Beiträge von Ati

    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Philipp Moog: Lebenslänglich
    Dumont Buchverlag
    ISBN-13: 9783832161590
    ISBN-10: 3832161597
    Krimi
    1. Auflage 04/2011
    Taschenbuch, 188 Seiten
    [D] 8,99 €


    Verlagsseite www.dumont-buchverlag.de


    Bereits 2008 kam der Debütroman des 1961 geborenen Schauspielers, Synchronsprechers, Drehbuch- und Romanautors auf den deutschen Buchmarkt. Nach der Hardcoverausgabe legte Dumont im letzten Jahr in Form einer Taschenbuchausgabe nach.


    Schwarzer Humor ist etwas, was ich seit Langem mag. Auslöser war glaube ich ein Monty Python-Film. Diese kleine Vorliebe und der Hinweis, dass Moogs Roman voll davon wäre, führte dazu, dass die Taschenbuchausgabe von Lebenslänglich vor mir liegt.


    Moogs Schreibstil zog mich schnell in seinen Bann, wobei es mich nicht direkt in die Geschichte zog. Der Grund hierfür ist die für mich etwas zu distanzierte Art, mit der die Hauptfigur sich betrachtet. Man könnte schon fast sagen verbal seziert. Dennoch habe ich das Buch verschlungen.


    Die gerade angesprochene Hauptfigur ist ein kleiner, unscheinbarer, adipöser Bankkassierer mit schütterem Haar und teigiger Haut. Er hat kein allzu reges Liebesleben. Eigentlich gar keins, denn die Frauen übersehen ihn schlichtweg, tagtäglich viele, viele Male. Überhaupt ignoriert ihn die Gesellschaft. Er fühlt sich ausgeschlossen, hat keinen Spaß und versucht, aus diesem trostlosen Dasein auszubrechen. Dafür macht er aber keine Diät. Er rennt auch nicht ins Fitnessstudio, um seinen Körper auf Vordermann zu bringen. Besucht auch keine Flirtkurse oder irgendwelche Seminare mit Anschlussgarantie. Nein, weil er widersinnigerweise hofft, dass eine spezielle Kollegin in seine tröstenden Arme flüchtet, wenn den Liebhabern seiner weiblichen Kolleginnen etwas geschieht, sorgt er für deren Ableben. Dummerweise wird natürlich die Polizei angesichts der Todesfälle aufmerksam. Und ganz unabhängig davon geht sein Plan schief. Nicht seine angebetete Traumfrau sucht Trost bei ihm und schmachtet ihn an, sondern eine nach Schweiß riechende und ebenfalls keinem hierzulande gängigen Schönheitsideal angehörende andere Kollegin. Angewidert wehrt er sich gegen ihre Avancen, denn auch wenn er selbst kein Prinz ist, möchte er doch absolut überhaupt keine Kröten küssen.


    Kein sehr sympathischer und noch dazu ein namenloser Hauptcharakter, den Moog da für sein Romandebüt wählt. Allerdings auch keiner, der absolut erfunden und unecht wirkt. Voll Selbstmitleid lebt das dicke Männchen, wie er sich selbst nennt, in seiner eigenen kleinen Welt. Voller Hass auf sich selbst und die Welt, die ihn einfach übersieht und ungerecht behandelt. Was er denkt und fühlt, was er ihn zu dem was er tut motiviert, das erfahren Moogs LeserInnen durch ihn, mal in der ersten, mal in der dritten Person. Er plant perfide seine Taten und führt sie auch gnadenlos aus, bevor er sich selbst zum tapferen kleinen Held des jeweiligen Abends erhebt.


    Moog spart an unnötigen Ausführungen, schafft aber durch die treffend klare, bildhafte Sprache eine authentische Atmosphäre. Er pointiert durch böse Ironie und bitteren Zynismus. Und so sieht man, wie die Wunschvorstellungen des Verlierers sich in Nichts auflösen. Trostlos und trist fristet er sein Dasein. Er ist sich gnadenlos seiner selbst, vor allem aber seiner Defizite bewusst. Straft sich unentwegt, indem er sie sich unter die Nase reibt und Vergleiche zieht. Während die Welt ihn übersieht, scheinen seine Sinne überall zu sein und alles wahrzunehmen. Seine Welt stand mir beim Lesen erschreckend klar vor Augen. Unaufgeregt wird nach und nach nachfühlbar klar, wie sehr jemand nicht nur durch die Gesellschaft, sondern auch durch sich selbst ins Abseits manövriert werden kann.


    Fazit: 5ratten


    Lesenswertes Debüt, das Lust auf weitere Werke des Autors macht. Schwarz, zynisch und unterhaltsam, wie er ist, bekommt Philipp Moogs Debütroman Lebenslänglich fünf von fünf Punkten von mir.


    Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)


    Smiley aus Titel entfernt. LG, Valentine

    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Swetlana Alexandrowna Tutschkow: Russisches Zigeuner-Orakel
    Königsfurt-Urania Verlag GmbH
    ISBN-13: 9783868267341
    ISBN-10: 3868267344
    Esoterik
    Neuausgabe 2012
    Set im Stülpkarton, Buch broschiert, 176 Seiten und 25 Karten
    [D] 14,99 €


    Verlagsseite http://www.koenigsfurt-urania.com/cms/


    Ein Bekannter von mir liest täglich sein Horoskop und ist auch ganz scharf darauf, gegen Jahresende solche für das gesamte folgende Jahr (etwa die in der Fernsehzeitung und diversen Monatszeitschriften) zu studieren. Ich schreibe bewusst studieren, denn wenn man sich hoch konzentriert in die Dinger vertieft, kann man das nicht anders nennen. Dennoch wird er aller Voraussicht nach einen Schreikrampf bekommen, wenn er eine meiner neuesten Errungenschaften mitbekommt. Nach eigenen Aussagen hält er es nämlich eher wie Doris Day in ihrem Song Que sera, sera, wo irgendwo die Textzeile „the future's not ours to see“ kommt. Esoterische Spinnereien wie Kartendecks oder Pendel kann er deswegen überhaupt nicht ab.


    Die Errungenschaft ist ein weiteres Set aus der Bibliothek der Orakel von Königsfurt-Urania. Jedes der Sets ist ein optischer Leckerbissen mit dazu passenden, ausführlichen Informationen und entsprechendem Handwerkszeug (Karten, Pendel, etc.), sodass sowohl Anfänger als auch Geübte damit experimentieren oder arbeiten können. Auch das gerade vor mir liegende Russische Zigeuner-Orakel von Tutschkow ist so gehalten.


    Diejenigen, die sich schon länger mit der Materie beschäftigen, werden beim Lesen des Titels Russisches Zigeuner-Orakel vielleicht etwas wie „da war doch mal was“ denken. Ein Buch und Kartendeck von Tutschkow wurde 1991 von HarperOne mit dem Titel Russian Gypsy Fortune Telling Cards herausgegeben. Eine deutsche Ausgabe erschien dann erstmalig 1993, eine weitere 2006 - beide bei AGM Müller AG Urania. Jetzt gibt es die mir vorliegende Neuausgabe aus dem Hause Königsfurt-Urania. Oder vielleicht kennen ja auch einige entsprechende Orakel-Karten von Vadim Tschenze oder die sogenannten Seni Horoskop-Orakelkarten, die auf Wallensteins Hofastrologen und Berater Giovanni Battista Senno, kurz Seni, zurückgehen und als eine der reizvollsten astrologischen Überlieferungen des Abendlandes gelten.


    Doch zurück zum aktuellen Set. Das beinhaltet zunächst einmal die 25 quadratischen Karten. Diese messen 10 auf 10 Zentimeter, woran man sich beim Mischen eventuell erst einmal gewöhnen muss. Die Rückseite ist einheitlich schwarz-golden gestaltet und zeigt neben Ornamenten einen mittig angebrachten Stern und in den vier Ecken die Symbole Sonne, Herz, Kleeblatt und Mond. Die farbig gestalteten Vorderseiten sind optisch durch diagonale, ornamentale Streifen (passend zur Rückseite schwarz-golden) geteilt, sodass vier Dreiecke entstehen. Diese Dreiecke sind mit jeweils einem halben Symbol ausgefüllt.


    Das Kartenlegen hat etwas von einem Puzzle, bei dem man nach dem Legen durch Drehen versucht, ein Gesamtbild aus zwei nebeneinanderliegenden Hälften herzustellen. Der Legeplatz bleibt dabei derselbe. Grundsätzlich könnten so 50 ganze Symbole entstehen. Praktisch ist das aber nahezu unmöglich. Auch bei diesem Deck kann man die Karten für sich, anwesende oder abwesende Personen legen und deuten, jedoch für ein und dieselbe Person nicht mehr als einmal täglich.


    Nur die durch Drehung entstehenden ganzen Bilder werden gedeutet. Hierbei wird dann auch beachtet, ob das Motiv nach links, rechts, oben oder unten zeigt. Wer sich unschlüssig ist, wie er das etwa beim Sonnensymbol erkennen kann, dem wird das Ganze erleichtert. Auf den einzelnen Symbolen findet man einmal Zahlen, die das Nachschlagen im Buch vereinfachen, und Pfeile. Diese befinden sich (in einem kleinen Quadrat, Gold auf Schwarz) in der Mitte der Karten, sodass sie wiederum ein auf Spitze stehendes Quadrat ergeben. Ergeben zwei zusammengehörende Hälften ein ganzes Symbol, findet man die Pfeile dadurch links und rechts oder ober- und unterhalb des desselben.


    Die 50 Symbole sind: Kavalier, Kleeblatt, Schiff, Haus, Feuerholz, Apfel, Schlange, Leichenwagen, Blumenstrauß, Sichel, Äste, Vögel, Knabe, Fuchs, Bär, Sterne, reiher, Hund, Burg, Wald, Berge, Straße, Mäuse, Herz, Ring, Buch, Brief, Hufeisen, Geld, Lilie, Sonne, Mond, Fisch, Eule, Anker, Händedruck, Engel, Dame, Pferd, Knoten, Katze, Waage, Krebs, Feuer, Schwein, Brücke, Dämonen, Hahn, Dolch und Brot.


    In dem beiliegenden Handbuch wird darauf eingegangen, wofür die 50 Symbole stehen. Wie bei vielen anderen Karten auch ist die dank der darauf befindlichen Zahlen ein schnelles Nachschlagen möglich. Die Optik kommt auch im Buch nicht zu kurz. Neben den Abbildungen der Symbole sind die einzelnen Seiten unten mit dem gleichen Ornament verziert, das sich auch auf dem Titelbild oder Stülpkarton findet, zusätzlich weitere Ornamente am Ende jeder Symbolbeschreibung.


    Das Handbuch ist in zwei Teile gegliedert: Auf den ersten 30 Seiten finden sich allgemeine Informationen. Etwa über die Herkunft des Orakels, über das Wahrsagen der Zigeuner aber auch über die Geschichte der Familie der Autorin. Dann geht es allgemein um Legung und die innere Einstellung beim Legen.


    Im zweiten Teil folgen dann die Symbole im Überblick. Auf jeweils drei Seiten erfährt man ausführlich etwas über die allgemeine und die sich aus der Liegerichtung ergebende Bedeutung und letztlich auch die Dauer des Einflusses. Hierbei hat Swetlana Alexandrowna Tutschkow besonderen Wert darauf gelegt, dass sowohl die russische mystische Seite wie auch die eher vernunftbetonte rationale Seite westlicher Leser nicht zu kurz kommt.


    Fazit: 5ratten


    Das zur Bibliothek der Orakel gehörende Set Russisches Zigeuner-Orakel ist wieder einmal wunderschön gestaltet und im stabilen Umkarton ebenso praktisch wie ansprechend aufzubewahren. Die Karten selbst heben sich von den üblicherweise erhältlichen Orakelkarten ab. Spannend anders lassen sie sich überraschend und leicht deuten. Das „und“ dazwischen habe ich jetzt bewusst gewählt, weil die Richtigkeit der bisher eingetroffenen Deutungen verblüffend für mich war. Wer Lust hat, Neues auszuprobieren, dem kann ich dieses Set getrost empfehlen, dem ich wieder einmal fünf von fünf Sternen geben möchte.


    2012, Antje Jürgens (AJ)

    @ kirsten
    Sieh es doch so. Wenn sie es tatsächlich werfen sollten, erfüllt das Geschenk trotzdem gleich drei Dinge auf einmal.


    1) Überraschung (Wie reagiert der Beschenkte (für dich), wie sieht mich die Schenkerin (für die Technikfreaks).)
    2) Werfen gehört ja irgendwie zu den Sportarten. Also ist es quasi eine Anregung zum Sport. (Ist gut für Schultergelenke, die beispielsweise durch zu intensive Smartphone-Nutzung eher eingerostet sind.)
    3) Sollte sich der Beschenkte zum Werfen entschließen, gewinnst du eine unterhaltsame Lektüre (natürlich nur, wenn du es nicht bereits gelesen hast).


    Nein, im Ernst. Meine Lachanfälle während der Lektüre haben dafür gesorgt, dass drei Technikfreaks hellhörig wurden, als ihnen davon erzählt wurde. Und wiederum zwei davon haben, nachdem sie das Buch selbst gelesen hatten, prompt hinterher diverse Schubladen (der Autor erwähnt welche, in denen er Ladekabel und ähnliches deponiert) ausgemistet und saßen hinterher stöhnend vor dem Kabelsalat. Also hat das Buch schon was geholfen.


    @ Doris
    freut mich, dass dir meine Rezi weitergeholfen hat.

    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Schumacher, Lutz:
    Eigentlich wollte ich doch nur einen Toaster - Bin ich zu blöd, oder liegt’s an der Technik
    Goldmann Verlag
    ISBN-13: 9783442312993
    ISBN-10: 344231299X
    Satire
    Auflage 08/2012
    Gebundene Ausgabe, 224 Seiten
    [D] 16,99 €


    Verlagsseite http://www.randomhouse.de/goldmann/index.jsp
    Autorenseite https://twitter.com/LutzSchumacher


    Meine Schwägerin sagt immer: Haben bedeutet Macht - nicht haben macht auch nichts. Darüber habe ich anfangs gelächelt, weil ich dachte, dass das eine bequeme Ausrede dafür ist, bestimmte Dinge nicht ausprobieren zu müssen. Mittlerweile habe ich aus verschiedenen Gründen dazugelernt und denke ich ähnlich wie sie.


    Haben wollte ich jedoch das Buch Eigentlich wollte ich doch nur einen Toaster - Bin ich zu blöd, oder liegt’s an der Technik, denn laut Verlagsseite geht es darin um Folgendes:


    Zitat

    Senk ju vor se Betriebsanleitung!
    Es gab Zeiten, in denen war ein Toaster nichts weiter als ein Toaster. Ein Telefon war zum Telefonieren da, und Kaffee kam aus einer einfachen Filtermaschine – und zwar immer wenn man wollte. Heute ist dank allumfassender Digitalisierung und Technisierung unseres Lebens angeblich alles besser, einfacher und bequemer. Doch sieht man genau hin, muss man feststellen: Nichts funktioniert! Jedenfalls nicht so, wie es der gesunde Menschenverstand erwarten lässt. Denn moderne Technik löst im Grunde nur die Probleme, die sie zuvor selbst verursacht hat. Und so stapeln sich nutzlose Ladekabel und Adapter in unseren Kellern, und im Alltag terrorisieren uns Smartphones, soziale Netzwerke und eigenwillige multifunktionale Küchengeräte. Am Ende bleibt die Frage: War es damals in der Höhle eigentlich wirklich so schlimm?


    Schumacher ist Journalist, Autor und Geschäftsführer der Nordkurier Tageszeitungsgruppe in Mecklenburg Vorpommern. Er ist Bestsellerautor. Und er ist unterhaltsam, wie ich aus den Büchern Wenn möglich, bitte wenden und Senk ju for träwelling weiß. Wie der Titel seines aktuellen Buches aus dem Hause Goldmann bereits verrät, geht es um Technik, Technikverliebtheit oder eher um den immer weiter zunehmenden Technikwahn. Und ganz nebenbei um das seltsame Mitteilungsbedürfnis, das die in der Techniklandschaft gnadenlos vereinsamende Bevölkerung so entwickelt.


    Dabei spricht der Autor diese Themen auf eine Art und Weise an, die trotz des an sich eher ernsthaften Inhalts zum Lachen animieren. Das Lesen des Buches gestaltet sich damit wesentlich einfacher als das so mancher Bedienungsanleitung. Zwar bergen diese dank Übersetzungscomputern durchaus Lachpotenzial, doch stellen sie zusammen mit der Bedienung der darin beschriebenen Geräte Benutzer quer durch alle Bevölkerungsschichten des Öfteren vor mehr oder weniger überwindliche Probleme, da sowohl die Nutzung als auch der Nutzen nicht immer zwangsläufig durchdacht ist. Letzteres wurde mir wieder einmal klar, als ich es mir gerade mit dem Buch gemütlich machen wollte. Da hörte ich nämlich meinen Vater laut fluchen (wir wohnen im selben Haus). Er ärgerte sich wieder mit der Fernsehfernbedienung herum, die fatalerweise beim Drücken egal welchen Knopfes gleichzeitig eine Stehlampe ein- oder ausschaltet. Da meine Eltern für gewöhnlich nicht in die Programmzeitung sehen, um gezielt umzuschalten, sondern wie die Weltmeister zappen, wurde es dort unten gerade wieder einmal abwechselnd hell und dunkel. Dank des offenen Treppenhauses hatte ich so mehr oder weniger den perfekten Hintergrund für den Einstieg in Schumachers Buch.


