Beiträge von Candide

    Ich vergleiche die beiden Bücher auch nur im Hinblick auf die ihnen beiden gemeinsame weltweite Popularität und ihre literarische Qualität und beziehe mich auf den Kleinen Prinzen nur insofern, dass, wenn man diesen als nicht nur für Kinder bestimmtes Buch ansieht, auch der Catcher als Buch nicht nur für Jugendliche betrachtet werden kann. Die aus der Sicht eines Jugendlichen beschriebene Erwachsenenwelt kann, wenn sie gelungen ist (was beim Catcher meiner Meinung nach der Fall ist), auch noch für ältere Leser interessant sein. Für mich ist der Catcher ein/ der bessere(r) Kleine(r) Prinz, den auch viele Erwachsene immer wieder zur Hand nehmen (erinnert sei neben anderen Standardzitaten nur an die tröstenden Worte des Kleinen Prinzen im 26. Kapitel, die häufig in Todesanzeigen auftauchen).


    Na ja, es ist zwar eine Momentaufnahme, aber Holden ist ja immer so wie er da ist. Der eine Freund, den er in New York zum Cocktail eingeladen hat, hat ja sofort gefragt: "Wird das wieder so ein typisches Gespräch mit dir?" (oder so ähnlich...)
    Jedenfalls scheint er immer diese etwas passive, komische Art zu haben. Launisch und irgendwie in seiner Entschlossenheit total unentschlossen.


    Niemand kann aus seiner Haut bzw. wenn Holden jetzt so ist, wie er im Buch beschrieben ist, dann sind sicher einige seiner Eigenschaften auch schon vor zwei oder drei Jahren zu Tage getreten. Und zu Carl Luce hat er ja sowieso ein zweispältiges Verhältnis. Er schätzt und bewundert ihn als Intellektuellen mit einem Respekt einflößenden Vokabular, trifft sich aber andererseits nur mit ihm, weil er es sonst immer versäumt, sich die Telefonnummern von Bekanntschaften aufzuschreiben wie er auch häufig vergisst, sein Wechselgeld einzustecken. Optimal an die Erwachsenenwelt angepasste bzw. diesen Zustand vorausahnen lassende Jugendliche sehen anders aus als Holden, aber wie gesagt, er hat noch die Chance, Kompromisse zu schließen, seinen inneren Schweinhund zu überwinden und "etwas Ordentliches" aus sich zu machen. Die Krise in der er steckt ist meiner Meinung nach mit dem tragischen Ausgang eines Dramas vergleichbar, wo der Zuschauer zwar partiell mitleidet, andererseits aber das wohlige Gefühl genießt, dass ihm diese Leiden erspart bleiben. Wenn man sich die Probleme Holdens wegdenkt, bleibt immer noch eine einzigartige Gesellschaftskritik mit psychologischem Tiefgang übrig, die das Buch für mich so wertvoll macht.


    Eine Szene hat mich verwirrt. Wo er seine Schwester besuchen ist und in ihrem Zimmer raucht. Die Eltern kommen nachhause, er versteckt sich im Schrank, es riecht noch nach Zigarettenrauch und die Kleine sagt, dass sie eine Zigarette angezündet hat? War sie nicht erst 11? Oder hab ich was falsch verstanden?



    Da hat Salinger etwas übertrieben, um die Handlung insgesamt stimmig zu machen, was ihm auch sonst meistens gelingt. Nobody´s perfect. Dormitat et bonus Homerus. - Auch der gute Homer schläft zuweilen.


    Ich finde der Roman spiegelt eben vor allem einen Jugendlichen wieder und das tut er so gut das ich mich jahrelang mit Holden sehr identifiziert habe und ich habe immernoch das Gefühl das der Autor die jJnoch gelesen wird, ist eben das Salinger hier typische Dinge aufgegriffen hat, die auch heute noch bei Jugendlichen aktuell sind. Z.B das die Erwachsenen eben einfach nichts verstanden haben.


    Man könnte dazu mehrere Stellen aus dem Kleinen Prinzen zitieren (wo er die Erwachsenen als unsensibel und gefühlsarm darstellt), aber ich finde, Salinger hat das viel besser gemacht und vor allem mit mehr und besseren Beispielen belegt. Der Kleine Prinz ist zwar auch lesenswert, kann aber nach meinem Dafürhalten den Vergleich mit dem Catcher nicht aufnehmen.

    Wie gesagt, es ist mehr oder weniger eine Momentaufnahme, das Dokument einer Krise. Holden ist sicher nicht der erste, der seine Umwelt als ihm mehr oder weniger feindlich gesonnen empfindet und unter sowas wie Weltschmerz leidet. Außerdem spielt das Buch mitten im Winter, wo auch andere Menschen mehr oder weniger stark unter Winterdepression leiden. In den Passagen, wo er vom Sommer erzählt, besonders von dem Sommer, als er Jane kennen gelernt hat (11. Kapitel), ist von Depression kaum die Rede.

    Ja, dann müsste es die von Böll sein. Seine ist die Bearbeitung einer noch älteren Übersetzung. Kennst du Böll´s "Ansichten eines Clowns"? Das Buch soll (neben Plenzdorfs "Neue Leiden des jungen W.") auch vom "Catcher" inspiriert sein.

    Wobei ich gerade gestern gelesen habe, dass Bölls Grundlage seinerzeit die bereinigte britische Ausgabe vom Catcher in the Rye war, für die die Lektoren des Penguin-Verlags mehr als 800 Änderungen vorgenommen hatten, so dass von den vielen Kraftausdrücken Holden Caulfields kaum etwas übrig geblieben war. "Erst die preisgekrönte Neuübersetzung Eike Schönfelds aus dem Jahr 2003 vermittelt einen Eindruck von den eigentlichen Qualitäten des Romans", so die Berliner Zeitung von gestern.


    Also stimmt es tatsächlich, dass im Catcher ursprünglich 44 mal das Wort "fuck" vorkam? Obwohl er im 25. Kapitel, als er im Treppenhaus der Schule seiner Schwester dieses Wort entdeckt, versucht, es von der Wand zu wischen?


    Für mich gibt es überhaupt nur eine Übersetzung des "Fängers", die von Böll nämlich. :smile:
    Möglicherweise ist sie etwas zahmer als das Original, aber Böll hat eine Art zu schreiben, die mich schon immer gefesselt hat. Also meiner Meinung nach solltest du unbedingt seine Übersetzung lesen!


    Ich habe sie schon gelesen, noch bevor ich das Original in die Hand bekommen habe. Die neue Übersetzung von Schönfeld finde ich m. E. zum Kotzen. Verschlimmbesserung ist ein blödes Wort, aber in diesem Zusammenhang fällt mir nichts anderes ein. Einiges mag er besser übersetzt haben und einige altertümlichen Ausdrücke, die Böll noch verwendet hat, durch zeitgemäße ersetzt haben. Aber wenn ich die beiden Übersetzungen vergleiche, kommt es mir so vor, als ob Schönfeld (beinahe jedes Wort) auf Teufel komm raus anders übersetzen wollte als Böll, was zum größere Teil (meiner Meinung nach) in die Hose gegangen ist. Am besten ist natürlich, man liest das Original. :smile: