Beiträge von Desdemona

    Dieses Buch ist mir auch als aus Briefen bestehender Roman in Erinnerung geblieben:


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    Maria Nurowska - Briefe der Liebe


    Kurzbeschreibung von amazon.de:
    »"Krystyna Chylinska ist nicht dein wirklicher Name", sagtest Du wie beiläufig und ohne auf meine Antwort zu warten. Dabei weiß ich nicht, ob das eine Frage oder eine Feststellung war. In ein paar Minuten gehe ich von hier fort. Die Briefe, die ich Dir während all der Jahre geschrieben habe, lasse ich hier«, schreibt Krystyna Chylinska, die eigentlich Elzbieta Elsner heißt, in ihrem letzten von sieben Briefen, mit dem der Roman beginnt.


    Dann bleibt noch so mancher Klassiker:


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    Sophie von La Roche - Geschichte des Fräuleins von Sternheim (1771)
    Ludwig Tieck - William Lovell (1795/96)
    Achim von Arnim - Hollin’s Liebeleben (1802)


    Dann fallen mir diese noch ein:


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    André Gorz - Brief an D.: Geschichte einer Liebe (Der Philosoph André Gorz nimmt sich im September 2007 gemeinsam mit seiner Frau das Leben. Wochen vor deren Tod schreibt er diesen Brief und erklärt ihr seine bedingungslose Liebe: " Seit achtundfünfzig Jahren leben wir nun zusammen, und ich liebe Dich mehr denn je.")
    Marcelle Sauvageot - Fast ganz die Deine (Der Verlobte besucht sie im Sanatorium, um ihr folgende Sätze zu sagen: "Ich heirate. Unsere Freundschaft bleibt." - in ihren Briefen rechnet sie ab mit ihm, all ihre Gefühle der Liebe, des Hasses, der Leidenschaft werden in diesem Zeugnis verewigt.)
    Herbert Rosendorfer - Briefe in die chinesische Vergangenheit (amazon.de: Ein Mandarin aus dem China des 10. Jahrhunderts versetzt sich mit Hilfe eines »Zeit-Reise-Kompasses« in die heutige Zeit. Er überspringt nicht nur tausend Jahre, sondern landet auch in einem völlig anderen Kulturkreis: in einer modernen Großstadt, deren Name in seinen Ohren wie Min-chen klingt und die in Ba Yan liegt. Verwirrt und wißbegierig stürzt sich Kao-tai in ein Abenteuer, von dem er nicht weiß, wie es ausgehen wird. In Briefen an seinen Freund im Reich der Mitte schildert er seine Erlebnisse und Eindrücke, erzählt vom seltsamen Leben der »Großnasen«, von ihren kulturellen und technischen Errungenschaften und versucht Beobachtungen und Vorgänge zu interpretieren, die ihm selbst zunächst unverständlich sind.)
    Herbert Rosendorfer - Die große Umwendung. Neue Briefe in die chinesische Vergangenheit


    Und ein Buch, welches ich bei meiner Recherche auch noch gefunden, aber bisher nicht gelesen habe:


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    Marjana Gaponenko - Anuschka Blume

    Wird dieser Text nach wie vor als moralische Anstalt rezipiert?


    Der pädophilie Verbrecher erzählt ohne Skrupel, Scheu und Reue von seiner Zeit in der dieses 12-jährige Mädchen dieser Bestie ausgeliefert war. Seine dummen Erzählungen sollen der Rechtfertigung für sein Handeln dienen. Für solch ein Verhalten, solch ein Verbrechen gibt es keine Rechtfertigung.


    Kurz zur Figur der Lolita: Sie ist keine reine "Opferfigur", ihre Darstellung als "Nymphe", als "Kindfrau" ist durchaus ambivalent betrachtbar und vielleicht (!) nicht allein als ein Produkt von Humber Humberts Fantasie.


    "In our hallway, ablaze with welcoming lights, my Lolita peeled off her sweater, shook her gemmed hair, stretched towards me two bare arms, raised one knee: "Carry me upstairs, please. I feel sort of romantic tonight."


    "We have still quite a stretch,” I said, “and I want to get there before dark. So be a good girl.”
    “Bad, bad girl,” said Lo comfortably. “Juvenile delickwent, but frank and fetching. That light
    was red. I’ve never seen such driving.”
    We rolled silently through a silent townlet.
    “Say, wouldn’t Mother be absolutely mad if she found out we were lovers?”
    “Good Lord, Lo, let us not talk that way.”
    “But we are lovers, aren’t we?”


    Zitat

    "Ich hatte das Gefühl sie ist darauf aus Verständnis für den Täter und Mitschuld bei dem Opfer herauszustellen und dies finde ich absolut verwerflich."


    Der Roman ist aus der Sicht der Täterfigur - also Humbert Humbert - geschrieben; er rechtfertigt seine Tat, schließlich ist es auch eine Lesart des Textes ihn als Geschichte einer "psychischen Erkrankung" zu lesen (Wobei er dennoch den Leser förmlich davon zu überzeugen versucht, nicht "stolz" oder "überzeugt" von seiner Beziehung zu Lolita zu sein, wobei das auch nur der Versuch einer Beschönigung oder Rechtfertigung ist bzw. sein kann.); ich würde davon abraten, H.H. als "Bestie" zu betrachten, schließlich kann er seinen Trieb nicht befriedigen, auch, wenn er dahinter das als Grund seiner Persönlichkeitsspaltung betrachtet (zudem hat H.H. - was von einer "reinen Triebstimulation" an jedem Kind weit entfernt ist - einen speziellen bevorzugten Typ):


    The dimmest of my pollutive dreams was a thousand times more dazzling than all the adultery the most virile writer of genius or the most talented impotent might imagine.


    bzw.


    "No wonder, then, that my adult life during the European period of my existence proved monstrously twofold. Overtly, I had so-called normal relationships with a number of terrestrial women having pumpkins or pears for breasts; inly, I was consumed by a hell furnace of localized lust for every passing nymphet whom as a law-abiding poltroon. I never dared approach."


    Ich würde dennoch den Text mehr als eine Auseinandersetzung über/von Kunst als Bsp. lesen wollen (Humbert reinen Ästhetitizismus z.B., den Nabokov in einem Nachwort der späteren Ausgaben selbst beschreibt: "For me a work of fiction exists only insofar as it affords me what I shall bluntly call aesthetic bliss.") bzw. ist es auch eine Frage nach dem, was Kunst eigentlich darstellen darf bzw. ob Kunst (in jeder Form, inkludiert damit die Malerei, Musik, Literatur) eine moralische Dimension hat bzw. sogar haben muss. Nabokov dazu: "Lolita is a special favorite of mine. It was my most difficult book — the book that treated of a theme which was so distant, so remote, from my own emotional life that it gave me a special pleasure to use my combinational talent to make it real."


    Vielleicht gibt es auch die Möglichkeit den Roman als Form der "Liebesgeschichte" zu lesen, als Geschichte einer Hörigkeit oder Obsession (siehe Marcel Reich-Ranicki) - schließlich schreibt Humbert Humbert die Geschichte aus mehreren Gründen (als Verteidigungsschrift für sich im Prozess, als Erklärung für seine Sünden, Erklärung für seine Form der Leidenschaft) und nicht zuletzt als Schrift für die Immortalität Lolitas, über deren Grab hinaus: "[...] so as to have him make you live in the minds of later generations. I am thinking of aurochs and angels, the secret of durable pigments, prophetic sonnets, the refuge of art. And this is the only immortality you and I may share, my Lolita."


    ~*~


    [Off-Topic]


    Was mich interessieren würde - und nicht im mindesten vergleichbar ist, höchstens von dem oberflächlich betrachteten Thema her - wie Leser, die sich emotional extrem abgestoßen gefühlt haben von Humbert Humbert mit diesem Buch umgehen würden:



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    A.M.Homes - The End of Alice


    The narrator is Chappy, a pedophile who's been locked up in Sing Sing for 23 years. The tale alternates between Chappy's own story (both outside and inside of prison), and letters he receives from a 19-year-old girl who knows of Alice's fate and wants to start playing with 12-year-old boys. The girl's letters disturb Chappy, bringing his memories vividly to the fore. In prose that is both lyrical and horrifyingly direct, A.M. "Amy" Homes takes us into the minds of the correspondents. (Informationen: A.M. Homes Homepage)

    Zitat

    Zum zweiten die Szenen über den Protagonisten in "Korrektur", der Tierpräparator Höller, der auch im realen Leben so heißt und diesen Beruf innehat und heute noch lebt. Auch wenn das Wissen über die reale Person natürlich für den Roman vollkommen unerheblich ist, wirft die Erkenntnis, dass Bernhard sich an realen Menschen abgearbeitet hat, noch mal ein anderes Bild auf seine Bücher.


    In der Dokumentation "Das war Thomas Bernhard. Fernsehdokumente 1967-1988" (Youtube) war ein Interview dabei, welches einen Tag (im Jahr 1984) vor der Urteilsverkündung im Fall der "Ehrenbeleidigungsklage" des österreichischen Komponisten Gerhard Lampersberg (gegenüber seiner Person, verewigt in "Holzfällen. Eine Erregung"), gedreht wurde. In diesem sagt Thomas Bernhard folgendes:


    Zitat

    Thomas Bernhard.: Net, irgendwann will ma' entscheidende Abschnitte... wie heißt es, festhalten. Mit der Feder, nicht, heißt es doch. So ist das gemacht. [...] Das sind die [19]50er Jahre, jetzt die [19]80er, dreißig Jahre Abstand, da kann man Freunde von früher hereinziehen zwischen die Buchdeckel und halt' sie fest, fotografiert sie, liefert das aus, das macht der Verleger. So ist das.
    Christa Fleischmann: Hat sie die Zeit, über die sie geschrieben haben, so erregt oder was war es, was sie da so aufgeregt hat?
    T. B.: Die Erinnerung. Die Zeit erregt einen nach dreißig Jahren ja nicht mehr, nicht. Aber die Erinnerung, nicht, dann vergegenwärtigt man sich die und stellt fest, dass das mehr oder weniger offene Wunden sind, spritzt man noch ein bisschen Gift hinein, das Ganze entzündet sich und so kommt ein erregter Stil zustande. Da treten dann halt Menschen auf, wenn man sie sieht, machen sie einen halb-wahnsinnig, nicht, und dann führt man sie ein in so ein Buch, eben in eine Erregung.


    @klassikfreund und alle anderen, die die Dokumentation "Die Kunstnaturkatastrophe" gesehen haben: Was mich an der Dokumentation interessieren würde, ist, wie sich die Schriftsteller-Kollegen im eigentlichen geäußert haben? Positiv als auch negativ?


    Im Kultur.Montag des ORF gab es nämlich einen Beitrag - betitelt: "Thomas Bernhards Lieblingsfeinde. Was wiegt sein literarisches Werk heute?" (Link zur ORF-Mediathek - indem sich Sigrid Löffler, Werner Schneyder, Franz Schuh und am Ende auch Daniel Kehlmann kritisch zu Wort gemeldet haben. Die Reaktion Claus Peymanns auf diesen Beitrag: "Das ist der Aufstand der Zwerge. Man hat aber auch das Gefühl, dass daraus ganz stark der Neid spricht, also bei Schuh oder Kehlmann hundertprozentig, sehen sie die Trauben, die für sich selber zu hoch hängen. Über Schneyder will ich jetzt in dem Zusammenhang gar nicht reden, er soll ein bissl mehr Boxkämpfe kommentieren (...) und nicht die Literatur." (Link zum STANDARD-Artikel)



    Noch eine Termin-Vermeldung:


    Heute diskutieren im Club2 um 23:00 Uhr im ORF2 zum Thema "LITERAT UND PROVOKATEUR: WAS BLIEB VON THOMAS BERNHARD?" die folgenden Personen mit Michael Köhlmeier: Ursula Pasterk (ehemalige Wiener Kulturstadträtin), Frank Hoffmann (Mitglied des Burgtheaters, Leiter des Güssinger Kultursommers), Hans Haider (Kulturjournalist), Erika Schmied (ehem. Freundin von Thomas Bernhard, Fotografin), Stephanie Mohr (Regisseurin), Alfred Pfabigan (Kulturphilosoph und Literaturkritiker) und - laut meiner Zeitung von heute - auch Thomas Glavinic (Autor).

    Rezi-Archivierung von 2008:


    1976 erschien "Easter Parade", Anfang 2007 erschien es in Deutschland bei DVA; nicht zuletzt durch das positive Feedback Elke Heidenreichs' in ihrer Literatursendung "Lesen!" erreichte dieses Buch Bestsellerstatus und wurde in sämtlichen großen Tageszeitungen (FAZ, DIE ZEIT, taz, NZZ, Süddeutsche Zeitung...) fast ausnahmslos positiv besprochen. Und daher bleibt immer die Frage, ob der "normale" Leser sich diesen Beifallsstürmen anschließen kann...


    ... in diesem Fall kann ich es. Auf höchst scharfe Weise zerstört Richard Yates die Illusion des American Dream, die Illusion, dass ein Leben aus Zufällen, aus eigener Kraft gesteuert und besonders reich gelebt werden kann. Er führt vor Augen, was passiert, wenn die "Anlagen" nicht stimmen - wenn Kindheit und Jugend als reine Posse zurückbleiben.


    Sarah und Emily Grimes, zwei Schwestern, die von ihrer alkoholkranken Mutter von Stadt zu Stadt, von Schule zu Schule geschleift werden. Man weiß nie genau, wonach die Mutter sucht. Ist es DER Job, DIE Karriere? Auf allen Wegen scheitert sie, bleibt stets die Suchende; sie erzieht ihre Kinder anti-autoritär, nicht als Mutter, nicht als Verantwortliche. Sie sollen sie Pookie nennen. Was wie ein Name für eine Indianerin klingt, ist nur wiederum ein Ausdruck für ihre Rollensuche. Sie will nicht Mutter sein, sie will auch nicht eine Rabenmutter sein; sie will nicht arbeitslos sein, aber auch nicht mit einem Job behaftet, der ihr weder Glück noch viel Geld bringt.
    Die Grimes-Schwestern entwickeln sich unterschiedlich. Sarah heiratet früh einen jungen Mann aus gutem Hause, der sich schnell als brutaler, schlagender Ehemann herausstellt. Und doch bleibt sie, nach der Aufzucht dreier gemeinsamer Kinder bei ihm, und findet sich gebrochen und depressiv als Alkoholikerin wieder.
    Emily dagegen führte zwei Ehen, beide zerbrachen; sie hatte ein Stipendium, war Journalistin, liebte mehrere Männer, hatte Affären und wird dennoch nicht glücklich. Ähnlich wie ihre Mutter ist sie auf der Suche, aber nicht nach dem Karriereglück, sondern der Liebe, die sie von ihrer Traurigkeit lösen kann.


    Was Richard Yates auf knapp 300 Seiten formuliert, lässt einem sehr nachdenklich zurück. Dieses Buch hat manchmal Längen, manchmal hat man das Gefühl, die Geschichte plätschert. Es werden zwei Leben beschrieben und es könnte langweilig wirken, weil nur wenig passiert, was nicht vorhersehbar ist.
    Aber das ist es gerade. Man spürt den nahenden Abgrund, man spürt, dass dies nicht gut gehen kann. Und es endet für alle Figuren nicht positiv, und obwohl dies ersichtlich ist, hofft man.


    Für mich ein nachdenklicher machender, sehr lang anhaltender Roman. Obwohl ich ihn schon vor zwei Stunden aus der Hand gelegt habe, hat er mich noch nicht losgelassen. Ein wirklich gutes, kritisches Buch mit einer anhaltend flüssigen, wunderbar zu lesenden Sprache.


    Mein Interesse für Richard Yates ist geweckt und ich danke Robert Ford für das Wiederentdecken dieses "Klassiker der Moderne" (FAZ).

    Rezensions-Archivierung von 2008:


    Ich mag Bücher, die versuchen geltende Wertvorstellungen, Sitten und Gebräuche sowie gängige Tabus zu sprengen bzw. aufzubrechen. Gerade darin bemisst sich für mich der Wert von Literatur: Gängige Probleme bzw. gängige Diskussionsthemata, auf die man im Alltag trifft, anzusprechen, sie zu pervertieren, sie zu ironisieren, um so beim Leser einen Denkprozess hervorzurufen.


    Das Konzept von "Reality-Show" gefiel mir, ist es doch eine Tatsache, dass in Zeiten von Big Brother, wo Menschen sich beim Urinieren, Vögeln (Entschuldigt den Ausdruck) und Tratschen zuschauen, die Hemmschwelle, ein Tabu betreffend, gesunken sind. Jeder hat, zumindest bei der ersten Staffel dieses Formates darüber diskutiert: "Wer fliegt raus? Wer kommt wem zusammen?" ohne darüber zu diskutieren, was für Folgen es hat, wenn Menschen 24-Stunden lang beobachtet werden und sich dann in ein "reales" Leben verabschieden, in dem jeder sie jetzt kennt, jeder die Vorlieben kennt und jeder weiß, wann und wo sich die Person einen Pickel ausdrückt (Ich überspitze es).
    Nur, glaube ich, hat sich die Autorin, von der ich bisher nichts gelesen habe, mit ihrer Idee etwas übernommen; ihre Satire, was es eigentlich werden sollte, rutscht ab und an so ins Lachhafte, Lächerliche ab, dass man nicht mehr über den Inhalt weiter nachdenkt.


    Man stelle sich das vor: Ein Fernsehprodukt ist die Show "Konzentration", bei der ahnungslose Menschen von den Straßen geholt in ein KZ gebracht werden, wo nach den selben Bedingungen, wie vor 60/70 Jahren gelebt, geprügelt, gedemütigt, getötet wird. Mit einem Unterschied: Täglich laufen bis zu über 20 Kameras mit und dokumentieren peinlich genau jedes Tabu, jede Vergewaltigung, jede Misshandlung. Und das Publikum schaut zu, die Quoten erfreuen sich einer Höhe, wie sie zuvor unbekannt war und immer wieder lassen sich die Fernsehmacher etwas Neues einfallen; bis ihnen die Idee kommt das Publikum entscheiden zu lassen, wer sterben soll.


    Die Handlung ist gut und schön; auch der Schreibstil ist gut entwickelt, flüssig zu lesen und dialoglastig, was in den Fall sehr passend ist. Aber was die Autorin mit ihren Figuren und deren Botschaften fabriziert hat, ist geradezu fahrlässig. Zwei Stereotypen. Einmal weiß: Pannonica, die natürlich seelengute, intelligente, reine Persönlichkeit, die sich gegen die schwarze Persönlichkeit des Kapo Zdena durchsetzen muss. Zwei Frauen, zwei Seiten einer Medaille. Die eine ist hineingeraten und macht das Publikum verantwortlich und will nur leben; die andere will begehrt und geliebt werden.
    Wie schön ist es, dass es so nach Stereotypen funktioniert. Wie schön ist es, dass das Böse immer Schwarz und das Gute immer weiß sein müssen. Und dementsprechend entlädt sich auch die Handlung, die Pointe ist kurz, das Happy End wirkt unpassend (Wenn auch gut interpretierbar als passendes Ende: Das ganze Leben ist eine Show à la Hollywood, und die meisten Hollywood-Streifen enden nun einmal glücklich... ;=)) und irgendwie ist man mit der ganzen Geschichte unzufrieden.


    Fazit: Idee gut, Umsetzung ging reichlich daneben. Dabei ist der Schreibstil eigentlich angenehm; es war nicht das letzte Buch der Autorin für mich, aber als Einstieg war dies einfach nicht das Nonplusultra.

    "Weißt du nicht, dass man in der Liebe die Welt neu gründen kann?"


    Michael Köhlmeier ist kein unbekannter österreichischer Autor, nicht nur aufgrund seiner im Jahr 2007 ausgestrahlten 80-teiligen Sendereihe über die griechischen Mythen bei br-alpha (Link), sondern auch wegen seines schriftstellerischen (Abendland, 2008 oder Idylle mit ertrinkendem Hund, 2009) und feuilletonistischen Engagements. 2008 gewann er dafür den Bodensee-Literaturpreis für "Abendland" bzw. sein Gesamtwerk und erhielt 2007 das Goldene Verdienstzeichen der Stadt Wien.


    "Wie viele Bücher würden wir verabscheuen, wenn wir die Geschichte ihrer Entstehung wüssten."

    Sebastian Lukasser, dem geneigten Leser schon als Schriftstellerfigur aus dem Jahrhundert-Panorama "Abendland" bekannt, lässt sich in dieser Erzählung die Geschichte von Madalyn, einer jungen, gerade 14-jährigen jungen Frau erzählen, die mit Moritz, einem Schulkollegen, ihre erste Liebesbeziehung, ihre erstes großes Glück, ihre erste große Enttäuschung erlebt. Als fünf-jähriges Mädchen bei einem Unfall medizinisch notversorgend und später im Krankenhaus seelischen Beistand leistend, entwickelt der Schriftsteller und Nachbar eine zarte Bindung zu Madalyn, die bis in ihre Jugendzeit andauert. Sein Interesse an ihr und ihrer Geschichte, begründet er, mehr ausweichend, mit seiner "Berufskrankheit" sich das Leben anderer Menschen erzählen zu lassen, er sei dabei nur ein geduldiger Chronist von Zuständen und Prozessen: "Sie erzählte mir ihre Liebesgeschichte, um mich auf ihre Seite zu ziehen - sicher auch deshalb. Ich hörte ihr zu. Das ist mein Beruf, rechtfertige ich mich vor mir selbst."
    Madalyns Geschichte ist dabei nicht zuletzt eine Projektionsfläche des Autors; sie ist als Figur die eigentliche Erzählinstanz des Romans, sie formuliert ihre Erlebnisse selbst (Erkennbar an einem Bruch in der Perspektive - vom Ich-Erzähler Sebastian Lukasser zur auktorialen Erzählfigur Madalyn), selektiert die Themen, strukturiert ihre Berichte und füllt sie mit Leben. Nur wenige Fremdbeobachtungen fügt der Chronist hinzu und ordnet das Material.

    "Wo man die Wahrheit sagt, hat man nichts zu befürchten. Wo man lügt, schon."


    „Zugleich jedoch bleibt mit dem Erzählmotiv eine Ungewissheit, was tatsächlich und wahrhaftig vor sich gegangen sei.“, schreibt Klaus Zeyringer im Wochenendstandard vom 21./22.August. Das Spiel mit Identitäten, mit Lüge und Wahrheit sowie Hass und Liebe sind laufende Diskurse, nicht zuletzt in der Figur von Moritz. Madalyn und er sind ein junges und damit sehr unsicheres Paar. Selten sprechen sie - und wenn nur floskelhaft - über ihre Liebesbeziehung. Verstecken sich hinter Lügen, weichen sich aus, entdecken Dinge am Partner, Fehler und Schwächen, die sie nur schwer tolerieren können. Madalyn hat wenig Verständnis für Moritz' Lügerei, sie versucht zunächst mit dem ihr eigenen psychologischen Gespür hinter die Ursache dessen zu kommen und erleidet anhand von Geständnissen Enttäuschungen, die sie jedoch verdrängt bzw. nicht wahrzunehmen versucht. „Er hat gelogen, weil er Angst hatte, man könnte ihn nicht mehr mögen, wenn er die Wahrheit sagte, und jetzt meinte er, er muss weiterlügen immer lügen, und traut sich nie zu sagen, was in ihm vorgeht.“ Sie stellt fest, ihm fehlt es an Substanz, an innerer Festigkeit, vielleicht auch an Rückhalt in der Familie: "Alles an ihm ist einsam." Ein Gefühl, von dem sie gleichzeitig abgestoßen, aber auch fasziniert ist und sich angezogen fühlt, ist ihr doch Einsamkeit innerhalb ihrer Familie nicht fremd.


    "Bei allen Launen ihrer Mutter wusste sie doch, dass sie gemocht wurde... "


    Körperlich sind beide Elternteile nur selten anwesend und auch kaum präsente emotionale Teilnehmer in Madalyns Leben. Die Beziehung zur Mutter - der Vater verweigert sich konsequent einer zu offensiven Auseinandersetzung mit der Tochter - ist zwiespältig. Auf der einen Seite durch liebevolle Gesten begleitet, durchschaut die Tochter sehr schnell das Schauspiel ihrer Mutter ihrer Selbstverwirklichung und Karriere mehr Zeit einzuräumen als der Familie und damit ihrer Tochter. Madalyn hat über die Jahre auch Strategien entwickelt, mit der Grausamkeit und Bösartigkeit der Mutter umzugehen: sie verweigert sich körperlich, das Gehörte überhaupt aufzunehmen. Vorwürfe, Beleidigungen lässt sie an sich abprallen, bzw. unterwandert im Laufe ihrer Jugend das von der Mutter so gewohnte Streitsystem, in dem sie, statt zu weinen und das reuevolle Kind zu mimen, auf den Vorwurf "Ich habe nie ein Kind gewollt." antwortet: "Dann gib' mich doch zurück."
    Dennoch weiß sie, im Anbetracht der (vermeintlich wahren?) Geschichte von Moritz zu differenzieren: „Bei allen Launen ihrer Mutter wusste sie doch, dass sie gemocht wurde; und auch, wenn sie dem Vater nicht einen Millimeter hinter die Stirn schauen konnte, war doch klar, dass sie sein Liebling war und dass er sich zwischen seiner Frau und seiner Tochter für seine Tochter entscheiden würde, wenn's drauf ankäme. Und Hass? Was ist Hass? Schlechte Laune ist kein Hass und Jähzorn auch nicht, und wenn man bockt und einen Tag oder zwei mit keinem Wort rausrückt, ist auch das noch lange kein Hass.“


    Mutter-Tochter-Konflikte sind in Adoleszenzromanen keine seltenen Themen, es gebe schließlich keine schwierige Beziehung im Zeitraum der Pubertät, so Christine Nöstlinger: „Wenn ich aber ein Buch schreibe, wo ich aus dem Blickwinkel eines 14-jährigen Mädchens eine Mutter beschreibe, dann kann ich diese Mutter einfach nicht freundlich beschreiben. Oder nur in kleinen Bereichen freundlich, weil der Mutter-Tochter-Konflikt, gerade während in der Pubertät, ein derart heftiger ist, dass das einfach nicht abgeht mit einem objektiven, einsichtigen Blick.“
    So erscheint auch der Vorwurf, den Evelyne Polt-Heinzel im Furche-Booklet gegenüber Köhlmeier und dem Erzähler Sebastian Lukasser erhebt, er würde „... die egomane Mutter" und "deren Verurteilung" in den Vordergrund der Erzählung rücken, mehr noch, diese einseitige Darstellung würde "dem Erzähler am Herzen [zu] liegen...“, anstatt sich mit der opportunistischen Vaterfigur auseinanderzusetzen, die immer präsent, aber auch nicht präsent sei, absurd. Zum einen ist die eigentliche Erzählfigur nicht Sebastian Lukasser, sondern Madalyn. Sie steuert die Geschichte und damit auch die in ihr vorkommenden Personen. Und zum anderen: „Zum einen ist die Pubertät ein Zustand der absoluten Wahrheit, weil ein Mensch die Welt der Erwachsenen zu keinem anderen Zeitpunkt besser zu durchschauen vermag als in jenem Augenblick, in dem er sich selbst anschickt, erwachsen zu werden - eine eigentümlich hellsichtige Phase.“ Diese Hellsicht beweist Madalyn sowohl gegenüber ihrer Mutter (der sie Egoismus als auch Grausamkeit vowirft), aber auch gegenüber ihrem Vater (opportunistisch veranlagt und eher konfliktscheu).


    "Wir dürfen annehmen, dass Herr Lukasser zu seinem liegengelassenen Roman über den jugendlichen Mörder zurückkehrt. Vielleicht aber auch nicht."


    Der Roman bietet eine Auseinandersetzung mit den Gefühlen einer Jugendlichen; sie reflektiert über Liebe und Hass, über Wahrheit und Lüge und versucht damit erste Wertkategorien für sich festzulegen. Sie hinterfragt das Leben ihrer Eltern, ihre Eltern selbst. Dass Erwachsenwerden ist eine Folge eines Prozesses, der mit der Liebesbeziehung zu Moritz beginnt, den Abnablungsvorgang von den Eltern, der allerdings schon im frühen Kindesalter begonnen hat, nur fortsetzt. Dabei spielt es im übrigen keine Rolle, ob das Geschehen autobiografische Tendenzen aufweist, wie Kristina Pfoser im Kulturjournal des Radiosenders Ö1 vom 13.8.2010 hinterfragt. Der Roman selbst gibt auf diese Frage eine Antwort auf Seite 18: "Ich kenne sie [Anm.: Madalyn] in Wahrheit nicht, sie ist erwachsen, natürlich kenne ich sie nicht, woher auch; und dachte, nein, sie ist nicht erwachsen. Und dachte: Ich hatte über all die Jahre kein richtiges Bild von ihr. Ich hatte ein Bild von ihr, aber das hatte ich aus der Luft gegriffen, aus der Sentimentalität meines undankbaren Heldentums, ein präliterares Ding war sie für mich gewesen, eine Inspiration. [...] Das hier strengte mich an, ich wollte Charaktere in den Computer hacken und nicht in der Wirklichkeit ein Bild korrigieren, dass ich mir einmal gemacht hatte und das mehr über meine Rührseligkeit mir selbst gegenüber verriet als über Madalyn."


    Nicht von Relevanz, aber auch für den geneigten Leser nicht uninteressant ist, dass es tatsächlich eine Buchhandlung, geführt von Anna Jeller in der Margaretenstraße in Wien gibt. Oder aber die Tatsache, dass Lokalitäten wie das "Neni" am Naschmarkt oder das "Flex" existieren. Dennoch formuliert Köhlmeier im Interview mit Kristina Pfoser den Anspruch, es sei nicht "alles eins zu eins" zu interpretieren, auch, wenn man Sebastian Lukasser als ein "Alter Ego" von ihm bezeichnen könne.


