer versteckt, aber jetzt stellt er fest, "ich brauche dich bald (mit Beendigung der Schulzeit) nicht mehr" und kann den Jaguar aus einem anderen Blickwinkel betrachten.
    Aber weiß er wirklich nicht, was geschehen ist? Hatte er nichts von dem "Verrat" Ricardos erfahren und versteht daher nicht, wie er die Ereignisse zu deuten hat? Es scheint zumindest so.


    Du hast Recht, Boa wird interessanter, aber er bleibt ein Mitläufer, er lehnt sich nicht gegen Jaguar auf. Er zweifelt zwar stark an Jaguar, aber wie im Kapitel 5 zu sehen war, ist er doch nicht bereit, sich gegen ihn zu stellen, wie alle anderen. In seinen Gedanken nimmt er ihn eher in Schutz. Es hat wirklich den Anschein, dass er nicht wusste, wer Cava verraten hat.



    Ich glaube allerdings, dass er sich irrt, wenn er glaubt, die Offiziere wüssten nicht, was unter den Kadetten abgeht. Dass sie rauchen und saufen, über die Mauer abhauen und einigen unter ihnen das Leben zur Hölle machen. Natürlich wissen die Offiziere das - vielleicht nicht in Einzelheiten, aber grundsätzlich schon. Sie waren doch sicher zum größten Teil in derselben oder ähnlichen Schulen gewesen und habe entsprechende Erfahrungen gemacht. Sie verschließen nur die Augen vor dem, was zwischen den Kadetten abläuft, denke ich. Und Gamboa, der "gute" Offizier, der seine Kadetten fest im Griff hat, weiß sicher mehr als der desinteressierte Huarina. Ich könnte mir gut vorstellen, dass Alberto einen groben Fehler macht, als er sich Gamboa anvertraut.


    Gamboa macht weiterhin den Eindruck, als ob er nichts gewusst hätte. Daher meint er, er müsse das weitermelden, sonst kommt er sich wie ein Komplize vor und meint, dass ihn die Abteilung drei Jahre lang zum Narren gehalten hat. Ich glaube, dass die Unteroffiziere es gewusst haben (sie wussten auch, dass Ricardos Spitzname Sklave war), aber keine Meldungen gemacht haben. Mir bleibt Gamboa irgendwie sympathisch, er ist der Einige, der auf Aufklärung besteht. Er tut es vielleicht weniger aus Nächstenliebe, seine Motivation muss man nicht für die "richtige" halten (Disziplin und Ordnung müssen sein), aber zumindest tut er etwas.


    Liebe Grüße
    nikki

    Hallo zusammen!


    Ich bin bis Kapitel 3 des zweiten Teiles gekommen.


    Im Kapitel 1 lernen wir Ricardos Vater kennen.


    Ricordos Vater stellt sich als strenger, aber liebender Papa dar, der doch nur das Beste seines Sohnes wollte. Glaubt er das wirklich, oder ist das nur Fassade?


    Ich hatte den Eindruck, er meint das wirklich. Er hat sehr darunter gelitten, dass Ricardo "weiblich" erzogen wurde und unternahm alles, um ihn "männlicher" zu machen. In einer Gesellschaft, wo der Machismo ziemlich ausgeprägt ist (noch dazu in den 50-er Jahren) galt es, seinen Mann zu stehen und er glaubte, durch diese Schule seinem Sohn einen Dienst zu erweisen. Ricardo selbst freute sich von zu Hause weg zu kommen.



    Kapitel 6:
    Ich habe mich sehr über Ricardos Verhalten gewundert, nicht so sehr weil er Cava verpfiffen hat, dass konnte ich noch nachvollziehen, da er unbedingt Ausgang haben wollte um zu Teresa zu gehen, aber dass er direkt danach seinen Ausgang nimmt, wodurch es für die anderen so offensichtlich wird, dass er der Denunziant ist, das habe ich nicht verstanden. Er hat dort schon so leiden müssen, ihm hätte eigentlich klar sein müssen, was ihm blüht.
    Kurz darauf haben doch alle wieder Ausgang bekommen und er hätte wesentlich unauffälliger das Gelände verlassen können.


    Darüber habe ich mich eigentlich nicht gewundert. Das Ausgehverbot war für ihn das Schlimmste, was passieren konnte. Endlich hatte dieser Junge, der von allen verspottet, belästigt, geschlagen wird ein Mädchen kennen gelernt und die Möglichkeit gesehen, aus der Einsamkeit auszubrechen. Da war endlich eine Person, die ihn womöglich mochte. (Dass dies nicht so war, erfahren wir später und das macht mir die Person Ricardo noch tragischer, als sie es schon ist.) Und dafür wollte er unbedingt raus. Ich kann seine Handlung schon nachvollziehen.


    Ich glaube inzwischen auch, dass Tere und Terese dieselbe Person ist. Und dass Jaguar ihr jugendlicher Freund ist. Der Junge trifft sich immer in Bellavista mit Higueras und Boa erwähnt, dass Jaguar aus Bellavista kommt. Jaguar könnte demnach Higueras und Tereses Freund sein.


    Ja, vom Kapitel 2 war ich entsetzt. Teniente Gamboa wird mir aber immer sympathischer. Er mag ein harter Kerl sein und ich habe das Gefühl, dass er da nicht einfach so mitmachen wird. Er wird auch angegriffen, weil er seine Kadetten nicht unter Kontrolle hat. Es war aber irgendwie klar, dass alles auf Vertuschung hinaus läuft. Das Prestige der Schule und der Arme steht auf dem Spiel und somit wird Ricardo noch einmal zum unfreiwilligen Player eines Machtspiels und einer großen Ungerechtigkeit.


    Im Kapitel 3 wird über die Veränderung der Kadetten nach dem Todesfall berichtet. Alle scheinen sich verändert zu haben, vor allem aber Alberto. Er ist vollkommen apathisch, isst nichts, schreibt keine Romane oder Liebesbriefe mehr, sondern liegt die ganze Zeit herum. Er birgt aber auch ein furchtbares Geheimnis. Nach dem er sich Terese öffnen wollte und sie nicht allzutief vom Tod des Kadetten beeindruckt war, gibt er in seinem inneren Monolog auch ihr die Schuld und meint, sogar die Hure Pies Dorados habe mehr Seele als sie. Schlussendlich entschließt er sich, sich Gamboa anzuvertrauen und erzählt ihm alles: wie sie Ricardo jahrelang mißbraucht haben, vom Alkohol- und Zigarettenschmuggel usw. Die Offiziere hatten offenbar keine Ahnung, was da vor sich ging. Alberto ist überzeugt davon, dass Jaguar der Schütze war.
    In diesem Kapitel kommt auch ein neuer Aspekt ins Leben des Jugendfreundes (Jaguar) Teres. Er geht zum ersten Mal mit Higueras einbrechen und ist sehr froh über das Geld, das er gleich ausgibt, um Tere Geschenke zu machen. Er kommt langsam auf die schiefe Bahn.


    Denunziation, Mord, Vertuschungsaktion... bin gespannt, wie es da weiter gehen wird.


    Liebe Grüße
    nikki

    Hallo!


    Dank einer längeren Zufahrt habe ich inzwischen den ersten Teil fertig gelesen.


    Im Kapitel 5 erfahren noch einiges über Ricardos Kindheit. Der Vater hält ihn für verweichlicht, die Mutter gibt ihm die Schuld, weil er vom Vater geschlagen wurde. Seine Einsamkeit, seine Mutlosigkeit werden immer größer und das Vertrauen in die Mutter schwindet dahin. Um ein richtiger Mann zu werden, kommt er auf die Militärschule.
    Alberto verheimlicht ihm weiter, was mit Terese passiert ist. Er wurde von seinem Vater auf die Schule geschickt, um die Familienehre zu retten. Auch Liebeskummer wegen Helene spielt da eine Rolle.
    Die Orgienszene bei La Perlita war mir unheimlich.


    Im Kapitel 6 denunziert Ricardo Cava. Dafür kriegt er Ausgang. Natürlich wirkt das eigenartig, allen wird dadurch klar, wer der Denunziant ist. Die Maffia trifft sich bereits, um weiteres Vorgehen zu besprechen. Da Alberto glaubt, Ricardo geht zu Terese, reisst er aus und eilt auch zu ihr, um ihr zu sagen, dass sowohl Ricardo als auch er in sie verliebt sind.


    Kapitel 7 - wieder eine Szene mit Terese. Mir ist jetzt auch nicht mehr klar, ob Tere und Terese ein und dieselbe Person sind. Ricardo und Tere waren sehr vertraut mit einander,sie machten Hausübungen gemeinsam, er holte sie von der Schule ab. Aber Terese sagt, sie hat nur einmal mit Ricardo gesprochen. Irgendwo wurde auch erwähnt, dass sie 18 ist. Die Kadetten sind 15. Andererseits wohnen beide (Tere und Terese) bei ihrer Tante; Ricardo wohnt in der Nähe Teresas. Momentan bin ich auch verwirrt. :gruebel: Jaguar und Terese? Interessante These. Dann muss aber etwas Gewaltiges passiert sein, damit aus dem braven, fleissigen Schüler dieser brutaler Kerl wird.
    In diesem Kapitel lernen wir auch Boa näher kennen. Auch er bezeichnet Jaguar als eine Bestie, einen Teufel. Aber er und Rulos scheinen mir typische Mitläufer zu sein.


    Im Kapitel 8 passiert es! Ich habe gewusst, dass etwas passieren wird. Aber ich hätte nie, nie erwartet, dass es bei der Feldübung sein wird. Diese Art von Gewalt und Kaltblütigkeit habe ich nicht vorausgesehen. Das Kapitel plätscherte irgendwie dahin und aufeinmal, ganz unspektakulär bringt Vargas Llosa diese Wende ein. Ich war ziemlich baff.




