Beiträge von tom leo

    Da muss ich sofort reagieren! Natürlich respektiere ich die verschiedenen Meinungen zu Büchern. Da will ich als "Kontrapunkt mal meine Rezi reinsetzen.


    Zum Inhalt:


    Der nicht weiter benannte “Ich –Erzähler” begegnet in den 60iger Jahren in Belgien Jacques Austerlitz, dem er in den folgenden Jahrzehnten immer wieder über den Weg laufen wird. Dieser rückt immer mehr in den Vordergrund der Geschichte und enthüllt uns nach und nach seine Lebensgeschichte. Geboren um 1934, aufgewachsen in einer walisischen, recht kommunikationsarmen Pfarrersfamilie, entdeckt er bei Schulprüfungen - und erst nach dem Tod seiner „Mutter“ und dem Abgleiten des „Vaters“ in den Wahnsinn - , dass sein wahrer Name nicht Dafydd Elias, sondern eben Jacques Austerlitz ist. Doch niemand ist da, ihn über seine wahre Herkunft aufzuklären und so bleibt er in den kommenden Lebensjahrzehnten wie „ohne Wurzeln und Heimat“ und in einer „Abgesondertheit“, bis er, der spätere Professor für Architekturgeschichte, erst Anfang der 90iger Jahre eines Tages in einem Londoner Bahnhof ein „Déjà-Vu“ Erlebnis hat und er plötzlich erinnert, wie er also 1938 als Vierjähriger mit einem kleinen Rucksack in einem Kindertransport aus Prag hier landete und von seiner Gastfamilie abgeholt worden ist. Nun macht er sich auf die Spuren seiner wahren Eltern und bricht nach Prag auf, wo er tatsächlich durch Archive die ehemalige Adresse findet und nun seine greise Kinderfrau wieder findet. Die Reise zu den Ursprüngen wird ihn noch weiter führen und bringt ihn in der eigenen Vita direkt mit den Gräueln der Naziherrschaft in Berührung...



    Ein paar Anmerkungen:


    Diese Erzählung ist eine mir ganz neu erscheinende Mischung zwischen Roman, präzisen Beschreibungen (z.B. der Bauten, Bahnhöfe etc.), fast tagebuchähnlichen Bemerkungen und auch schwarz-weiß Photos sowie Skizzen, die das Realistische des Buches unterstreichen. Es liegt klar auf der Hand, dass Sebald viel recherchiert hat für dieses Buch. Diese Gründlichkeit mag erklären, dass er in seiner Schaffenskraft „nur“ 4/5 Romane geschrieben hat?!


    In einem großen Teil seines Lebens wird der unglaublichen Wissensanhäufung bei Austerlitz über die verschiedensten Aspekte der Architektur eine Verweigerung an Erinnerung gegenübergestellt. Bezeichnend für diese umfassende Periode der Wurzellosigkeit in seinem Leben sind - ich zitiere typische Begriffe aus dem Roman – das Gefühl der „Heimatlosigkeit“, die „Vereinzelung“, die „Verlorenheit“, das „Verstoßensein“ usw. Als Frage zu diesem Thema könnte man für Austerlitz vielleicht formulieren: Wie kann man aus der Fremde bei sich ankommen?
    Erst im Laufe des Buches wird langsam klar, dass der „Krieg und die Vertreibung“ in diesem Leben allgegenwärtig waren und sind. Darin: in der Frage der Identität, des Krieges und des Umganges mit Erinnerung scheinen wesentliche Themen aus Sebalds Leben selber hoch zu kommen: er verließ im Aufruhr gegen das Nachkriegsdeutschland und seinen Umgang mit der Vergangenheit Deutschland und lebte dann in England.


    Die Erinnerung an das geschichtlich Geschehene wird zur Aufgabe, die Austerlitz in gewisser Weise dem „Ich-Erzähler“, und Sebald indirekt uns, anvertraut.


    Von Beginn an fiel mir die sehr schöne, präzise, aber auch „anstrengende“, oft in indirekter Rede geschriebene Sprache Sebalds auf. Das Buch ist quasi ohne Absatz verfasst und man findet schwer eine „Atempause“.
    Es gibt ebenfalls einige sehr gute Bemerkungen und Beobachtungen über die Sprache und deren Verlust.
    Besonders beeindruckt hat mich die Verwandtschaft, Parallelität zwischen beschriebener Landschaft, bzw. Beschreibungen von Bauten (insbesondere Bahnhöfe, Festungen, auch die neue französische Nationalbibliothek) UND der inneren Seelenlandschaft, Verfasstheit. Da wird das Äußere zum Spiegel für innere Gegebenheiten.


    Das war mein „erster“, aber sicherlich nicht mein letzter Sebald!


    Keine „leichte“ Lektüre für zwischendurch, aber rundum empfehlenswert für die an oben angedeuteten Themen Interessierten!!!


    W.G.Sebald, * 18. Mai 1944 in Wertach, Allgäu; † 14. Dezember 2001 in Norfolk, England bei einem Autounfall


    5ratten und MEINE sONDEREMPFEHLUNG§

    Ich könnte sehr Edogawa Rampo empfehlen, den japanischen Edgar Allen Poe. Allerdings las ich zwei seiner Bücher auf Französisch und kann mich eigentlich nicht zur deutschen Ausgabe äußern. Doch der Autor ist spitze!


    Auf deutsch erschienen: Spiegelhölle


    EDIT: Autorennamen korrigiert. (Rampo statt Ranpo.) LG, Saltanah

    Entschuldigt einen kleinen Einwurf nach folgenden Bemerkungen:


    Das geht mir ähnlich wie Dir. "Schuld und Sühne" klingt sehr belastend...


    Das Wort "Schuld" mag da psychologisch viel belastender wirken und uns an "anderes" erinnern. Im Original, als auch in der sehr texttreuen, neuen Übersetzung von Svetlana Geier, heisst es richtig: "VERBRECHEN UND STRAFE".

    Schön, dass dieses Buch nun auch hier vorgestellt wurde. Was allerdings:


    Zwar gab es im buch zwischendurch einige Hänger, aber auch genauso gut höchstspannende Punkte.


    anbetrifft, fühle ich mich persönlich eher unwohl, dieses Buch über das Leben im Straflager, GULAG, in dem Solschenizyn ja selber gesessen hatte, mit Worten wie "Hänger" und "höchstspannend" zu umschreiben.


    Hinter der oft nüchternen Beschreibung (jemand verwendete den Begriff Realismus) steckt die Erfahrung eines Menschen, der mitten in jener Unmenschlichkeit auch so etwas wie einen Alltag erlebt. Was das Buch aber besonders auszeichnet - wenn ich mich recht erinnere - ist, wie dieser Einzelne einem Entmenschlichungsprozess zu entweichen sucht, indem er z.B. in aller Würde sein Brocken Brot ißt.


    Ein tolles Buch!


    5ratten

    Ja, ganz tolle Rezension, herzlichen Dank!Ich sehe Samjatin durchaus auch selber in einer gewissen Linie stehen, auf die er sich beziehen kann. Beim Lesen Deiner Rezi, insbesondere wenn es um den Traum des "Glücks für alle" geht, um das Opfer seiner Freiheit, wird ein Bezug, eine Linie zum "Großinquisitor" von Dostojewski meines Erachtens offensichtlich. Jener bezog sich zwar auf eine vergangene Epoche (Inquisition), doch wurde in seinen Büchern ebenso ein Prophet für manch kommendes Unheil...

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    oder Die erstaunlichen Abenteuer des Wanja Tschmotanov
    Original: Смута Новейшего Времени… Чмотанов ,1970


    Titel der ersten, anonymen Ausgabe, 1972: Unruhen aus neuester Zeit...


    Zum hundertsten Geburtstag von Lenin macht der gerade mal 25-jährige Bokov 1970 ein besonderes Geburttagsgeschenk: Er schreibt eine von Phantasie und doch auch an die Verhältnisse der Sowjetunion anspielende herrliche Satire. Ausgangspunkt: Der Gauner Tschmotanov landet beim Anstellen in eine Schlange auf dem Roten Platz (denn wer weiß, was da wohl günstig angeboten wird?) unversehens in jene, die zum Mausoleum von Lenin führt. Doch es ist zu spät, noch auszuweichen: das könnte Konsequenzen haben! Da kommt ihm der Gedanke für den nächsten Coup: den Kopf Lenins klauen und ihn an den Westen verkaufen! Da müsste Geld zu machen sein! Gemacht, getan. Dann aber überstürzen sich die Ereignisse: Wachhabende Offiziere begehen Selbstmord, ein Schauspieler soll Lenin als Leiche ersetzen, rivalisierende Generäle bezichtigen einander des Aufstandes... Und so geht es in einem fort bis zum Ende des kurzen, aber so reichen Romans.
    Im Samizdat veröffentlicht, fand dieses Buch Anfang der 70iger Jahre ein sehr großes Echo in der Sowjetunion. Es wurde dann 1972 erstmals anonym (zum Schutze Bokovs) und nach seiner Emigration 1983 auf Deutsch (ebenso auf Französisch). Nach einer geistigen Neuorientierung in den 80iger Jahren steht der Autor heute diesen beißenden Frühwerken aus seiner sowjetischen Schaffenszeit eher kritisch gegenüber, doch der geschichtlich interessierte Leser und Liebhaber von Satiren kommt hier nicht zu kurz. Wie Bokov in einem Interview mal sagte: „Das war schon eine lustige Zeit in der Sowjetunion..., wenn sie doch bloß nicht so schrecklich gewesen wäre...“


    ZUM AUTOR: Nicolas (=Nikolaj) Bokov wurde 1945 in Moskau geboren und studierte dort Sozialwissenschaften und Philosophie. Gleichzeitig engagiert er sich früh im „Samizdat“, diesem geheimen Druck- und Verteilersystem. Veröffentlicht (unter Pseudonymen) ca. 40 Werke, meist polemisch, satirischer Machart (in Deutsch auch übersetzt: „Der Fremdling“; auf Englisch: „Nobody“; auf Französisch: „Nikto“) bis er 1975 ins Exil gehen muss („gegangen wird“). Er lebt vorzüglich in Frankreich, reist viel, schreibt. 1982 kommt es zu einem „Wendeerlebnis“: er entdeckt in neuer Intensität den christlichen Glauben, während gleichzeitig seine Familie auseinander bricht. Ausgedehnte Reisen zwischen Pilgerfahrt und Obdachlosigkeit. Lange Zeit wird er nicht schreiben; erst ab 1998 erscheinen stark autobiographisch geprägte Reiseberichte, in denen sich Beschreibungen, Erinnerungen, Reflexionen ausdrücken: „Dans la rue à Paris“ „La Conversion“ „La Zone de Réponse“. Diese Bücher sind leider noch nicht auf Deutsch übersetzt worden! Nicolas Bokov lebt heute in Paris.