    Mehr als einmal fragte ich mich während der Lektüre, wo die versteckte Kamera wohl sein könnte, mit der der Autor uns beobachtet hat. Da das selbst in meinen Ohren zu paranoid klingt, tröstete ich mich damit, dass wir wohl nicht die Einzigen und andere demnach auch nicht besser dran sind als wir selbst.


    Einiges im Buch ist natürlich überspitzt dargestellt. Etwa die bestellende Kühlschrank-Vision (auf die der Autor immer mal wieder Bezug nimmt) oder der Servicetechniker des multifunktionalen Druckers. Beides sind imaginäre Albträume, wenngleich sie mich zum Lachen brachten. Der beschriebene Servicetechniker für die Spülmaschine in der heutzutage vorhandenen Servicewüste (warum reparieren, kaufen geht doch schneller) erinnerte mich jedoch prompt an die Aussage eines Kfz-Meisters („Früher haben wir Kaputtes repariert, heute lesen wir Fehlerspeicher aus. Und müssen Dinge ersetzen, die gar nicht kaputt sind, weil das kaputte Teil für 2,20 € nur noch in Kombination mit was Teurerem erhältlich ist und verbaut werden kann.“).


    In Eigentlich wollte ich doch nur einen Toaster - Bin ich zu blöd, oder liegt’s an der Technik stellt Schumacher Vergleiche mit der Steinzeit an, bringt aber vorwiegend die Moderne humorvoll und durchaus selbstironisch aber ebenso scharfzüngig-satirisch, manchmal beißend eloquent auf den Punkt. Legt den Finger auf etwas, das wir in seiner Offensichtlichkeit gerne übersehen. Zwar ist nicht alles grundsätzlich schlecht, doch bedauerlicherweise gibt es zahlreiche technische Errungenschaften, die uns das Leben nicht so erleichtern, wie von der Werbung vollmundig versprochen. Ich habe beispielsweise bis heute nicht kapiert, wozu ich eine App brauche, die mir verrät ob ich einen Schirm nutzen soll oder nicht, wenn ein einfacher Blick aus dem Fenster oder in die Zeitung den gleichen Zweck erfüllt.


    Doch Schumacher geht nicht nur auf Orangenpressen und Brotbackautomaten ein, die nicht überzeugen, oder auf die Gefahren von Duschen mit selbsterklärendem Touch-Screen-Bedienpaneel. Er nimmt auch die inflationär zunehmende Informationswut aufs Korn, ruft quasi auf innezuhalten, nachzudenken, nicht alles blind mitzumachen. Egal ob es der blinde (Irr-)Glaube an den aus dem WWW gefischten (teils ungesicherten) Informationswust oder der offenbar aus Zugzwang entstehende Mitteilungswahn mancher Nutzer sozialer Netzwerke ist.


    Fazit: 4ratten


    Schumacher zeigt in seinem Buch, dass Kritik durchaus humorvoll abgefasst sein kann. Sein kleiner Rundumschlag in Sachen Technik sollte indessen nicht bloß als unterhaltsam abgetan werden. Nachdenken lohnt sich in diesem Fall durchaus. Lesen auch, weshalb ich für Eigentlich wollte ich doch nur einen Toaster - Bin ich zu blöd, oder liegt’s an der Technik vier von fünf Punkten vergeben möchte.


    Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)


    Emoticon aus Threadtitel entfernt. LG, Valentine

    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Christa Scherer: Mama, ich habe Krebs
    undercover books
    ISBN-13: 9783942661379
    ISBN-10: 3942661373
    Biografien, Erinnerungen
    1. Auflage 10/2012
    Taschenbuch, 92 Seiten
    [D]10,00 €


    Verlagsseite http://www.swb-verlag.de


    Einen geliebten Menschen zu verlieren, zählt zum Schlimmsten, was uns im Leben geschehen kann. Heike Gaschler war gerade 30 Jahre alt, als sie nach schwerer Krankheit verstarb. Ihre Mutter Christa Scherer hat im Rahmen ihrer Trauerbewältigung ein Buch über das letzte Lebensjahr ihrer Tochter geschrieben. Der Reinerlös aus dem Buchverkauf kommt der Deutschen Kinderkrebshilfe zugute. Vier Jahre nach dem Tod ihrer Tochter möchte die Autorin den LeserInnen Heike vorstellen, wie sie in ihrem Vorwort anführt. Sie fügt hinzu, dass das Buch aus der Aufarbeitung von Heikes Tagebucheinträgen entstanden ist, die sie durch eigene Berichte und Gedanken ergänzt hat.


    Und so erfährt man in einfachen Worten, dass die junge Frau frisch verheiratet war, mit ihrem Mann Thomas ein Haus baute, bei Kollegen beliebt war, ihre Freizeit aktiv gestaltete und gerne feierte. Ebenso, dass sie ein vielleicht nicht immer perfektes aber doch recht enges Verhältnis zu ihren Eltern hatte. Einige Fotos von Heike wurden in das Buch eingearbeitet.


    Dieses fröhliche, aktive Leben endete im Dezember 2007. Man erfährt von Heikes Beschwerden, die mit an sich harmlosem Magendrücken begannen, zu Magenschmerzen, Entzündungen und einem Geschwür auswuchsen. Bis kurz vor ihrem Tod, wusste die junge Frau nicht, dass sie Krebs hatte, weil sie zu dem relativ kleinen Patientenanteil gehört, bei dem sich maligne Metastasen vor dem Primärtumor bemerkbar machen. Die Überlebenschancen dieser Patienten sind überaus gering, weil in der Regel erst viel zu spät mit der Behandlung begonnen werden kann.


    Nicht nur aus eigener Erfahrung weiß ich, dass eine Krebsdiagnose dazu führt, dass man sich vorkommt, als ob man aus vollem Lauf gegen eine Wand prallt. Dieses Empfinden resultiert oft aus der Art und Weise, wie mit Patienten aber auch Angehörigen umgegangen wird. Die distanzierte, teils kaltschnäuzig wirkende Haltung von Ärzten oder Pflegepersonal kommt auch in Mama, ich habe Krebs zum Ausdruck. Allerdings stehen diese oft genauso hilflos vor ihren Patienten wie die Angehörigen; wollen helfen, können es jedoch nicht. Es entschuldigt zugegebenermaßen nicht alles, erklärt aber vielleicht einiges, wenn man sich vor Augen hält, dass sie tagtäglich mit Krankheit, Tod und oft auch mit ihrer eigenen Hilflosigkeit konfrontiert werden. Darüber hinaus wird in kurzen Einschüben, in denen Heikes Mutter erwähnt, darauf hingewiesen worden zu sein, dass keine Überlebenschance bestand, auch klar, wie schwierig es auch für Angehörige ist, das Offensichtliche zu sehen und umzusetzen. Zu akzeptieren. Mehr als einmal habe ich selbst auf onkologischen Stationen die Erfahrung gemacht, dass das Unfassbare kaum ausgesprochen aus (verständlichem) Selbstschutz beiseite geschoben wird, weil es eben einfach unfassbar ist. Unmöglich. Nicht sein darf. Auf diese Weise wird betroffenen Patienten oft noch das letzte bisschen Lebensqualität genommen, weil bis zum bitteren Ende beispielsweise noch mit Chemotherapie behandelt wird, wird unbegründete Hoffnung geweckt und künstlich am Leben erhalten.


    Wer angesichts des Vorwortes denkt, dass vorwiegend Heike über ihre Tagebucheinträge zu Wort kommt, irrt. Tatsächlich dürften verschiedene Zitate daraus insgesamt etwa eine Seite des Buches füllen. Sie ergänzen die Ende Oktober 2006 ansetzende Erzählung, in der sich vorwiegend Emotionen und Eindrücke von Christa Scherer in Form von Schmerz, Angst, Hilflosigkeit, Wut, Fassungslosigkeit und Verbitterung, aber immer wieder auch der Wunsch zu verdrängen bzw. zu vergessen offenbaren - über die Ursachensuche, die erste niederschmetternde Diagnose am 12. November 2007 und den Tod Heikes sechs Tage vor Weihnachten. Es offenbart sich ein Schuldgefühl dahin gehend, nicht genügend Zeit mit ihrer Tochter verbracht zu haben, die Sache nicht ernst genug genommen zu haben. Bitterkeit über die scheinbare Rücksichtslosigkeit von Heikes Ehemann, aber auch über eine offenbar karrieresüchtige Kollegin. Und wie bereits angesprochen, Wut auf die scheinbar zu spät reagierenden Ärzte.


    Auch dies geschieht in einfachen Worten, teils vagen Andeutungen, teils etwas genauer ausgeführt. Dabei zeigt sich eine Einseitigkeit, die in gewisser Weise, aber nicht nur aus der erzählenden Sichtweise resultiert. Noch viel mehr enthüllt sich jedoch, wie wichtig es für Christa Scherer war, sich ihre Erlebnisse von der Seele zu schreiben. Sowohl die guten Erinnerungen zu konservieren, wie auch die eigentlich unaussprechlichen zu formulieren. Auch um sich daran zu erinnern, dass sie die Chance hatte, die letzten Tage sehr intensiv mit ihrer Tochter zu erleben. Ganz zum Schluss deutet sich auch an, dass sie auf ihrem schmerzlichen Weg der Trauerbewältigung ein Stück vorwärts gekommen ist.


    Fazit:


    Kein erbauliches oder Mut machendes Buch, sondern eins, in dem Schmerz zum Ausdruck kommt über etwas, worauf wir keinen Einfluss haben. Ein Buch, dem ich keine Wertung geben kann, denn Trauer lässt sich nicht werten.


    Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)

    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Pierre Szalowski: Irgendwo ist immer jemand, der dich liebt


    Originaltitel: Mais qu'est-ce que tu fais là, tout seul?
    Aus dem Französischen übersetzt von Nathalie Lemmens
    C. Bertelsmann Verlag
    ISBN-13: 9783570101568
    ISBN-10: 3570101568
    Belletristik
    1. Auflage 10/2012
    Hardcover mit Schutzumschlag, 288 Seiten
    [D] 16,99 €


    Verlagsseite
    Autorenseite

    Wie bereits in seinem mit dem Grand Prix de la Relève littéraire Archambault ausgezeichneten und in 10 Sprachen übersetzten Debütroman Le froid modifie la trajectoire des poissons (deutsche Ausgabe C. Bertelsmann 2010, Bei Kälte ändern Fische ihre Bahnen) spielt auch Irgendwo ist immer jemand, der dich liebt in der Weihnachtszeit. Und wie bereits zuvor hat der in Montreal lebende als Pressefotograf, Journalist, Grafiker sowie Film- und Fernsehproduzent tätige Szalowski einen leisen Roman geschaffen.


    Ein Skandal zu viel sorgte dafür, dass der gefeierte, gleichermaßen verehrte wie gefürchtete Eishockeystar Martin Ladouceur, genannt Ladouce, jahrelang nicht in seiner Heimat war. Acht Jahre später nimmt ihn sein Verein wieder auf und er kehrt zurück. Hier setzt der Roman an.


    Ausgerechnet den Heiligen Abend sucht er sich für seine Rückkehr aus. Doch ein freudiges Willkommen sieht anders aus. Kein Empfangskomitee steht jubelnd bereit, um sich um seine Bedürfnisse zu kümmern. Das Hotel, dessen Suite er vor Jahren zerstörte, beherbergt ihn. Allerdings und in Rücksprache mit dem Verein nur mit der Auflage im Hotel nichts Alkoholisches zu trinken, niemanden einzuladen. Für eine Nacht ist er der einzige Gast, lernt auf ungewöhnliche Weise den siebenjährigen Sohn eines Zimmermädchens kennen. Und da er keine Erinnerungen an jene für ihn folgenschwere Nacht acht Jahre zuvor hat, keimt in ihm der Verdacht, dass es sich dabei vielleicht um seinen Sohn handeln könnte.


    Doch bis es so weit ist, muss der erfolgsverwöhnte Sportler feststellen, dass die Zeiten, in denen ihm alles zu Füßen lag, offenbar vorbei sind. Nur er scheint irgendwie in der Zeit stehen geblieben zu sein. Er will keine Verantwortung übernehmen, schert sich einen Dreck um die Gefühle und Gedanken anderer. Deshalb will er, um im Hotel mit seiner weihnachtlichen Notbesetzung nicht zu versauern, zu seinem alten und künftigen Teamkollegen. Doch dieser scheint handzahm geworden zu sein und unter der Fuchtel seiner Ehefrau zu stehen, obwohl er früher genau wie Ladouce zu jeder Schandtat bereit war. Er hat zunächst keine Zeit für, lässt Ladouce nicht einmal ins Haus. Überhaupt muss der Star von einst mehrmals feststellen, dass nicht automatisch jeder scharf auf seine Gesellschaft und seine Autogramme ist oder uneingeschränkt daran denkt, ihm seine Wünsche zu erfüllen. Auch ein Anruf bei seiner Mutter verläuft nicht so, wie Ladouce sich das gedacht hat.


    Neben dem Jungen geht Szalowski etwas näher auf einen einfühlsamen Taxifahrer, einen schrullig-kriecherischen bis impertinenten Portier, einen Pagen und das Zimmermädchen ein, das Ladouce ihren Jungen anvertraut, weil es selbst arbeiten muss und nicht weiß wohin mit ihm. Außerdem kann Szalowskis Leserschaft flüchtige Blicke auf mehr oder weniger treue Fans werfen, auf den alten und künftigen Teamkollegen, auf die Besitzerin eines Imbisses. Schemenhaft tauchen die Eltern Ladouces auf. Es wird erklärt, wer Ladouce zu dem gemacht hat, was er heute ist, aber auch, dass es zu einem Zerwürfnis kam, das irreparabel scheint. Der Fokus liegt jedoch auf Ladouce, aus dessen Sicht die Geschichte, jedoch nicht von ihm, erzählt wird.


    Man kann ein wenig den alten Charles Dickens durch die Zeilen schimmern sehen, wenngleich Martin Ladouce zumindest äußerlich keine Ähnlichkeit mit Ebenezer Scrooge aufweist und er auch nur im übertragenen Sinn von den Geistern der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft aufgesucht wird. Ansonsten erweist er sich aber eingangs als genauso rücksichtslos und kalt, selbstverliebt und abweisend wie der Hauptcharakter in Dickens so gerne erzählter Weihnachtsgeschichte. Und wie Scrooge erfährt auch Ladouce in dieser einen Nacht so einiges über sich selbst. Darf lernen, dass eine Veränderung nottut, und gewinnt gleichzeitig durch den kleinen Jungen und einen hilfreichen, sanft aufbegehrenden Einfluss Fremder wie auch früherer Bekannter die segensreiche Erkenntnis, dass diese Veränderung gar nicht so schlimm ist.


    Die Nacht scheint endlos, während Szalowskis LeserInnen erleben dürfen, dass auch in einem vergnügungssüchtigen Mistkerl ungeahnte Fähigkeiten und Wünsche schlummern können. Es beginnt damit, dass er im richtigen Moment innehält, etwa um dem Taxifahrer zuzuhören oder seinem alten Trainer. Und es endet noch lange nicht mit seiner Aktion, für den kleinen Jungen in seinem Zimmer als Weihnachtsmann aufzutreten. Überaus kreativ schreckt er dabei nicht einmal davor zurück, sich aus Daunenfedern mittels Sekundenkleber einen Bartersatz zu kreieren.


    Unaufgeregt und unprätentiös, jedoch in einer ohne Einschränkung passenden Sprache wird die Veränderung in Ladouce und die für ihn positiven Erfahrungen beschrieben. Ob der kleine Junge wirklich sein Sohn ist, will ich nicht verraten. Allerdings wartet das Schicksal noch mit einem kleinen Extrabonus für Szalowskis Hauptfigur auf.


    Fazit: 4ratten


    Ein Roman mit kleinen Botschaften, die im Alltag oftmals vergessen werden. Etwa, dass Geld zwar vieles erleichtert, man damit aber die wirklich wichtigen Dinge nicht kaufen kann. Dass wahre Freunde auch in den dunkelsten Stunden für einen da sind. In sich schlüssig, teils ironisch, teils humorvoll zeigt diese Geschichte wieder einmal, dass es für Veränderungen nie zu spät ist und Liebe so einiges ändern kann. Und dass man auch mit der Umsetzung einer an sich alten Idee ein wunderbares Buch für ein paar entspannende Lesestunden schreiben kann, dem ich vier von fünf Punkten geben möchte.


    2012 Antje Jürgens (AJ)

    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Dianne Duvall: Immortal Guardians - Düstere Zeichen
    Originaltitel: Darkness Dawns
    ins Deutsche übersetzt von Petra Knese
    Egmont LYX
    ISBN-13: 9783802586606
    ISBN-10: 3802586603
    Erotische Fantasy
    1. Auflage 10/2012
    Taschenbuch mit Klappenbroschur, 400 Seiten
    [D] 9,99 €


    Verlagsseite http://www.egmont-lyx.de
    Autorenseite http://dianneduvall.com/


    Bei meinen Buchbesprechungen verzichte ich in der Regel bewusst darauf, Vergleiche zu Roman(reih)en anderer AutorInnen zu ziehen. Auch wenn ich diese Ähnlichkeiten sehe, beeinflussen meiner Meinung nach solche explizit angesprochenen Vergleiche zu sehr. Mir selbst ging es schon so, dass ich mich regelrecht betrogen fühlte, weil in meinen Augen überhaupt kein (positiver) Vergleich zu dem angesprochenen Roman vorhanden war, oder umgekehrt, weil ein eventuell negativ gezogener Vergleich in meinen Augen viel zu übertrieben war und mir vorab beinahe die Lust auf das entsprechende Buch verdorben hat. Das erwähne ich deshalb, weil ich gestern erst darauf angesprochen wurde und weil Dianne Duvall mit ihrem Auftaktroman Düstere Zeichen aus der Immortal Guardians-Reihe Ideen verarbeitet, die in diversen Varianten schon mehrfach verwendet wurde. Doch, wie bereits des Öfteren festgestellt, muss die Grundidee einer Geschichte nicht jedes Mal neu sein. Bei der Menge an Büchern weltweit dürfte es mittlerweile sowieso nahezu unmöglich sein, eine solche zu finden.


    Und so geht es auch in Duvalls Immortal Guardians um Unsterbliche. Die beschützen die Menschheit vor etwas, das ebenfalls unsterblich, blutsaugend; im Gegensatz zu ihnen jedoch böse und unberechenbar ist. Duvalls Unsterbliche sind, wie so viele vor ihnen, einsam. Sie suchen nicht wirklich jemanden, treffen aber auf den perfekt passenden Partner. Und, da es ja ein erotischer Roman ist, geht es recht schnell zur Sache. Mit ihren jahrhundertealten Erfahrungen, Sehnsüchten und Entbehrungen und ihrem mehr als guten Aussehen liefern sie besagten Partner ja quasi die Orgasmusgarantie schlechthin, zumal sie sich immer zuallererst um die Bedürfnisse derselben kümmern. Die Frage ist nur, ob sich fortan dann alles darum dreht oder ob sich noch ein weiterer interessanter Handlungsfaden findet.


    Im Fall von Düstere Zeichen wird der Unsterbliche Roland von Vampiren und ihren Helfershelfern angegriffen und schwer verletzt. Wie alle Unsterblichen ist auch er nicht wirklich unbesiegbar. Rettung naht in Form von Sarah. Sie überwältigt seine Widersacher, nimmt ihn schwer verletzt mit zu sich und sorgt so für sein Überleben. Die Unsterblichen/Vampire in Duvalls Roman zählen übrigens eher zur klassischen Sorte, das heißt: Sonne kann ihnen gefährlich werden. Dass Roland ein Unsterblicher und nicht bloß ein niederer Vampir ist, liegt zum einen an einer besonderen Begabung, die jeder Unsterbliche bereits vor seinem (menschlichen) Tod besitzt. Zum anderen daran, dass der zum Vampirismus führende Virus bei Unsterblichen nicht so zerstörerisch wirkt wie bei Vampiren. Letztere werden längst nicht so alt und fallen dem Wahnsinn anheim, während sie sich blutgierig mordend ihre Opfer suchen.


    Soweit so gut. Es finden sich, wie erwartet, erotische Sequenzen und Sexszenen im Buch, daneben aber, wenn auch deutlich in der Unterzahl, recht klar beschriebene Kampfszenen. Hier zeigt Sarah gleich eingangs eindeutig Zivilcourage, was sie sympathisch macht. Allerdings würde ich persönlich hinter einer Musikprofessorin, die ihre Ruhe haben möchte und entsprechend zurückgezogen lebt, niemand vermuten, der die alttestamentarische Sichtweise Auge um Auge, Zahn um Zahn lebt und neben einem sportlich-gestählten Körper Scharfschützenqualitäten hat. Das offenbart sich zwar erst nach der Rettung von Roland, aber Sarah schreckt nicht zimperlich vor Gewalt zurück. Andererseits hätte ich auch bei einem blutsaugenden Unsterblichen keinen Verfechter von Biokost erwartet. Im Gegensatz zu anderen Blutsaugern (aus anderen Romanen, egal ob böse oder nicht) leben die Unsterblichen sehr gesundheitsbewusst, sind sehr häuslich und, sieht man von ihrem Bedürfnis nach Blut ab, schlicht der Traum sämtlicher Schwiegermütter in spe.


    Recht schnell erfährt man, wer gut oder böse ist, wer welche Aufgabe zu erfüllen hat. Und natürlich auch, dass Roland durch Sarahs Rettung noch lange nicht aus der Gefahrenzone ist, leider jedoch Sarah in diese mit hineingezogen hat. Ein seltsamer Vampir hat es nämlich auf ihn abgesehen. Seltsam deshalb, weil er anders als andere Vampire ist und das betrifft nicht nur seine Ernährungsvorlieben. Nach etwa achtzig Seiten kommt Sarah hinter Rolands Geheimnis und zusammen mit den LeserInnen relativ weit hinten hinter das des Vampirs Bastien, bevor sich dann noch weiter hinten allen ihr eigenes künftiges Schicksal enthüllt. Damit zeichnet sich ab, dass Immortal Guardians - Düstere Zeichen wie auch die Folgebände zwar aufeinander bezogen aber doch irgendwie in sich abgeschlossen sein dürften.


    Neben Roland kommen auch andere Unsterbliche in Immortal Guardians - Düstere Zeichen vor. Etwa der Anführer Seth, der sich grundsätzlich um alle neuen Unsterblichen kümmert und gerade nach einer sucht. Dieser Erzählstrang, so schwach er auch beleuchtet ist, macht bereits Lust auf mehr. Während Roland eher eigenbrötlerisch und genau wie Sarah bewusst zurückgezogen lebt, pflegen die anderen Unsterblichen durchaus soziale Kontakte. Insgesamt boten diese Passagen wiederholt einen willkommenen Ausgleich zu Roland und Sarah, die natürlich trotz Todesgefahr, Angriffen und zahlreichen Blessuren flirten und immer wieder übereinander herfallen.


    Tatsächlich lässt die Autorin Roland jedoch nicht nur für eine koital bedingte Erhöhung von Sarahs Blutdruck sorgen. Mehr als einmal kommt er länger zu Wort, darf so nicht nur die LeserInnen, sondern und vor allem auch Sarah in seine Welt einweihen. Er öffnet sich, erzählt von schmerzhaften Erinnerungen und Erfahrungen und davon, wie er geworden ist, was er ist. So erlebt er über seine Beziehung zu Sarah eine Wandlung vom unzugänglichen Einsiedler zum wieder aktiven Mitglied der Unsterblichen-Gemeinschaft. Nebenbei erfährt Duvalls Leserschaft auch von den Auswirkungen des Virus, von der Suche nach Heilung und noch einige andere Dinge mehr.


    Allerdings gestalten sich speziell dabei die Übergänge zum jeweiligen Davor oder Danach etwas abrupt. Das wirkt in gewisser Weise störend; wird jedoch dadurch abgemildert, dass die entsprechenden Passagen Interessantes beinhalten. Sie warfen zudem Fragen auf und die wurden nicht alle erschöpfend beantwortet. Da es sich um eine mehrteilige Reihe handelt, ist das jedoch nicht weiter schlimm, da man davon ausgehen kann, dass sie in den Folgebänden geklärt werden.


    Der Fokus ist nicht auf die Sichtweise einer einzelnen Figur gerichtet. Die Autorin wechselt die Perspektiven, lässt neben lockeren Dialogen auch die Gedanken ihrer Charaktere einfließen, was das Buch im Gesamten leicht lesbar macht.


    Obwohl jedem von Anfang an klar sein dürfte, wie die Geschichte ausgeht - warum sonst sollten wir sie lesen? - fand ich persönlich sowohl den Schluss im Bezug auf Bastien und seine bisherige Motivation wie auch die Weichenstellung von Sarahs Zukunft etwas schönmalerisch und eindeutig zu schwach.


    Fazit 4ratten


    Immortal Guardians - Düstere Zeichen bietet sowohl kleinere Schwächen wie auch Ausbaupotenzial. Duvalls Roman ist dennoch unterhaltsam und die sympathisch wirkenden Charaktere sowie diverse Andeutungen wecken die Neugier. Ein Buch zum Entspannen und eins, dem ich vier von fünf Punkten geben möchte. Ich freue mich auf die Fortsetzung.


    Copyright © 2012 Antje Jürgens (AJ)

    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Sean O‘Connell: Tir na nÓg - Teil 1 - Der Auserwählte
    Acabus Fantasy
    ISBN-13: 9783862820399
    ISBN-10: 3862820394
    Fantasy, Science-Fiction
    1. Auflage 11/2011
    Taschenbuch, 230 Seiten
    [D] 13,90 €


    Verlagsseite http://www.acabus-verlag.de
    Autorenseite http://wortwellen.wordpress.com/tag/sean-oconnell/


    Vor etlichen Jahren, meine Schwägerin und ich sahen uns im Kino Titanic an, hörte ich (glaube ich) zum ersten Mal von Tir na nÓg. Als ich bei Stöbern im Verlagsprogramm von Acabus Fantasy diese drei Worte las, fiel mir die entsprechende Filmszene sofort wieder ein. Das Schiff dem Untergang geweiht. Eine Frau mit ihren beiden Kindern, Passagiere der dritten Klasse, keine Chance von Bord zu kommen. Statt verzweifelt zu weinen und ihr Schicksal zu verfluchen, brachte die Frau ihre Kinder zu Bett und erzählte ihnen, ihre Gesichter streichelnd, die Geschichte von Tir na nÓg, was übersetzt etwa „Land der Jugend“ bedeutet, wie ich später herausfand.


    Ich weiß, es klingt verrückt, aber ich habe das Buch jetzt gerade vor mir liegen, weil ich mich an diese Szene erinnert fühlte und - die Inhaltsangabe nicht weiter beachtend - davon ausgegangen bin, dass es um jene Geschichte geht. Mit der hat der Roman aber nicht wirklich zu tun und mit Titanic natürlich schon gar nichts. Das Cover erinnert mich übrigens bei genauerer Betrachtung an einen Western. Keine Ahnung warum. Vielleicht liegt es an den Sepiatönen, in denen es gehalten ist. Vielleicht an dem Mann mit dem großen Hut, der darauf auch abgebildet ist. Doch natürlich ist der erste Teil von Tir na nÓg - Der Auserwählte auch kein Western.


    Stattdessen entführt der in England geborene, in London und Lindau aufgewachsene und heute in Ravensburg/Weingarten lebende Autor seine LeserInnen in die Zukunft. Und wer nicht unbedingt ein gedrucktes Buch in Händen halten will, kann den Roman auch als Hörbuch oder E-Book erwerben.


    O’Connell studierte Deutsch, Philosophie, Kunst- und Medienwissenschaften, arbeitete als Radiomoderator, Zeitungsredakteur und in der Werbebranche. Mittlerweile ist der seit seiner Kindheit schreibende Autor in der Computerbranche tätig. Sein Lieblingsgenre sind Science-Fiction und Fantasy, beeinflusst werden seine Arbeiten von China Mie¬ville, Jeff Noon, Kij John¬son und Ian R. MacLeod.


    Ganz neu ist seine Idee nicht. Es geht wieder einmal um eine dem Untergang geweihte Welt, die durch einen Auserwählten gerettet werden soll. Dieser Auserwählte und die in Aussicht gestellte Rettung sind lange schon prophezeit, wobei der Retter erst einmal nichts von seiner Bestimmung weiß oder gar ahnt.


    Die Welt, die es zu retten gilt, scheint die unsere zu sein, wird doch etwa Bezug auf die alten Griechen genommen. Sie teilt sich in Nordlande und Südmeer. Gleich eingangs des Buches findet sich eine Karte voller Ortsnamen und Gewässer, die es jedoch im Hier und Jetzt nicht gibt. Diese Welt wird im Buch sehr bildhaft beschrieben und stellt sich ein Jahrtausend nach der großen Katastrophe teils mittelalterlich, teils futuristisch, teils aus-dem-was-da-ist-das-Beste-machend dar.


    Die Hauptfigur ist Cornelis, der gerade 16 geworden, von einem Sammler, Meister Aki genannt, aus seinem bisherigen Leben geholt wird. Offiziell um ihm beim Sammeln von Informationen über die Vorgänge zu helfen, die letztlich zu der Katastrophe in der Vergangenheit geführt haben. Die Älteren, die noch davon wissen, machen mehr oder weniger ein Geheimnis daraus, Gerüchte und Halbwissen drohen in einen Krieg auszuarten.


    O’Connell verarbeitet in seiner Geschichte Mythen, Legenden, Magisches, Märchenhaftes. Figuren, die einem aus anderen Geschichten bekannt vorkommen. Dabei verzichtet er auf Vampire, Werwölfe oder ähnliche, seit längerem gerne verarbeitet Gestalten. Und obwohl seine Figuren und die Reise, die sie antreten, ideentechnisch betrachtet schon mehrfach verarbeitet worden sein mögen, gestaltet der Autor alles in einem ganz eigenen Stil.


    In O’Connells Zukunftswelt tummeln sich nicht nur Menschen, sondern Wesen aus verschiedenen Dimensionen. Es ist von den Anunnaki die Rede, jenen riesenhaften Wesen eventuell außerirdischen Ursprungs, deren Skelette den realen Medienberichten zufolge immer mal wieder anscheinend bei Ausgrabungen aufgetaucht und als Fake abgetan worden sind. Schon angesichts der Beschreibung ihres Kopfes/Gesichtes her kann man hier auf Außerirdische tippen, wenn sie auch abgesehen von ihrer Größe sonst den Menschen ähneln. Es gibt kleine Puppen, mit deren Hilfe sich die Anunnaki willenlose (Menschen-)Sklaven schaffen können. Es gibt Gestaltwandler, die sich in jede x-beliebige Form verwandeln können, aber nicht sehr gescheit sind. Die über Leichen gehen, um ihren Herzenswunsch erfüllt zu bekommen. Nicht zu vergessen die Insektoiden in Gestalt riesiger Gottesanbeterinnen, die Appetit auf Cornelis und Meister Aki haben. Es gibt Fanatiker und Fatalisten, scheinbar Allwissende und Unwissende, intrigante und hilfsbereite, stärkere und schwächere Charaktere. Unsterbliche gefällig? Auch die gibt es in O’Connells Geschichte in Form der gottgleichen Älteren. Sie leben auf Tir na nÓg, seit der Zeit der großen Katastrophe, geschützt durch ein energetisches Bollwerk. Jenes Bollwerk kann nur von jemandem mit dem passenden genetischen Code überwunden werden, dem Auserwählten. Spätestens jetzt wird klar, dass Cornelis nicht willkürlich von Meister Aki ausgesucht wurde.


    Der Schreibstil des Autors hat es mir erschwert, in die Geschichte einzutauchen. Das Buch beginnt in einem etwas unübersichtlichen, nicht klar abgegrenzten Mix aus Rückblenden und aktuellem Geschehen, nicht sehr mitreißenden Dialogen und zu ausführlichen Erklärungen. Hinzu kommen ein etwas naiver, eingangs eher mürrisch als sympathisch wirkender Hauptcharakter, der seine Bestimmung nicht so recht annehmen möchte, und sein teils zu belehrend wirkender Lehrmeister. Sehr schnell taucht eine große Zahl an Nebencharakteren auf, die es ebenfalls nicht erleichtern, in die Geschichte einzutauchen. Und wie in vielen Romanen ähnlicher Thematik werden viele ihrer Handlungsweisen eher präsentiert als logisch begründet aufgebaut.


    Mit dem Auftaktroman Der Auserwählte aus der Tir na nÓg-Reihe hat man also schon mal kein Buch zur Hand, das man einfach so nebenbei lesen kann. Bedauerlich fand ich auch, dass O’Connells Figuren in ihrer fantastischen und doch so bekannten Welt dann noch auf Schusswaffen angewiesen waren.


    Dennoch wollte ich, nachdem ich mich an den Schreibstil gewöhnt hatte, wissen, wie es mit Cornelis und seinen Mitstreitern, aber auch mit den Widersachern weitergeht. Was sich hinter dem Großen Tier versteckt, das anscheinend für das Ende unserer (?) Zivilisation und einen Neuanfang sorgte. O’Connell deutet vieles an, lässt aber genauso vieles offen, was darin begründet sein dürfte, dass es einen zweiten Teil gibt, der bereits auf dem Markt ist. Sieht man von den ersten zwei, drei Kapiteln ab, haben mir die sehr bildhaften Beschreibungen gefallen, ließen sie doch ein klares Bild der Welt entstehen, in der Cornelis sich auf seine beschwerliche Reise macht. Außerdem hat mir der Metamorph einen neugierig machenden Schauer über den Rücken gesandt.