    Glaubt ihr übrigens, dass Alberto das Alter Ego von Vargas Llosa ist? Auch Alberto übt sich ja im Erzählen und hat eine gewisse Außenseiter-Beobachterposition, die ihn gut dazu befähigt, später ein Buch über seine Jugenderlebnisse zu schreiben.


    Ich glaube schon, dass da auch Biographisches hineingeflossen ist. Er war ja auch zwei Jahre auf einer Militärschule und fast in jedem seiner Bücher wird das Militär auf die eine oder andere Art durch den Kakao gezogen, um es lieblich auszudrücken. Alberto verdient auch sein erstes Geld mit Schreiben von Romanen und Liebesbriefen. Irgendwo sagt er auch, dass die anfangs plumpen p.o.r.n.o.graphischen Szenen mit der Übung immer raffinierter und eher erotischer werden. Auch ein Wink mit dem Zaunpfahl?


    Das Buch erinnert mich auch immer mehr auf Musils Verwirrungen des Zöglings Törleß. Auch dort ging es um eine Kadettenanstalt, das Erwachsenwerden, homoerotische Beziehungen, Gewalt, Ausübung von Macht, die Figuren des Anführers, der Mitläufer und des Opfers.


    Bin gespannt, was im zweiten Teil passiert.


    Liebe Grüße
    nikki

    Hallo!



    Ach, was beneide ich dich darum, dass du das Buch auf Spanisch lesen kannst, Nikki!


    Danke, dafür komme ich aber wirklich nur in einem Schneckentempo voran. Gestern habe ich das vierte Kapitel beendet.


    Ich bin auch begeistert davon, wie Vargas Llosa verschiedene Perspektiven und Zeitebenen zu einer flüssigen, relativ leicht lesbaren Geschichte verwebt. Aber trotzdem, Saltanah, kannst Du mir auf die Sprünge helfen? Ich bin nicht darauf gekommen, wer da am Anfang des dritten Kapitels spricht. :redface:



    Die Passagen außerhalb der Schule mag ich bisher sehr. Vor allem empfinde ich sie als regelrechte Erholung im Vergleich zum Alltag an der Militärschule.


    Das geht mir genauso. Zwischendurch werden mir diese (überzogenen) Gewaltszenen und die Vulgarität ein bisschen zu viel. Durch diese Jugendszenen kann man auch nachvollziehen, warum manche so geworden sind, wie sie sind. Und ich finde es wunderbar, vom Aufwachsen in Lima der 50-er Jahre zu lesen! Bis jetzt erfahren wir am meisten über Alberto und Ricardo, was mir auch sehr gut gefällt, da diese zwei Burschen nicht so eindeutige Charaktere sind wie z.B. Jaguar (der Schläger und Anführer). Vor allem Alberto scheint mir zerissen zu sein. Er ist freundlich zu Ricardo, bewahrt aber eine gewisse Distanz und macht Sachen, die Ricardo auch verletzten würden, wenn er davon wüsste. (Ausgehen mit Terese) Ich hoffe, wir erfahren auch mehr über Jaguar, Boa und andere. Es würde mich sehr interessieren, warum die Jungs auf diese Schule gehen.


    Liebe Grüße
    nikki

    Hallo!


    Saltanah, ich weiß nicht, ob Círculo hier etwas besonderes heißt; ich nehme mal an, es hat einfach die Bedeutung von Verein, Gruppe. Pies Dorados heißt wörtlich übersetzt vergoldete oder goldene Füße. Und soweit ich es mitbekommen habe, ist Diego Ferré der Name der Straße, wo Alberto in Miraflores gewohnt hat. Wer Diego Ferré war, weiß ich jetzt nicht genau.


    Struppi, danke! Ich habe noch nie gesehen, dass Mafia mit zwei "f" geschrieben wird. Jetzt weiß ich es besser.


    Liebe Grüße
    nikki

    Hallo!


    Schön, dass wir schon so viele sind! :klatschen:


    Ich habe inzwischen das erste Kapitel gelesen; ich versuche mich auf Spanisch, daher bin ich ziemlich langsam.
    In der spanischen Ausgabe schreibt Vargas Llosa, dass er drei Jahre an dem Buch gearbeitet hat. Er hat 1958 in Madrid damit begonnen und es 1961 in Paris beendet. Weiters schreibt er, dass er ein großer Bewunderer nordamerikanischer Schriftsteller ist, vor allem Faulkner scheint es ihm angetan zu haben. Das ist schon das zweite Mal, dass ich bei einem südamerikanischen Autor diese Vorliebe für Faulkner antreffe (auch García Márquez schwärmte von ihm). Es ist also höchste Zeit, mal was von Faulkner zu lesen. Am Ende des Prologs meint Vargas Llosa, dass ihm dieses Buch die meisten Überraschungen beschert hat und dass er mit seiner Veröffentlichung langsam eine Ahnung davon bekam, wie es sich anfühlen muss, wenn ein Traum in Erfüllung geht: nämlich eines Tages ein Schriftsteller zu sein. Ich glaube, ich habe irgendwo gelesen, dass es in Lima zu öffentlichen Verbrennungen des Buches gekommen war. Weiß jemand von Euch vielleicht etwas mehr darüber?