    "Madalyn" bleibt ein Roman, der die Frage nach Erzähltraditionen stellt und wie man einen realen Stoff fiktiv verdichten kann, oder eine Fiktion wirklichkeitsgetreu darstellen kann. Auch ein Spiel mit Identitäten, mit der Frage, wie kleine Geschichten wie die der ersten Liebe nicht groß, aber dennoch elegant und melodiös gestaltet werden können. Eine Auseinandersetzung mit den großen Fragen der Literatur: Wie kann ich was erzählen, von wem wird es erzählt, wie verwende ich das Material und wie interpretiere ich es?


    Veranstaltet eigentlich der ORF auch was zum 80. Geburtstag Thomas Bernhards? Oder ist er in Österreich immer noch persona non grata? :zwinker:


    Am 4.2.2011 lief auf dem österreichischen Radiosender Ö1 ein Interview mit Claus Peymann über Thomas Bernhard (Titel: Claus Peymann über Thomas Bernhard. Dem "Ungeheuer" Reverenz erweisen), welches man sich hier anhören kann.


    Folgendes kann ich vermerken für den Radiosender Ö1:
    07. Februar 2011 - 09:30 Uhr
    Radiokolleg - Jedes Kapitel eine Weltanklage. Thomas Bernhard zum 80. Geburtstag (1)

    (Folge 2-4 läuft an den darauffolgenden Tagen.)


    Auf ORF2 läuft zum einen eine Dokumentation (Österreich, 1994) mit dem Titel "Das war Thomas Bernhard" als Teil des Kultur.Montags am 7.2.2011 um 23:30 Uhr bzw. zum anderen lesen um 0:05 Uhr Peter Simonischek und Gerd Voss im Wiener Burgtheater aus dem Briefwechsel Bernhards mit Siegfried Unseld.


    Im übrigen noch eine Buchempfehlung, die mir bei meiner Recherche im Bereich der Medienrezeption Bernhards aufgefallen und mir als interessante, sehr informative Lektüre erschien:


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    Oliver Bentz (2000): Thomas Bernhard - Dichtung als Skandal. Verlag Königshausen und Neumann. Würzburg

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    Edition Nautilus im Verlag Lutz Schulenburg
    Hamburg 2010


    ISBN-10 3894017287
    ISBN-13 978-3894017286


    „Schlagzeilen versperren der Wahrheit den Weg.“


    Am 17. Juli 1932 war ein SA-Aufmarsch[1] in der Stärke von 7000-Mann vom Polizeipräsidenten der Stadt Hamburg-Altona – Otto Eggerstedt[2] – genehmigt worden; angekündigt war ein Demonstrationszug durch die Altonaer Altstadt (auch „Klein-Moskau“ genannt), in der vorwiegend die sozialdemokratisch- oder kommunistisch-gesinnte Arbeiterschaft lebte. Beim Demonstrationszug durch die Große Marienstraße, die Schauenburgerstraße und Johannisstraße kam es zunächst nur zu verbalen Auseinandersetzungen (Anstimmen der „Internationalen“ als Reaktion auf die Schmährufe der Marschierenden), später dann gezielte Angriffe mit Wurfgeschossen und Waffen, wie Totschlägern und Karabinern durch die SA an den Zuschauern, ungeachtet Alter, Geschlecht oder politischer Positionierung. Es fielen zwei Schüsse, zwei Mitglieder der SA wurden getötet, woraufhin die Altonaer Polizei folgerte, von Dächern und den Häusern angegriffen zu werden. Sie evakuierten den Demonstrationszug, schossen auf Häuser, Dächer und Fenster, durchsuchten die Häuser, verhafteten 90 Personen und erschossen – bzw. „starben im Kugelhagel“ – sechzehn Menschen der Wohnbevölkerung[3]. Wer für den Tod der zwei SA-Angehörigen verantwortlich ist, ist unbekannt; hingerichtet wurden vier Kommunisten – Bruno Tesch, Walter Möller, Karl Wolff und August Lütgens[4] – nach einem Sondertribunal der NSDAP am 1.August 1933.


    „Mein Name ist Klara Schindler. Ich werde einen Menschen töten. Vorsätzlich, aber nicht aus niederen Beweggründen, es ist meine Pflicht.“[5]


    Protagonistin des Romans ist die bei der Hamburger Volkszeitung angestellte Reporterin und überzeugte Kommunistin Klara Schindler. Mithilfe eines Aufnahmegerätes[6] sammelt sie Zeugenaussagen und Berichte über den Altonaer Blutsonntag, mit dem Ziel einer Veröffentlichung dieser Aussagen und, mehr noch, um dieses Verbrechen aufzuklären und den Tätern ihrer gerechten Strafe, damit der Gerechtigkeit zuzuführen: „Es ging mal wieder um Strategie, nicht um Wahrheit. Spricht die Wahrheit keine deutliche Sprache? Muss man Mörder nicht anklagen? Brauchen die revolutionären Massen nicht ein Ziel, müssen sie nicht aufgepeitscht werden in ihrem Gerechtigkeitsstreben, und hilft es da nicht, wenn man die Namen der Verbrecher nennt, denen das Blut der Arbeiter an den Händen klebt?“[7]
    Die Stärke des Buches liegt in der Dokumentation dieser Aussagen; in ihnen prahlen Lebenssituation der Arbeiter und Handwerker und damit ihrer (mehr oder weniger) demokratischen, damit politischen Gesinnung aufeinander. Es ist ein auf Authentizität ausgelegtes Zeit- und Sittenbild von Altona der 1930er Jahre. Auffallend dabei ist die Dichotomie der Aussagen, die drei bzw. eher zwei große politische Lager erkennen lässt: Kommunisten / Sozialdemokraten und Sympathisanten und Mitglieder von NSDAP/SA bzw. SS, die sich beide durch Radikalität und fehlendes Verständnis für demokratische und faire Spielregeln auszeichnen.


    „Warum stehen die Arbeiter nicht auf und folgen ihrer Bestimmung? Warum, zum Donnerwetter, verläuft die Geschichte nicht so, wie es ihr vorherbestimmt ist?“


    So auch Klara. Als überzeugte, dennoch intelligente junge Frau und Kommunistin angelegt, tritt sie als die Zeichen der Zeit verkennende, phrasendreschende Figur auf, die zwar Kant, Rousseau und Marx gelesen, aber wenig Wissen über die praktische Umsetzung dieser Ideologie (vor allem in Sowjetrussland) vorzuweisen hat. Sie ist eine Figur der Widersprüche, wenig fassbar für den Leser; sie bietet keinerlei Identifikationspotential, weil ihre Vehemenz, ihre Intoleranz gegenüber politisch Andersdenkenden, ihre Ignoranz gegenüber sich nicht mit ihrer Meinung deckenden Argumentationen, ihre politische und auch persönliche Naivität eine Idee von ihrer Umsetzung zu unterscheiden, sich als Konfliktpotential erweisen. Sie ist anderen Argumentationslinien nicht zugängig, agiert emotional und unsachlich und zeigt sich damit nicht in der vom Autor beschriebenen Intelligenz:


    „Na Mädchen, dann sieh mal her! […] Das sind Arbeiterhände. Und glaub bloß nicht, dass ich nicht ins Schwitzen komme, wenn ich durchführe, was ihr ständig propagiert. Ich praktiziere Enteignung.“
    „Zum persönlichen Gewinn.“
    „Na und? Wenn alle so beherzt zugreifen würden, dann wären eure Feinde bald mittellos. Meine Faust ist nicht leer, da steckt ein Schweißbrenner drin.“
    “Sie propagieren planlose Anarchie!“
    „Anarchie? Meinetwegen, aber weißt du denn, wie genau ich planen muss, bevor ich losschlage?“
    „Es ist sinnentleerter Individualismus.“
    „Ganz genau, bravo! Was bleibt mir denn übrig in einer sinnentleerten Welt? Ich hab mein Sach auf nichts gestellt.“[8]


    Konfrontationen dieser Art dienen wahrscheinlich dazu, das politische Profil der Figur, aber auch ihre Beständigkeit und ihre Durchsetzungskraft, ihren Sinn für Gerechtigkeit darzustellen und den Weg vorzuweisen – den des meisten Widerstandes – den sie gehen wird, um ein „Zeichen gegen den Nazismus“ (Klappentext) zu setzen. Dem Autor ist es, meiner Ansicht nach, dennoch nicht gelungen mir die Motivation der Figur, sich überhaupt für diese Ereignisse zu interessieren, zu erläutern, mir ihre Art und Weise zu leben und zu handeln nachvollziehbar zu machen und – in letzter Konsequenz – ihre Form des Widerstand als etwas Höheres zu werten, als einen durch Selbstjustiz und damit niederen Beweggrund („Vorsätzlich, aber nicht aus niederen Beweggründen…“, siehe [5]) provozierten Mordversuch.