    4ratten


    Zuerich. Diogenes. 1983.
    109 S.. Diogenes Taschenbuch ;
    ISBN 3-257-21041-8


    Französische Ausgabe:
    La tête de Lénine
    137 pages
    Editeur : Robert Laffont; Édition : Ed. rev. (12 septembre 1999)
    Collection : Pavillons
    Langue : Français
    ISBN-10: 2221009274
    ISBN-13: 978-2221009277

    Das Buch ist in einer wunderbaren Sprache geschrieben, die auf Französisch schon die Gedankentiefe der zwei Ich-Erzählerinnen wiederspiegelt.
    Ohne das Ende des Buches vorwegnehmen zu wollen, besteht sicherlich eine Grundspannung der Geschichte in der Frage, ob die beiden sich in irgendeiner Weise mit dem Leben versöhnen: Ob die junge Paloma etwa von ihrem ursprÛnglichen Vorhaben abkommt, und wenn ja, wie, denn leichte Antworten wird sie nicht annehmen! Und ob die alternde Renée etwas von ihrer Bissigkeit und von ihrem spät im Buch erklärten Misstrauen verliert.
    Natürlich weist dieses Buch eine oberflächliche religiöse Antwort ab, doch - das meine ich jetzt nicht, um dieses Buch etwa zu vereinnahmen! - jeder halbwegs spirituell interessierte Leser wird hier echte Nahrung finden!
    Ich habe das Buch genossen! Auch von mir:
    5ratten

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    (Original: Temnye allei. Razzkazy. Russisch) Les allées sombres


    Mit dem Titel einer der Erzählungen ist dieser Sammelband von 38 Arbeiten des russischen Nobelpreisträgers von 1933 überschrieben. In eigentlich allen von ihnen geht es auf die ein oder andere Weise um das Thema der Liebe, die hier und da bis zur totalen Leidenschaft, Wildheit oder gar Gewalt gehen kann. Nun, wir finden zwar keine Erotikliteratur, doch sind die Texte oft sehr eindeutig, für einen Amateur klassischer russischer Werke fast schon erstaunlich offen und direkt. Doch Bunin sieht hinter den Liebesgeschichten verschiedenster Couleur immer auch wie eine „innere“ Geschichte, den Ausdruck einer inneren Leidenschaft, einer Sehnsucht, einer Verlorenheit, einer Wunde und Verletzlichkeit. Insofern findet man hier und da in einer manchmal wunderbar poetischen Sprache alte Themen der „russischen Seele“. Da sind die Beschreibungen der Natur, oder einer „Umkehr“, eine Zugfahrt oder die Verhältnisse auf reichen und auch armen Anwesen etc. Hinter allen Geschichten, die zwischen 1938 und 1944 im französischen Exil geschrieben worden sind, aber in einer Vergangenheit VOR der Revolution angesiedelt sind, mit ihren Hinweisen auf eine vergangene Welt, schimmert diese leise Wehmut nach einer verlorenen Heimat durch.
    Für alle, die sich für die russische Literatur und Kultur interessieren ist diese Sammlung eine wahre Perle. Nicht umsonst sprach Bunin von „seinem besten Werk“.


    5ratten


    ZUM AUTOR:
    * 10. Oktober / 22. Oktober 1870 in Woronesch; † 8. November 1953 in Paris) war ein russischer Schriftsteller, Lyriker und Übersetzer. Nach der Oktoberrevolution verließ Bunin 1918 Moskau und zog sich zunächst nach Odessa zurück, bevor er Russland 1919/1920 mit dem letzten Schiff Richtung Frankreich verließ und sich in Grasse ansiedelte. Bunin führte die Tradition der russischen Literatur des 19. Jahrhunderts fort. Bekannt wurde er vor allem durch seine realistische Prosa, deren Hauptthema das Leben im ländlichen und provinziellen Russland vor der Oktoberrevolution ist. 1933 erhielt er als erster Russe den Nobelpreis für Literatur.