    Im ersten Kapitel machen wir Bekanntschaft mit der Leoncio Prado Kaserne in Lima. Schnell wird deutlich, dass in der Kaserne Gewalt vorherrscht; wir bekommen auch gleich Einblick in die Machtverhältnisse: Costeños blicken mit Verachtung auf die Serranos herab, und alle Schüler niedrigen Jahrgangs haben sowieso das Nachsehen. Ich mag Vargas Llosas Sprache, diese zeitlichen und räumlichen Sprünge. Aber Ihr habt Recht, dadurch braucht man mehr Zeit und Konzentration zum Lesen. Die Szene mit dem Huhn war schrecklich. Ich habe zuerst auch nicht verstanden, worum es wirklich geht. Dann habe ich mir gedacht "Nein, das wird es wohl nicht sein. Wie soll das gehen?" Also ich kann und ich will es mir auch nicht wirklich vorstellen. Und auch die restlichen Vergewaltigungsszenen. Thanquola, Du hast Recht, Vargas Llosa war auf einer Militärschule. Es würde mich interessieren, ob und wie viel von den Sachen, die er beschreibt, er selber vielleicht erlebt hat.


    Gefallen hat mir auch, dass Miraflores schon so oft erwähnt worden ist - und vor allem die Calle Porta. Dort war das Hotel in dem mein Freund und ich abgestiegen waren. Ich bin wirklich aus dem Häuschen, weil ich die Gegend ein bisschen kenne.


    Im Spanischen heißt die Maffia "el círculo". Aber warum wird sie im Deutschen mit zwei "f" geschrieben?


    So, jetzt wird weiter gelesen.


    Liebe Grüße
    nikki

    Hallo!


    Den Film Die Klavierspielerin habe ich auch schon gesehen, stimmt. Aber das ist das einzige, was ich von ihr kenne. Ich glaube, ich werde mit Gier anfangen. Ich werde mal berichten, nur das kann bei mir sicher noch dauern. :smile:


    Liebe Grüße
    nikki

    Hallo Makani!


    Danke für Deine Rezension, macht mich wieder neugierig auf Jelinek.


    Welche anderen zwei Bücher von ihr hast Du gelesen? Sie ist für mich noch vollkommenes Neuland, aber ich habe Gier und Die Kinder der Toten bei mir Zuhause und ich kann mich nicht entscheiden, mit welchem ich anfangen soll. Kennst Du zufälligerweise eines der beiden Bücher? Oder was würdest Du mir sonst von ihr empfehlen?


    Liebe Grüße
    nikki

    Hallo!


    Ich bin jetzt auch mit dem Büchlein durch und ich muss sagen, es hat mir auch nicht so gut gefallen wie die "Zeit der Nordwanderung." Mir haben genauso wie Dir Aldawen die drei ersten Geschichten am besten gefallen.


    Wadd Hâmids Dumpalme
    Hier sah ich die Palme als ein Symbol des Widerstandes einerseits gegen den unausweichlichen Fortschritt und andererseits auch gegen die sich unheimlich schnell wechselnden Regierungen und die politische Instabilität im Sudan. Es hieß auch irgendwo im Text "Wadd Hâmids Dumpalme ist ein Symbol für das Erwachen des Volkes."



    Ich habe aus den Worten des Erzählers in diesem Zusammenhang keine Hoffnung, sondern eher Trauer gelesen. Schließlich betont er ja, er habe seinen Sohn nicht in die Stadt zur Schule geschickt, sondern dieser sei dorthin „ausgerissen“. Der Erzähler hätte es also gerne verhindert, weil er weiß, es wird etwas verloren gehen, wenn die jungen Leute spätestens der übernächsten Generation auf Grund einer anderen Sozialisation der Palme Wadd Hâmids nicht mehr den gleichen Stellenwert einräumen. Veränderungen werden damit nicht nur möglich, sondern sogar unausweichlich, und das schätzt eben nicht jeder.


    Diesen Eindruck hatte ich auch.


    Mit den anderen Erzählungen konnte ich nicht wirklich viel anfangen.


    Wenn sie kommt; da gehe ich voll mit Euch mit. Keine Ahnung was das sein sollte.


    So, meine Herren
    Ich hatte bei der Party auch Probleme damit, ob es sich um einen inneren Monolog handelt oder nicht. Erst zum Schluss, als die anderen Gäste darauf reagiert haben, bin ich drauf gekommen, dass er laut "gedacht" hat. Ich fand die Situationsbeschreibung zum Teil auch überspitzt. Ist man wirklich so entsetzt, wenn jemand keinen Alkohol trinken möchte? Muss man Whiskey trinken, wenn man in England wohnt? Sollte wohl ein Teil des Assimmilierungsprozesses sein oder was? Die Ignoranz und verstrecktes Mißtrauen kommen aber in dieser Geschichte trotzdem voll zur Geltung. Das mit den Illusionen habe ich auch nicht so richtig verstanden. Vielleicht wollte er in sein Heimatland zurückkehren und seine Töchter sind ihm ein Ersatz dafür. Ich weiß nicht so recht.