    Fazit: 3ratten


    Man muss sich an den Schreibstil von O’Connell gewöhnen und sollte grundsätzlich einen Lesegeschmack haben, der sich etwas abseits gerade marktüblicher Fantasygeschichten entfaltet. Dann jedoch wird man mit einer Geschichte belohnt, die sich wohlwollend vom Gros abhebt und fantastische mit realen Elementen, Zukunftsfiktion mit Tatsächlichem, Altes mit Neuem verknüpft. Einem durchwachsenen Auftaktroman, der bei genauerem Überlegen vielleicht doch mehr mit der eingangs erwähnten Geschichte zu tun hat, als ich anfangs dachte, wenn auch nur im übertragenen Sinn. Dem ich drei von fünf Punkten geben möchte und der mich trotz der erwähnten Schwächen neugierig auf die Fortsetzung gemacht hat.


    Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)

    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Christian von Aster: Armageddon TV
    periplaneta
    ISBN13: 9783940767721
    ISBN10: 3940767727
    Science-Fiction, Dystopie
    2. Auflage 03/2011
    Taschenbuch, 216 Seiten
    [D] 13,00 €


    Verlagsseite http://www.periplaneta.com
    Autorenseite http://www.vonaster.de/


    Ein Blick auf seine Homepage verrät, dass sich der 1973 geborene Autor Christian von Aster als Genregrenzensaboteur und Wortartisten und in gewisser Weise auch als trotzig beschreibt. Von Aster studierte Germanistik und Kunst, schreibt Drehbücher (ohne Hoffnung auf die filmische Umsetzung hierzulande, aber es gibt ja auch die Bühne), Kurzgeschichten, Erzählungen und Romane. Nebenbei führt er auch schon mal Regie bei Hörspielen oder Kurzfilmen. Letztere wurden genau wie diverse Kurzgeschichten bereits mit Preisen bedacht. Seine Lesungen sind wegen ihrer Inszenierungen nicht nur Anhängern der Fantasy- oder Gothic-Szene ein Begriff.


    Mein SuB, der seit 2011 irgendwie mit Hefeteig verwandt zu sein scheint, wenn ich die Ausmaße bedenke, die er mittlerweile angenommen hat, unterteilt sich in verschiedenen Kategorien. Die eine beinhaltet Bücher, die nur kurz darauf abgelegt und dann gelesen werden. Eine zweite solche, die quasi auf den richtigen Lesetag warten, weil sie mich nicht 100%ig ansprechen. In der dritten landen dann jene, die ich über mehrere Tage verteilt lesen muss, weil eventuelle Schockmomente und Gewaltszenen oder bisweilen ermüdende Erklärungen zu sehr ausufern. Es gibt noch eine vierte, die Bücher beinhaltet, die ich unbedingt noch einmal lesen muss. Dann gibt es noch jene Bücher, die es irgendwie schaffen, sich aus all diesen Bereichen meines SuBs herauszumogeln, hin und her zu wandern, oder - schlimmer noch - womöglich hinter den SuB und damit das Regal rutschen.


    Eins dieser Bücher ist Armageddon TV von Christian van Aster, dessen zweite überarbeitete Auflage bereits im März 2011 von periplaneta herausgegeben wurde (die Originalausgabe erschien bereits 2004 im Eigenverlag). Ich kann mich noch dunkel erinnern, dass es sich anfangs in der zweiten oder dritten Kategorie befand. Jedenfalls habe ich es gestern zufällig wiederentdeckt und siehe da, es war der richtige Lesetag dafür.


    Bevor ich damit angefangen konnte, sprach mich jemand auf meinen in seinen Augen abartig hohen Bücherkonsum an. Ich habe etwas in der Art erwidert, dass ich kein Fernsehgerät besitze, worauf ich zu hören bekam, dass das ja noch abartiger sei. Meine Erwiderung, dass angesichts des Fernsehprogramms quer durch alle Sender die Frage nach eventuellen Abartigkeiten vielleicht neu überdacht werden müsse, wurde achselzuckend abgetan.


    Auch ohne Fernseher kann man sich bedauerlicherweise Sendungen nicht gänzlich verschließen, die davon leben, andere lächerlich zu machen oder sie zu absonderlich anmutenden Taten anzustacheln. Ich war völlig geschockt, als ich mitbekommen habe, wer sich für so ‚hochgeistige‘ Sendeformate wie Big Brother oder das Dschungel-Camp oder diverse Casting-Dauerbrenner begeistert. Kein Wunder, dass Kinder und jugendliche heutzutage in Gruppen über (in ihren Augen) Schwächere herfallen, lernen sie in solchen Sendungen doch schon recht früh, wie angebliche Vorbilder sich Aasgeier-ähnlich verhalten und um der Einschaltquoten willen auf dafür prädestinierte Opfer einhacken. Wo das Selbstwertgefühl herkommen soll, wenn sie so mitbekommen, wie sehr manche Leute bereit sind, sich für wenige Momente im Rampenlicht zu erniedrigen, ist mir schleierhaft. Viele Erwachsene sind auch nicht besser und zwar nicht nur, weil sie die teils mehr als ätzenden Bemerkungen mancher 5-Minuten-Berühmtheiten oder Jury-Mitglieder cool finden, auch weil sie mit teils infantiler Begeisterung nacheifern, was sie sehen oder hören. Ich gebe gerne zu, dass meiner Lesewut nicht nur hochgeistige Literatur oder wissenschaftliche Abhandlungen zum Opfer fallen, aber ich lese lieber auch noch den trivialsten Heftroman und lasse mich notfalls auch als abartig titulieren, bevor ich mir so etwas antue.


    Warum ich das schreibe? Nun, in Armageddon TV geht es nicht um Außerirdische, wie der eine oder andere jetzt vielleicht angesichts des Genres vermutet. Die Geschichte spielt ganz normal hier auf der Erde, handelt von ganz normalen Menschen (meiner Ansicht zwar nicht unbedingt geistig normal, sondern einfach der Spezies Mensch angehörend). Und irgendwie von dem, was ich gerade erwähnt habe. Von Aster bietet seinen LeserInnen eine Lektüre, die pechschwarz satirisch für Schluckbeschwerden sorgt. Einen dystopischen Einblick in eine Fernsehlandschaft, die die oben erwähnten Sendeformate noch weiter pervertiert.


    Überaus gewinnbringend vermarktet das Medienimperium POE-Network eine Sendung, für die sie Sportler anwirbt. Klingt jetzt erst mal harmlos, ist es jedoch nicht. Neben dem Imperium selbst, verdienen sich Pharmaindustrie und Marketingunternehmen eine goldene Nase, nicht zu vergessen die Rüstungsindustrie. Ihre Produkte werden publikumswirksam bei Wettkämpfen eingesetzt, in der die Sportler eigentlich nur die gegnerische Fahne erobern müssen. Da dabei jedoch nicht mit Platzpatronen geschossen wird und sogar Panzer zum Einsatz kommen, werden die Zuschauer blutig unterhalten und Verluste kühl mit einkalkuliert. Moral war gestern, heute kann man bei Armageddon TV Chips knabbernd vom Sofa aus verfolgen, wie die um ihr Überleben kämpfenden Sportidole weggeputzt werden.


    Und ähnlich wie bei Unfällen, werden die Blicke unwillkürlich auf bestimmte Dinge gelenkt. Man fühlt sich geschockt, angewidert (etwa vom Sendeformat im Buch) und gleichzeitig ist alles so schrecklich, dass man kaum wegsehen geschweige denn nicht weiterlesen kann.


    Fazit: 4ratten


    Bleibt zu hoffen, dass die bitterböse, medienkritische Vision des Autors nicht irgendwann Nachahmer findet. Wirkliche Unterhaltung sieht irgendwie anders aus. Denn auch wenn van Aster alles gleichermaßen zielsicher, bitterböse und überspitzt darstellt, zeigt die Realität, dass wir grundsätzlich gar nicht so weit entfernt davon sind. Während ich las, dachte ich beständig an die vorab genannten Sendungen, in denen nicht nur von Senderseite um der der Einschaltquote willen, sondern auch von Teilnehmerseite um des Geldes willen so vieles getan wird, was der gesunde Menschenverstand nicht begreifen will. Die Manipulationsfähigkeit mancher Leute trägt sich nur, wenn andere sich manipulieren lassen. Beide Seiten beleuchtet von Aster in seinem dystopischen Roman, mal lenkt er den Fokus auf die Sportler, mal auf die Strippenzieher hinter den Kulissen. Dabei hält er die vordergründig brutalen Beschreibungen der blutigen Wettkämpfe auf einem relativ erträglichen Maß. Er streut Intrigen und Machtspielchen ein, steuert auf den Schlusskampf im Armageddon Dome zu. Das alles nicht unbedingt in einem rasanten Tempo, aber trotzdem schockierend. Für alle, die sich etwas abseits des Mainstream-Geschmacks tummeln.


    2012, Antje Jürgens (AJ)

    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Massimo Carlotto: Der Flüchtling
    Originaltitel: Il fuggiasco
    aus dem Italienischen übersetzt von Hinrich Schmidt-Henkel
    Tropen bei Klett-Cotta
    ISBN13: 9783608502053
    ISBN10: 360850205X
    Autobiografischer Roman
    1. Auflage 07/2010
    Hardcover mit Schutzumschlag, 184 Seiten
    [D] 18,95


    Verlagsseite http://www.klett-cotta.de/tropen
    Autorenseite (italienisch) http://www.massimocarlotto.it/


    Seine Genre sind Thriller und Krimis in denen es um die Mafia, die korrupte Gesellschaft, bestechliche Politiker, das Militär, um Skandale geht, die einen nicht einfach so kalt lassen können, weil sie zu viele reale Bezüge enthalten. Seit seinem Debütroman Il fuggiasco verfasste er etwa 20 Romane, die übersetzten tragen Titel wie Tödlicher Staub, Wo die Zitronen blühen, Banditenliebe oder auch Die dunkle Unermesslichkeit des Todes.


    In seinem autobiografischen (Debüt-)Roman erzählt Massimo Carlotto jedoch seine Geschichte, die ihren Anfang 1976 nahm. Damals meldete der linksradikal eingestellte 19jährige Massimo Carlotto den Mord einer Kommilitonin, wurde festgenommen, wegen Mordes angeklagt. Über ein Jahr später wurde er zunächst freigesprochen, dann zu 18 Jahren verurteilt, sein Revisionsantrag 1982 abgelehnt. Carlotto gelang die Flucht, die ihn über Paris nach Mexico führte. Drei Jahre später kam er erneut ins Gefängnis. Bevor seine Begnadigung im Jahr 1993 aufgrund einer Gesetzesänderung aus Mangel an Beweisen erfolgte, musste Carlotto lernen zu überleben. Unter politisch Verfolgten ebenso wie unter Schwerverbrechern. Heute zählt der 1956 in Padua geborene Carlotto zu den erfolgreichsten Krimiautoren Italiens.


    Doch zurück zu Der Flüchtling der im Original bereits 1994 erschienen ist und dazu beigetragen haben dürfte, dass der Autor nach 17 Jahren Exil und Gefängnis als Opfer der Justiz auch über die Grenzen Italiens und diverser Organisationen hinaus bekannt ist. Der Roman beginnt nach seiner Abschiebung aus Mexico und der erneuten Festnahme in Italien. Das Buch lag bedauerlicherweise länger auf meinem SuB. Nicht wirklich ungelesen, aber unbesprochen, weshalb ich es am vergangenen Wochenende ein zweites Mal in Angriff nahm. Gleich vorab: Die Wirkung ist die gleiche geblieben.


    Wer erwartet, Genaueres über den Mordfall zu lesen oder denkt, dass Carlotto nur mit der italienischen Justiz abrechnen will, liegt falsch. Stattdessen erfährt man von seinem jahrelangen Untertauchen, der Angst vor Verfolgung, daraus resultierender Panik, Todesangst, schweren gesundheitlichen Folgen.


    Die Flucht und das Untertauchen - beides ist nur durch Helfershelfer möglich und man kann Carlotto einerseits getrost beglückwünschen, dass er darauf zurückgreifen konnte. Ich wüsste ehrlich gesagt nicht, wohin ich mich im Fall der Fälle so schnell und sicher wenden sollte. In gewisser Weise hatte er auch Glück, weil sich beispielsweise 1985 das internationale Komitee Gerechtigkeit für Massimo Carlotto gründete und in Italien, Frankreich und England aktiv um seine Freilassung bemühte oder ab 1987 auch die Internationale Liga für Menschenrechte für ihn kämpfte, indem sie eine Untersuchung des Falles einleitete und sich für eine Wiederaufnahme des Verfahrens aussprach. Andererseits half ihm das zwar insgesamt betrachtet, konnte jedoch weder die psychischen noch die physischen Folgen verhindern. Die Jahre, die ihm so genommen wurden, kann ihm niemand zurückgeben, die gemachten Erfahrungen niemand abnehmen.


    Unsentimental, geradezu nüchtern und gleichförmig distanziert berichtet der Autor von diesen Erlebnissen. Dennoch werden Verzweiflung und Verfolgungswahn deutlich, fordern zunehmend Raum. Obwohl er unter falschem Namen mit falscher Identität leben kann und dabei durchaus kein vollkommen isoliertes Dasein in einem abgeschlossenen Raum fristet, befindet sich der Autor doch in keiner Gemeinschaft, fühlt sich alleine. Niemand kann den Druck abfedern, der auf ihm lastet und der plötzlichen Entwurzelung geschuldet ist. Der durch falsche Identitäten ebenso wächst wie durch das Fehlen eines sicheren sozialen Milieus. Da hilft es auch nichts, dass seine Familie ihn finanziell in der Fremde unterstützt. Aus Angst vor Entdeckung führt ihn seine Flucht von Paris nach Mexico. Was in Paris zunächst noch recht gut funktioniert, kann in Mexico nicht gut gehen. Dort wird nicht nur der Kontakt zu seiner Familie zunehmend schwieriger bis unmöglich. Zu katastrophal ist auch das damalige Leben dort. Dennoch überlegt Carlotto, ob er die mexikanische Staatsbürgerschaft annimmt. Dazu braucht er jedoch Hilfe. Er vertraut sich dem Falschen an. Der nimmt ihn nicht nur nach Strich und Faden aus, sondern verrät ihn zudem an die dortigen Behörden. Prompt wird Carlotto nach Italien abgeschoben.


    Paranoia ist ein Gefühl, das entsteht, wenn wir uns verfolgt fühlen. Es ist keine Paranoia mehr, wenn wir denn tatsächlich verfolgt werden und so scheint der Begriff im Bezug auf den Autoren eindeutig falsch gewählt. Doch ohne dass Carlotto etwas davon ahnt, ist der Haftbefehl gegen ihn auf wundersame Weise verloren gegangen. Niemand sucht nach ihm. Und nur, weil er sich nach seiner Abschiebung bei der Ankunft in Italien selbst stellt, wird er wieder fest genommen.


    Es folgen nicht nur für ihn nervenaufreibende Jahre, in denen sein Fall wiederbelebt wird und gleichzeitig unendlich scheint. Carlotto droht zwischen den Mühlrädern der Justiz zerrieben zu werden. Hängt hoffnungslos zwischen Verfahren, Urteilen, Folgeprozessen, Gefängnis und Haftverschonung, ohne dass die Aussicht besteht, dass alles irgendwann einmal ein Ende hat. Ein Gnadengesuch könnte ihm helfen. Allerdings stellt sich die Frage, wie er bereuen soll, was er nicht getan hat. Um es selbst stellen zu können, müsste er jedoch Reue zeigen. All das fordert nicht nur in zunehmenden gesundheitlichen Beschwerden Tribut, sondern lässt auch Suizidgedanken in ihm aufkeimen. Erst ein entsprechendes Gesuch seiner Eltern sorgt letztlich für seine Begnadigung, nachdem die italienische Gerichtsbarkeit auch auf zunehmenden öffentlichen, teils internationalen Druck nicht bereit war, einzulenken.


    In diesem autobiografischen Roman geht es wie eingangs erwähnt, weniger um die juristische Aufarbeitung und Abrechnung mit der Justiz. Die gefühlsmäßigen Folgen der Flucht, des Untertauchens, der elf teils selbst initiierten Prozesse und der Gefängnisaufenthalte stehen im Vordergrund. Zwar wird sehr deutlich, wie die Justiz gegen rechtsstaatliche Denkweisen verstößt. Doch noch viel klarer kristallisieren sich die Folgen aus der eigentlich an sich unspektakulären Tatsache heraus, dass der Autor zur falschen Zeit am falschen Ort war. Die daraus entstehende alltägliche und sich über viele Jahre hinziehende Tortur füllt die Seiten des 184 Seiten starken Hardcoverbuches sehr nachdrücklich. Bildhaft und erschütternd lässt Carlotto seine LeserInnen daran teilhaben, hebt das Unerträgliche daran gerade durch seinen distanzierten Sprachstil hervor.


    Fazit: 5ratten


    Obwohl flüssig geschrieben, lässt sich Der Flüchtling nicht einfach so nebenbei lesen. Dazu erschüttert die Thematik zu sehr. Wer leicht verdauliche, vorwiegend unterhaltsame Mainstream-Geschichten mag, sollte die Finger von diesem Buch lassen. Was davon der Fantasie des Autors oder der von ihm erlebten Realität geschuldet ist, weiß vermutlich nur er selbst. Mit Der Flüchtling hat er jedoch einen autobiografischen Roman geschaffen, der auch nach Beendigung der Lektüre für ein überaus unangenehmes Gefühl sorgt, den man nicht so einfach vergisst. Deshalb möchte ich dem Roman fünf von fünf Punkten geben.