    Was die Ausgaben anbetrifft, schwirre ich total im Dunklen. Ich las die unten angegebene FRANZÖSISCHE Ausgabe mit einer knappen, aber sehr informativen Einführung. Auf der Amazonseite herrscht ziemliches Durcheinander, wenn man die Referenz „Bunin – Dunkle Alleen“ eingibt. Unter anderem fand ich folgende Angabe:


    Unbekannter Einband: 377 Seiten
    Verlag: Coron-Verl. (1969)
    ASIN: B0000BQB63


    Die ich mit der alten ASIN-Nummer wohl nicht eingeben kann. Diese Ausgabe scheint aber vollständig zu sein, während andere Ausgabeneventuell nur Auswahl getroffen haben, wie jene Piperausgabe, deren ISBN ich oben einfach mal eingegeben habe.:
    Dunkle Alleen : Erzählungen / Iwan Bunin. Ausgew. von Horst Bienek. [Übers. von Ilona Koenig
    ISBN: 3-492-10677-3


    Wer auf Englisch lesen will:
    Dark Avenues
    Taschenbuch: 350 Seiten
    Verlag: Oneworld Classics Ltd (1. Juni 2008)
    Sprache: Englisch
    ISBN-10: 1847490476
    ISBN-13: 978-1847490476


    „Meine“ französische Ausgabe:
    Les allées sombres
    Poche: 377 pages
    Editeur : LGF - Livre de Poche; Édition : Nouvelle (15 mai 2003)
    Collection : Livre de poche
    Langue : Français
    ISBN-10: 2253052469
    ISBN-13: 978-2253052463

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    Original: Namudul pital e soda (koreanisch, zuerst 1960 erschienen)


    Diese Novelle erzählt von drei befreundeten Soldaten gegen Ende des Koreakrieges (1950-53), Hyon-tae, Yun-Gu und Tong-Ho, wobei es sowohl um schreckliche Szenen aus dem Kriege geht, aber vielmehr auch um die inneren Auseinandersetzungen, innerhalb desselben Lagers, innerhalb ein und derselben Person. Im zweiten Teil begleiten wir die zwei übriggebliebenen Hauptpersonen in den Nachkriegsjahren.


    Auf mehreren Ebenen hat mich diese Geschichte sehr nachdenklich gestimmt. Hyon-tae ist der selbstsichere, zielbewusste Krieger ohne Gewissensbisse, der dann aber in den Nachkriegszeiten dem Alkohohol, aber auch einer totalen Ziellosigkeit verfaellt. Tong-Ho konnte sich den Zechereien und dem Spiel mit leichten Mädchen lange Zeit nicht anschliessen, denn er blieb seiner Braut treu bis er dann aber, verführt von seinen Kumpanen, sich gehen lässt und ebenfalls mitzieht. Er wird sich – so ahnt der Leser – dies nicht verzeihen, und sein Leben endet im Drama. Yun-Gu lief in dieser Zeit mit, lässt ein Maedchen in unmöglicher Situation in einer Sackgasse. Erst in den Nachkriegsjahren nimmt er langam Abschied von diesem ziellosen, von Saufzechereien und leichtem Leben geprägten Leben Abschied und findet als Einziger quasi zurück in die Gesellschaft indem er erfolgreich eine Hühnerfarm aufbaut...


    Der Kernsatz des Buches mag wohl sein, dass der Krieg keinen ohne Schaden zuruecklässt. Jeder trägt eine Last, von den Unschuldigsten bis zu den Schuldigsten und jeder ist nicht nur allein Täter, sondern auch Opfer, nicht allein Opfer, sondern auch Täter. Wie Sun Won das hier umsetzt ist wirklich meisterhaft. Vielleicht lässt uns manche trockene Beschreibung einer sehr harten Begebenheit erschauern, aber ich vermute dahinter eine »koreanische Weise » zu erzählen.


    4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:


    Hwang Sun Won (1915 - 2000) war ein koreanischer Kurzgeschichtenchreiber, Novellist und Dichter. Er wurde in Taedong, im heutigen Nordkorea, geboren und kam 1946 mit seiner Familie in den Süden Koreas. Er unterrichtete über dreissig Jahre lang an einer Seouler Universität kreatives Schreiben.


    Verlag: University of Hawai'i Press (30. März 2005)
    Sprache: Englisch
    ISBN-10: 0824828879
    ISBN-13: 978-0824828875

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    Original: A lesson before dying (1993)


    Louisiana in den 40iger Jahren: Jefferson, ein junger mittelloser Schwarzer ohne große Schulbildung wird eines Verbrechens angeklagt, das er nicht begangen hat: des Mordes an einem Weißen. Während des Prozesses wird er gedemütigt und gar vom eigenen Anwalt als Tier, Ferkel dahingestellt, um eventuell so ein mildes Urteil zu erheischen. Das „weiße“ Gericht verurteilt ihn zum Tode. Seine Patentante beschließt, dass ihr Jefferson durch einen „würdigen“ Tod diese Demütigungen abschütteln soll und bittet den Lehrer, Grant Wiggins, sich um die Erziehung ihres Patensohnes zu kümmern.