    Der Zypriot
    Ich glaube, diese Geschichte muss ich noch einmal lesen, um sie richtig zu verstehen.


    Wie gesagt, nicht so toll wie "Zeit der Nordwanderung". Ich habe sehr vieles nicht verstanden, daher muss ich mir noch ein paar Gedanken dazu machen.


    Liebe Grüße
    nikki

    Hallo!



    Tut mir leid, dass ich so davonstürme, aber mir wurde plötzlich klar, dass ich ja schon übermorgen in Urlaub fahre, und bis dahin möchte ich das Buch gerne durch haben.
    [


    Schön, da teilen wir das gleiche Schicksal. :smile: Ich muss mich entschuldigen, dass ich noch nicht so viel geschrieben habe, aber am Wochenende bin ich länger in der Steiermark festgesessen als geplant. Ein Sturm ist über uns gefegt und einige Zugverbinungen waren unterbrochen. Zum Teil waren wir strom- und natürlich auch internetlos. War echt unheimlich, aber ich habe fleissig gelesen.


    Eine Handvoll Datteln
    Ihr habt beide Recht. Die Geschichte ist - trotzd des mir unsympathischen Großvaters - beeindruckend gewesen.



    Als der Junge die Aufteilung der Datteln verfolgt, von denen Massûd nichts bleibt, und sein Großvater von noch weiteren offenen Schulden spricht, stürzt er davon und erbricht die gekosteten Datteln aus der Ernte. Das erscheint mir angesichts seiner zuvor bereits gewachsenen Zweifel und des frisch gewachsenen Hasses auf seinen Großvater, den er selbst anspricht, nur konsequent. Sein Großvater mag sich an Massûd bereichern, der Junge will es nicht. Das unrechte Gut soll ihn nicht nähren.


    Genau! Das hast Du sehr schön geschrieben. Vor allem wenn man bedenkt, dass der Junge irgendwann einmal das Feld seines Großvaters vielleicht auch erben wird.



    [Überrascht hat mich die Verachtung dem nicht Erfolgreichen gegenüber, der der Großvater so deutlich Ausdruck verleiht. Oder hilft diese Verachtung ihm, gefühllos gegenüber dem Leid Massûds zu bleiben, und kühl Pläne zu dessen vollständiger Vernichtung schmieden zu können? Jedenfalls wurde ja schon in der vorigen Geschichte deutlich, wie sehr sich der Wert von Menschen über deren materiellen Besitz definiert. Hier wird dies noch klarer ausgedrückt. Werte wie Lachen können, eine gute Singstimme haben, zählen für den Großvater nicht.



    Das habe ich mir auch gedacht. In der ersten Geschichte geht es auch darum, materiell erfolgreich zu sein, um anerkannt zu sein und heiraten zu können. Natürlich braucht man finanzielle Möglichkeiten, um eine Familie ernähren zu können, das steht außer Diskussion. Aber diese Verbissenheit des Großvaters konnte ich nicht nachvollziehen. Es war so nach dem Motto: ich will ihm unbedingt eins auswischen, weil er das Leben abseits der Arbeit geniessen kann. Daher war er mir am Schluss extrem unsympathisch. Salich ist es wirklich wunderbar gelungen, auf ein paar Seiten diesen Wandel zu beschreiben; von grenzenloser Bewunderung und Liebe gegenüber dem Großvater zu den ersten Zweifeln und ja, sogar Hass.


    Ein Brief an Eileen
    Zuhause ein Fremder unter Fremden sein, das ewige Thema. Ich stimme Dir zu Saltanah, Emigration muss nicht unbedingt der alleinige Grund dafür sein. Man kann sich aufgrund vieler verschiedener Sachen von der Familie und der Verwandtschaft distanzieren. Aber dieses Gefühl, weder hier noch dort zu sein, haben wirklich sehr viele Migranten. Ich kenne das aus meinem eigenen Umfeld. Und wenn es, wie in diesem Fall, um eine transkontinentale Migrationsgeschichte aus den 60-er Jahren geht, kann ich mir schon gut vorstellen, dass da die Vorbehalte groß waren. Sudan war soeben unabhängig geworden, hatte sich von der Kolonialherrschaft befreit. Vielleicht spielt das in diesem Fall auch eine Rolle, nach dem Motto: Warum verlässt man das Land in dem Augenblick, wo man gebraucht wird? Warum lässt man es im Stich?


    Liebe Grüße,
    nikki

    Hallo!


    Also ich muss Dir Saltanah gleich zustimmen, mir fehlt auch ein Glossar. In der Hinsicht bin ich auch faul.


    Ich habe auch die erste Erzählung Eine Palme am Bach gelesen. Zentral in dieser Erzählung scheint - wie der Titel es schon sagt - Scheich Machdschûb‘s Palme zu sein. Am Tag vor dem Opferfest überlegt er sich die Palme zu verkaufen, um seine Schulden tilgen zu können und ein Opferlamm kaufen zu können. Er erinnert sich an seine Jugend und wie mit der Palme alles begann.


    In seiner Jugend wurde er für einen Nichtsnutz und Dummkopf gehalten, arbeitete mit seinem Vater zusammen und hatte selber nichts. Aber als er den Setzling, den sein Vater wegschmeißen wollte, einpflanzte, änderte sich sein Leben. Sechs Monate danach heiratete er, wobei er es selber als ein Wunder ansah, da er nichts besaß. Im drauffolgenden Jahr bekam er eine Tochter und dann noch einen Sohn und eine weitere Tochter. Inzwischen sind die zwei der Kinder erwachsen. Die älteste Tochter lebt bei ihrem Mann und der Sohn ist in Ägypten und hat sich seit fünf Jahren nicht mehr gemeldet. Vor allem um ihn trauert Scheich Machdschûb. Nun, er wurde zu einem wohlhabenden Mann, aber nach einer katastrophalen Dürre verlor er fast alles. Jetzt hat er nur noch eine Kuh, zwei Ziegen und diese Dattelpalme. Und die Schulden. Durch die Hoffnung getrieben, sein Sohn möge sich von dem Ruf des Vaters rühren, seine Gebete sollen das Herz des Sohnes erweichen, verkauft er die Palme nicht. Das entpuppt sich als die richtige Entscheidung, denn kaum hat er sich so entschieden, erteilt ihn die Nachricht von einem Brief bzw. Paket seines Sohnes, in dem er ihm Geld und Kleider schickt.


    Ich weiß nicht, wie das damals mit den Geldüberweisungen aus dem Ausland war. Die Geschichten sind alle in den 1950-ern und 1960-ern geschrieben worden sein. Heute ist es mit ziemlich großer Sicherheit so, dass viele Menschen (und dadurch auch Länder) von den Geldüberweisungen ihrer im Ausland lebenden Verwandten, Freunden etc. abhängig sind.
    Ich habe bei der Heiratsgeschichte ein bisschen über das hohe Heiratsalter Machdschûb‘s gestutzt, vielleicht mussten sie beide unter die Haube gebracht werden? Aber wie es scheint, was es zumindest von seiner Seite aus eine Liebesheirat.


    Ich stehe auch immer diesem Vertrauen auf höhere Macht, wie Du Saltanah es nennst, skeptisch gegenüber. Irgendwie hatte die Geschichte für mich schlussendlich eher etwas märchenhaftes an sich. Eine "rettende" Palme. Das macht die Erzählung auch nett, aber nicht viel mehr.


    Ich glaube, ich muss endlich etwas von Laxness lesen. :smile:


    Liebe Grüße
    nikki

    Hallo!


    Ich habe das Buch inzwischen auch fertig gelesen, war aber bis heute leider internetlos. Ausserdem bin ich seit dem Wochenende ziemlich verkühlt, daher sind meine Gedanken noch nicht ausgereift, aber hier die ersten Eindrücke:


    Mir hat auch sehr gut gefallen, wie unspektakulär der Mörder entlarvt wird. Auch wenn ich Vermutungen hatte - nicht nur wegen den Pferdenüstern :breitgrins: - hat sich mir der Mörder immer entzogen; ich kam immer ins Zweifeln und Grübeln, wer es sein könnte. Zwischendurch hatte ich auch den Altmeister Osman im Verdacht! :entsetzt:


    Die Kapitel, die Du als actionreich bezeichnest Saltanah, fand ich ziemlich unglaubwürdig. Sie kamen mir fast komisch vor; all diese Männer, die sich mit den schönen Künsten beschäftigen, fuchteln auf einmal mit Schwertern und Dolchen herum und einer (ich glaube Storch) läuft gleich mit seiner Ausrüstung durch die Stadt. Schön fand ich aber, dass die Handlungen immer mit Erzählungen von Szenen aus alten Büchern begleitet waren.
    Ich habe versucht, mir ein paar Gedanken über die Motivwahl zu machen, komme aber nicht weit damit. Der Oheim wollte ein Buch herstellen, welches dem Dogen von Venedig die Großartigkeit und Schönheit des osmanischen Reiches vor Augen führt. Daher dachte ich, die Motive müssen jeweils einen integralen Teil des Reiches darstellen. Aber wie würde da der Hund hineinpassen? Ich muss da noch darüber grübeln.


    stefanie_j_h, schade, dass Du aufgehört hast. Das Buch lohnt sich wirklich, auch wenn es wie Saltanah und finsbury schreiben, einige Längen hat (da stimme ich auch zu). Ich bin Dir sicher nicht böse, denn irgendwann wirst Du es sicher noch lesen? :zwinker: :smile:


    Liebe Grüße
    nikki

    Guten morgen!


    Da gestern wirklich schlechtes Wetter war, hatte ich viel Zeit zum Lesen und bin im letzen Drittel des Buches.


    Mir ist Kara's Oheim ziemlich ans Herz gewachsen. Er ist einerseits auch voller Zweifel über die fränkische Art zu malen, aber gleichzeitig ist er auch voller Bewunderung für diese. Er weist darauf hin, dass auch die zur damaligen Zeit herrschende Schule nicht frei von fremden Einflüssen ist. "Es gibt nichts Reines. [...] Wann immer in der Illustration, im Bild Wunder geschaffen werden, wann immer in einer Buchmalerwerkstatt etwas Schönes entsteht, das mir die Augen feucht werden und die Haare zu Berge stehn läßt, weiß ich, daß sich dort zwei verschiedene, bis dahin einander fremde Dinge vereint und ein neues Wunder hervorgebracht haben. " (S.217)
    Die Schönheit der gesamten persischen Malerei verdankt man der Vermischung arabischer und mongolisch-chinesischer Bilder. Auch die Farbe Rot kam von außen (eine weitere Anspielung auf den Titel?). Die Angst vor fränkischer Malerei geht von der Annahme aus, man werde Allah verdrängen, vergessen und den Menschen in den Mittelpunkt stellen. "Es ist Allah, der das Nichtseiende ins Sein ruft, der das Leblose belebt. Niemand darf sich mit ihm messen. Daß die Maler sich unterfangen, Sein Werk zu tun, und behaupten, auch sie würden gleich Ihm erschaffen, ist die größte Sünde." meint der Mörder.



    Saltanah, Kara heißt "schwarz" auf türkisch und der Sultan wird in der deutschen Ausgabe manchmal Sultan, aber meisteins Padischah genannt.


    Es ist witzig, ich habe gestern mit meinem Freund über das Buch geredet ohne Dein Posting gelesen zu haben finsbury. Er hat es vor ein paar Wochen gelesen und hatte genauso wie Du das Gefühl in einem Kaffeehaus zu sitzen und den sich wechselnden Erzählern zuzuhören.


    Seküre gegenüber hege ich gemischte Gefühle. Einerseits bewundere ich ihre Selbständigkeit, v.a. wenn man den historischen und kulturellen Kontext bedenkt. Andererseits gefallen mir ihr Hochmut und ihre Launenhaftigkeit überhaupt nicht. Kara ist zwar naiv und voll des kindlichen Glückes ob dieser Heirat, vielleicht braucht er eine harte Hand, die ihn führt - aber hin und wieder geht sie zu weit.



    Das Buch gefällt mir immer besser. Anfangs hatte ich kurz Zweifel, aber die sind schon längst verflogen. Ich glaube das lag daran, dass ich das Buch zwischendurch immer wieder ein bisschen gelesen habe. Es verdient aber die volle Aufmerksamkeit.


    Liebe Grüße
    nikki

    Hallo!


    Ich muss einige Fehler ausbessern. Den ganzen Tag Prüfungen korrigieren und dann am Abend lesen ist nicht wirklich fruchtbar gewesen. :redface:
    Ich habe jetzt dafür einige Kapitel wieder gelesen.



    Ich habe das so verstanden, dass Seküre vor 12 Jahren quasi noch ein Kind war, nicht Kara.


    Hier habe ich mich ungenau ausgedrückt. Kara erinnert sich (im Kap. 7) an seine Kindertage, die er gemeinsam mit Şeküre im Haus seines Onkels verbracht hat bis er rausgeschmissen wurde. Da meint er auch, er habe in seiner kindlichen Einfalt keine Zweifel gehabt, seine Liebe würde erwidert. Und daher kam mein Gedanke.


    finsbury, Du hast Recht, was Kara’s Bestellung nach Istanbul betrifft. Kara wurde gerufen, um seinem Oheim bei der Fertigstellung des Buches zu helfen und kam nach Istanbul vier Monate nachdem dieser ihm den Brief schickte. Der Mord an Fein Efendi geschah erst einige Tage vor ihrem Treffen. Ob er auch vor seiner Ankunft geschah, weiß ich nicht.


    Ich habe gerade die Kapitel gelesen, wo Kara die drei Meister besucht, die ihm die Fabeln erzählen. Hier wird uns Hintergrundwissen über die Kunst des Buchmalens offenbart und es wird auch klar, warum sich fremde Einflüsse nur schwer integrieren lassen können. Der Oheim vertritt zuerst die gängige Meinung, ein Bild ohne Geschichte sei undenkbar. Das heißt ein Maler kann kein Bild malen, ohne die dazugehörige Geschichte gelesen und verstanden zu haben. Nachdem er aber in Venedig war und die Arbeiten - v.a. die Porträts - dortiger Maler besichtigt hat, wird ihm klar, dass auch ein Bild eine selbständige Geschichte sein kann, also "[...]nicht nur der Niederschlag einer Geschichte, sondern etwas Eigenes" (S.42). Er beschließt daraufhin, den Padischah so zu malen. Dies würde aber einen neuen Stil bedeuten, der die Individualität des Malers und des Gemalten in den Vordergrund stellt. Wenn man die Meinung der vorherrschenden Schule bedenkt, nämlich dass die Bilder, wie sie die alten Meister malten, Ableitungen aus dem Gedächtnis Allahs sind und man durch diese Sein Reich mit Seinen Augen sehen kann wird klar, dass das Vorhaben Oheims fast revolutionäre bzw. ketzerische Züge hat.
    Ja, es bahnt sich Konflikt zwischen der Tradition und der Moderne an. Ich schließe mich, finsbury, Deinem Deutungsansatz an.