    Copyright ©2012, Antje Jürgens (AJ)

    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Kim Lenox: Shadow Guard - Wenn die Nacht beginnt
    Originaltitel: Night falls darkly
    aus dem Amerikanischen übersetzt von Michaela Link
    Egmont LYX
    ISBN13: 9783802586330
    ISBN10: 3802586336
    Fantasy
    1. Auflage 11/2012
    Taschenbuch mit Klappenbroschur, 352 Seiten
    [D] 8,99 €


    Verlagsseite http://www.egmont-lyx.de
    Autorenseite (englisch) http://www.kimlenox.com/


    Obwohl ich gleichermaßen gerne historische wie auch Fantasy Romane lese, finden sich bis jetzt relativ wenige Romane in meinen Regalen, die beides ausgangs des 19. Jahrhunderts miteinander verknüpfen. Deshalb habe ich mich freudig auf den Auftaktroman der Shadow Guard-Reihe mit dem Untertitel Wenn die Nacht beginnt aus dem Hause Egmont LYX gestürzt.


    Die Autorin Kim Lenox entdeckte ihre Liebe zum Lesen früh und verlor sich geradezu in der Welt der Bücher. Das ging so weit, dass ihre Mutter, wie man ihrer Homepage entnehmen kann, sie eines Tages aufforderte, den Müll hinauszubringen und anschließend mit der Bemerkung nicht mehr ins Haus ließ, dass sie in die Sonne gehen und sich Freunde suchen solle, anstatt sich lesend in ihrem Zimmer zu vergraben. Dieser Aufforderung kam die Autorin in gewisser Weise nach. Ihre bibliophile Ader konnte sie jedoch niemals unterdrücken, und so zieren heute zahlreiche Bücher ihre Wohnung - egal ob sehr alt, älteren oder neueren Datums sind sie Genre übergreifend auf sämtliche Räume dort verteilt. Ihre Kinder hat sie damit auch schon angesteckt. Neben einigen anderen Dingen entdeckte sie im Laufe der Zeit auch die Liebe zum Schreiben und so erschien 2008 ihr Debütroman Night falls darkly. Zwei Folgebände vervollständigten alsbald die Trilogie um die Shadow Guards. Diese harren jedoch im Gegensatz zum Auftaktroman Wenn die Nacht beginnt noch ihrer deutschen Übersetzung.


    Im besagtem, gerade vor mir liegendem Auftaktroman geht es um Lord Archer Black, der ins London des 19. Jahrhunderts zurückkehrt. Obwohl er wie ein Mensch aussieht, ist er weit mehr als das. Der Unsterbliche ist mit zwei weiteren Vertretern seiner Art zusammen aber nicht zwingend gemeinsam auf den Fersen grausamer Seelen, die nicht nur Menschen töten, sondern auch eine Gefahr für die Welt der Ahnen und Unsterblichen darstellen. Neben dem unheimlichen und real bekannten Serienmörder Jack the Ripper treibt ein zweiter Serientäter sein Unwesen in London. Den im ersten Band erwähnten Shadow Guards Marcus Helios und Selene sind dann im übrigen der zweite bzw. dritte Band der Trilogie gewidmet.


    Doch es geht in Shadow Guard - Wenn die Nacht beginnt natürlich nicht nur um die Jagd nach Jack the Ripper. Eine weitere Figur ist Elena Whitney, das Mündel von Lord Black. Die hat Jahre zuvor bei einem Vorfall das Gedächtnis verloren, an dem ihr Vormund nicht ganz unbeteiligt war. Elena lebt in seinem Londoner Stadthaus, arbeitet als Krankenschwester im London Hospital (und damit ganz in der Nähe des Rippers). Auf gesellschaftliches Leben lebt die junge Frau keinen allzugroßen Wert, möchte sie doch Ärztin werden. Als Elena ihren Vormund endlich persönlich kennenlernt, fühlt sie sich von ihm angezogen und er sich von ihr. Und so dreht sich neben Blacks Versuchen, den Ripper zur Strecke zu bringen, alles um die sich anbahnende Beziehung zwischen den beiden. Fatalerweise gerät Elena dadurch auch ins Visier des Mörders.


    Überrascht haben mich in gewisser Weise die einzelnen Charaktere. Vor allem Elena, die sich neben ihrer Zurückhaltung, was gesellschaftliche Belange betrifft, sehr aufgeschlossen und ihrer Zeit in gewisser Weise voraus offenbart. Das zeigt sich nicht nur darin, dass sie Lord Black recht offen signalisiert, dass sie mehr oder weniger zu allem bereit ist, was ihn betrifft. Man erlebt sie Wasserpfeife rauchend, erfährt, dass sie tätowiert ist und sich ihr sehnlichster Wunsch derart gestaltet, dass sie an der Autopsie einer männlichen Leiche teilnehmen kann (was Frauen zur damaligen Zeit eher selten bis gar nicht durften). Dabei wirkt sie jedoch nicht unglaubwürdig.


    Neben ihr kommen auch die kauzige Gesellschafterin oder ihr in sie verliebter Chef gut zur Geltung, der ihr bezüglich ihres Berufswunsches wesentlich weniger Steine in den Weg legt als ihr Vormund. Auch Selene, die im Bezug auf Bücher oder Haustiere sehr spezielle Vorlieben hegt, oder den wandlungsfähigen Marcus, der auch schon mal in Frauenkleider schlüpft, lernt man im Auftaktroman der Shadow Guard-Reihe bereits recht gut kennen. Sie alle zeigen sich mal mehr oder weniger sympathisch, mal mehr oder weniger oberflächlich. Archer Black ist eher düster und befehlend und dann wieder das genaue Gegenteil. Und obwohl er sehr um sein Mündel besorgt ist, bringt er sie selbst immer wieder in Situationen, die Elenas Ruf ruinieren können.


    Auch die Atmosphäre des damaligen Londons wirkt gelungen. Sei es bezüglich der Konventionen, der junge Frauen der Gesellschaft unterworfen waren. Oder der Zustände, mit denen die eher nicht so gut gestellten Bewohner Londons zu kämpfen hatten.


    Der Schreibstil erinnert mich an früher einmal im Monat zum Wochenendauftakt in der Badewanne verschlungene Historical-Romane aus dem Hause Cora. Die sich anbahnende Beziehung und erotischere Passagen gestalten sich passend dazu auch eher dezent. Dadurch wirken sie in meinen Augen jedoch wesentlich mehr. Ebenso dezent verhält sich der Erzählstrang um Jack the Ripper und den zweiten Serienmörder. Wer fürchtet, lesend auf wahre Blutströme und explizit beschriebene Gewaltorgien zu stoßen, braucht sich also keine Sorgen zu machen.


    Deshalb kann man recht schnell in die Geschichte eintauchen, die sowohl unterhaltende, düster-bedrückende wie auch heitere Passagen beinhaltet. Dennoch fand ich meinen Lesefluss mehrmals nicht gerade unterbrochen, aber durch die eine oder andere langatmigere oder nicht ganz nachvollziehbare Passage gestört. Lenox lenkt ihre LeserInnen auf der Suche nach dem Ripper durchaus auf kleinere Irrwege. Allerdings gestalten die sich nicht immer sonderlich spannend. Grundsätzlich interessant fand ich die Überlegungen, die Archer im Bezug auf die Motivation des Rippers anstellt. Hinter der steckt mehr als pure Mordgier oder schlichter Wahnsinn. Da sie übernatürlichen Ursprungs ist, steht weit mehr auf dem Spiel, als das Leben der im Herbst 1888 ermordeten Prostituierten. Allerdings fand ich die Ausführungen zu dem in diesem Zusammenhang erwähnten Vulkanausbruch etwas zu vage. Noch vager gestalteten sich weitere diesbezügliche Andeutungen. Da es sich bei der Shadow Guard-Reihe jedoch um eine Trilogie handelt, folgt eine befriedigerende Erklärung eventuell ja in den beiden Folgebänden.


    Wenn man von dem in meinen Augen amüsant gelungenen Auftakt der ersten (Liebes-)Nacht von Elena und Archer absieht, hat mich fatalerweise gerade das Fantasyelement eher gestört als unterhalten. Nicht weil es grundsätzlich unpassend, sondern weil dieses Element viel zu spärlich ausgeführt ist. So lässt Lenox ihre LeserInnen absolut im Ungewissen, wie oder was genau Archer so ungewöhnlich macht. Man erfährt zwar beispielsweise, dass er sich unsichtbar machen und mental gewisse Dinge tun kann, doch wirklich erschöpfend ist seine Darstellung nicht. Da ist eine Andeutung, dass ihn Elenas Blut lockt, dann wiederum eine, dass er sich verwandelt, wenn er kämpft. Auch wenn er erregt ist, sieht er nicht mehr ganz so normal aus. Eine bildhaftere Beschreibung hierzu fehlt jedoch. Ebenso wird immer wieder mal angedeutet, dass ein Shadow Guard eine noch extremere Wandlung durchlaufen kann, um seinen Auftrag zu erfüllen. Das aber nur im Fall der Fälle, weil es anscheinend daraus keinen Rückweg gibt. Sieht man von diesem letzten Hinweis ab, tappt man als LeserIn jedoch völlig im Dunkeln, wie diese Verwandlung an sich überhaupt aussehen könnte. Ebenso erfährt man nichts wirklich Nennenswertes im Bezug auf Entstehung, Herkunft und Hintergrund der Unsterblichen oder der Ahnenwelt.


    Die Menschen ahnen anscheinend nichts von der Existenz der Unsterblichen, Letztere tun alles, damit das auch so bleibt. Das wird schon aus der Art und Weise klar, wie Elena ihr Gedächtnis verliert. Anscheinend habe ich deshalb geschrieben, weil es konkret dann doch jemanden gibt, der über Archer & Co. Bescheid weiß. Warum und weshalb es ausgerechnet die Königin des britischen Empires ist, erschließt sich mir nicht schlüssig. Zwar enthält ihr Treffen mit Archer eine in gewisser Weise tröstende Note im Bezug auf das Jenseits, doch erscheint dieser Handlungsfaden zu willkürlich eingewoben und lediglich dem Zweck zu dienen, Archer im Fall der Fälle aus Polizeigewahrsam zu befreien.


    Auch das Ende von Shadow Guard - Wenn die Nacht beginnt gestaltet sich irgendwie unbefriedigend, nicht wirklich überraschend und zu schönmalerisch, um wirklich zu fesseln.


    Fazit: 3ratten


    Lord Archer konnte mich nicht in seinen Bann ziehen. Doch obwohl der Auftaktroman der Trilogie in meinen Augen eher mittelmäßig gelungen ist und sich trotz der reizvollen Grundidee nicht wirklich spannend gestaltet, haben mich die offenen Punkte neugierig gemacht. Schließlich kann dies darin begründet sein, dass die Autorin trotz der im Großen und Ganzen jeweils in sich geschlossenen Geschichten in den beiden Folgebänden nicht laufend bestimmte Erklärungen wiederholen möchte. Hinzu kommt, dass Marcus - obwohl er als Nebencharakter ausgelegt ist - interessant wirkt. Deshalb hoffe ich, dass der zweite Band nicht allzu lange auf sich warten lässt. Für Shadow Guard - Wenn die Nacht beginnt möchte ich jedoch nur drei von fünf Punkten vergeben.


    Copyright © 2012 Antje Jürgens (AJ)

    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Rachel Hartmann: Serafina - Das Königreich der Drachen
    Originaltitel: Seraphina
    aus dem Amerikanischen übersetzt von Petra Koob-Pawis
    cbj
    ISBN-13: 978-3570152690
    ISBN-10: 3570152693
    Fantasy, Jugendbuch/All-Age
    1. Auflage 11/2012
    Hardcover mit Schutzumschlag, 512 Seiten
    [D] 17,99 €


    Verlagsseite http://www.cbj-verlag.de
    Autorenseite (englisch) http://rachelhartmanbooks.com/


    Mit dem im Juli 2012 bei Random House veröffentlichten Fantasy-Jugendbuch Seraphina debütierte die 1972 in Lexington, Kentucky, geborene Schriftstellerin Rachel Hartman. Zumindest im Bereich Jugendbuch/Fantasyroman, denn Comic-Fans ist sie vielleicht bereits seit Ende der 1990er-Jahre ein Begriff. Von ihr stammt die Serie um Amy Unbounded, die 1998 mit dem Ignatz Award for Best Minicomic ausgezeichnet wurde. Hartman lebt und arbeitet heute nach Aufenthalten in Chicago, Philadelphia, St. Louis, England und auch Japan in Vancouver. Nach eigenen Angaben beeinflussen Pratchett, Eliot, Wynne Jones und/oder McMaster Bujold ihre Arbeiten und zu Seraphina inspirierte die seit ihrer Kindheit Cello spielende Autorin das Renaissancelied „Mille Regretz“.


    Ihr Debütroman, der dank cbj in deutscher Übersetzung seit November 2012 auf dem Buchmarkt erhältlich ist, wurde in der Übersetzung von Seraphina zu Serafina. Auch das Cover wurde gänzlich anders gestaltet und der eine oder andere Kritiker hat sowohl daran wie auch an der Übersetzung im gesamten herumgemäkelt. An Charme verloren hat in meinen Augen jedoch weder die Hauptfigur Serafina noch die Geschichte an sich.


    Serafina - Das Königreich der Drachen entführt LeserInnen in eine Welt, in der Drachen neben Menschen existieren. Dank eines Friedensvertrages sogar teils direkt unter ihnen. Allerdings nicht im Reich der Drachen in den Nordlanden, wie der Titel vermuten lässt. Die Beschreibung ihrer Welt kommt sogar relativ kurz. Man erfährt, dass sie eine Regierung haben, über großes Wissen verfügen, strikten Regeln und Vorschriften unterworfen sind. Obwohl ihnen Gefühle fremd sind, sind sie nicht per se Einzelgänger. Auch die unter den Menschen in den Südlanden lebenden, forschenden, ja teils pädagogisch tätigen Drachen nicht. Allerdings haben sie das Problem, dass sie in ihrer Menschengestalt Gefühle entwickeln. Wer die und die damit verbundenen Erinnerungen nicht freiwillig löschen lässt, wird rigide bestraft.


    Der eigentliche Handlungsort sind die Südlande. Diesen Teil der Welt beanspruchen die Menschen für sich, teilen ihn jedoch mit einigen Drachen in Menschengestalt. Eine Königin und ihr Hofstaat herrschen über die Menschen, Drachen werden größtenteils von Drachen überwacht. Das Leben dort scheint dem Mittelalter vergleichbar. Es gibt keinen modernen technischen Schnickschnack. Eine ganz eigene Welt also, die der unseren in vielen Dingen dennoch überaus vergleichbar ist. Und das bezieht sich auf das Verhältnis Mensch-Drache, das auf jede Minderheit übertragen werden könnte.


    Der vermeintliche Friede, der zwischen den beiden so ungleichen Spezies herrscht, ist brüchig bis stark gefährdet. Je näher die Feierlichkeiten zum Jubiläum des Friedensvertrages rücken, desto schlimmer wird es. LeserInnen dürfen nach dem Prolog, der sich um Serafina selbst dreht, ab dem Moment daran teilnehmen, in dem die Beisetzungsfeierlichkeiten für ein Mitglied der königlichen Familie stattfinden. Gerüchten zufolge soll ein Drache soll Prinz Rufus getötet haben. Ganz sicher ist dies jedoch nicht, denn die Söhne von St. Ogdo sind gegen den Friedensvertrag und genau wie abtrünnige Drachen auf Krieg aus. Und so kurz vor den Feierlichkeiten tut rasche Aufklärung not.


    Musik kommt in Serafina nicht zu kurz. Die Hauptfigur des Romans lebt quasi für dafür. Nicht nur im Bezug darauf beweist die Autorin, dass sie ihren Bachelortitel in Komparativer Literatur zurecht trägt. Serafina ist Halbwaise. Ihre Mutter ist bereits seit Langem tot, das Verhältnis zum Vater gespalten. Mit ihrem außergewöhnlichen Talent ist sie für den Hofkomponisten tätig und sowohl für den musikalischen Teil der Begräbnis- als auch für den der Jubiläumsfeierlichkeiten zuständig. Dabei sollte sie sich eher dezent im Hintergrund halten, angesichts des Geheimnisses, das sie hegt. Das Mädchen ist im Grunde genommen etwas, das es gar nicht geben dürfte. Sie versteht die menschliche wie auch die Sprache der Drachen, hat einen wesentlich tieferen Einblick als andere und muss dennoch zunächst hilflos verfolgen, was geschieht. Das Mädchen wird seit Längerem von Visionen heimgesucht, die ihr Leben nicht unbedingt erleichtern und die sich zunehmend als Erinnerungen herausstellen. Sie hegt einen Garten voll seltsamer Wesen und Gestalten, der anscheinend nur in ihrem Kopf existiert. Ja, Serafina ist eindeutig nicht so normal, wie es auf den ersten Blick scheint. Ihrem Onkel und Lehrer Orma kann sie sich zwar dann und wann anvertrauen, doch Verständnis findet sie bei ihm nur bedingt.