    Was Gaines im ersten Kapitel erzählt, würde bei anderen Autoren die „Story“ bilden: Verbrechen, Prozess eines Unschuldigen, Verurteilung! Da fragt man sich was denn nun schon die kommenden fast zweihundertachtzig Seiten füllen wird! Doch dies ist nur der Ausgangspunkt. Die erfahrene Demütigung in diesem Schauspiel von Gerichtsverhandlung ist nur die Spitze einer Geschichte von Demütigungen eines Volkes seit drei Jahrhunderten. Und das Opfer ist in Jefferson ein jeder (zunächst seiner Rasse): er ist wie ein Sündenbock, ein Stellvertreter. Wie aber wird sich dieser Opfermechanismus verwandeln? Wie mag der Wunsch der Patentante erfüllt werden, dass ihr Jefferson in Würde stirbt, auf zwei Beinen, und nicht auf vieren? Gaines beschreibt den Lernprozess Jefferson, ja, aber auch den Weg, den hier z.B. der Ich-Erzähler, nämlich der junge, widerwillige Erzieher Grant, zu durchgehen hat.
    Ein phantastischer Roman aus dem tiefen Süden der USA, der zwar in den 40igern spielt, also einer Epoche, in der die Gesellschaft durch und durch von sozialer Ungerechtigkeit und Rassismus geprägt war, aber – Anfang der 90iger geschrieben – auch heute eine direkte „message“ für das Zusammenleben von Schwarz und Weiß hat und vor allem einlädt, mit hocherhobenem Haupt durchs Leben zu gehen und die innere Versklavung hinter sich zu lassen!


    Eine echte Entdeckung für mich!!!


    5ratten


    Ernest J. Gaines wurde 1933 auf einer Plantage in Louisiana geboren und arbeitete auf dieser schon als Neunjähriger. Mit 15 zieht er mit seiner Familie nach Kalifornien und kann intensiver sich Studien und der Lektüre widmen. Er bedauert, dass „seine“ Welt noch so gar keinen Zugang zu dieser Welt hat und beginnt selber, erste Kurzgeschichten und Romane zu schreiben. Mit oben vorgestelltem Roman gewann er 1994 den Book Critics Circle Award.


    Eine englische Ausgabe:


    Paperback: 272 pages
    Publisher: Vintage Books; 1st Vintage Contemporaries Ed edition (31 Dec 1994)
    Language English
    ISBN-10: 0375702709
    ISBN-13: 978-0375702709

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    (Original: Französisch)


    Der weit ueber achtzigjährige Vater von Christian Bobin ist von Alzheimer betroffen und lebt ab einem bestimmten Zeitpunkt nach einem Kurzaufenthalt in einer psychiatrischen Abteilung in einem Pflegeheim. Sehr regelmäßig besucht der Autor seinen Vater und teilt mit dem Leser seine Gedanken, die sich in ihrer Kürze und Dichte wie Meditationen lesen lassen. Hier geht es keinesfalls um medizinische Betrachtungen, Bedauern oder aber Selbstmitleid, sondern um wohl für die meisten von uns ganz überraschende Gedanken zu einer geheimnisvollen Krankheit, die den davon Betroffenen nicht nur – wie man es negativ ausdrückt – der Zukunft und der Vergangenheit beraubt, sondern – wie es der Titel andeutet – in eine reine Anwesenheit, Gegenwart, Präsenz stellt. In seinem inneren Erleben des Vaters und, parallel dazu als dafür stehendes Symbol, eines alten Baumes, öffnet Bobin für den, der einhält, vielleicht ganz neue Perspektiven. Diese Sicht spricht nicht nur von Kranken, sondern von einer anderen Art des Da-Seins, die uns allen gute Fragen stellt. Nur an einer Stelle verläßt Bobin seinen friedlichen Ton und wird, vielleicht verständlicherweise verletzt, aber dennoch etwas zu hart gegenüber überfordertes Pflegepersonal. Diese Schreibe versteht es, intuitiv Erahntem und verarbeitetes Erlebtem bildhaft Ausdruck zu schenken.


    Hervorragend!

    Christian Bobin kam am 24. April 1951 als Sohn eines Technischen Zeichners in Le Creuseot im Burgund zur Welt. Nach einem abgeschlossenem Philosophiestudium arbeitete er zuerst in der Städtischen Bücherei von Autun, dann im Museum von Le Creuseot, um schließlich Redakteur der Revue Milieux zu werden. Seine ersten Texte, die in ihrer Kürze charakteristisch sind, erscheinen von 1977 an. 1993 gewann er den französischen Literaturpreis Prix des Deux Magots für sein Werk Le Très-Bas.
    Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Bobin ( dort fndet man auch noch einige recht treffende Zitate aus den bislang übersetzten, ebenfalls interessanten Werken. Der durch die Rezi interessierte Leser mag dort weitere Entdeckungen machen!)



    Broché: 66 pages
    Editeur : Le Temps qu'il fait (19 octobre 1999)
    Langue : Français
    ISBN-10: 2868533167
    ISBN-13: 978-2868533166

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    In einer Tagesstätte von Paris begleitet die Psychoanalytikerin Véronique den jungen, tief gestörten Orion ab der Jugend. Dieser lebt in einer großen Unselbständigkeit, tiefer Angst vor einem „Dämon“ der Stadt als auch heftigen Gewaltausbrüchen. Véronique unterscheidet in ihm ein enormes Potenzial an Kreativität und führt ihn hin zum Ausdruck durch die Malerei, Skulptur, Musik und Gravur. Wir begleiten den gemeinsamen Weg der beiden über Jahre hinweg und durch viele Widrigkeiten hindurch bis hin zu einer gewissen möglichen Selbständigkeit und Ichbehauptung Orions.


    Unschwer ist an der Beschreibung schon zu erkennen, dass dieses Buch ganz stark in einem psychoanalytischem Raum spielt und das derart, dass es schon naheliegt, fast von der Beschreibung eines Fallbeispiels zu sprechen. Bauchau ist neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit auch Psychoanalytiker und das merkt man in jeder Zeile. Wer für dieses Universum und zur entsprechenden Sprache keinerlei Beziehung hat, wird dieses Buch eventuell als befremdlich oder sogar fast nervig empfinden, fast zu durchdacht und reflektiert. Doch es ist eben auch ein Roman und Bauchau gelingt es gut, den Behandelnden selber als Leidenden und Betroffenen darzustellen. Tatsächlich hat auch Véronique ihr Päcklein zu tragen: Ihre Mutter starb bei ihrer Geburt, bei einem Motorradunfall (den sie verschuldete) verstarb ihr Mann und ihr werdendes Kind. Das alles ist manchmal etwas dick aufgetragen, doch auch sympathisch. Die Sprache mag - wie angedeutet – gekünstelt wirken, doch wer sich mit diesen Vorwarnungen auf dieses Buch einlassen will, wird eine interessante Beschreibung einer Therapie durch Kunst und das Sich Aussprechen finden.


    Henry Bauchau wurde 1913 in Belgien geboren und ist Dichter, Dramaturg, Schriftsteller und Psychoanalytiker. Einige seiner Werke sind auch auf Deutsch erschienen, allerdings (noch) nicht „L’enfant bleu“.


    4ratten


    Poche: 442 pages
    Editeur : Actes Sud (8 février 2006)
    Collection : Babel
    Langue : Français
    ISBN-10: 2742758402
    ISBN-13: 978-2742758401

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    Original: Katalin utca (ungarisch)


    ZUM BUCH:
    Das Buch beschreibt die Beziehungen dreier Familien in nächster Nachbarschaft, nämlich der „Katharinenstrasse“, im Budapest ab den dreißiger Jahren. Im Krieg kommt eine der Hauptpersonen, die sechzehnjährige Henriette, zu Tode und dies Geschehen beeinflusst tragisch das Leben aller anderen bis in die noch erzählten 60iger Jahre hinein. Die Katharinenstrasse ist das unerreichbar gewordene Symbol der Kindheit und Jugend, der Liebe und Harmonie zwischen den Familien, wird aber auch Schauplatz von Ereignissen, die zur Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit ihrer Bewohner führen.


    ZUR AUTORIN :
    Magda Szabo wurde 1917 in Debrecen/Ungarn geboren. Bisweilen konnte sie in ihrem eigenen Land nichts veröffentlichen. Sie gehört zu ihren Lebzeiten schon zu den Klassikern und wurde in viele Sprachen übersetzt. Sie verstarb beim Lesen eines Buches im Jahre 2007.


    EINIGE EINDRÜCKE:
    Wie gut, dass mich ungarische Freunde auf diese Schriftstellerin aufmerksam gemacht haben! Aus den bisherigen gelesenen drei Büchern von ihr zog ich große Freude. Auch die „Katharinenstrasse“ verlangt besonders anfangs ein sehr aufmerksames Lesen: Die Erzählperspektiven verändern sich öfters und manchmal wird eher das Leben aus der Sicht des einen oder der anderen der Hauptfiguren beschrieben. Manche Teile des Romans sind auch von einer handelnden Figur selber geschrieben (Iren). Verschiedene Epochen, Zeitebenen sind durcheinander gemischt und verwirren zunächst das Verständnis. Später versteht man immer mehr, dass dieses anscheinende Versteckspiel mit dem Leser eher etwas von der tiefen inneren Verstrickung zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Tod und Leben als auch den intensiven Beziehungen zwischen den Personen widerspiegelt.


    Etwas in der Jugend und Kindheit so unzerbrechlich und standfest Erscheinendes (haben wir es nicht alle auf die ein oder andere Art erlebt?) zerbröckelt unter dem Einfluss der Ereignisse und der dahin fließenden Zeit.


    Ein Ereignis im Kriege wird alles grundsätzlich verschieben, beeinflussen, weit über den zeitlichen Rahmen des Krieges hinaus. Nichts ist mehr wie es vorher war und etwas geht unwiderruflich verloren. Man möchte eine Vergangenheit festhalten, doch „es ist zu spät“. Vielleicht haben das die Protagonisten sogar schon erkannt und „machen sich etwas vor“, doch ihr Leben läuft nun in Bahnen ab, die etwas von der Unausweichlichkeit einer griechischen Tragödie haben.


    Das nun Geschriebene kann nur die Vielschichtigkeit der Erzählebenen andeuten, aber auch: wie viele Dinge mich selber betreffen und berühren! Hoffentlich entdeckt man diese große Schriftstellerin hier in Deutschland bald wieder, denn die letzten Ausgaben/Auflagen sind schon eine Weile her...


    Eine große Empfehlung für dieses Buch und das Werk der Autorin!!!



    Da das Buch derzeit recht schwer auf Deutsch erhältlich ist (sicher aber verschiedene Angebote im Antiquariat), gebe ich noch die ISBN für die französische Ausgabe, die neu übersetzt gerade frisch auf den Markt gekommen ist (wiederum bei den sehr guten „Editions Viviane Hamy“): 2878582365.

    Hallo Mondpilz!


    Ich will Dich ermuntern, nicht bei diesem Roman Ishiguros stehen zu bleiben, den ich persönlich für seinen schwächsten halte. Trotzdem zeigt sich schon die Meisterschaft der einfachen, eleganten Sprache, die auch im Original, also auf Englisch, nie zu kompliziert wird. Die Elemente, die Du als verwirrend empfindest, sind es auch für mich. Darin kommt ein Element hoch, dass man auch in "The Unconsoled" wiederfindet. Vielleicht ist es auch sowas wie das Absurde, Halluzinatorische... Das Seltsame bei Ishiguro ist, wie er eine sehr einfache Sprache und total Haltloses, Unfaßbares zusammenbringt. Für mich ein faszinierender Autor, den ich nun seit Jahren verfolge und der das Zeug hat zu überdauern.

    Schön, dieses Buch in einem deutschen Bücherforum zu finden. Ich habe es vor Jahren gerne gelesen und mir fiel auch spontan das Wort "türkischer Robin Hood" ein. Wie Aldawen erwähnt sind die Unterschiede sicherlich von den verschiedenen Mentalitäten her zu verstehen. Die Beschreibung der ländlichen Armut macht betroffen...

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    Die hintergründige Geschichte eines wundervollen Narren und seltsamen Träumers, der dem Leben der Menschen, die ihm begegnen, eine überraschende Wendung gibt.


    Gaston Bonaparte, ein Brieffreund aus der Jugend, wird mit Spannung vom Geschwisterpaar Takamori und Tomoe erwartet Doch wie enttäuscht sind sie, bei der Ankunft einen unbeholfenen Riesen vorzufinden, der in seiner Kindlichkeit für alle Tolpatschigkeit zu haben ist. Erst nach und nach werden sie im Kontakt mit ihm seine Großzügigkeit und sein kindliches Herz schätzen lernen, mit denen er den Menschen und auch Tieren begegnet und letztlich sogar einen Mörder berührt.
    Gaston ist jener Mensch, der – wie eine japanische Person im Gegensatz den Mangel in der japanischen Gesellschaft darstellt – den anderen Vertrauen schenkt und das Gute in ihm annimmt. Er ist eine fast schon kindliche, unschuldige Gestalt, in der Folge eines Dostojevkischen « Idioten » oder des «Gentlemans aus dem Süden » eines Walker Percy. Diese Form der Unschuld, ja der Heiligkeit, mag teils Widerspruch und Spott hervorrufen, doch sie gibt uns zu denken.


    Endō Shūsaku , * 27. März 1923 in Sugamo/Tōkyō; † 29. September 1996 war japanischer Schriftsteller. Seine Werke sind stark von seinem christlichen Glauben geprägt, zu dem er im Alter von 12 Jahren übertrat.


    4ratten


    Gebundene Ausgabe: 234 Seiten
    Verlag: Herder, Freiburg (1993)
    ISBN-10: 3451230917
    ISBN-13: 978-3451230912

    Ich stimme Arbor von Herzen zu, allerdings wäre es für den Interessierten an Sebalds Werken dann besser, noch ein paar Worte hinzuzufügen, oder?


    Sebald hat nur einige Romane geschrieben, die aber einen absolut unverkennbaren Ton haben, in dem sich Zeugnisse, Photos, Erinnerungen, Autobiographisches, Imaginäres auf einzigartige Weise vermischen, so dass der Leser auch nicht weiss, wo die Fiktion anfängt, wo sie aufhört. Wie Arbor es sagt, ist die Sprache sehr beeindruckend: selbst wenn er zu jonglieren anfängt, verliert man doch nie den Überblick über einen klaren Satz.


    Für mich waren "Austerlitz", als auch "Schwindel.Gefühle" echte Lesehöhepunkte und ich freue mich auf die "Ringe des Saturns". Schon nach einem Buch war/bin ich restlos überzeugt, dass er ein genialer Schriftsteller war. Es ist wirklich jammerschade, dasss er früh verstarb (in einem Autounfall).
    Die von mir erwähnten gelesenen Bücher behandeln stark ihm anscheinend sehr wichtige Themen, in denen das Erinnern, das Gedächtnis, Nicht-Vergessen etc. eine große Rolle spielen. Für ihn, einem durch den Krieg noch so stark geprägten Deutschen, der sich exilierte, wurden diese Dinge vielleicht in einer gewissen Nachkriegsperiode zu stiefmütterlich behandelt.


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    ZUM BUCH:
    Om Sokdae, Klassensprecher in der fünften Klasse einer kleinstädtischen Grundschule, tyrannisiert die Kinder mit eiserner Faust. Er ist ein durchtriebener Kerl, der seine Kameraden zu willenloser Unterwerfung zwingt und sie zu kriecherischen Duckmäusern degradiert. Er schlägt sie, nimmt ihnen Geld weg, nutzt sie aus, verkauft Vergünstigungen und läßt sich wie ein König behandeln.
    Han, ein neuer Schüler aus Seoul, nimmt den Kampf gegen Sokdaes Diktatur auf, wird aber in die völlige Isolation getrieben und muss sich schließlich geschlagen geben. Nach seiner Kapitulation entdeckt er jedoch eine neue Seite der korrupten Herrschaft und beginnt die Privilegien und die Teilhabe an der Macht zu genießen. Nachdem Sokdae fort ist, beginnt eine lange Phase des Umbruchs, die schließlich in der Wiederherstellung demokratischer Verhältnisse mündet. (aus der Amazon-Kurzbeschreibung, die mal recht gut gelungen ist?!)



    MEINE EINDRÜCKE:
    Beim Lesen soll man ein wenig den geschichtlichen Kontext im Auge behalten. So z.B. die stetige Präsenz diktatorialer Kräfte in Korea bis gegen Ende der 80iger Jahre, dem Entstehungszeitraum der Erzählung, die 1987 auf Koreanisch veröffentlicht wurde. Es muss nachdenklich stimmen, wenn es zu meiner franzoesischen. Ausgabe auf dem Klappentext heißt, dass dieses Stück einen immensen und sofortigen Erfolg in Korea fand. Wohl nicht einfach wegen einer Schülergeschichte, sondern weil man sich in den Inhalten, den Spannungen, Fragen wiederfand!


    Auf dem Hintergrund gelesen sieht man deutlicher, dass Hans Vater also wegen eines "politischen Vergehens" in der Provinz landet (direkt erste Seite der Erzaehlung) und also alles Folgende indirekt Konsequenz oder Begleiterscheinung von Wirren sind. Sicherlich wird - das ist schnell absehbar - die Frage des Umgangs mit Autorität eine große Rolle spielen.


    Da es sich um einen Rückblick handelt (am Anfang wird klar gesagt: "vor gut 30 Jahren") muss man die Erzählung quasi früher ansetzen. Eventuell Ende der 50iger, d.h. also in der Zeit, in der das autokratische Regime von Diktator Rhee in den letzten Zügen lag.


    Wunderbar präzise wird beschrieben, wie Han die verschiedenen Stadien im Umgang mit der Autorität von Om Sokdae, dem „diktatorialen Mitschüler“, durchmacht. Von Erstaunen, Revolte, legalen Schritten, Widerstand, Gegenwehr hin bis zur Verzweiflung, ja dann auch Unterwerfung, gar Komplizität. Das alles ist überaus gut beobachtet und beschrieben. Hut ab. Auf dem Klappentext einer Ausgabe steht: "In 'Der entstellte Held' zeichnet er (Yi Munyol) ein Psychogramm der Macht und spricht damit ein Thema von universeller Gültigkeit an." Wie wir auch in einer Leserunde feststellten, fällt es nicht schwer, hier trotz aller kulturellen (koreanischen) Eigenheiten Parallelen zu den auch hier in Europa nicht so lange zurück liegenden Diktaturen zu finden.


    Die „Lösung“, der Ausweg aus dem System, ist ein ähnlicher Prozeß, mag aber nachdenklich stimmen, wenn man darin eine universale Gültigkeit sehen will. Doch das mag jeder dann selber entscheiden.


    Ein überaus lesenswertes Buch, das zeitlos von der Erfahrung von Macht und Gewalt spricht.


    4ratten


    ZUM AUTOR:
    Yi Munyol (* 18. Mai 1948 in Yongyang, Südkorea) ist ein südkoreanischer Schriftsteller. Yi gehört zu den bedeutendsten und meistgelesenen koreanischen Schriftstellern der Gegenwart. Seine Romane und Erzählungen sind in viele Sprachen übersetzt worden.
    Kurz vor Ausbruch des Koreakrieges geboren, musste Yi schon bald ohne seinen Vater auskommen, der die Familie 1951 verließ und in das kommunistische Lager wechselte. Den Besuch der Oberschule in Andong brach er ab, um nach Obdachlosigkeit und längerer Krankheit seinen Abschluss nachzuholen. 1968 bestand er die Aufnahmeprüfung der Seoul National University und studierte bis 1970 Koreanisch. Dann brach der das Studium ab, um Beamter zu werden. Er konnte aber die dafür nötige Prüfung mehrmals nicht bestehen und so trat er 1973 ins Militär ein. Nach seiner dreijährigen Dienstzeit arbeitet er als Dozent und Journalist. 1979 hatte er mit der Erzählung Saehagok seinen Durchbruch als Schriftsteller. Er bekam den Preis für Nachwuchsschriftsteller und schuf weitere Erzählungen und Romane, die mehrfach ausgezeichnet wurden.Von 1994 bis 1997 lehrte er koreanische Sprache und Literatur an der Sejong University. Später baute er eine kleine Akademie auf, in der er Dichter ausbildet.


    Taschenbuch: 123 Seiten
    Verlag: Unionsverlag; Auflage: 1 (April 2004)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3293202918
    ISBN-13: 978-3293202917