    „Es ist doch… mein Kampf, und ich stehe allein.“[9]


    Viel weniger verständlich als die Motivation von Klara, ist die der anderen Charaktere ihr zu helfen, sie zu unterstützen oder auch nur ihr in Gesprächen zu begegnen. Eingeführt werden Diebe (Ludwig Rinke), Seemänner (Bandura), Straßenkinder (Elly, Paul), gescheiterte Künstler (Kurt), Polizisten (Weber, Behn) – Sie alle bleiben Rollenbilder, Pappkameraden ohne Innenleben, die bewegungslos wie Schaufensterpuppen sind und, aufgrund ihres fehlenden emotionalen Kostüms, nur wenig zum Handlungsverlauf beitragen können. Sie dienen eher als Reibepunkte, als Konfrontation für Klara. Mit Bedauern allerdings stellt der geneigte Leser fest, dass ausgerechnet die Figuren, die auf ihre Art und Weise ihr gegenüber Widerstand leisten, nur wenig Eigenleben bekommen, wie Bandura, der Seemann, von Klara als „Anarchist“ bezeichnet, weil er den von ihr als Vorbild verehrten Sowjetkommunismus unter Stalin kritisiert und als Diktatur bezeichnet: „Diktatur ist immer das Gegenteil von Freiheit, egal in wessen Namen sie errichtet wird.“[10] Nicht die erste stilistische Spitze, die dem Leser zu gefallen weiß:


    „Die Schranktür blieb offen, so dass Klara die Buchrücken betrachten konnte. Es waren philosophische Werke: Machiavelli, Hobbes, Spinoza, Descartes, Fichte, Hegel, Schopenhauer, Kierkegaard, Nietzsche.
    „Da fehlen Rousseau, Kant und Marx“, stellte sie fest.
    […] Während er vorsichtig einschenkte, sagte er: „Der Schwärmer, den Tugendbolzen und den Kirchenvater der Zwangsarbeit hab ich absichtlich liegen lassen. Lasse ich immer wieder liegen.“ [...]„[11]


    Treffsichere Analysen von Zeitphänomen, politischen Richtungen und auch Menschen, die eher unbeteiligt in der Handlung ihre Rolle wahrnehmen („Der Stellvertreter, ein untersetzter Mann mit Buchhalterbrille und klebrigen Haaren, war der Meinung, dass Politik und Kultur das Gleiche seien und man deshalb auf Kultur im Kulturteil verzichten könnte. „Umgekehrt wird ein Schuh draus“, hatte Klara ihm in einer Diskussion darauf geantwortet. Seitdem polemisierte er, so oft er konnte, gegen ihr „kleinbürgerliches Kunstverständnis“.“[12]) bleiben allerdings in dem 250-Seiten starken, dialoglastigen Roman eine Seltenheit; es regiert ideologie-verzerrtes Sprechen (Selbst Klara sich ein neues Sprechen frei von „hohler Propaganda“ wünscht, spricht nur von „Massenstreiks“, dem „Volkseigentum“, dem „Klassenfeind“.), Treffen von Allgemeinplätzen bzw. starken Pauschalisierungen. Es fehlt an poetischer Verbindung, an sprachlichen Bildern, an emotionalen Beschreibungen allgemein, die ein tieferes Bild der Protagonisten hätte geben können und vielleicht damit die Motivationen der Figuren logischer hätte erscheinen lassen.


    Fazit:


    Sprachlich wenig versiert, wird der Leser mit dem Hamburg der 1930er Jahre konfrontiert; mit Dieben, Seemännern, Kommunisten, Angehörigen der SA versucht Robert Brack ein authentisches Bild zu zeichnen und politische sowie soziale Eindrücke der Alltagswelt einzufangen; es misslingt ihm mehr auf inhaltlicher denn sprachlicher Ebene. Die Protagonistin ist in ihrer Rolle wenig überzeugend und bittet kein Identifikationspotential, es fehlt gänzlich am Innenleben, an Motivationen, Gefühlen und nachvollziehbaren Gedanken. Sie ist Fleisch, aber kein Mensch.


    Abschließend bleibt eine Korrektur bzw. die Erweiterung um eine Position. Brack schreibt: „Ohnmächtig ist der Einzelmensch im Taumel der Weltgeschichte, und voller Schrecken muss er zusehen, wie alles, was geschieht, nicht so geschieht, wie es geschehen sollte.“[13] Dem möchte ich etwas gegenüber stellen: „Never doubt that a small group of committed people can change the world. Indeed, it is the only thing that ever has.“ – Margaret Mead.


    ~*~


    [1] Unter dem Kabinett Franz von Papens wurde das Verbot von SA und SS (verhängt am 13. April 1932, von Reichswehrminister Wilhelm Groener durchgesetzt, in der Regierungszeit von Reichskanzler Heinrich Brüning (Zentrum), zur Verhinderung von Putschversuchen und Stabilisierung des politischen Systems: „… je nach ihrer parteipolitischen Einstellung mehr oder weniger offen die Beseitigung der SA´s begrüßen, da sie sich durch deren Bestand in ihrem politischen Dasein bedroht fühlen.“ (A.L. Mannes: Heinrich Brüning. Leben, Wirken, Schicksal. Olzog, München 1999)) aufgehoben, um eine Tolerierung, gar Unterstützung der Minderheitenregierung zu erwirken. In Folge kam es zu passiv-politischen, aber auch offen- aggressiven Zusammenstößen der politischen Kräfte, vor allem zwischen Anhängern und Mitgliedern der Parteien KPD und NSDAP, mit 99 Toten und mehr als 1100 Verletzen. (Virtuelle Ausstellung: Weimarerzeit (1918-1933))
    [2] Eggerstedt – Mitglied der SPD bzw. Reichsabgeordneter von 1921-1933 – erhält später eine wesentliche Schuld am Ablauf der Ereignisse; er selbst war aufgrund einer Wahlkampfveranstaltung nicht zugegen, hatte auch seinen Stellvertreter freigestellt und auch seinen Vorgesetzten, den Regierungspräsidenten, uninformiert gelassen. Mit dem so genannten „Preußenschlag“ als Folge des „Altonaer Blutsonntags“ von Papens, bei dem die gesamte preußische Regierung aufgelöst und die Beamten ihres Postens enthoben wurden, verlor auch Eggerstedt seine Position. Nach der Machtübernahme 1933 tauchte er unter, wurde verhaftet und in „Schutzhaft“ genommen und „auf der Flucht“ am 12.Oktober 1933 im KZ Esterwegen erschossen. (Informationen der Gewerkschaft ver.di | Informationen zum Stolperstein in: Erforschung des Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein e.V. | Bild des Stolpersteins)
    [3] Dazu vermerkt Robert Brack im Epilog: „Der Tod der sechzehn Unschuldigen, die am 17.Juli 1932 von Angehörigen der Hamburger und Altonaer Polizei ermordet wurden, blieb ungesühnt. Bis heute haben weder der Hamburger Senat noch die Bürgschaft noch die Polizeibehörde es für nötig gehalten , sich zu diesen Bluttaten zu bekennen.“ (Robert Brack: Blutsonntag. Edition Nautilus im Verlag Lutz Schulenberg, Hamburg 2010. S.250)
    [4] Gedenktafel im Innenhof des Amtsgerichts Altona
    [5] Robert Brack: Blutsonntag. Edition Nautilus im Verlag Lutz Schulenberg, Hamburg 2010. S.7
    [6] Tatsächlich gab es das erste Aufnahmegerät bzw. wurde das erste auf der Funkausstellung in Berlin 1935 vorgestellt.
    [7] Brack, S.143
    [8] ebenda, S.172/173
    [9] ebenda, S.7
    [10] ebenda, S.187
    [11] ebenda, S.172
    [12] ebenda, 16/17
    [13] ebenda, S.143

    Archivierung einer Rezension aus dem Jahr 2008:


    Ich habe dieses Buch für einen Euro als Mängelexemplar gekauft. Warum? Der Klappentext hat mich einfach angesprochen; der Umgang mit den Tod ist nicht zuletzt in unserer Wohlstandsgesellschaft mit ihrem Wunsch nach der eigenen "Unsterblichkeit" ein eher tabuisiertes Thema. Die Autorin Diana Broeckhoven hat einen offenen, und dennoch stillen Umgang mit diesem Thema gesucht.


    Alice steht, wie jeden Morgen, erst auf, als der Kaffeegeruch ihr Bett erreicht. Es ist ihr Morgenritual - Jules macht das Frühstück, die einzige Aufgabe, die er im Haushalt übernimmt, und weckt sie erst dann, wenn der Kaffee fertig ist. An diesem Morgen ist es anders. Sie steht auf und sieht ihren Mann auf der Couch sitzend... Er ist tot. Sie reagiert nicht hysterisch bzw. hochemotional, sondern sie überlegt, ob sie Notare, Bestatter und ihren gemeinsamen Sohn informieren soll, entscheidet sich aber dagegen. In Ruhe will sie Abschied nehmen, in Ruhe ihm erzählen, dass trotz seiner Verfehlungen es immer eine Liebe zwischen ihnen gab.
    Dieses Unterfangen sich zu verabschieden, wird vom Nachbarsjungen, dem autistischen David, vermeintlich gestört. Dabei ist dieser genauso an feste Rituale gebunden wie Jules und Alice.


    Ein kurzes, aber ein schönes Buch über das Leben und das Sterben, über das Altern, über feste Rituale und vor allem über die Liebe. Ja, Jules hatte eine Geliebte, Olga, aber sie, Alice, verzeiht ihm; sie sagt ihm das nicht im Leben, dass sie es weiß, sondern erst, als er in Ruhe gegangen ist. Erst dann bricht sie ihr Schweigen.


    Wenn auch stilistisch nicht sonderlich anspruchsvoll, ist diese Geschichte dennoch schön flüssig zu lesen; es lässt einem nicht mehr los, stimmt einem nachdenklich und das ist es, was dieses Büchlein ausmacht: Kurz, aber gut.

    Archivierung einer Rezension aus dem Jahr 2008:


    „Zoli“ erzählt eine Lebensgeschichte. Nicht nur die der weiblichen Figur Zoli (Marienka) Novotna, eine Roma-Frau, sondern auch die Geschichte ihres Volkes, ihrer Verfolgung während des 2.Weltkrieges und Holocausts, ihre Instrumentalisierung für die slowakischen Kommunisten und schluss endlich ihre erzwungenen Assimilation. Von der Politik der Faschisten als „Untermenschen“ betrachtet und verfolgt, später glorifiziert als die natürlichste aller Lebensformen durch die Kommunisten, um ihnen dennoch später das Recht auf ihre eigene rumfahrende Kultur zu nehmen. Viele politische Ansätze sind in diesem Buch, viel allgemeine Kritik daran Menschen ihr Recht auf eigene Kultur und Bräuche zu nehmen. Sie vom fahrenden Volk aus Gutmütigkeit und Erlaubniswille der Oberen zu sesshaften Menschen zu machen.


    Und doch ist dies nicht der einzige Aspekt dieses Romans, der zu gefallen weiß. Es ist vor allem die Viel-Perspektivigkeit, die der irische Autor Column McCann einsetzt, um ein breit gefächertes Bild einer Roma-Lebensweise zu erhalten. Er lässt Zoli selbst sprechen, zuerst „glühendes“ und später ausgestoßenes Mitglied der Roma; ihren Geliebten Stephen Swann, der sie verrät, der Slowake sein möchte und doch niemals über sein irisch-gefärbtes Slowakisch hinauskommt. Und er lässt Zolis Lieder sprechen, voll von Metaphoriken aus der Natur, von Tieren und Pflanzen und vor allem von den Wünschen eines jungen Menschen ihrem Platz in der Familie zu finden, den sie sehr rasch wieder verliert. Es ist auch die Geschichte einer Flucht, über die Slowakei, nach Ungarn, weiter nach Österreich – Von der Familie verlassen, vom Geliebten verraten, vom Glauben an den Sozialismus enttäuscht. Präsentiert wird eine starke Heldin, eine Heldin vor allem, die sich trotz der „westlichen“ Übermacht niemals unterkriegen lässt und trotz ihrer eigenen Isolation eine starke Persönlichkeit bleibt. Eine Kämpferin.


    Der ORF hat in einer Kritik dem Autor zu viele Klischees vorgeworfen: Er würde damit spielen sich an dem Wort „Zigeuner“ aufzuhängen, außerdem stelle er dar, sie wären fasziniert von allem, würden stehlen etc.pp. Ich möchte folgendes sagen: Natürlich verwendet er Klischees, aber nicht ohne den Hintergrund zu erläutern. Wie vielleicht dem geneigten Rezensenten vom ORF bekannt ist, wenn er es gelesen hat, erklärt Zoli, dass Zigeuner so etwas wie Besitz nicht kennen. Sie unterscheiden nicht zwischen einem Bauern und dem ihrigen Besitz, ganz getreu dem Motto: „Allen gehört die Welt.“


    Die Sprache McCanns ist zauberhaft, wirklich zauberhaft.
    Man fiebert mit, mit der anfangs jungen, am Ende alten Heldin. Man fiebert mit bei ihren Gedichten, bei ihrer Ausstoßung, bei ihrer Flucht nach Österreich…


    Zolis Geschichte wirkt wie ein riesiges Gemälde, ein Porträt einer Kultur, die fast schon vergangen scheint und doch an hochaktuellen Themen messbar ist. Ich habe die Lektüre wirklich genossen und muss dem SPIEGEL wirklich recht geben: „Die Weltliteratur hat eine neue Heldin!“


    Fazit:


    Ein Gemälde über die Kultur der Roma, ein Stück Geschichte, ein Stück Liebe zur Sprache – Einfach schön zu lesen!

    Archivierung einer Rezension aus dem Jahr 2008:


    (Katherine) Kressmann Taylor hat "Adress unknown" 1938 erstmals als Fortsetzungsgeschichte im Magazin "Story" veröffentlicht, deren Auflage innerhalb von zehn Tagen ausverkauft war. 1939 veröffentlichte der Verlag Simon and Schuster das "Büchlein" (Ingrid Müller-Münch in der Frankfurter Rundschau, 2001) als vollständige Ausgabe. Und doch dürfte jedem auffallen, auch nachdem das Buch erst 1992 wieder entdeckt und gedruckt wurde, dass der Name Kressmann Taylor nicht Programm ist in der amerikanischen Literaturgeschichte; sie wird in keinem der Fachbücher zur amerikanischen Literaturgeschichte jemals erwähnt und so bleibt die Autorin selbst, über die nicht mehr bekannt ist, als dass sie verheiratet (war/ist) und drei Kinder hat(te) sowie in den USA lebt(e) und als Werbetexterin gearbeitet hat, im Dunkeln.


    Die Geschichte des Briefromans lässt sich kurz zusammenfassen: Max Eisenstein und Martin Schulse sind Geschäftspartner und Freunde. In San Francisco haben sie eine gemeinsame Kunstgalerie aufgebaut; jedoch zieht Martin mit seiner Frau Elsa und den Kindern zurück nach Deutschland. Anfangs schreiben sie sich noch sehr intime, zart-verbundene Zeilen wie "Wir werden auf dich, den lieben Onkel Max trinken und an dich denken!" bis Max, ein Jude, eine deutliche antisemitische Stimmung in Deutschland mitbekommt - Nicht durch Berichte von Freunden sondern auch in den Briefen von Martin. Zuerst zweifelt Martin selbst noch an dieser Regierung, bezeichnet Hitler dennoch als "guten Schock für Deutschland", den es nötig hat um "zu erwachen". Er konstatiert: "Dem Himmel sei dank, dass er [Hitler] ein wahrer Führer ist und nicht ein Engel des Todes."
    Martin scheint eingenommen von dem neuen System, dass seiner Familie, vor allem seinen Söhnen, einen Aufstieg beschert; sie werden regelmäßig von einem Baron besucht, sein Sohn ist einer der "Besten" im Jungvolk und selbst seine Frau Elsa, wieder einmal mit einem Kind schwanger, schwärmt "von dem neuen Führer, den sie so verehrt".
    Er äußert seine Überzeugung gegenüber Max, der ihn "so oder so nicht verstehe, weil er nur an die Ungerechtigkeit gegenüber seines Volkes denkt"; kurzum: Er bittet ihn ihn nicht mehr zu schreiben und verweigert sogar die Hilfe der Schwester von Max' als sie von SA-Schergen verfolgt um hilfesuchend vor seiner Tür steht.
    Von da an beginnt die Pointe, beginnt die Rache des "Juden Max" an seinem ehemaligen Freund...


    Dieses Buch ist nur 64 Seiten lang und besteht aus 19 Briefen und einem Telegramm; die Länge ist nicht wichtig, der Inhalt ist es und der hat es in sich. Kressmann Taylor weiß, wie sie die Sprache einsetzen muss, damit man zwar erst langsam, aber dann in all seiner Heftigkeit die Umkehrung von Martin bemerkt. Werden anfangs noch die Briefe mit "Mein lieber Freund Max" begonnen, so starten sie schluss endlich mit "Heil Hitler!". Kein Wort ist zuviel, kein Wort zu wenig. Der Leser wird mit der Pointe fast erschlagen; mir blieb der Mund offen stehen, ich hatte glänzende Augen. Warum? Weil ich mir folgendes dachte: Endlich! Endlich gibt es einen Menschen, einen Protagonisten, der nicht sein Haupt senkt und von einer Freundschaft Abschied nimmt. Er nimmt keine Freundschaftskündigung hin, er reißt seinen ehemaligen Freund ins Verderben.


    Fazit: Ein sehr bedrückendes, nachdenklich machendes Stück Literatur und Zeitdokument; auch, wenn es nur 64 Seiten hat - Sie werden einen erschlagen und aufrütteln.

    Kirsten:


    Zitat

    So sehr ich 't Hart auch mag finde ich einige seiner Bücher.... gewöhnungsbedürftig (um es neutral auszudrücken).


    Darf ich fragen, was du bisher von ihm gelesen hast und was du mit "gewöhnungsbedürftig" meinst? (Du kannst dich auch weniger "neutral" ausdrücken ;=))


    Valentine:


    [Ein wenig Off-Topic]
    Fan bin ich vielleicht nicht, aber mein Interesse (existierend seit meiner Kindheit, seitdem mich meine Eltern mit klassischer Musik "beschallt" haben, allerdings in weiterer Folge auch mit Beethoven (Opus 68, Sinfonie Nr.6 "Pastorale" - die große musikalische Liebe meines Lebens.), Schubert (Besonders seine Lieder, vor allem "Der Erlkönig"), Schumann ("Die Kinderszenen", Op. 15, vor allem "Die Träumerei"), auch Tschaikowsky oder Smetana ("Die Moldau" aus dem Vaterlands-Zyklus)... und so weiter.
    Im übrigen: Mein Favorit von Mozart bleibt übrigens (neben den Opern...) die Motette für Sopran und Orchester "Exsultate, jubilate" (KV 165, KV6 158a), vor allem das Alleluja in F-Dur.
    [/Off-Topic]


    Mein Interesse an Biographien von Komponisten erwachte übrigens erst vor kurzem, daher bin ich für alle Empfehlungen dankbar :zwinker:


    Wenn du vom Lebensbild sprichst, meinst du dann "Mozart in Wien" (... was auf meiner Wunschliste schlummert und, wenn es so weiter geht mit den Empfehlungen, bald befreit wird...)?
    (Korrektur: Auf amzon.de findet sich noch ein weiteres Buch von Braunbehrens: "Mozart. Lebensbilder" als Restexemplar; es wandert auf die Wunschliste, zumal es sich in der Bibliothek befindet und ich so zumindest reinlesen kann.
    Die "kleine Biographie" von Annette Kolb kannte ich nicht und finde sie leider auch nur vergriffen auf amazon.de - Vielleicht werde ich ja im Antiquariat fündig.
    Hildesheimer werde ich ergänzend lesen, als nächstes steht die Biographie von Alfred Einstein an (1945 erschienen und gilt bis heute als Standard-Werk) und parallel dazu diese Briefsammlungen:


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    Auch ein Buch, welches sich auf meiner Wunschliste befindet und auch noch gelesen werden muss, ist das folgende, obwohl es eine literarische Bearbeitung des Mozart-Themas ist sind:


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    Das ausgestellte Kind. Mit Familie Mozart unterwegs von Peter Härtling


    Mozart ist gerade sechs Jahre alt und hat erste Proben seines außerordentlichen Talents gezeigt. Unter der Führung seines Vaters und begleitet von seiner älteren Schwester, einer Virtuosin auf der Geige und dem Klavier, bereist er von Salzburg aus Europa. Während der Vater die Familie in die Fremde führt, flieht Mozart in seine eigene Welt - die der Phantasie und der Töne. Und er begegnet immer neuen Menschen, Fürsten, Königen und sogar der Kaiserin, die ihn bestaunen und feiern, ihm aber seine Einsamkeit nicht nehmen können. Ergreifend erzählt Peter Härtling in dieser wunderbaren Künstlernovelle wie es sich anfühlt anders und besonders zu sein. (entnommen: amazon.de


    Sagt mal, gehört dieses Buch nicht eher in den "Autobiographien ..." Bereich? Es scheint mir ja weniger als Sachbuch gedacht zu sein, als vielmehr als ganz persönliche Annäherung des Autors an Mozart.


    Ich war mir zu unsicher, das Buch überhaupt zuzuordnen. Es sind zwar autobiografische Elemente enthalten (Bericht über seinen "Köchelverzeichniswecker" z.B.), allerdings konzentrieren sich seine Ausführungen weniger auf sein eigenes Leben, denn auf das musikalische Schaffen und Wirken Wolfgang Amadeus Mozarts. Der persönliche Bezug ist wenn nur in der Themenauswahl und in seiner Meinung/Kritik gegenüber den Kompositionen zu erkennen. Wie gesagt, das Buch zuzuordnen, fiel mir sehr schwer - Ich denke, es wird sowohl in die Autobiografien/Biografien-Ecke passen als auch in die Sachbuchecke.


    Ich überlasse einfach der Leitung die Zuordnung :zwinker:

    Ich habe ganz und gar nichts dagegen, wenn jemand, der nicht Musikwissenschaftler ist, seinen ganz persönlichen Standpunkt zu Mozart und seiner Musik beschreibt, aber zu undifferenziert sollte das auch nicht sein.


    Als ich das Buch entdeckt habe, habe ich mit dem Titel "Mozart und ich" eine sehr persönliche, teilweise natürlich sehr subjektive Betrachtungsweise assoziiert. Auf der einen Seite natürlich unwissenschaftlich, weil Herr Hart weder Musikwissenschaftler noch Biograf des großen Wiener Komponisten ist. Auch der extrem schnoddrige Ton, flapsig, der Versuch also eine lockere Atmosphäre zu erzeugen war auch nicht der Auslöser für meine doch sehr negative Meinung, sondern seine extreme Abneigung gegenüber allem, was nicht seinem Geschmack betraf. Das ist, natürlich auf der einen Seite betrachtet, sein gutes Recht und auch seine Pflicht, um differenziert und auch sehr persönlich über einen Bereich berichten und urteilen zu können. Allerdings hat Herr Hart eine sehr extreme Form Unmut oder auch Kritik zu üben, die auch widersprüchliche Züge annehmen kann. Er unterstellt der Komposition und damit der Musik als Kunstrichtung insgesamt eine Ausdrucksform zu sein, die nur durch Talent oder zumindest Potential erreichbar ist (was nicht heißen muss, dass man alles wertschätzt.), dennoch bezeichnet er viele Zeitgenossen Mozarts als "Pfuscher" oder "Stümper", auch ein Ausspruch dieser Art war: "Dieser … hat von Tuten und Blasen keine Ahnung. Er redet einfach was daher." (S.91) bzw. verallgemeinert extrem: "Man muss sich nur einmal die Zeitgenossen Mozarts anhören. Abgesehen von Joseph Haydn ist darunter nicht einer, der einigermaßen annehmbar komponieren kann." (S.20) - Vor allem letzteres erweist sich wieder als unhaltbare These, zumal er (was wieder ein Widerspruch ist) selbst viele Zeitgenossen erwähnt, die zum einen nicht unerfolgreicher, wenn nicht sogar erfolgreicher waren als Mozart bzw. auch große Popularität bis heute besitzen, z.B. Johannes Brahms, Carl Maria von Weber oder Antonio Salieri.


    Noch etwas, was mich nicht nur gestört, sondern auch nicht gerade zu einer positiveren Grundstimmung beigetragen hat, waren Harts ständige Ressentiments gegenüber jungen Menschen oder aber der Popmusik, die Bezeichnung "barbarische Gewalt der Popmusik" ist nur eine der vielen Kommentare, die zum einen Abwehrmechanismen erzeugen, weil man sich davon betroffen oder aber angegriffen fühlt, und zum anderen bei mir ein Schmunzeln erzeugen, weil ich an den folgenden Buchtitel denken musste:


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    Eine Frage: Interessierst du dich für den Themebereich "Mozart" oder aber für den Bereich Musik allgemein?

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    Originaltitel: Mozart en de anderen (Arbeiderspers, Amsterdam 2006)
    Übersetzung:Aus dem Niederländischen von Gregor Seferens
    Verlag: Piper, München 2006


    ISBN-10: 3492250580
    ISBN-13: 978-3492250580


    Besonderheit: CD mit einer Auswahl an Werken Mozarts, ausgewählt von Maarten't Hart


    "Aber alles finden Sie in seiner Musik, Sie müssen nur genau hineinhören."
    (Rolando Villazón über Mozart)[1]


    Komparatistisch versucht sich Maarten't Hart dem Phänomen „Mozart" anzunähern sei "sehr wohl der größte Komponist aller Zeiten"[2] und könne in einer Reihe mit Franz Schubert (1797-1828), Ludwig van Beethoven (1770-1827) oder Robert Schumann (1810-1858) genannt werden.n. Ziel seiner Publikation ist es, so Hart, die Genialität und das Talent des so früh verstorbenen 35-jährigen Komponisten und Menschen nachzuweisen, ungeachtet der Tatsache, dass eine Ehrenrettung dieser Art weder notwendig ist und in seiner Art der Bearbeitung angemessen scheint.


    Wer hat die Frage nach der Genialität gestellt? Wer die Frage nach dem Talent?
    Die Schwierigkeit seiner Argumentation zu folgen, besteht nicht nur darin, Talent als eine messbare Größe zu beschreiben oder aber gar Genialität methodisch nachzuweisen, sondern auch darin, dass Hart seine Antwort an keinen bestimmten Adressaten richtet. Unklar bleibt, welche Zielgruppe er anspricht. Der Mozart-Interessierte, ohne Vorkenntnisse oder mit Halbwissen, wird genauso wenig angesprochen wie derjenige, der sein Wissen nur mehr erweitern oder aber sich vom Faktenwissen unterhalten lassen will. Für ersteren wirkt die Auseinandersetzung mit Taktarten und Tonarten ohne Zusammenhang, trocken, zäh und sehr beliebig (Warum gerade z.B. die Variationen ein Thema sind oder aber die, nach Harts Ansicht, „langsamen Einleitungen“ wird dem Leser genauso wenig deutlich, wie die Gliederung des Buches an sich [3] Zudem erklärt Hart wenig, er definiert nichts.
    Für denjenigen allerdings, der sein Wissen nur mehr erweitern will oder aber musikwissenschaftlich tätig ist, entbehren die Diskussionen oder aber Schlussfolgerungen jede Grundlage bzw. fehlt der Conclusio jede Beweisbarkeit. Als Beispiel sei hier folgendes erwähnt: 2005 entdeckte man ein, bisher unbekanntes en-face-Gemälde Mozarts (es sollte sich als eine Darstellung von Georg Edlinger erweisen, die "with an error probability of well below one in 10,000,000." [4] den in die Jahre gekommenen Mozart darstellen sollte) in der Berliner Gemäldegalerie. Hart argumentiert, dass Bild habe große Ähnlichkeit mit anderen Mozart-Darstellungen, zudem trage der Abgebildete schöne Kleidung, eine Sache, auf die Mozart immer wert gelegt habe. Ungeachtet von Vergleicharbeiten mit eher unbekannteren Mozart-Darstellungen italienischer Kuratoren oder aber differenzierter biometrischer Beweise, ist Harts einziger Beleg der, der Kleidung. Ein unhaltbares Argument, ist doch Kleidung eine Frage des Zeitgeschmacks und von Trends, Mozart wird nicht der einzige Mensch gewesen sein, der einen grünen Rock bzw. eine Perücke getragen hat.


    Hart geht ohne qualitativ gute Methode an Vergleiche heran; er verwendet dafür Seitenangaben einschlägiger Lexika bzw. Handbücher, hat dabei aber ungenannt belassen, ob es sich dabei um eine Sammelbiografie handelt (also mehrere Autoren an dieser beteiligt sind) oder aber um eine Monografie (die nur selten von mehr, als einem Autor geschrieben wurde). Es ist von Interesse für die Beweisbarkeit eines Sachverhaltes dieser Art – vor allem die Frage nach der Größe und wenn man diese anhand von Seitenzahlen beweisen will (was mir als ungeeignete Methode erscheint) – welche Schwerpunkte der Autor gesetzt hat, ob er sich (wie auch im Fall von „Mozart und ich“) nur um Klassiker oder Klischees der biografischen Forschung handelt bzw. wie hoch – ein Faktum, was Hart weder beachtet noch benennt – überhaupt der Kenntnisstand zum Leben und Wirken mancher Komponisten ist.


    Nicht nur die Argumentationen erweisen sich als negativ, auch die Ausgestaltung in der Stilistik weist Mängel auf. Wiederholungen, wie die Tatsache, er habe von Mozart vor allem "die [Kompositionen gehört, die] der katholische Rundfunk am Samstagabend brachte" [5], wirken redundant.
    Die Texte haben den Charme eines Schulaufsatzes – zu viele Füllwörter (daher, des weiteren, sicherlich, tatsächlich) und ein schnoddiger, flappsiger Tonfall, was geschwätzig wirkt und undifferenziert. Die im Werk sich befindenden positiven Meinungsbekundungen werden nur mit Superlativen beschrieben („gehört zu den schönsten, die er je komponiert hat“, „wunderschön“, „prächtig“, „Krone der Genialität“, „Höhepunkt seiner Komposition“) und – für mich etwas ärgerliches – Kritik nur in Form von Ressentiments (vor allem gegen Popmusik, die er als „barbarische Gewalt“ [6] bezeichnet) oder aber Beleidigungen ("Dieser … hat von Tuten und Blasen keine Ahnung. Er redet einfach was daher." [7]) hervorgebracht. Es entsteht der Eindruck einseitiger Verherrlichung, was dem Zugang zum Text enorm erschwert.


    Fazit:

    "Komponieren ist nämlich sehr viel schwieriger als zeichnen oder schreiben." [8] schreibt Hart in der Einleitung des Buches; diese Aussage ist im Anbetracht seiner Arbeit absolut zutreffend.
    Er vergeht sich in Allgemeinplätzen, beschreibt nur Klischees und Klassiker der biografischen Forschung, so dass der Erkenntnisgewinn gering ist. Der flapsige Stil des Textes nimmt der Thematik zwar die Ernsthaftigkeit und lädt auch zu einer außerwissenschaftlichen Betrachtung ein, aber dennoch fühlt sich der Leser abgestoßen von der einseitigen Verherrlichung und den Ressentiments, nicht zuletzt gegen Popmusik oder aber Zeitgenossen Mozarts, die er als Stümper und Pfuscher bezeichnet. Eine große Enttäuschung. Ich empfehle für die Auseinandersetzung mit dem Phänomen oder Komponisten Mozarts nicht nur ein Blick in einschlägige Biografien (Martin Geck: Mozart. Eine Biographie; Georg Nikolaus Nissen und Rudolph Angermüller: Biographie W. A. Mozarts; Dorothea Leonhart: Mozart: Eine Biographie), sondern auch zu dem, was ihn besonders gemacht hat: seine Musik.


    [1] Rolando Villazón über Mozart, Kleine Zeitung, 16.08.2010
    [2] Maarten't Hart: Mozart und ich, Piper, München 2006, S.18
    [3] Gliederung des Buches: Das Loch; Der große Unbekannte; Der lange Weg zu Mozart; Der Dä,pfer am Klavier; Mozart auf der Bühne; Mozart, das jüngste Kind; Ein kleiner großer Mann; Mozart und die Tonarten; Die früheren Werke; Treffsichere Schlichtheit; Mozart und mein "Köchelwecker"; Die langsamen Einleitungen; Die Variationen; Mozart für Anfänger; Mozart und der Glaube; Die Symphonien; Sein vater, sein Gott; Mozarts Tod
    [4] Dieter David Scholz - Eins zu Zehnmillionen
    [5] Maarten't Hart: Mozart und ich, Piper, München 2006, S.18, 19, 23, 26, 32,...
    [6] Maarten't Hart, S.183
    [7] Maarten't Hart, S.91
    [8] Maarten't Hart, S.18


    Zusätzliche Informationen:


    Online-Musik-Magazin (omm)
    Rezensionsnotizen bei perlentaucher.de
    Gerhard R. Koch, 23.06.2006, FAZ


    EDIT: Amazonlink eingefügt. LG, Saltanah

    Ich war einmal so frei eine Liste aus diesen Titeln zu machen:


    Band 1: Don DeLillo - Cosmopolis (New York) [23. April 2010]
    Band 2: Rafik Schami - Die dunkle Seite der Liebe (Damaskus) [23. April 2010]
    Band 3: Hei Ma - Verloren in Peking (Peking) [23. April 2010]
    Band 4: Raymond Queneau - Zazie in der Metro (Paris) [23. April 2010]
    Band 5: Suketu Mehta - Bombay. Maximum City (Bombay) [22. Mai 2010]
    Band 6: Jakob Arjouni - Magic Hoffmann (Berlin) [22. Mai 2010]
    Band 7: César Aira - Die Nächte von Flores (Buenos Aires) [22. Mai 2010]
    Band 8: Nagib Machfus - Die Midaq-Gasse (Kairo) [22. Mai 2010]
    Band 9: Saiichi Maruya - Die Journalistin (Tokio) [19. Juni 2010]
    Band 10: Carlos Fuentes - Landschaft in klarem Licht (Mexiko Stadt) [19. Juni 2010]
    Band 11: Elif Shafak - Der Bonbonpalast (Istanbul) [19. Juni 2010]
    Band 12: Alan Hollinghurst - Die Schönheitslinie (London) [19. Juni 2010]
    Band 13: Bret Easton Ellis - Die Informanten (Los Angeles) [17. Juli 2010]
    Band 14: Chinua Achebe - Heimkehr in fremdes Land (Lagos) [17. Juli 2010]
    Band 15: Jurij Trifonow - Das Haus an der Moskwa (Moskau) [17. Juli 2010]
    Band 16: Paulo Lins - Die Stadt Gottes (Rio de Janeiro) [17. Juli 2010]
    Band 17: Tirdad Zolghadr – Softcore (Teheran) [14. August 2010]
    Band 18: Cees Nooteboom - Rituale (Amsterdam) [14. August 2010]
    Band 19: Johannesburg. Insel aus Zufall (Johannesburg) [14. August 2010]
    Band 20: Alberto Moravia - Die Römerin (Rom) [14. August 2010]

    Zitat

    ... schließlich wusste ich nicht, von welcher Schauspielerin die Rede ist und welcher Skandal dort verarbeitet wird.


    Ich wollte erst mal nichts zu den Stücken sage, nur soviel: Jelineks Theater-Monologe sind, meiner Ansicht nach, als Einstiegslektüre äußerst ungeeignet, obwohl sie einen doch sehr gut einen Eindruck geben, wie vielschichtig ihre Texte sind - sie verarbeitet klassische Texte (Aischylos (wie in "Bambiland" z.B.), Sophokles) mit der Sprache der Massenmedien, mit der Sprache "der breiten Masse" bzw. verwendet sie diese nicht bloß als Skript, sondern sie dröselt die Wörter auf, gibt ihnen neue Konzepte, verwendet sie in anderen Kontexten und verbindet das mit Themen, wie der nationalsozialistischen Vergangenheit (z.B. im "Burgtheater", wovon "Die Erlkönigin" sozusagen einen Epilog darstellen könnte), der wiederauflammende Rassismus und Antisemitismus (vor allem in Österreich), Gewalt gegenüber dem Menschen (z.B. in "Lust") und die Normalität dieser Gewalt in der Gesellschaft (z.B. im "Sportstück", wo sie die Verbindung zwischen Sport und Gewalt untersucht).


    Thematisiert wird übrigens in "Die Erlkönigin" die sehr widersprüchliche Figur der zur Zeit des Nationalsozialismus bekannten Schauspielerin Paula Wessely (siehe siehe Wikipedia) - im Jahr 1938 hatte sie sich als Werbeikone für die, von den Nationalsozialisten nachträglich veranstaltete Volksabstimmung zum österreichischen "Anschluss", hergegeben hatte mit der Aussage: "Ich freue mich, am 10. April 1938 das Bekenntnis zum großen volksdeutschen Reich mit ‚Ja’ ablegen zu können ..." . Im Jahr 1941 wirkte sie zusätzlich noch in dem Propagandafilm "Heimkehr" von Gustav Ucicky mit, in dem sie eine von der polnischen Mehrheit unterdrückte, deutschstämmige Frau spielt, deren Mann vom wütenden Mob (nachdem sie das Singen der polnischen Nationalhymne verweigern) schwer verletzt wird und an den Verletzungen stirbt (siehe dazu den folgenden Artikel der Welt: Ein NS-Film rechtfertigte den Überfall auf Polen).


    Und fast eine Doppelbedeutung bekommt Paula Wessley mit dem zweiten Monolog "Der Tod und das Mädchen" (meiner Ansicht nach, ich weiß nicht, ob Frau Jelinek da nicht auch solche Figuren wie Leni Riefenstahl im Auge hatte, die ihr Engagement im und auch nach dem Nationalsozialismus damit erklärt haben, dennoch nach dem Richtigen und Guten gehandelt zu haben und im Geheimen, Privaten niemals an diese Ideologie geglaubt haben. Allerdings kann das auch sehr weit hergeholt sein...), wenn man bedenkt, dass sie 1938 die weibliche Sprechstimme in Walt Disneys "Schneewittchen und die sieben Zwerge" bekommt....


    Ach ja, zur Musikalität: ist jemandem aufgefallen, dass alle Titel der Monologe von Musikstücken Franz Schuberts entnommen sind?
    Der Erlkönig (Op. 1)
    Der Tod und das Mädchen (Streichquartett Nr. 14 d-Moll D 810)
    Der Wanderer (Opus 15 (D.760))

    Ich will trotzdem noch immer wissen, welche Zeitung den von wem überfahrenen Lurchi als Meisterwerk gefeiert hat. Warum versteht mich denn keiner? :grmpf:


    Eine Auswahl der wohlwollenden, sehr positiv gesinnten Stimmen:


    [url=http://www.tagesspiegel.de/kultur/literatur/Roman-Axolotl-Roadkill;art138,3009357]Tagesspiegel - Axolotl Roadkill: Romandebüt gelungen[/url]
    Frankfurter Rundschau - Ein Fall finsterster Romantik
    Neue Zürcher Zeitung - Die gemässigte Rebellion von Helene Hegemanns Roman «Axolotl Roadkill»
    Die Tageszeitung/taz - Souverän in die Fresse gefeuert
    Frankfurter Allgemeine Zeitung - Mir zerfallen die Worte im Mund wie schlechte Pillen
    DIE ZEIT - Literarischer Kugelblitz


    Hallo Desdemona,


    die vollständigen Tagebücher gibt es bisher nur in englischer Sprache.[...]


    Was ich mich frage, ist, wie vollständig auch diese "unabridged journals" (Hrsg. von Frances McCullough), findet sich bei der deutschen Ausgabe auf amazon.de der folgende Hinweis, entnommen einem Artikel der nzz:


    Entschärft ist auch die von Frances McCullough besorgte Edition von Sylvia Plaths Tagebüchern. Rund ein Drittel der Aufzeichnungen aus den Jahren 1950 bis 1962 ist darin enthalten, ausgelassen werden unter anderem explizite erotische Passagen und die härtesten Ausfälle gegen noch lebende Verwandte und Bekannte. [...] Aus den letzten drei Lebensjahren sind von Plaths persönlichen Aufzeichnungen lediglich einige Prosaskizzen übriggeblieben: Eines ihrer Tagebücher ist laut Ted Hughes verlorengegangen, das andere hat er selbst vernichtet, «weil ich nicht wollte, dass ihre Kinder das je lesen müssten».


    Quelle dazu: Amazon


    (Nachtrag)


    Den folgenden Link habe ich bei der Googlesuche entdeckt, einen Radiobeitrag aus dem Jahre 1999, gemacht für das Deutschlandradio, leider ohne Hörprobe (soweit ich das sehe), dafür als Textform vorhanden: Die literarische Liebesbeziehung zwischen Sylvia Plath und Ted Hughes von Andrea Paluch & Robert Habeck