    Nach und nach erfahren die LeserInnen nicht nur, was genau es mit Serafina auf sich hat, sondern lernen ihre stärker werdende Persönlichkeit kennen. Darüber hinaus können sie verfolgen, wie sie genauso zarte wie verbotene Gefühle für den Hauptmann der Garde, Mitglied der königlichen Familie und Verlobten der Thronfolgerin, Lucian Kiggs, entwickelt. Der ermittelt in dem Mordfall an seinem Onkel und versucht mit Serafina die Intrige aufzuklären, die sie hinter dem feigen Mordanschlag vermuten. Dabei weiß er nicht, was er von Serafina halten soll und noch weniger von dem bereits erwähnten Geheimnis. Gleichzeitig spürt er, dass sie einiges verbindet.


    Hartman zeigt einmal mehr, dass man weder eine brandneue Idee noch einen bahnbrechend umwerfenden Plot braucht, um einen fesselnden Roman zu schreiben. Denn tatsächlich ist die nicht ganz unbekannte Grundidee relativ einfach gehalten. Was mir an diesem Roman so gut gefallen hat, sind die Bezüge, die die Autorin zur realen Welt darstellt. Es geht um Ablehnung, Ausgrenzung, Fremdenhass, elitäres Denken. Einsamkeit, Verständnis, Anerkennung. Aber auch um Freundschaft und Versöhnung. Sie mischt Fantasy, Märchen und Fabeln mit dem normalen Leben. Überaus geschickt zeichnet sie dabei auch ihre Figuren wohltuend normal. Ohne exorbitante Fähigkeiten meistern sie ihr Schicksal und haben dabei Probleme, Ängste, Sorgen und Hoffnungen wie wir. Fehler und Denkweisen entstehen teils aus Erfahrungen und die sind nicht immer schön. Die Neugier auf die jeweils andere Spezies, die Angst vor dem eigentlich trotz seiner Allgegenwärtigkeit vorhandenen Unbekannten, all das wird schlüssig verwoben und schafft eine dichte und authentische Atmosphäre.


    Was etwas behutsam beginnt, offenbart sich sukzessive und immer klarer erkennbar als eine Geschichte, die aktuelle wie historische und rein fiktive Elemente verbindet. Das alles in einer Welt, in der die Monster äußerlich nicht immer zwingend monströs sind. In einer fantastischen Welt, der jedoch die Bezüge zum Jetzt und Heute nicht fehlen. Und mit Charakteren, zu denen man leichten Zugang findet. Nicht nur im Bezug auf Serafina, die trotz ihrer Andersartigkeit liebenswert ist und mit ihrer Intelligenz und ihrem bisweilen schnellen Mundwerk lebendig wirkt. Sie erzählt Serafina - Das Königreich der Drachen im übrigen und haucht auch den übrigen Figuren, wie etwa Prinz Lucian, der Thronfolgerin, dem Hofkomponisten oder auch Orma Leben ein. Beschreibt sie teils sympathisch und liebenswert, teils genau gegenteilig.


    Der Zauber der Geschichte entfaltet sich trotz des variierenden Erzähltempos recht schnell. Mehrmals nimmt die Autorin das Tempo etwas zurück, widmet sich genaueren Erklärungen, und steigert es anschließend wieder. Vieles wird in Form von lebendigen Dialogen erklärt. Mal wirft man einen Blick in die Vergangenheit, mal in die Zukunft, mal weilt man damit in der Gegenwart. Immer hat es die Autorin geschafft, die Handlungsfäden schlüssig zu verknüpfen. Auch dies trägt dazu bei, die Atmosphäre lebensecht zu gestalten. Mehr als einmal lenkt Hartman ihre LeserInnen unauffällig von dem Pfad ab, den ihre Figuren doch eigentlich ganz gradlinig beschreiten; führt gedanklich in die Irre oder bestätigt, dass man zuvor eher auf dem Irrweg war.


    Fazit:


    Der angenehme Sprachstil und einige humorvolle Sequenzen helfen über kleinere Längen hinweg, in denen Hartman zu sehr auf das Thema Musik eingeht. Trotz des mehr oder wenigen offenen Endes verliert sich kein Handlungsfaden unangenehm im Nichts. Sehr praktisch sind das Glossar und das Personenverzeichnis ganz hinten im Buch. Dort habe ich auch den Hinweis gefunden, dass es weitere Bände geben soll. Und auf die warte ich überaus gespannt, nachdem ich für Hartmans gelungenen Auftaktroman Serafina - Das Königreich der Drachen vier von fünf Punkten geben möchte.


    Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)

    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Joachim Faulstich: Das Geheimnis der Heilung - Wie altes Wissen die Medizin verändert


    MensSana bei KNAUR
    ISBN13: 9783426874837
    ISBN10: 3426874830
    Fachbuch Gesundheit
    11/2012
    Taschenbuch, 352 Seiten
    [D] 10,99 €


    Verlagsseite http://www.droemer-knaur.de/ve…287&verlag=Knaur+MensSana
    Autorenseite http://www.joachim-faulstich.de


    Nicht zum ersten Mal beschäftigt sich der 1950 geborene Autor und Journalist Joachim Faulstich mit einem Thema, das manche, streng wissenschaftsgläubig, mit einem spöttischen Lächeln gerne in die Esoterik-Ecke einsortieren, die es ihrer Ansicht nach nicht verdient hat, mit einem zweiten aufmerksamen Blick betrachtet zu werden. Faktisch tummeln sich in dieser Ecke bekanntlich viele Scharlatane, doch nicht jeder, der sich mit der Thematik beschäftigt, gehört automatisch dazu. Und so bleibt es glücklicherweise jedem selbst überlassen, wie man etwas oder jemanden sieht und beurteilt.


    Einen kritischen Blick bewies Faulstich schon in den 1970er-Jahren, wo er unter anderem Beiträge für die Sendungen Panorama und Monitor verfasste. Gegen Ende jenes Jahrzehnts kam Faulstich erstmals in Kontakt mit Behandlungsmethoden südamerikanischer Eingeborener. Seither beschäftigt er sich mit ethnologischen und komplementärmedizinischen Fragen, wie man seiner Homepage entnehmen kann. Dass es nicht nur Kritiker für seine Arbeiten gibt, beweisen die Preise, die er dafür erhielt, u. a. 2007 den populärwissenschaftlichen „Theophrastus Paracelsus Preis für Ganzheitliche Medizin“.


    Bereits vor zwei Jahren erschien bei Knaur die Hardcoverausgabe des jetzt als Taschenbuch herausgegebenen Titels Das Geheimnis der Heilung - Wie altes Wissen die Medizin verändert. Das Buch ist eng an die Film-Dokumentation mit dem gleichen Titel angelehnt. Vielleicht auch umgekehrt, denn ich weiß ehrlich gesagt gerade nicht, was zuerst ausgestrahlt wurde bzw. im Buchhandel erschien. Lesenswert und informativ empfand ich Das Geheimnis der Heilung - Wie altes Wissen die Medizin verändert jedoch allemal, als ich das Buch kürzlich von meinem SuB nahm und mich darin vertiefte. Darauf gekommen bin ich nach Lektüre des Buches Die Maly-Meditation von Wolfgang Maly, die in Faulstichs Buch ebenfalls erwähnt wird.


    Ich verdanke der herkömmlichen Schulmedizin viel, doch angesichts nicht nur eigener gesundheitlicher Probleme durfte ich glücklicherweise auch die Erfahrung machen, dass sie nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Eine noch viel glücklichere Fügung offenbarte sich für mich darin, dass mittlerweile auch immer mehr Schulmediziner hierzulande über den Tellerrand sehen und Dinge ausprobieren oder zumindest mit ihrer Behandlungsweise kombinieren, gar in sie integrieren, die sie früher eher belächelt oder kategorisch abgelehnt hätten. So eine Denkweise war mir persönlich lange Zeit nur aus dem Ausland bekannt.


    Es gehört Selbstüberwindung dazu, anzuerkennen, dass der eigene Weg zwar nicht unbedingt gänzlich falsch, aber doch ausbaufähig ist. Dass eine Zusammenarbeit wesentlich größeren Nutzen für Patienten beinhaltet. Dass Grenzen moderner Erkenntnisse durch die Wiederbelebung alten Wissens positiv verschoben werden können. Dass es wesentlich mehr gibt, als dass was man auf den ersten Blick wissenschaftlich beweisen und messen kann. Wer dies hierzulande laut ausspricht, wird jedoch, wie bereits eingangs bereits kurz angedeutet, gerne als Scharlatan oder herablassend als Spinner belächelt.


    Dennoch gibt es sie. Nicht nur Esoteriker, Schamanen, Geistheiler haben diesen Schritt gewagt. Neben ihnen tun dies auch zunehmend Ärzte, medizinische Therapeuten und Pflegepersonal. Bei ihnen und zahlreichen Patienten hat der Autor für Das Geheimnis der Heilung - Wie altes Wissen die Medizin verändert nachgefragt. Bereits 2006 wurde eine Dokumentation von ihm produziert, die sich mit dem Thema rätselhafter Heilungserfolge beschäftigte. Faulstich hat jahrelang recherchiert, ging vielen Hinweisen nach und präsentiert in dem mir vorliegenden Buch erneut sehr anschaulich und nachvollziehbar seine Ergebnisse.


    Egal ob es sich um Meditationen, Visualisierungen, reguläre TCM, chirurgische Eingriffe und anschließende Behandlungen durch Berührungen oder etwa auch die Wirkung von Musik geht. In seinem Buch kommen, genau wie in der oben erwähnten Dokumentation gleichen Namens, Patienten wie Behandler, die sich darauf eingelassen haben, zu Wort oder werden erwähnt. Egal ob Wissenschaftler, Ärzte, Therapeuten, Heiler oder Patienten - sie alle geben Zeugnis von einem ermutigenden Wandel im Denken, aber auch von wundersam klingenden Heilungen im Grunde aussichtsloser Fälle. Einiges davon kann schlüssig erklärt und sogar belegt werden, anderes nicht. Das setzt jedoch die Heilerfolge nicht herab.


    Alle Fallbeispiele im Buch ziehen Nutzen aus uraltem, teils fast vergessenem und wiederbelebtem Wissen, wenngleich nicht alle Ergebnisse letztlich auf den ersten Blick absolut spektakulär sind. Dabei stürzt sich der Autor nicht auf eine Methode, um sie von allen Seiten beleuchtet, herauszustellen oder stellt die Schulmedizin ins Abseits. Letzteres verrät ja bereits der Titel. Stattdessen verweist er auf verschiedene Methoden, die letztlich eins bewirken: Das heilende Bewusstsein in Betroffenen zu wecken. Behandeln kann man auf vielfältige Art und Weise von außen. Egal ob mit esoterisch belächelten oder vielleicht auch ernst genommenen Behandlungsformen, schulmedizinischen Ansätzen, chirurgischen Eingriffen oder auch Medikamenten, egal ob kombiniert oder nicht. Heilung kommt jedoch letztlich immer von innen.


    Fazit: 5ratten


    In seinem Buch hat Faulstich das Rad nicht neu erfunden. Die Erkenntnis und das Wissen um die Regenerations- und Heilfähigkeit unseres Körpers existiert schon lange. Doch der Autor macht nachdrücklich und gut recherchiert darauf aufmerksam, weshalb ich seinem Buch fünf von fünf Punkten geben möchte. Wer jedoch hofft, dass der erste Teil des Buchtitels wörtlich gemeint ist, sollte die Finger von dem Buch lassen. Faulstich bietet keine ultimative Behandlungsform mit Heilungserfolg per se. Er beschreibt verschiedene Behandlungsansätze, die anhand erfolgreicher Fallbeispiele belegt und durch Fachleute erklärt werden. Zumindest der Teil, der erklärt werden kann. Heilung bedeutet in gewisser Weise Arbeit - nicht nur von Seiten der Behandler, auch die Patienten selbst müssen tätig werden und zuvor eventuell zunächst ihren Horizont erweitern. Eine kleine Hilfe dazu liefert Das Das Geheimnis der Heilung - Wie altes Wissen die Medizin verändert. Praktischerweise liest sich das Buch leicht und flüssig.


    Ich möchte es nicht nur Betroffenen ans Herz legen, die mit gesundheitlichen Problemen kämpfen und einen Weg suchen, zu gesunden. Es ist auch für Angehörige und Behandler lesenswert, da man damit einmal mehr begreifen kann, wie wichtig eine ganzheitliche Betrachtungs- und Behandlungsweise ist. Wie wichtig es ist, modernes Wissen nicht zwingend zu negieren, jedoch auch nicht als nec plus ultra zu betrachten. War es nicht Albert Einstein, der wenige Jahre vor seinem Tod 1955 gesagt haben soll, dass diejenigen sich dem Gelächter der Götter aussetzen, die als Autorität im Bezug auf Erkenntnis und Wahrheit auftreten wollen? Es ist immer gut über den eigenen Tellerrand zu sehen, den Horizont zu erweitern. Dann erfährt man, welche Kräfte eigentlich in uns wohnen und auch wie wir sie nutzen können. Und wie sehr es sich lohnt, wenn altes Wissen unserer medizinisches Wissen verändert.


    Copyright © 2012 Antje Jürgens (AJ)


    Threadtitel-Icon entfernt und Titel angepasst. LG, Valentine

    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Alex Thanner: Weihnachten mit Mama
    Blanvalet
    ISBN13: 9783764504472
    ISBN10: 376450447
    Belletristik
    1. Auflage, 10/2012
    Hardcover mit Schutzumschlag
    [D] 14,99 €


    Verlagsseite http://www.blanvalet.de


    Alle, die mich kennen, wissen, dass es Geschäfte bzw. Abteilungen darin gibt, die ich zu bestimmten Zeiten regelrecht boykottiere; Weihnachtsplätzchen werden erst ab einem gewissen Zeitpunkt gebacken und überhaupt stelle ich mich der von kommerzieller Seite in meinen Augen regelmäßig viel zu früh gestarteten Weihnachtsoffensive mal tapfer, mal frustriert oder auch schon mal missmutig entgegen. Seltsamerweise kann ich Bücher, deren Inhalt von Weihnachten handelt, jedoch ganzjährig lesen. Keine Ahnung, woran das liegt, aber es ist so.


    Dieses Jahr landete Weihnachten mit Mama vor einigen Tagen auf meinem SuB. Nach dem Auspacken lag Alex Thanners Roman tatsächlich ganze vier Stunden dort, bevor ich mich damit auf mein Sofa verzog.


    Das gemalte Cover zeigt einen schwer bepackten Mann und eine Frau, die - wenn man dem erhobenen Zeigefinger Glauben schenken darf - das Kommando führt, ein wenig weihnachtliche Deko und einen Straßenzug. Die Inhaltsangabe beginnt mit „Hilfe, es weihnachtet sehr“ und lässt bereits erkennen, dass es neben dem Thema Weihnachten an sich vor allem um eins geht: um den Wahnsinn, der für viele mit diesem Fest verbunden ist. Dem Fest der Liebe, das jedoch oftmals in Streit und Unfrieden endet, weil die Personen, die daran teilnehmen, sich sonst teils ganzjährig aus dem Weg gehen. Etwa, weil sie alte Animositäten nicht völlig ad acta legen können.


    Johannes Siebenschön, die erzählende Hauptfigur, eilt nach einem Hilferuf seines Vaters als pflichtbewusster Sohn von Münster nach München, um Weihnachten zu retten. Nicht indem er den Weihnachtsmann spielt. Doch seine Mutter, die am 24. Dezember zudem ihren 65. Geburtstag feiern möchte, steht planungstechnisch eindeutig neben sich, sein Vater rundweg hilflos daneben. Wenige Tage vor dem großen Fest, zu dem zum ersten Mal seit längerer Zeit die ganze Familie erwartet wird, ist nichts vorbereitet, dem Chaos scheint der Weg perfekt bereitet.


    Johannes tut, was er kann, und das ist einiges. Als LeserIn kann man seiner Geduld nur Respekt zollen. Als der große Tag mitsamt den geladenen Gästen da ist, geht dennoch trotzdem einiges schief. Daran sind nicht nur der überaktive Jack Russel oder die beiden Neffen von Johannes schuld, die sich unter allen Erwachsenen einfach nur langweilen und auf die Bescherung warten. Nein, vielmehr schaffen sich latent vorhandene und schwelende Zwistigkeiten Raum. Schließlich kommt es noch zu einem schrecklichen Streit, der der friedlichen Stimmung, die an einem solchen Tag herrschen sollte, den Rest zu geben scheint. Dabei sollte doch wenigstens an diesem Tag alles perfekt sein.


    Mit Wortwitz, stellenweise spöttisch, neckisch und durchaus selbstironisch, schildert Johannes seine Erlebnisse im Zuge der Vorbereitung aber auch während der Feier an Heiligabend. Er schlittert von einer niveauvoll erzählten und dennoch fast klamaukartigen Besorgung in die nächste. Beschreibt den Stress, ohne den Spaß beiseitezulassen. Egal ob es sich um die verzweifelte Suche nach dem passenden Tischtuch, dem Christbaumständer oder auch das Plätzchenbacken mit seiner Mutter handelt.


    Nicht nur Johannes selbst, sondern auch die übrigen Figuren Thanners sind herrlich menschlich dargestellt. Johannes macht sich während seiner Rettungsaktion nicht immer nur nette Gedanken um seine Familie, dennoch wird er nie bösartig. Herrlich lebendig, liebevoll und kratzbürstig, tolerant und engstirnig, edelmütig und missgünstig, so lernt man Thanners Figuren in Weihnachten mit Mama kennen. Erfährt, wie schwer es sein kann, über den eigenen Schatten zu springen oder dass man sich manchmal einfach selbst im Weg steht.


    Thanner macht es seinen LeserInnen leicht, sich in die Geschichte hineinziehen zu lassen. Man fühlt sich fast, als würde man neben Johannes stehen und gehen. Man leidet mit ihm, man lacht mit ihm. Man versteht sein Dilemma, weil er irgendwie zwischen den Stühlen sitzt und eigentlich stets um Harmonie und Friedfertigkeit bemüht ist. Die seinen Handlungen innewohnende Liebeserklärung an seine Mutter ist anrührend und lebensecht. Und sie bestätigt einmal mehr, was ich immer wieder erlebt habe. Liebe besteht aus vielen schönen Momenten, aus spaßigen, aus ernsten. Vor allem aber besteht sie trotz Fehlern, Schwächen oder auch starrköpfigem Eigensinn der Person, die man liebt.


    Fazit 5ratten


    Ein herrliches Buch zum Entspannen und durchaus auch zum Nachdenken. Thanners eloquent unterhaltsamer Schreibstil liest sich sehr flüssig. An zahlreichen Stellen konnte ich mir mein Lachen nicht mehr verkneifen. An anderen fühlte ich mich an meine eigene Familie und vergangene Feste erinnert. Eine wundervolle Geschichte über Familie, den ganz alltäglichen Wahnsinn und das Fest, das vielen von uns demnächst wieder bevorsteht. Perfekt um daran zu erinnern, das rechtzeitige Planung Chaos verhindert und wir uns selbst nicht immer so wichtig nehmen müssen. Schließlich haben nicht alle von uns einen Johannes, der alles wieder ins Lot bringt.


    Copyright © 2012 by Antje Jürgens (AJ)

    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Simon Mawer: Die Frau, die vom Himmel fiel
    Deutsche Verlags-Anstalt
    Originaltitel: The girl who fell from the sky
    Aus dem Englischen übersetzt von Klaus Timmermann und Ulrike Wasel
    ISBN 13: 9783421045652
    ISBN 10: 3421045658
    1. Auflage 11/2012
    Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 384 Seiten
    [D] 19,99 €


    Verlagsseite: http://www.randomhouse.de/dva/index.jsp
    Autorenseite (englisch): http://www.simonmawer.com/index.html


    Mit dem von DVA herausgegebenen Titel Die Frau, die vom Himmel von Simon Mawer kommt dessen erster ins Deutsche übersetzter Roman auf den hiesigen Buchmarkt. Mawer wurde 1948 in England geboren, wuchs in Zypern und Malta auf und lebt heute in Italien. Seit 1989 erschienen acht seiner Romane, die in über zwölf Sprachen übersetzt wurden. Es handelt sich um Chimera, A place in Italy, The bitter cross, A jealous god, The gospel of Judas, The Fall, Swimming to Ithaca, Gregor Mendel: Planting the seeds of genetics, und The girl who fell from the sky, der in seiner deutschen Übersetzung gerade vor mir liegt. Darüber hinaus gab es noch Mendel’s Dwarf und The Glass Room. Beide wurden für den Booker-Preis nominiert. Mawer schreibt, wie man bereits den Titeln entnehmen kann, also keine Liebeskomödien.


    In Die Frau, die vom Himmel geht er auf ein Thema ein, das vielen eher unbekannt sein dürfte. Darauf, dass im Zweiten Weltkrieg in England junge Frauen zur Spionage ausgebildet wurden. Etwa fünfzig von ihnen wurden mit Fallschirmen über besetztem Gebiet abgesetzt, damit sie dort ihrer Tätigkeit nachgehen konnten. Benannt wurden diese SOE-Frauen nach ihrer nachrichtendienstlichen Spezialeinheit (Special Operations Executive). Fünfzig Jahre nach Entsendung des ersten SOE-Agenten wurde von der französischen Regierung das Vaelençay-SOE-Mahnmal enthüllt, welches einundneunzig Männer und dreizehn Frauen ehrt, die im Rahmen ihrer Spionagetätigkeit ihr Leben verloren. Zwölf dieser Frauen fielen den Deutschen zum Opfer, eine starb an einer Hirnhautentzündung.


    Marian Sutro ist einer dieser Frauen. Sie entstand in Erinnerung an Colette, der Mawer seine Geschichte widmet. Marian Sutro, alias Alice Thurrock, alias Anne-Marie Laroche. Als sie angeworben wird, ist sie schnell bereit zu tun, was man von ihr erwartet. Was ihr etwas Probleme bereitet ist, dass sie nicht in alles eingeweiht wird und das auch weiß. Sie muss blind vertrauen lernen. Nicht nur ihren Vorgesetzten und anderen Agenten, mehr noch sich selbst. Ihr Bauchgefühl, ihr Verstand, ihr inneres Radar muss funktionieren, wenn sie unentdeckt bleiben will. Sie muss ihre Vergangenheit als Tochter eines britischen Diplomaten und einer französischen Mutter vergessen, ihren Bruder. Eigentlich sollte sie auch Clément vergessen, den sie vor dem Krieg kannte, doch der rückt mit ihrer Mission plötzlich wieder zum Greifen nah, da er wie ihr Bruder Physiker ist. Sie muss von heute auf morgen eine Lüge leben, einfach weil sie die Fähigkeit besitzt, Französisch wie ihre Muttersprache zu sprechen. Sie wird im Töten ausgebildet, lernt Fallschirmspringen, zu morsen, sich zu verstellen. Das alles während des Krieges, also quasi im Schnelldurchgang.


    Speziell zu lernen, niemandem mehr zu trauen, ist überaus schwierig. Was man sein Leben lang gemacht hat, prägt schließlich das momentane Handeln. Situationsgebundene paranoide Denkweisen entstellen das Weltbild, das man für gewöhnlich hat. Als Marian gerade neunzehnjährig in Frankreich in ein Netzwerk von Spionen und ihren Helfern eintaucht, wird ihr bewusst, dass es keinen Plan B gibt. Dass im Notfall höchstens die Zyankali-Kapsel auf sie wartet, die ihr kurz vor Verlassen Englands überreicht wird. Da hilft es auch nichts, dass sie im Rahmen ihrer Ausbildung Benoit kennenlernt und eine Affaire mit ihm beginnt. In Frankreich ist sie auf sich allein gestellt. Der Großteil ihrer Tätigkeit ist Beobachten, Ausharren, auf den richtigen Moment warten. Doch sie wird auch als Kurier benutzt oder an der Ausschleusung relevanter Personen beteiligt. Clément ist als Physiker und im Wettlauf um die Bombe von überaus großem Interesse für die Engländer.


    Und genau wie andere Agenten muss sie bitter erfahren, dass die Deutschen ihre Augen und Ohren nicht selbst überall haben, sondern dass aus wegsehenden Zivilisten genau wie aus enttarnten Agenten Kollaborateure und Verräter werden können.


    Die Times schrieb zu Die Frau, die vom Himmel: „Leidenschaft plus Gefahr – was könnte aufregender sein?“


    Mawers beginnt mit dem Kapitel Trapez. Überaus passend tituliert, denn was darin geschieht, weist eindrücklich darauf hin, dass es bei der Operation kein rettendes Netz gibt und eine einzige falsche Entscheidung zum Tod führen kann. Der Autor teilt danach seine Kapitel in die Zeit in England und Frankreich. Während die Zeit im ersten Teil im Präteritum abgefasst ist, sind die Kapitel in Frankreich im Präsens geschrieben. Diese Zeitform lese ich grundsätzlich nicht so gerne, allerdings unterstreicht sie in meinen Augen den Druck, unter dem Marian steht. Die einzelnen Kapitel sind relativ kurz und viele Details weben ein klares Bild der damaligen Zeit und Denkweisen. Marian wirkt erwachsen und abgeklärt, man sieht sie klar und doch in gewisser Weise gesichtslos vor sich. Ebenso die anderen Charaktere. Doch auch dies konveniert in meinen Augen mit ihrer Spionagetätigkeit.


    Störend wirkte auf mich die Fülle französischer Formulierungen. Nicht weil ich etwas gegen die Sprache habe. Genau genommen ginge es mir mit jeder anderen Sprache genauso. Wenn die Atmosphäre stimmt und Marian glaubwürdig keinen Unterschied zwischen ihren beiden Muttersprachen macht (beides habe ich so empfunden), stört der beständige Wechsel eher. Zumal nur einige Formulierungen zeitnah übersetzt oder erklärt werden, andere jedoch gar nicht.


    Der Autor erzählt die Geschichte aus Marians Sicht in dritter Person. Allerdings kommen auch Passagen vor, in denen man sich direkt vom Erzähler angesprochen fühlt. Speziell im Frankreichteil fiel mir dies auf. Manchmal wirkten diese fast wie Gedanken von Marian, dann wieder wie die des Erzählers. Einige wirkten jedoch auch etwas hölzern auf mich und störten meinen Lesefluss.


    Gut umgesetzt ist jedoch der Wechsel im Erzähltempo. Mehr als einmal bremst Mawer an genau der richtigen Stelle ab, um heikle Momente hervorzuheben. Mehr als einmal nimmt genau im exakten Augenblick erzähltechnisch wieder Fahrt auf.


    Obwohl ich so ziemlich alles lese, zählen Agentenromane eher zu den Büchern, die ich weniger gerne zur Hand nehme. Vielleicht weil ich durch einen Exfreund bedingt etwas Bond-geschädigt bin. Sobald das Wort Agentenroman fällt, habe ich erst einmal diesen Namen im Kopf, bevor ich mich dann an andere erinnere. Egal ob die Figuren darin fiktiv oder reflektiv dargestellt werden, er drängt sich gedanklich bei mir recht unschön in den Vordergrund. Irgendwie störte mich seine Lizenz zum Töten, der technische Schnickschnack, mit dem er gegen die Bösen kämpft. Oder die Art, wie er das alles übersteht, quasi wie Phoenix aus der Asche steigt. Warum ich das erwähne? Wegen des oben stehenden Zitats der Times. Natürlich gehen nicht alle Agentenromane in diese Richtung, doch wer angesichts der Times-Formulierung eventuell erwartet, James-Bond-ähnliche Sexszenen in Hotelzimmern, im Flugzeug oder im-am-unter-auf-dem-Wasser zu lesen, wird enttäuscht. Mawers Roman kommt auch ohne große Explosionen und technische Spielereien mit Crash-Boom-Bang-Effekt aus. Und zwar ohne, dass etwas fehlt.


    Die Figuren in Die Frau, die vom Himmel sind keine unzerstörbaren Kämpfer für Gut und gegen Böse. Es sind Menschen wie wir, die in etwas hineingezogen wurden, was größer ist, als sie vielleicht jemals annahmen. Schachfigurartige Spieler in einer Realität, die sich verselbstständigt hat. In der nicht immer hundertprozentig klar ist, wer nun richtig oder falsch handelt. Die Feinde und Freunde oder zumindest wohlgesonnene Dritte nicht immer gleich auf Anhieb erkennen. Die Fehler und Schwächen haben.


    Die im Times-Zitat erwähnte Leidenschaft spiegelt sich für mich im Bezug auf die Tätigkeit der Agenten wieder. Zwar hat Marian ganz normale Bedürfnisse, doch die treten angesichts der Geschehnisse dezent in den Hintergrund. Stört das? Sicher nicht, zumal man die Gefahr, in der sie und ihre Mitstreiter schweben, gut nachvollziehen kann. Die latente, aber ständig vorhandene Angst wird greifbar.


    Fazit: 4ratten


    Laut Verlaggseite handelt es sich um einen packenden Roman über eine starke junge Frau, die Mut in gefährlichen Zeiten beweist, und eine »Casablanca«-gleiche Liebesgeschichte vor der Kulisse des historischen Paris. Doch nicht nur Casablancafreunde werden sich mit Die Frau, die vom Himmel unterhalten fühlen. Trotz der vorgenannten Punkte konnte ich das Buch nicht zur Seite legen, wollte wissen, wie es mit Marian weitergeht. Angesichts des historischen Kontextes blieb Mawers ja wenig Spielraum für den Ausgang der Geschichte im Bezug auf den Rest der Welt. Marians Schicksal jedoch konnte er bis zum letzten Kapitel ungewiss lassen. Im Gesamten betrachtet wirkte der Großteil der Geschichte eher abstrakt distanziert als wirklich aufwühlend auf mich. Sie macht dennoch nachdenklich und auf ganz eigene Art berührend fand ich Die Frau, die vom Himmel fiel allemal. Daher möchte ich für Mawers Roman vier von fünf Punkten dafür vergeben.


    Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)

    Da nicht für. Ich wünsche dir auf jeden Fall viel Erfolg und gute Besserung, bin mir jedoch in dem Fall sicher, dass es hilft.


    Du musst dir nur darüber im Klaren sein, das Tapen (genau wie andere Therapien) alleine auf Dauer nicht ausreicht. Taping - egal ob Aku- oder normales Kinesiotaping - sorgt dafür, dass man sich besser, leichter und schmerzärmer bis schmerzfrei bewegen kann, Fehlbewegungen vermieden und sagen wir mal gute Bewegungen (und noch ein paar andere Sachen) unterstützt werden. Das macht insoweit Sinn, als man sich oft vor Schmerzen ohne das Taping (oder andere Dinge wie pharmazeutische Produkte oder Massagen oder ähnliches) quasi gar nicht mehr regen kann. Das allerbeste und allerwirksamste Taping nützt jedoch nur etwas, wenn man zusätzlich entsprechenden Muskelaufbau in Form von Gymnasik betreibt. Der fällt aber wie gesagt wesentlich leichter, wenn der Alltag schmerzarm bzw. schmerzfrei ist.


    LG
    Ati

    Aku-Taping ist wie gesagt eine Weiterentwicklung vom Kinesio-Taping. Es hilft auch im Nacken- und Rückenbereich und dürfte vermutlich auch in deinem Fall einen Versuch wert sein, obwohl ich da natürlich nicht weiß, woher die Beschwerden kommen. Mein Bruder hat Probleme mit der Bandscheibe und Spinalstenose) und ihm hilft es. Eine Freundin leidet an chronischen Verspannungen, ihr hilft es ebenso.


    LG

    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Dres. med. H. U. Hecker & Kay Liebchen:
    Aku-Taping

    TRIAS
    ISBN13: 9783830468646
    ISBN10: 3830468644
    Fachbuch, Ratgeber Gesundheit
    3, überarbeitete und Auflage 2012
    Softcover, 128 Seiten
    [D] 19,99 €


    Verlagsseite http://www.trias-verlag.de


    Die Autoren, Dres. med. Hecker und Liebchen, beschäftigen sich beide mit Akupunktur. Hecker zudem mit Chinesischer Medizin, wozu er schon zahlreiche Publikationen in mehreren Sprachen veröffentlichte, mit Homöopathie und Naturheilverfahren. Liebchen befasst sich in seiner orthopädischen Praxis auch mit Osteopathie und. Eine besondere Form der Schmerzbehandlung stellt dabei sicher das von ihm und Hecker gemeinsam entwickelte Aku-Taping dar. Sowohl Hecker als auch Liebchen geben ihr Wissen nicht nur in Form von entsprechenden Fachbüchern, sondern auch in Seminaren weiter.


    Was ist der Unterschied zwischen Kinesio-Taping und Aku-Taping? Letzteres ist, wie man dem Buch Aku-Taping gleich nach Inhaltsverzeichnis und Vorwort entnehmen kann, eine Weiterentwicklung von Ersterem. Eine perfekte Ergänzung also zu dem zuvor besprochenen Buch Das Taping-Selbsthilfe-Buch von John Langendoen und Karin Sertel. Beide Bücher lassen LeserInnen an einem gelebten Erfahrungsschatz teilnehmen, der sowohl für Laien als auch für diejenigen interessant ist, die sich beruflich mit der Materie beschäftigten. Laien dürfte kein wirklicher Unterschied auffallen, orientieren sich doch beide Taping-Formen an Meridianverläufen und Akupunkturpunkten, verwenden dehnfähige Klebebänder in unterschiedlichen Farben und sind beide Erfolg versprechend bei gleichzeitig gemeinsamen Kontraindikationen. Es scheinen einfach verschiedene Begriffe zu sein und doch gibt es natürlich entsprechende Unterschiede. Praktischerweise sind beide Taping-Formen in ihren Grundzügen leicht auch von absoluten Laien lernbar, die sich dafür interessieren.


    In Aku-Taping findet man fünfundzwanzig Basis-Tapes, die vom Aufbau her modernen kinesiologischen Tapes ähneln, und mit denen man erfolgreich gegen eine Reihe von Beschwerden und Schmerzen vorgehen kann. Der Grund, aus dem die Autoren sich auf diese Zahl beschränken, liegt darin, dass sie mit dem 128 Seiten umfassenden Buch allenfalls auch für Laien geeignetes Basiswissen vermitteln können. Und auch hier sollte man im übrigen mindestens zu zweit einen Blick in das Buch werfen und zwar aus genau denselben Gründen wie bei Das Taping-Selbsthilfe-Buch von John Langendoen und Karin Sertel. Es gibt einfach Bereiche, die man selbst nicht erreicht.


    Die Autoren bieten leicht verständliche, ausführliche Informationen zu dem Thema. Beschreiben, worum es sich bei Aku-Taping handelt, gehen auf Vor- und Nachteile ein, die Taping ratsam oder weniger ratsam scheinen lassen. Man erfährt wissenswerte Tipps und Hinweise über die Beschaffenheit und Farben der Bänder. Auch in Aku-Taping kommen Vorteile und Wirkweise von Cross-Taping nicht zu kurz. Und nach einer Rundreise durch den menschlichen Körper schließt der erste Teil des Buches ab.


    Nebenbei bemerkt, auch in diesem Buch ist die Gestaltung wie bei dem zuvor besprochenen Das Taping-Selbsthilfe-Buch gehalten. Ein ganzseitiges Foto und ein farbiges Trennblatt schaffen einen harmonischen Übergang vom einen zum anderen Teil.


    Nach fünfzig die theoretische Hälfte beschreibenden Seiten gelangt man dann zum eher praktischen Anleitungsteil. In Aku-Taping findet man ebenfalls nützliche Tabellen zum Nachschlagen mit Beschwerdebildern von A – Z und die dazugehörigen Taping-Empfehlungen. Praktischerweise wird hier auch gleich der Verweis auf die entsprechende Anleitungsseite gegeben.


    Jede der fünfundzwanzig Anleitungen umfasst eine Doppelseite. Auf den geraden Seiten findet sich die schriftliche Anleitung, auf den Ungeraden dazu passende, durchnummerierte Fotos (je nach Erklärungsbedarf zwischen zwei und acht Stück, wobei eines immer das fertige Tape zeigt). Die schriftliche Anleitung teilt sich in einen Info-Bereich. In diesem wird angeführt, bei welchen Beschwerden das Tape angewendet wird, wie viele Streifen man benötigt und wo diese angebracht werden. Die Beschreibung ist hier sehr knapp gehalten, wird jedoch durch die Fotos so gut ergänzt, dass nicht wirklich etwas fehlt. Zudem beschreiben die Autoren das Anbringen direkt neben dem Infofeld etwas mehr, gehen dabei aber auch eine weitere wichtige und unterstützende Maßnahme ein: das Vordehnen des entsprechenden Anwendungsgebietes vor Anbringen des Tapes. Auf den Fotos sieht man übrigens auch, wie dieses auszusehen hat.


    Mit einem ganzseitigen Foto und dem farbigen Trennblatt geht es dann in den dritten Teil zum Cross-Taping. Die einzelnen Punkte werden beschrieben und fotografisch dargestellt, was das Anbringen der kleinen, hilfreichen Pflaster für Laien enorm erleichtern dürfte.


    Im Anhang findet man dann noch Hinweise für die Suche nach dem richtigen Therapeuten (falls man sich nicht persönlich an die Sache traut oder einfach niemanden hat, der einem notfalls helfen kann), Bezugsquellen für das benötigte Material und eine Schlussbemerkung. Denn selbst wenn man die Grundzüge von und mit Aku-Taping leicht lernen kann, gilt auch hier der kritische Blick, der vor Fehlern infolge falscher Anwendung oder Nichtbeachtung von Gegenanzeigen schützt. Man sollte sich immer vor Augen halten, was bei richtiger Anwendung gut hilft, kann bei falscher Anwendung nicht nur nicht helfen, sondern auch schaden.


    Fazit: 5ratten


    Auch hier gilt natürlich, dass das Buch weder eine Diagnose noch - je nach Art und Dauer der Beschwerde - einen erfahrenen Behandler ersetzt. Aku-Taping ist für mich ein gelungenes und für Laien empfehlenswertes Praxisbuch. Die Autoren vermitteln ihr Wissen lebendig und nachvollziehbar. Aku-Taping stellt eine Bereicherung für meine Bibliothek dar, da ich damit mein Wissen auffrischen und etwas erweitern konnte und zudem ein kleines Nachschlagewerk habe, das es mir erleichtert, dieses Wissen anzuwenden. Also, wer interessiert ist, einfach kaufen und lesen. Und dann heißt es probieren, probieren, probieren. Und wer die Wirkung dieser Behandlung noch nicht kennt, wird gewiss eine mehr als positive und angenehme Überraschung erleben.


    Copyright © 2012 by Antje Jürgens (AJ)


    Threadtitel-Icon entfernt. LG, Valentine

    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    John Langendoen & Karin Sertel:
    Das Taping-Selbsthilfe-Buch mit DVD

    TRIAS
    ISBN-13: 9783830439035
    ISBN-10: 3830439032
    Fachbuch, Ratgeber
    Flexcover, 250 Seiten mit DVD
    [D] 29,99 €


    Verlagsseite http://www-trias-verlag.de


    Mein persönliches Schmerzempfinden ist so, dass ich nicht augenblicklich zu Schmerztabletten oder entsprechenden Salben greifen muss und will. Allerdings plagt mich um diese Jahreszeit seit einem (Mehrfach-)Bruch ein eklatant schmerzhaftes Ziehen im Bereich der Achillessehne, welches trotz entsprechender Bewegungstherapie und/oder Akupunktur nicht wirklich nachlässt. Doch es gibt ja noch andere Behandlungsmöglichkeiten. 2004 verfolgte mein Arzt, nachdem ich eine Operation kategorisch abgelehnt hatte, zähneknirschend den Behandlungsverlauf besagten Bruches. Er belächelte meinen Enthusiasmus, mit dem ich auf den Vorschlag meines Physiotherapeuten einging, der mich tapen wollte. Dessen Chef, Thomas Metzger (Inhaber der physiotherapeutischen Praxis medVital in Schwäbisch Gmünd), hatte sich nicht nur bereits früh mit dieser Behandlungsform beschäftigt, sondern auch bei meinem Therapeuten ausbildungstechnisch ganze Arbeit geleistet. Der Behandlungserfolg verblüffte nicht nur meinen Arzt, sondern auch alle anderen, die über mein pink- und/oder türkisfarben beklebtes Bein samt Fuß gelacht hatten. Heute sieht man die Leute querbeet bunt beklebt herumlaufen. Vom einfachen Schüler, über Büroangestellte und Arbeiter, bis hin zum Leistungssportler. Von der Nase bis zum kleinen Zeh.


    Die Wirkung hat mich damals so verblüfft, dass ich, sobald es mir möglich war, einen Kurs belegt habe. Wirklich angewandt habe ich das Gelernte danach selten. Und deshalb tut eine Auffrischung dringend not. Nicht nur wegen meiner aktuellen ziehenden Schmerzen, auch weil man damit verschiedene Beschwerden quasi einfach wegkleben kann, indem man sich an Meridianverläufen und Akupunkturpunkten orientiert. Ich bestellte mir also entsprechende Tapes und bald darauf lagen sie vor mir, in den schönsten, leuchtendsten Farben. Ein paar Zentimeter breit, einige Meter lang. Das eher langweilige Schwarz und Beige einzelner Rollen unterstrich den leuchtenden Pinkton, das klare Blau, das giftige Grün, das appetitliche Brombeer oder das satte Rot der anderen. Allein angesichts der Farbenpracht der Aku-Tapes, auch Kinesio-Tapes oder einfach Tapes genannt, vergisst man schon fast das Zwicken und Zwacken, das einen laut Pharma-Werbung mit zunehmendem Alter zu plagen hat.


    Damit die schönen bunten Tapes jedoch nicht einfach nur schön waren, sondern auch ihre volle Wirkung entfalten konnten, bekamen meine Bücherregale zusätzlich Zuwachs in Form von zwei Büchern aus dem Hause TRIAS. Eins davon war Das Taping-Selbsthilfe-Buch mit DVD. In dem Gemeinschaftswerk von John Langendoen und seiner Frau Karin Sertel geht es um die Hilfe zur Selbsthilfe in Form von Taping. Die beiden Autoren sind unter anderem als Physiotherapeuten tätig und beide kamen 2002 erstmals mit kinesiologischem Taping in Kontakt. Langendoen wurde während der Fußball-WM durch die Behandler der koreanischen Nationalmannschaft damit infiziert, seine Frau wiederum von ihm. Zehn Jahre später wenden beide diese Behandlungsform nicht nur erfolgreich an, Langendoen unterrichtet sie darüber hinaus international in mehr als fünfzehn Ländern.


    Die beiden wissen also, wovon sie reden. In ihrem Das Taping-Selbsthilfe-Buch mit DVD lassen sie auch interessierte LeserInnen an ihrem Wissen teilhaben. Über 70 Anleitungen zum richtigen Anlegen von Tapes sollen nicht nur gegen Schmerzen grundsätzlich helfen, sondern auch bei über 160 Beschwerden (unter anderem etwa gegen Ödeme, Menstruations- oder Atemprobleme). Wobei sollen eindeutig die falsche Formulierung ist. Aus eigener Erfahrung weiß ich um die Wirksamkeit einer solchen Behandlung.


    Bevor man auf Seite 49 in zwei Tabellen jeweils von A bis Z etwas über Beschwerdebilder und die dafür geeigneten Tapes oder die in der Inhaltsangabe angekündigten 70 Tape-Anlagen, ihre Anwendungsgebiete und Kombinationsmöglichkeiten nachschlagen kann, sollte man sich durch die ausführlichen Informationen arbeiten.


    Die findet man im ersten Teil des Buches, von Inhaltsverzeichnis und Vorwort gut abgegrenzt durch ein ganzseitiges Foto und eine farbige Trennseite mit der Überschrift Was sie über Taping wissen sollten. Bereits die Lektüre dieser Informationen verweist auf das fundierte Wissen der Autoren. Hier erfährt man Grundsätzliches über die Einsatzmöglichkeiten und Kontraindikationen. Denn auch beim Taping gilt natürlich: Keine Wirkung ohne Gegenwirkung und so sollten beispielsweise Lernwillige mit Herzproblemen den Kontraindikationen Beachtung schenken, wenn sie ihren Lymphfluss anregen wollen, um im Do-it-yourself-Verfahren gegen Wassereinlagerungen vorzugehen. Beachtet man die Warnhinweise, hat man jedoch tatsächlich eine Behandlungsform ohne Nebenwirkungen für sich entdeckt (sofern man sie noch nicht persönlich kennt). Man erfährt etwas über die Wirkweise, die Funktion und die Entwicklungsgeschichte. Doch damit nicht genug. Das Autorenduo geht ebenso ausführlich auf die Materialien, die Herstellung, den Tragekomfort, vorherige Enthaarung, Tragedauer und Entfernung der Tapes ein. Oder auf die Wirkweise der Farben, wobei grundsätzlich fürs Tapen jede Farbe genutzt werden kann. Ab Seite 35 widmen sie sich der Vorbereitung der Tapes (etwa Abmessen und Zuschneiden), der Suche nach der Ausgangs- und Endstellung der Tapes oder geben Tipps zur Fehlervermeidung.


    Dann beginnt der zweite Buchteil, wieder gut abgegrenzt durch ein ganzseitiges Foto sowie eine farbige Trennseite mit der Überschrift Alle Tape-Anlagen von Kopf bis Fuß. Es wird auf sechs Basis-Tapes, elf Fuß- und Unterschenkel-Tapes, dreizehn Knie- und Oberschenkel-Tapes, siebzehn Brust-, Bauch- und Rücken-Tapes, sieben Hand- und Finger-Tapes, sieben Ellbogen- und Unterarm-Tapes, acht Schultergürtel-Tapes, sieben Halswirbelsäulen-Tapes und vier Tapes am Kopf bzw. im Gesicht eingegangen. Bei einem der Hüftgelenks-Tapes umfasst die Anleitung vier Seiten, ansonsten widmen sich je zwei Seiten einem Tape.


    Auf den geraden Seiten findet man dabei die schriftliche Anleitung, auf den ungeraden entsprechende Fotos. Die Anzahl dieser Fotos variiert je nach Anleitung zwischen drei und sieben Stück. Die Größeren zeigen dabei jeweils das fertige Tape. Die Kleineren, zum besseren Verständnis unten links nummeriert, den Aufbau. Der schriftliche Teil daneben ist fast rezeptartig aufgebaut. Nach der jeweiligen Bezeichnung des Tapes, und dem Hinweis, warum man es wo einsetzt, folgt eine kleine Einleitung. Dann kommt linksseitig quasi die Zutat (wie viele Tape-Streifen, welche Zuschnittsform, Anwendungsdauer, wie viel Zug auf das Tape gebracht werden darf), sowie mögliche Kombi-Tape-Bezeichnungen. Überaus praktisch empfinde ich hier die kleinen Zeichnungen zu den benötigten Tapes/Tape-Zuschnitten. Rechtsseitig folgt dann die ausführliche Anleitung, die durch die nachfolgenden Bilder lehrreich unterstützt wird.


    Ein weiteres ganzseitiges Foto sowie eine farbige Trennseite schaffen die Abgrenzung oder den Übergang zum dritten Buchteil. Wie die Autoren von Aku-Taping beschäftigen sich auch Langendoen und Sertel mit Sonderpunkten, gehen auf Gitter-Tapes und ihre Anwendung sowie deren unterstützende Wirkung ein. Man erfährt, dass die Gitter-Tapes auch durch andere kleinere Pflaster ersetzt werden können, bzw. durch welche. Sodann widmet sich das Autorenduo auf vierzehn Seiten den dafür in Frage kommenden Punkten. Wer bis jetzt noch nichts darüber wusste, kennt nach der Lektüre den einen oder anderen Meridian- und Akupunkturpunkt oder relevante Nervenstellen.


    Abschließend enthält Das Taping-Selbsthilfe-Buch mit DVD auch Hinweise auf Tapemarken, ihre Erhältlichkeit, auf Kurse oder Therapeuten und etwaige Kosten. Eine Danksagung, eine Schlussbemerkung und ein Stichwortverzeichnis rundet alles ab.


    Alles? Nicht ganz. Denn ganz am Schluss, schon auf dem hinteren Vorsatzpapier des Buches findet man nochmals eine kleine Fotoserie mit den Top Ten von Selbsthilfe-Tapes und direkt gegenüber natürlich die in einer kleinen Plastikhülle steckende DVD, auf der man eben diese Top-Ten-Tapes vorgeführt bekommt.


    Allerspätestens beim Ansehen der DVD wird klar, dass man zwar vielleicht nicht alle Tapes im Alleingang für sich selbst anlegen kann. Selbsthilfe bedeutet jedoch nicht automatisch, dass man alles immer selbst an sich machen muss oder kann. Helfende Hände sind manchmal durchaus nötig. Doch nicht immer müssen diese zu perfekt ausgebildetem Fachpersonal gehören. Wadenwickel oder Verbände können schließlich auch nicht nur Krankenschwestern anlegen.


    Fazit: 5ratten


    Ein sehr gut gelungenes Lehr- und Praxisbuch, in dem fundiertes Wissen lebendig vermittelt wird. Einen Arzt ersetzt es natürlich nicht. Länger anhaltende und vor allem unklare Beschwerdebilder sollten zuvor fachmännisch abgeklärt werden. Dennoch hält man mit Das Taping-Selbsthilfe-Buch mit DVD eine wertvolle Hilfe zur Selbsthilfe in der Hand, die man mit Sorgfalt umsetzen sollte. Und wer einmal davon infiziert ist, wird vielleicht auch noch den einen oder anderen Kurs belegen. Notwendig ist das jedoch dank der bildhaften Darstellung wie auch anhand der leicht nachvollziehbaren Beschreibungen im Buch nicht zwingend. Das Buch zeigt, dass man die Grundzüge des Tapens relativ leicht lernen kann. In Das Taping-Selbsthilfe-Buch mit DVD wird gleichermaßen kompakt wie ausführlich elementares Wissen über diese Behandlungsform vermittelt, was das Buch nicht nur für Fachleute, sondern auch für interessierte Laien überaus aufschlussreich macht. Ein empfehlenswertes Buch und eine Bereicherung für mein Buchregal. Jetzt muss ich mir nur noch neue Tapes besorgen. Die sind nämlich schon alle aufgebraucht. Nicht nur weil ich mir durch das Tapen meines Unterschenkels und Fußes in Kombination mit Akupunktur selbst geholfen habe, sondern auch und vor allem weil mir die vielen Anleitungen so Spaß gemacht haben, dass ich mir alle möglichen Übungsopfer gesucht habe. Lesen allein hilft ja bekanntlich nicht, man muss üben, üben, üben. Und das geht mit diesem Lehr- und Praxisbuch sehr gut.


    Copyright © 2012 by Antje Jürgens (AJ)


    Threadtitel-Icon entfernt. LG, Valentine