    Saltanah, ich habe mir eigentlich noch keine Gedanken darüber gemacht, ob Kara die Geschichte aufschreibt. Mir ist nur aufgefallen, dass sich manche Personen zum Teil direkt an den Leser wenden. Ob er das niederschreibt oder nicht kann ich nicht wirklich sagen.


    Liebe Grüße
    nikki

    Hallo!



    Das wird noch schlimmer dadurch, dass die Namen in meiner Übersetzung teilweise anders geschrieben werden. Der Hodscha ist ein Hodja, Şeküre heißt z. B. Shekure und Şirin Shirin. Sollte ich also einen Namen nennen, den ihr nicht erkennt, beginnt am besten damit ein eventuell vorkommendes Sh durch Ş zu ersetzen.


    Gut zu wissen, danke!



    Habt ihr das 6. Kap. (Orhan) auch so verstanden, dass Onkel Enishte (Enişte?) Kara nach Istanbul bestellt hat, um ihn das Verschwinden Feins aufklären zu lassen? Das würde aber bedeuten, dass seit dem ersten Kapitel, in dem sich der Ermordete darüber beklagt, seit vier Tagen vermisst zu sein, schon vor längerer Zeit spielt. Ich hatte einen Zeitsprung zu den weiteren Kapiteln jedenfalls nicht bemerkt.


    Man erfährt aus dem Gespräch zwischen Kara und dem Meister Osman im Kap.11, dass Fein Efendi seit 6 Tagen verschwunden ist. Also muss Kara wie im Flug nach Istanbul geeilt haben, nach dem er den Brief seines Onkels bekommen hat. Wer mag da vielleicht noch ein Mitgrund gewesen sein? :zwinker:



    Schockiert hat mich im 9. Kap. (Şeküre) ihre Aussage, eine "24-jährige Frau habe ihre besten Jahre schon hinter sich". :entsetzt: Nun ja, "andere Zeiten, andere Auffassungen", aber trotzdem... Dass eine junge Frau (jung zumindest in meinen Augen) der Meinung ist, ihr Leben mehr oder weniger hinter sich zu haben und keine Zukunftshoffnungen und -pläne hat... Kann aber gut sein, dass sie feststellen wird, sich geirrt zu haben.


    Hoffen wir. Ich war auch überrascht über die Aussage, Kara sei quasi noch ein Kind gewesen, als er sich in Şeküre verliebt hat. Dabei war er damals 24, also in dem Alter, wo sie sich schon als eine "ältere" Frau sieht. Aber sie sagt ja auch, sie war damals mit 12 schon reifer als er.


    Ich kenne mich nicht wirklich aus, was Porträtskunst angeht. Laut Wikipedia entstanden die ersten Porträts in Europa im 14. Jahrhundert (das Buch spielt im 16. Jh.) und die Kunst wurde ab dem 17. Jh. immer bedeutsamer. Wieder laut Wikipedia definiert sich islamische Malerei "[...] entweder durch den Funktionszusammenhang in religiösen Kontexten oder über die religiösen Inhalte". Vielleicht hilft uns das ein bisschen weiter (ich bin immer ziemlich unfähig, irgendwelche Infos aus dem Internet heraus zu holen).


    Aber lesen kann ich und das mache ich jetzt weiter :breitgrins:


    Liebe Grüße
    nikki

    Hallo zusammen!


    @spatz, da haben wir eh den gleichen Satz gemeint und jetzt verstehe ich auch, was Du gemeint hast. Ich finde es gar nicht so verwunderlich, dass die Leute möglicherweise die Vorstellung hatten, sich mit dem Geld von den Sünden freikaufen zu können. Auch der Fein Efendi sinniert noch - als Toter! - über die Bedeutung und Wichtigkeit des Geldes.


    Inzwischen bin ich im Kapitel 11 (Mein Name ist Kara) und langsam fügen sich die Puzzleteilchen zusammen. Jetzt wissen wir auch, dass "Fein" bei Fein Efendi nicht sein richtiger Name war, sondern ihm vom Kara's Oheim gegeben wurde, weil es so feine Goldverzierungen macht.
    Und ich hoffe, ich habe bis jetzt alles richtig verstanden:


    Was mich noch verwirrt, sind die vielen Namen. Ich muss ständig aufpassen, dass ich Şeküre und Şirin und Siyavuş usw. nicht verwechsele. Toll ist, dass Pamuk den Erzählerwechsel immer durch neue Kapitel kennzeichnet. Ansonsten hätte ich mich schon längst irgendwo verloren, denn so etwas zu schaffen ist auch für einen Autor sehr schwer. Mir fällt nur spontan Mario Vargas Llosa, der das wirklich gut kann.


    Liebe Grüße
    von einer bekennenden Kaffeetrinkerin :smile: