Astrid Lindgren - Die Menschheit hat den Verstand verloren (Tagebücher 1939 - 1945)
Wie die meisten kenne ich Astrid Lindgren als erfolgreiche Kinderbuchautorin, die bis ins hohe Alter aktiv war. Als ich von diesem Buch hörte war ich gleich interessiert, denn ich erwartete eine ganz andere Seite und so war es auch.
Das Buch ist collagenartig gestaltet - pro Jahr gibt es zuerst Lindgrens eigene Aufzeichnungen und Gedanken zum 2. Weltkrieg, wenn auch recht knapp die Auflistung persönlicher Ereignisse wie Ferien, Geburtstage, Weihnachten, Radtouren und kurze Erwähnung alltäglicher Begebenheit sowie Kriegseinflüsse auf den Alltag, wie Rationierungen z.B.
Ergänzt wird das Ganze durch die Abbildung aus den Originaltagebüchern inkl. der eingeklebten Artikel, und einer Übersetzung all ihrer eingeklebten Artikel.
Es ist immer wieder eine besondere Erfahrung, Tagebücher aus dieser Zeit zu lesen - denn man ist ja in einem Wissensvorteil gegenüber dem Schreiber. Überraschend bzw. interessant fand ich dabei den Aspekt der "schwedischen " Sicht zum einen als eines der wenigen verschonten Länder und zum anderen welche Schauplätze, Schicksale und Verhandlungen größeren Raum einnehmen, als man selbst es kennt. So fanden die Ereignisse in Finnland und auch in Norwegen sehr viel Platz in Zeitungsausschnitten (1945 v.a. Quislings Prozess) und persönlichen Gedanken, wie auch die immer bleibende Angst vor den Russen.
Wie gut es der Familie Lindgren ging erfährt man besonders in der Auflistung der Geschenke zu Geburtstagen und Weihnachten und der Einträge über das Essen, welche es zu Festen gab.
Im Gegensatz zu Keshia empfand ich es nicht so, dass ihr Sohn Lasse weniger Raum einnimmt, als Ihre Tochter Karin. Oft werden Radtouren mit ihm erwähnt, Schulprobleme, Geburtstage und Weihnachten. Er war einfach schon um einiges größer und hat schon vieles selbstständig gemacht, während Karin zu Kriegsbeginn ja gerade 5 Jahre alt war. Insgesamt fand ich diese Einblicke sehr schön und wichtig für den persönlichen Charakter.
Dass diese Tagebücher etwas besonders sind, genau wie Astrid Lindgren selbst wurde mir an 2 Punkten so richtig klar - sie ist nach Stockholm gegangen und hat einen unehelichen Sohn (der als Kleinkind in Kopenhagen zur Pflege lebte) und sie war in ihrer Zeit interessiert und verfolgte das politische Geschehen und schrieb diese Tagebücher. Karin schreibt in ihrem Nachwort, dass diese Tagebücher für sie ganz normal waren und auch ihr erst später aufgegangen ist, dass sie es nicht sind.
Keshia verstehe ich auch dahingehend nicht, dass sie glaubt das Buch mangels Detailkenntnissen zum 2.WK nicht beurteilen zu können - ich finde man kann dieses Buch für sich stehen lassen - es zeigt genau den Einblick in ein Weltgeschehen was sie ganz genau so erlebt hat. Das ist ihre Wahrnehmung und genau das ist spannend daran.
Für mich ein absoluter Buchtipp.
Viele Grüße
schokotimmi