Mich hat Eidechse nicht überzeugt. Die erste drei Geschichten erzählt Yoshimoto aus der Sicht eines Mannes, was ihr nicht recht gelingen will, wie ich finde. Beispielsweise beschreibt sie (als ein "er") in der Titelgeschichte, wie der Ich-Erzähler sich in "sie" (genannt Eidechse) verliebt, und "er" spürt,
[quote author=Yoshimoto Banana, Taschenbuch S. 32f][...] daß tief in mir etwas zu keimen begann.
Würde ich es vergleichen wollen, dann mit der heiteren Stimmung, in der man an einem lauen Frühlingsabend auf dem Weg zu einem Rendezvous mit einer Frau, die man zwar kaum kennt, zu der man sich aber hingezogen fühlt, in die S-Bahn steigt und sich dabei überlegt, wo man etwas essen oder trinken gehen sollte. Auch wenn man darüber nachgedacht hat, ob man noch am gleichen Abend zusammen im Bett landen wird oder nicht, fühlt man sich in Anbetracht ihres verhaltenen Benehmens, des Lächelns in ihrem Gesicht, des Musters ihres Schals oder des Schnitts ihres Mantels, den sie extra für unser Treffen ausgewählt hat, bis in den letzten Winkel seines Herzens hinein rein. Genauso unschuldig, als würde man eine weit entfernte, schöne Landschaft betrachten. Solche beschwingten Augenblicke, die ich längst vergessen hatte, wurden in diesem Moment wieder zum Leben erweckt wie ein frischer Duft.[/quote]
Mal von der mir doch eher feminin erscheinenden Wort- und Bildwahl abgesehen, kann ich mir einen "Mann" nur schwer vorstellen, der beim Gedanken, ob er mit einer Frau schlafen wird, Augen für das Schnittmuster ihres Mantels hat.
In den anderen drei Geschichten ist der Ich-Erzählende eine Frau, und dabei sollte es Yoshimoto belassen. Nicht, dass die nächsten beiden Geschichten besser wären, und auch die letzte, Eine denkwürdige Begebenheit am Großen Fluß, fängt typisch Banana an: Eine Frau mit ehemals aus dem Ruder gelaufenen Sexualleben ...
[quote author=Seite 137]Ich trieb es mit Männern und mit Frauen und mit beiden gleichzeitig [...] ich glaube, außer extremen Perversitäten und Techniken, die direkt zum Tode führen, habe ich so ziemlich alles ausprobiert, was man sich vorstellen kann.[/quote]
... woraus sie gelernt hat,
[quote author=ebd.] [...] daß es auf dieser Welt wirklich und wahrhaftig eine Menge Menschen gibt, die Tag für Tag ihres Lebens noch wesentlich Unglaublicheres und Abstruseres tun, bis ihr letztes Stündlein geschlagen hat.[/quote]
Nach all dieser Angeberei fällt Banana dann, als die inzwischen ein normales Single-Leben führende Erzählerin zufällig eine Gespielin aus alten Zeiten wiedertrifft, nichts besseres ein, als dass diese eine Dame mittleren Alters ist, mit der sie mal in deren Ferienhaus ein paar Tage homoerotischer Zweisamkeit verbracht hat: Ein wenig einfallsreicher Lärm um nichts.
Bisher kann ich also noch keine Ratte vergeben. Aber die Geschichte nimmt dann auf den nächsten 60 Seiten ihren Lauf und es kommt, wieso, das erpare ich mir nachzuerzählen,
[quote author=Seit 194] [...] der Augenblick, in dem ich mich einen ersten, winzigen Schritt von der Vorstellung löste, ich sei der Nabel der Welt.
Ich verspürte weder Freude noch Enttäuschung, sondern ein seltsam gelöstes Gefühl der Unruhe, der Ungewißheit, so als hätte ich endlich einen Muskel locker gelassen, den ich bis dahin immer unnötig angespannt hatte.[/quote]
Ich hoffe, dass sich die sprachliche Verkrampfung, die mich bei aller Prosa von Yoshimoto Banana störte, die ich bisher gelesen habe (Kitchen, N.P., Tsugumi, Dornröschenschlaf, Hard-boiled Hard luck), jetzt endlich gelöst hat. D.h.: eine Ratte als Vorschusslorbeer für meine nächste Yoshimoto-Lektüre: