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    Werner Karl: Danger Zone - Science Fiction Stories
    tredition
    ISBN13: 9783842400917
    ISBN10: 3842400918
    Kurzgeschichten, Science Fiction
    1. Auflage 2011
    Taschenbuch, 188
    [D] 13,49 €


    Verlagsseite http://www.tredtion.de
    Autorenseite http://www.wernerkarl.org/index.html


    Obwohl ich an und für sich keinem Genre gänzlich abgeneigt bin, zählte und zählt Science Fiction nicht zu meinen Favoriten. Zu abgehoben sind mir viele der Geschichten, zu schleimig habe ich manchen Alien im Hinterkopf (warum das immer so zugehen muss, ist mir ein absolutes Rätsel). Von den für mich abstrus, weil nicht nachvollziehbar, wirkenden technischen Erklärungen, die man darin oft findet, ganz zu schweigen.


    Nichtsdestotrotz bin ich 2010 auf Werner Karl, den Verfasser der vor mir liegenden, in Buchform abgefassten Kurzgeschichten, gestoßen. Der in Nürnberg geborene Autor lebt heute in Bayern. Hauptberuflich in der Druckindustrie tätig, widmet er seine Freizeit seit fast einem Jahrzehnt der Liebe zum Schreiben. In seiner Funktion als Chefredakteur von buchrezicenter.de verfasst er Buchbesprechungen zu den Genres Fantasy und Science Fiction. Daneben schreibt er jedoch auch eigene Kurzgeschichten und Romane.


    Seine Liebe zu diesem Genre entstand in den 1970ern, als er sich die Folgen einer US-TV-Serie mit dem Namen „The Twilligt Zone“ im Fernsehen ansah. Die in Danger Zone - Science Fiction Stories enthaltenen Kurzgeschichten sind denn auch als Hommage an diese Serie zu sehen. Darauf wird sowohl im Vorwort als auch auf der Buchrückseite hingewiesen. Wie man dem Inhaltsverzeichnis entnehmen kann, enthält das Buch eine Auswahl von zwölf Geschichten, die in den Jahren 1997 bis 2010 entstanden sind. Vier von Ihnen wurden in SF-Fanzines (SOLAR-X bzw. SOLAR-TALES) veröffentlicht, ein Teil im Rahmen von Wettbewerben auf diversen Websites eingestellt. Drei von ihnen sind ausschließlich in Danger Zone - Science Fiction Stories zu lesen.


    Wer die Geschichten nicht mühsam im Netz zusammensuchen möchte, gleichzeitig aber keinen Wert auf ein gedrucktes Buch legt, kann die zwölf Geschichten auch in Form eines E-Books bei tredition erwerben (ISBN 9783868508048).


    Da ich um Sci-Fi jedoch im Allgemeinen einen Bogen mache, weil mir vor dem Kauf grundsätzlich entgeht, ob es sich um Hardcore-Sci-Fi handelt oder nicht, war mir keine der Geschichten bekannt, als der Autor mich im April 2010 fragte, ob ich nicht Interesse daran hätte, eine Illustration zu der einer oder anderen anzufertigen. Und da mein zweiter Vorname statt Kerstin eigentlich Neugier heißen müsste, vertiefte ich mich kurz darauf in die mir zu diesem Zweck überlassenen Leseproben.


    Gleich vorab: Ich wurde nicht enttäuscht. Angenehm überrascht trifft es da eher.


    Die erste Geschichte handelt vom ersten Menschen. In Anlehnung an die Bibel tritt er quasi im Paradies auf. Doch davon handelt die Geschichte nur bedingt, widmet sie sich doch eher der Entstehung seines Bewusstseins auf dem Weg ins Leben. Und, wieder in Anlehnung an die Akzeptanz einer göttlichen Macht, geht das Buch auch zu Ende; mit einer Geschichte, um einen kosmischen Neubeginn, dem zunächst einmal die Zerstörung von Bestehendem zugrunde liegt.


    Dazwischen geht es in Danger Zone - Science Fiction Stories natürlich auch um Raumsoldaten und Weltraumschlachten. Glücklicherweise (für mich) ergeht sich der Autor dabei jedoch nicht in zu ausführlichen Beschreibungen futuristischer Technologie oder wissenschaftlicher Annahmen. Und erfreulicherweise (ebenfalls für mich) handelt auch nur der kleinste Teil der zwölf Geschichten speziell davon.


    In dem ewigen Kampf zwischen Gut und Böse lässt er seine Figuren, ob nun der Menschheit oder anderen Spezies angehörend, eher über diverse Dinge philosophieren. Man findet Geschichten über Neubeginn und Rettung. Solche, die von Ängsten und Hoffnungen handeln, von geschenkter Unsterblichkeit und übernatürlichen Fähigkeiten. Natürlich kommen Außerirdische vor, nur nicht unbedingt so, wie ich sie mir bisher vorgestellt hatte. Es ist eher wie bei dem Spruch, dass man im Ausland eben auch zum Ausländer wird. Es wimmelt von Mutanten in Form von Emphaten und Gestaltwandlern, nicht zu vergessen sind die jene, die telepathische Fähigkeiten haben, die manipulieren oder sich mal eben kurz teleportieren könnten. Sie alle haben mehr oder weniger tiefe Gefühle, können Schmerz empfinden und Angst. Für viele von ihnen wird neben dem Raum auch die Zeit zu einem relativen Begriff.


    Kurzweilig, stellenweise humorvoll, beschreibt Karl Welten und Wesen, die trotz ihrer fantastischen Existenz authentisch wirken. Welten und Wesen, die sofort klare Bilder vor meinem inneren Auge entstehen ließen. Nicht für alle geht die jeweilige Geschichte gut aus. Es gibt Opfer, die nicht per se gut sind, und Täter, deren Motivation nicht immer aus dem Bösen heraus entsteht, manches geschieht aus Missverständnissen heraus. Endgültig ist das, was passiert, jedoch meistens und für die Menschheit sieht es schlecht aus.


    Wie man all dies sieht, überlässt der Autor einem selbst. Seine Geschichten haben einen durchaus nachdenklich machenden Touch. Irgendwie scheint der Wunsch darin verwoben, durch das Drücken einer Art Reset-Taste, den momentanen, realen Verlauf durchbrechen zu wollen. Die Einsicht, dass der Mensch das größte Problem darstellt. Dass Angriff die beste Verteidigung sein soll, wird in mehr als einer Geschichte klar, während gleichzeitig durchklingt, dass es auf die Betrachtungsweise ankommt, ob man das nun gut oder weniger gut empfindet.


    Es gibt den einen oder anderen kleinen Logikfehler, die eine oder andere Länge. So ergeht sich der Protagonist in der Geschichte Spring in fast zu ausführlichen Überlegungen. Diese wirken zudem etwas weit hergeholt. Andererseits: Wer weiß schon, wie wir uns tatsächlich in so einem Fall verhalten würden. Der Schreibstil von Werner Karl ist klar und flüssig, die Kapitel mehr oder weniger kurz gehalten. Fast durchweg alle haben sich recht schnell lesen lassen.


    Etwas störend hat in dem Buch der jeweilige Copyright-Vermerk am Ende der jeweiligen Geschichte auf mich gewirkt. Das hätte in meinen Augen nur notgetan, wenn mehrere Autoren ihre Beiträge in dem Buch veröffentlicht hätten.


    Fazit: 4ratten


    Kurzweilige Lektüre für SiFi-Fans und solche, die es werden wollen. Und für LeserInnen wie mich: Die neugierig in alle Genres spähen und dabei immer wieder Lesenswertes finden - wie beispielsweise Werner Karls Danger Zone - Science Fiction Stories, denen ich trotz kleinerer Schwächen vier von fünf Punkten geben möchte.


    Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)

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    Daniel Höra: Braune Erde
    bloomsbury
    ISBN 13: 9783833350993
    ISBN 10: 3833350997
    Jugendbuch (14 – 17 Jahre)
    1. Auflage 09/2012
    Taschenbuch, 302 Seiten
    [D] 8,99 €


    Verlagsseite http://www.berlinverlag.de/


    Kennen Sie bloomsbury? Nein? Nun, dann sollten Sie vielleicht einen Blick auf deren Homepage werfen. Im Februar hat Piper den deutschen Zweig Berlin Verlag/Bloomsbury Berlin übernommen, doch bereits davor war er Lesern anspruchsvollerer Jugend- und Kinderliteratur ein Begriff.


    Im September 2012 kam dank bloomsbury der neue Roman von Daniel Höra mit dem Titel Braune Erde in den Verkauf. Damit verlegt bloomsbury bereits den dritten Roman des Autors, der 2009 für sein Debüt Gedisst Lob einheimste, 2011 mit seiner Dystopie Das Ende der Welt nachlegte und mit dem momentan aktuellen Roman Braune Erde erneut mehr als einen Leser erschüttern wird - und zwar nicht nur in der vom Verlag vorgeschlagenen Altersgruppe (14 - 17 Jahre). Wobei genau genommen sein wirklicher Debütroman bereits im Jahr 2001 unter dem Pseudonym Daniel Knüllmann und mit dem Titel Moya! erschien.


    Daniel Höra wurde 1965 in Hannover geboren, seine berufliche Laufbahn liest sich bewegt. Er war Möbelpacker und Altenpfleger, Taxifahrer und TV-Redakteur, bevor er als freier Autor tätig wurde. Dass er einen kritischen Weltblick hat, bewies er bereits mit seinem bloomsbury-Debüt Gedisst. Und so wundert es nicht, dass er nach den fragwürdigen Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Zwickauer Trio das Thema Rechsextremismus aufgreift. Viele werden bei dem Thema automatisch Neo-Nazis vor Augen haben, die für ihre Gewaltbereitschaft bekannt sind. Doch die rechte Szene ist viel vielschichtiger. Der weitaus größere Teil von ihnen bleibt eher unauffällig.


    Besagtes Terrortrio und die Pannen der ermittelnden Behörden bleiben in Braune Erde komplett außen vor. Höra beschreibt darin die gewaltbereite rechte Szene, doch es kommen ebenso scheinbar nette, um Gemeinschaft und Freundschaft bemühte, sogenannte völkische Siedler darin vor, die nicht weniger gefährlich sind.


    Das muss Ben lernen. Der Fünfzehnjährige lebt nach dem Unfalltod seiner Eltern bei Verwandten in einem Dorf ohne Perspektiven in Mecklenburg. Immer mehr Anwohner ziehen weg. Vereine gibt es genauso wenig wie ein Lebensmittelgeschäft, eine Postagentur oder irgendetwas anderes, was die Dorfgemeinschaft fördern könnte. Fast jeder ist arbeitslos. Man bleibt für sich und auch Ben ist ein unscheinbarer Junge, der gerne liest und viel alleine ist. Einzig mit einem Künstler Georg pflegt er so etwas wie eine engere Freundschaft. Zumindest bis ein Ehepaar mit ihrer Tochter und ein Witwer mit zwei Söhnen nach Bütenow ziehen. Sie haben ein altes Herrenhaus gekauft, wollen sich als Biobauern selbst versorgen.


    Während die Neuankömmlinge anfangs von den wenigen Dorfbewohnern eher misstrauisch beäugt werden, schließt Ben schnell Freundschaft mit ihnen. Zum einen findet er Freya, die Tochter von Reinhold und Uta nicht nur hübsch, sondern auch nett. Zum anderen liest Reinhold offenbar genauso gern wie er. Der Witwer Hartmut kommt ihm zwar etwas seltsam vor und seine Zwillinge Konrad und Gunther sind auch etwas gewöhnungsbedürftig. Doch während Ben sich bei seinen Verwandten eher unwillkommen und lästig vorkommt, fühlt er sich bei den Neuen im Dorf an- und vor allem ernst genommen.


    Vielleicht hört und sieht er deshalb nur selektiv, was die so von sich geben. Im Herrenhaus ist zwar ständig die Rede von der Globalisierung und ihren Folgen für das deutsche Volk, dem Verfall deutscher Werte und Vergessen deutscher Tugenden, doch Uta kümmert sich mütterlich um Ben. Die Zwillinge Konrad und Gunther, nur unwesentlich älter als Ben, interessieren sich zwar extrem für Waffen, prophezeien das Ende des Staates, einen kommenden Krieg, eine Revolution. Aber sie beschützen ihn auch und sorgen mit ihren Aktionen dafür, dass die zuvor immerwährende Langeweile und Trostlosigkeit durchbrochen wird. Dass die vermeintlich vernünftigen Aussagen im Bezug auf Ausländer, Kriminelle oder auch Politiker sehr einseitig sind, verdrängt Ben großzügig, weil er es sich mit seinen neuen Freunden nicht verscherzen möchte. Immerhin vertreten sie doch auch Werte, die den meisten Leuten, die Ben kennt, völlig abhandengekommen sind. Auch ihm selbst, wenn er ehrlich zu sich ist. Dazu gehört unter anderem Nachbarschaftshilfe. Familie wird groß geschrieben. Die Neuen nehmen nicht nur ihn herzlich auf, sie sorgen auch im Dorf für frischen Wind. Sie kümmern sich um andere, organisieren die Reinigung und Restauration eines Gemeinschaftshauses, gründen eine Tanzgruppe, unterrichten die Frauen in alten Handarbeitstechniken, die Männer im alten Handwerk.


    Dass der frische Wind einen überaus fauligen Geruch in sich trägt, wird Ben erst so richtig bewusst, als er bereits viel zu tief in Dinge verstrickt ist, die sich zunehmend verselbstständigen. Und auch das gesamte Dorf scheint sich gegen den braunen Sog nicht wehren zu können, gründet mit den Herrenhausbewohnern eine Bürgerwehr und macht Jagd auf angebliche polnische Diebe. Georg, der Einzige, der laut seine Kritik an den Herrenhausbewohnern und allen Vorkommnissen äußert, wird ausgegrenzt und mit Lügen kaltgestellt. Alle fühlen sich dank Reinhold und seinen Herrenhausmitbewohnern stärker und sicherer. Das eine oder andere stößt ihnen zwar etwas sauer auf, doch warum etwas unternehmen, immerhin passiert ja nichts Schlimmes.


    Wie sehr sie sich damit irren, muss Ben eines Tages beobachten. Erst dadurch wird er wach. Doch an wen soll er sich jetzt noch wenden? Wer soll ihm glauben, was er beobachtet hat? Er flieht und die, die ihn anfangs herzlich in ihrer Mitte aufnahmen, jagen ihn gnadenlos.


    Das alles erfahren die LeserInnen aus der Sicht von Ben selbst. Er erzählt die Geschichte. In neun, mit passenden Überschriften versehenen Kapiteln, lässt er uns jeweils vorab an seinen Gedanken, seiner Angst teilnehmen, die er während seiner Flucht fühlt. Anschließend lässt er in jeweils mehreren Unterkapiteln eine ausführlichere, chronologische Schilderung der Geschehnisse folgen, die zu eben dieser Flucht führten. Auch die letztendlich daraus resultierenden Nachwehen lässt er nicht außen vor.


    Das langsame Begreifen Bens, aber auch der Dorfbewohner, ist von Höra überaus nachvollziehbar dargestellt. Wer keine Perspektiven zu haben scheint, wünscht sich irgendwo dazuzugehören. Wer in unserer Leistungsgesellschaft keine Bestätigung bekommt - und nicht nur den Arbeitslosen in Bütenow fehlt genau die - sucht sie sich anderswo. Wer gnadenlos im täglichen, persönlichen Hamsterrad steckt, will sich nicht permanent auch noch mit vermeintlichen Pseudoproblemen beschäftigen. Und obwohl man durchaus versteht, wie empfänglich (nicht nur) Ben für die rechte Verführung sein muss, möchte man ihn von dort wegziehen, an die Stirn fassen, ihn angesichts seiner Blindheit anschreien. Dass die Erwachsenen ebenso leichtgläubig und blauäugig reagieren, nicht merken, wie tatsächlich lebenswerte Ansätze pervertiert und sie selbst manipuliert werden, erschüttert.


    Undenkbar, dass man selbst in so eine oder eine vergleichbare Situation kommen könnte! Wirklich? Ist man selbst so stark, dass man den Mund aufmacht, wenn das Umfeld begeistert mitmacht? Kann man den Unterschied zwischen einer an sich guten Grundidee und der pervertierten Fortführung dieser Idee wirklich immer gleich erkennen? Merkt man immer gleich, wenn man manipuliert wird?


    Gleich anfangs nimmt Bens Geschichte gefangen. Und mit jeder Seite, die ich las, wuchs mein Unbehagen, steigerte sich mein Entsetzen. Nicht nur wegen dem, was Höra so nachdrücklich schildert, auch weil Erinnerungen an Erlebnisse wach wurden, die ich selbst an der Seite von ausländischen Freunden erleben musste. Sei es die mit „Ausländer raus“ beschmierte Hauswand, sei es eine Hetzjagd durch die Schorndorfer Innenstadt oder entlang der Neckartalstraße von Bad Cannstatt nach Stuttgart-Münster. Das Einzige, was meine Freunde gemacht hatten, war dort zu wohnen oder entlangzugehen, einen ausländischen Namen zu tragen (der an der Klingel zu lesen war) oder südländisch auszusehen. Einmal wurde eine Scheibe meiner Wohnung eingeworfen, weil ich die Polizei gerufen hatte, nachdem ich zufällig mitbekommen habe, wie einige Rechte eine junge Ausländerin bedrängten. Bei all diesen Gelegenheiten bin ich glimpflich davon gekommen, das unangenehme Gefühl und die Erinnerung an diejenigen, die damals weggesehen haben, habe ich jedoch bis heute nicht vergessen.


    Genau wie das unangenehme Gefühl, das aus dem Wissen resultiert, wer alles ganz im Allgemeinen rechtes Gedankengut für gut oder ganz akzeptabel befindet. Von außen sieht man diesen Leuten das nicht an. Egal, ob es die nette ältere Dame aus der Straße, die freundliche Angestellte der Krankenkasse, der engagierte Lehrer, der hilfsbereite Rechtsanwalt, der coole Automechaniker oder der kumpelhafte Arbeitskollege ist. Das wurde erst bei einigen ausführlicheren Unterhaltungen oder auch einem Blick auf Musik-CDs oder Büchersammlungen klar. Ich habe damals in keinem rechtsradikalen Brennpunkt gelebt. Es war eine Gegend, die durchaus über ein funktionierendes Gemeinwesen und Perspektiven verfügt. Tatsächlich bin ich trotz meiner negativen Erfahrungen weniger gewaltbereiten Skins als braun denkenden Normalos begegnet. Und noch mehr Leuten, die sahen und wegsahen – sei es (verständlicherweise) aus Angst oder weil sie dachten, dass das alles ja nicht so schlimm sein kann und weil ja vielleicht etwas Wahres an den Ansichten dran sein könnte.


    Auf welch fruchtbaren Boden bestimmte Ansichten fallen können, wenn sowohl das funktionierende Gemeinwesen wie auch Zukunftsperspektiven fehlen, zeigt Höra in seinem Roman Braune Erde. Es muss nicht zwangsläufig so laufen, dennoch besteht diese Gefahr sehr real. Nicht nur in Bütenow. Der Autor hebt nicht besserwisserisch den Zeigefinger. Dennoch stößt er LeserInnen mit der Nase darauf, wie wichtig Hinsehen ist. Dass man sich der Thematik stellen muss, wenn man nicht will, dass man selbst oder jemand der einem nahe steht in eine vergleichbare Situation abrutscht. Ob man es dann verhindern kann, steht auf einem anderen Blatt. Doch es ist wichtig, kritisch zu sein gegenüber einem Phänomen, das bedauerlicherweise nicht auf ein einzelnes Land beschränkt ist. Paradoxerweise arbeiten Rechtsradikale auch Nationen übergreifend zusammen, wenn sie gemeinsame Opfer auserkoren haben. Sei es, weil sie einer Minderheit angehören, die sie bekämpfen wollen. Oder weil sie einfach manipulierbar sind und quasi zu Werkzeugen einer perfiden Ideologie umfunktioniert werden können.


    Fazit: 5ratten


    Ein empfehlens- und lesenswerter, erschütternder und bedrückender Roman, der am Ende trotz der Thematik einen kleinen Hoffnungsschimmer erkennen lässt und dem ich fünf von fünf Punkten geben möchte.


    Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)

    Wer klar strukturierte Handlungsverläufe braucht, wird mit Der Duft von Erde und Zitronen der Schriftstellerin Margherita Oggero keine Freude haben. Doch wer grundsätzlich denkt, dass anders keine Spannung in einer Geschichte entstehen kann, der irrt eindeutig. Einen Beweis dafür liefert die 1940 in Turin geborene und heute noch dort lebende Autorin des gerade vor mir liegenden Romans. Oggero arbeitete als Pädagogin und begann erst spät zu schreiben. Seit 2002 sind neben einem Bildband und einem Sachbuch auch fünf Kriminalromane entstanden, von denen wiederum zwei verfilmt wurden, und die in die italienischen Bestsellerlisten gelangten. An den Drehbüchern dazu wirkte die Autorin ebenfalls mit. Darüber hinaus wurde 2011 ein Kinderbuch von Oggero veröffentlicht.


    Der 2011 im Original herausgegebene Roman L’ora di pietra (übersetzt etwa Die steinerne Stunde), erschien in deutscher Übersetzung im Mai 2012 bei DVA unter dem Titel Der Duft von Erde und Zitronen. Das Cover zeigt eine Frauengestalt/Mädchengestalt, das halb mit dem Rücken zum Betrachter steht. Sie sieht, mit einem Kaffeebecher in der Hand aus dem Fenster. Auf dem Sims stehen ein paar Glasflaschen, die Sonne scheint. Das Bild wirkt in seiner Farbwahl mediterran und die Szene an sich sehr friedlich. Der Inhalt von Der Duft von Erde und Zitronen ist jedoch alles andere als das, obwohl der Roman im Ganzen leise und unaufgeregt daherkommt.


    Das Mädchen vor dem Fenster steht für Lucia, die eigentlich Imma heißt. Dass ihr Vater ihre Mutter ständig betrogen und dann verlassen hat, hat Immas Mutter kaputtgemacht. Sie schafft fortan den Alltag nur mit Beruhigungsmitteln und viel zu früh wird sie durch einen Unfall aus dem Leben gerissen. Die Unfallfahrer gehören zu einem Camorra-Clan, doch werden sie dafür nie zur Rechenschaft gezogen. Die Geschichte spielt in Italien, in der die Familie groß geschrieben wird. Deshalb kommt Imma als Halbwaise zu Ihren Großeltern und Onkeln und wird von diesen großgezogen. Der Schock über den Tod Melinas lässt Imma für lange Zeit verstummen. Zwar findet sie ihre Sprache wieder, doch gilt sie da bereits als sonderbar. Und so bleibt sie größtenteils alleine, geht stundenlang spazieren geht und lebt in einer eigenen Gedankenwelt lebt. Zufällig beobachtet sie auf einem ihrer Streifzüge eine Vergewaltigung und einen Mord. Täter ist der Sohn des Clanchefs der Camorra, der über ihrem Dorf herrscht. Völlig verstört vertraut sie sich niemandem an. Nur kurz danach wird sie selbst von dem gleichen Täter angegriffen und wehrt sich mit einem Stein. Als sie sich schließlich ihrer Familie anvertraut, sieht diese nur einen Ausweg in der Flucht. In einer Nacht- und Nebelaktion kommt Imma zu einer entfernten Tante, die selbst in gewisser Weise auf der Flucht vor ihrer eigenen Familie ist. Imma lebt fortan ein Leben im Verborgenen. Während ihrer Tante arbeitet, verfolgt sie das Leben durch ein Fenster. Sie darf nicht nach draußen, denn die Arme der Camorra reichen weit. Willkommen ist sie bei Tante Rosaria nicht wirklich, hat diese doch genug eigene Probleme. Erst nach und nach finden die beiden zusammen. Erfahren, was der andere durchgemacht hat. Was er sich erträumt und wünscht. Als Imma eines Tages aus ihrem Versteck ausbricht, und sei es jeweils auch nur für wenige Stunden und mithilfe eines gefundenen Ersatzschlüssels der Wohnungstür, tut sich eine neue Welt auf. Sie verliebt sich nicht nur in Paolo, er vermittelt ihr auch Schätze – Bücher, in denen es um Gefangene wie sie selbst geht. Doch mit jedem Ausflug zum Markt, auf dem Paolo für seinen Onkel diese Schätze anbietet, wird die Gefahr einer Entdeckung größer.


    Was jetzt so linear in Kurzform von mir wiedergegeben wurde, wird von Oggero allerdings ganz anders aufgebaut. Sie erzähltDer Duft von Erde und Zitronenaus verschiedenen Perspektiven, taucht von der Vergangenheit in die Gegenwart und wieder zurück. Mal kommt Imma selbst zu Wort, mal ein Erzähler, der die Geschichte von Rosaria und die zu ihrer Vergangenheit gehörenden Figuren beschreibt oder derer, die zu Imma gehören. Die Geschichte wirkt anfangs fast fragmentiert, die Figuren nicht wirklich zusammengehörend, deren Schicksale und Handlungen willkürlich niedergeschrieben. Das liegt daran, dass Der Duft von Erde und Zitronen von hinten nach vorne aufgerollt wird. Dennoch offenbart sich auch so sukzessive, warum Imma bei ihrer Tante lebt, warum sie sich verstecken muss und auch, wie Rosaria so geworden ist, wie sie sich Imma gegenüber verhält. Oggero verliert bei den ganzen Perspektiv- und Zeitwechseln nie den roten Handlungsfaden, webt darüber hinaus ein überaus authentisches Bild und verknüpft geschickt die fragmentierten Handlungssplitter und Figuren - und davon gibt es einige.


    Der Erzählstil Oggeros wirkt sachlich und distanziert. Kurze Sätze, knappe Formulierungen. Dabei fehlt jedoch nichts. Denn mit beidem schafft die Autorin ein klares Bild. Nicht nur im Bezug auf die Situationen, in der sich die beiden ungleichen Hauptfiguren Imma und Rosaria oder auch die tote Melina befinden. Auch im Bezug auf die Umgebung und Lebensweise. Die 13jährige Imma erscheint viel zu alt für ihr tatsächliches Alter, was angesichts ihrer Erlebnisse und Erfahrungen jedoch nicht unglaubwürdig wirkt. Rosaria verbittert und kalt. Melina verzweifelt und depressiv. Der Rest der Figuren teils fatalistisch. Der komprimiert wirkende Schreibstil der Autorin unterstreicht die unaufgeregte, zunehmend spannungsgeladene Dramatik und Traurigkeit, die den Roman Der Duft von Erde und Zitronen bestimmen. Ein Geruch den Imma früher geliebt und der sich mit dem Erlebten für immer mit diesen Ereignissen verbunden in ihr eingebrannt hat.


    Im Klappentext steht: „Ein Mädchen in einem Versteck - ein Fenster in die Welt - ein Buch, mit dem das Leben beginnt.“ Dies gibt sehr gut wieder, worum es in Der Duft von Erde und Zitronen geht. Wenngleich der letzte Satz eher auf den offen gestalteten Schluss der Geschichte ausgelegt ist. Immas Leben beginnt, als sie dank Paolo Das Tagebuch der Anne Frank bekommt. Und danach noch weitere Bücher, über Gefangene wie sie selbst. Und dank dieser Bücher wird ihr klar, dass sie handeln muss. An dem Punkt, an dem letztlich alle Handlungsfäden schlüssig von der Autorin verwoben werden, wird Imma eines klar: Sie selbst hält mit ihrem Schweigen und ihrer Angst vor den Racheaktionen des Camorra-Clans den Schlüssel zu ihrem Gefängnis in Händen. Und nur sie selbst kann sich aus ihrem Gefängnis befreien.


    Fazit:


    Ein lesenswerter, unaufgeregter und nachdenklich machender Roman. Trotz seiner Distanziertheit einfühlsam geschrieben, berührt er LeserInnen, die sich darauf einlassen, unwillkürlich. Eine Geschichte über Einsamkeit. Sehnsucht nach der Heimat, nach der Familie, aber vor allem nach Freiheit. Über verschiedene Leben, die eigentlich vordergründig keine Perspektiven haben. Und darüber, dass es diese eben doch gibt. Eine Geschichte, der ich fünf von fünf Punkten geben möchte.


    Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)

    Die Biografie von Rainer M. Schröder, Verfasser des vor mir liegenden Romans ist bewegt und umfangreich. 1951 in Rostock geboren und Ostberlin aufgewachsen, konnte Schröder mit seiner Familie noch vor dem Mauerbau in den Westen flüchten. Er durchlief eine Operngesangsausbildung, war bei der Luftwaffe und Lokalreporter einer Tageszeitung. Doch damit nicht genug. Bevor er als freier Autor tätig wurde, studierte er Jura und nebenbei noch Theater-, Film und Fernsehwissenschaften und arbeitete als Theaterautor und Verlagslektor. Schröder zog in die USA und nach einer Hobbyfarmer-Episode in die Welt. Nordamerika, Südamerika, Australien, Afrika. Da er in Europa geboren und aufgewachsen ist, fehlen ihm einzig die Antarktis und Asien, um sagen zu können, dass er alle Kontinente der Welt bereist hat. Er betätigte sich als Schatzsucher unter Wasser, arbeitete in einer Goldmine, zog durch Wüsten und Savannen und überstand auch mehr als einen Wintersturm auf den Meeren oder paddelte mit Indios über den Amazonas. Seine Erlebnisse und Erfahrungen hat er in zahlreichen Büchern teils unter Pseudonym (Ashley Carrington) verarbeitet. Schröders Arbeiten wurden mehrfach ausgezeichnet. Er zählt zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Schriftstellern im Bereich Jugendbuch und historischer Roman.


    Spätestens nach einem Blick auf seine Homepage, von der die vorgenannten Informationen stammen, war ich neugierig auf seinen bei cbj erschienenen Roman Liberty 9. Nicht nur weil ich immer auf der Suche nach Büchern bin, die ich getrost lesewilligen Nichten und Neffen oder den Kindern von Bekannten und Freunden empfehlen kann, auch weil mich die Inhaltsangabe auf der Verlagsseite angesprochen hat.


    Entsprechend enthusiastisch entfernte ich die Verkaufsfolie des Buches, öffnete es und begann zu lesen. Nebenbei erwähnt, auch die Gestaltung des Schutzumschlages sprach mich an (ich mag Blautöne und nicht nur der Titel ist in Blau-metallic gedruckt, auch die abgebildeten Augen sind blau, ebenso wie Teile des Hintergrunds, die einen Wald darstellen).


    Die Geschichte wird größtenteils in dritter Person aus der Sicht der Hauptfigur Kendira erzählt, drei Passagen auch aus der eines Aufsehers (im Buch Konventobere genannt). Sie erstreckt sich über einen relativ kurzen Zeitraum von Tagen, allenfalls jedoch wenigen Wochen. Liberty 9 ist nicht nur der Titel des Romans, es ist auch die Bezeichnung des Habitats, in dem sich das Leben der Auserwählten Kendira abspielt. Ihres und das von zweihundert anderen Auserwählten. Daneben gibt es noch etliche Servanten, die ihnen dienen, Konventobere, die sie ausbilden, oder Guardians, die sie gegen die (bösen) Nightraider verteidigen. Bis auf die Nightraider sind alle Libertianer, doch nur die Auserwählten werden jahrelang auf ihren Dienst im Lichttempel vorbereitet. Der befindet sich außerhalb von Liberty 9 und ist nur mittels eines Lichtschiffs erreichbar. Liberty 9 ist eine Sicherheitszone in einer Welt, die der unseren ähnelt und doch anders ist. Naturkatastrophen und Kriege haben dafür gesorgt, dass es nur wenige Habitate gibt, in denen sich das Leben lohnt. Daneben gibt es noch die Dunkelwelt. Einen wenig erstrebenswerten Ort, wenn man den Konventoberen Glauben schenkt. Kontrolle, Disziplin und das Training auf ihre künftige Aufgabe beherrschen den Alltag der Auserwählten.


    Strenge Strafen stehen auf Verstöße gegen die Ordnung. Das Schlimmste, was passieren kann, sind neben einer Hinrichtung sogenannte Cleansings. Die führen in der Regel zu einer völligen Auslöschung des logischen Denkvermögens, nicht selten jedoch auch zum Tod. Die Strafaktionen werden grundsätzlich vor den Augen aller durchgeführt.


    Liberty 9 muss so um das Jahr 2.100 herum spielen. Es wird zwar von einer neuen Zeitrechnung gesprochen, in der Kendira und die anderen Figuren im Jahr Phönix 59 leben. Allerdings erwähnt Dante, einer der Servanten, den etwa 2.100 Jahre zurückliegenden Beginn des Christentums. So viel verändert hat sich dort aber der Alltag gar nicht. Es gibt noch Tablets und Joysticks, Ego-Shooter-Spiele, Trikes und Schnellfeuergewehre oder Flammenwerfer, Lichtspielereien und Sphärenklänge dank Synthesizern. Die Auserwählten sind Internatsgleich untergebracht. Individualität wird nicht unbedingt gefördert. Auch zum Essen und Trinken gibt es – zumindest für Kendira und die anderen Auserwählten – auch Dinge, die man aus dem hier und jetzt kennt. Pancakes mit Sirup etwa, oder Kakao. Auch der Alkohol spielt noch eine (untergeordnete) Rolle, übt er doch den Reiz des Verbotenen auf die Jugendlichen aus und den des Vergessens auf die Konventoberen. Sogar eine Art Hostie gibt es, wenngleich sie in Form eines high machenden Beneficium während der Lichtmesse etwas pervertiert wird.


    Schröder geht mit Liberty 9 eine Idee an, die so neu nicht ist. Auserwählte in einer Zone, die streng abgeschirmt sind. Außenstehende, die ihnen ans Zeug wollen. Die Tatsache, dass ein goldener Käfig eben auch nur ein Käfig ist. Gegenseitige Bespitzelung, Verrat. Strikte Zensur und Bücherverbrennungen. Junge Menschen, die aufbegehren. Abgesehen von reellen Bezügen zu den nach außen abgeriegelten Ländern des früheren Ostblocks oder bestimmten Sekten wurde diese Thematik schon in zahlreichen anderen Romanen verwendet.


    Kendira hat, bevor sie Dante kennenlernt, keine Zweifel an dem System. Zu gut hat die Gehirnwäsche, der sie von klein auf unterzogen war, funktioniert. Dennoch findet sie (und neben ihr auch einige andere) keinen Gefallen an der öffentlichen Hinrichtung von Nightraidern oder an den ebenso öffentlichen Cleansings - egal ob es sich dabei um Servanten, Auserwählte oder Konventobere handelt.


    Logischerweise will keiner Gefahr laufen, ein solches Cleansing als Hauptakteur zu erleben. Ein Grund für eine solche Strafaktion wäre es, den Verstoß eines anderen nicht zu melden. Genau das jedoch tut Kendira nicht, als sie Dante bei etwas eindeutig Verbotenem erwischt. Dante gelingt es, Zweifel am System in Kendira zu wecken. Bereits nach kurzer Zeit ist sie felsenfest davon überzeugt, dass ihre höhere Berufung tödlich für sie endet. Und nicht nur sie geht das Risiko ein, sich Zweifel zu erlauben. Sie zieht auch weitere Auserwählte auf ihre Seite, von denen einer übrigens ebenfalls sehr an ihr interessiert ist und sie irgendwie auch an ihm. Die Ereignisse überschlagen sich und letztlich wagt sie an der Seite von Dante und drei weiteren Auserwählten einen Ausbruchsversuch aus Liberty 9.


    Klingt gut, nicht? Allerdings gibt es den einen oder anderen Punkt, der das Lesevergnügen schmälert; den Spannungsbogen gar eher einer schlaff herunterhängenden Wäscheleine ähneln lässt. Ansonsten wären mir die untypisch häufigen Schreibfehler sicher nicht aufgefallen, die ich im Buch gefunden habe. Von kleineren logischen Denkfehlern ganz zu schweigen.


    Da wären zunächst einmal die Figuren. Die Auserwählten ähneln in meinen Augen trotz ihrer Erhabenheit eher verwöhnten und zickigen Teenies von heute, zeichnet doch der Autor eine recht … sagen wir mal gewöhnliche Figurenvielfalt. Die Unsympathischen unter ihnen sind meist etwas dicklich, weniger erfolgreich oder haben etwa eine feuchte Aussprache. Die sympathischeren Figuren sind dagegen gut aussehend, schlagfertig, erfolgreich. Kendira selbst zeigt sich angesichts ihrer angeblichen Zweifel immer wieder erstaunlich oberflächlich. Die aufkeimende Angst vor ihrem scheinbar unausweichlichen Ende wirkt so wenig glaubwürdig.


    Allein gemeinsam ist jedoch, dass sie samt und sonders recht unscheinbar sind und vor der Beschreibungsfreude des Autors an ihrem Umfeld verblassen. Überaus erschöpfend ergeht Schröder sich nicht ausschließlich in der detailreichen Schilderung ihrer Gewänder, der Einrichtungen und der Umgebung. Neben der stetig wiederkehrenden metergenauen Angabe bestimmter Dinge führt er auch bestimmte Rituale und die dabei vorgetragene Litanei der Sprechchöre oder beispielsweise auch den Ablauf der Trainingseinheiten sehr erschöpfend aus. Und LeserInnen, die sich bis jetzt noch nicht so genau mit Jesus Christus und seinem Tod auskannten, werden nach der Lektüre von Schröders Roman etwas schlauer sein. Warum? Weil die Bibel zum sogenannten Seelengift gehört, das dem Konstrukt der Erhabenen Macht gefährlich werden könnte, sollte es denn Auserwählten oder Servanten in die Hände fallen. Sie steht seltsamerweise übrigens anscheinend auf gleicher Stufe wie etwa der Graf von Monte Christo. Ansonsten trägt allerdings dieser gedankliche Abstecher in die Grundzüge des Christentums eher zur Verwirrung bei, bringt er den Roman doch nicht wirklich weiter. Insgesamt wäre es praktischer gewesen, einzelne Begriffe in einem Anhang kurz zu erklären, da die Erklärung innerhalb der Geschichte einfach zu langatmig ist.


    Manchmal retten gute Dialoge etwas, doch bei Liberty 9 gehen sie leider angesichts aller Beschreibungen vollkommen unter. Was gesagt wird, wirkt stellenweise hölzern. Ebenso das, was gedacht wird. Einzig Nekia, eine der Auserwählten, sticht mit ihrer Wortwahl etwas daraus hervor. Allerdings - und das möchte ich positiv herausstellen - gibt es einen ganz klaren Vorteil. In manchen Büchern wird bei Dialogen auf Fäkalsprache zurückgegriffen, als wäre das heute die einzig sinnvolle und vor allem mögliche Art, sich zu unterhalten. Davon wird man in Liberty 9 jedoch dankenswerterweise verschont.


    Was in meinen Augen unglücklicherweise ebenfalls unterging, war die Weiterführung einer an sich guten Grundidee. Recht klar beschrieben hat Schröder die harten Strafen für Zuwiderhandlungen, die querbeet alle betrafen. Weniger klar wird dargestellt, warum einigen Servanten und später auch Auserwählten Zweifel am System kommen, beziehungsweise wie diese Zweifel sich erhärten. Es wird das eine oder andere erwähnt, aber das war es auch schon. Man erfährt nicht, wie Liberty 9 überhaupt erst entstanden ist. Warum und weshalb werden die Auserwählten in sogenannten Embrolabs herangezogen, in der Lichtburg erzogen und trainiert, von Servanten bedient? Wie werden sie auserwählt? Warum leben sie in einer Sicherheitszone? Es werden zwar Kriege und Naturkatastrophen erwähnt, doch wirklich darauf eingegangen wird nicht. Auch der künftige Dienst der Auserwählten ist Mysterium. Nicht nur für die Servanten und Auserwählten, auch für LeserInnen. Die paar Andeutungen gegen Ende des Buches - teils von einem zweifelnden Konventoberen, der aus seinem bisherigen Tun die Konsequenzen ziehen will, teils von Nightraidern, deren Motivation im Übrigen auch etwas konstruiert scheint – deuten darauf hin, dass der Autor genauso im Dunkeln tappt. Vor allem rechtfertigt keine dieser Andeutungen den Aufwand, mit dem die Auserwählten jahrelang „ausgebildet“ werden.


    Laut Pressemappe handelt es um Social Fiction, bei der die Technik zwar noch Lichtjahre von regulärer Science-Fiction entfernt ist, jedoch eine „buchstäblich blendende“ Rolle in dem Roman spielt. Dem kann ich nur zustimmen. Etwas anderem jedoch nicht. Man erfährt aus der Pressemappe auch, dass es sich bei Liberty 9 um einen dramatischen Action-Thriller handelt, der von einem Meister der Spannungsliteratur erzählt wird. Die Grundidee mag spannend sein, tatsächlich wirkt Liberty 9 aber wie ein mühsames Konstrukt auf mich, das Fragen aufwirft aber kaum Antworten findet. Ebenso sollen Liebe und Freundschaft ein zentrales Thema sein, sowohl den Kern als auch das Gewebe bilden, welches die Geschichte zusammenhält und weiterbringt. Das kam so nicht bei mir an, da beides an sich zu wenig ausgeführt wird. Die Liebe und Freundschaft, die im Klappentext erwähnte unwiderstehliche Anziehungskraft - all das scheint lediglich auf dem guten Aussehen Kendiras, Carsons (der interessierte Auserwählte) und Dantes zu fußen.


    Fazit 1ratten


    Es soll sich ja um den Auftakt einer Trilogie handeln. Das würde die offenen Fragen erklären, die Andeutungen, die im Sande verlaufen und diese wie vergessene Handlungsfäden wirken lassen. Bedauerlicherweise habe ich jedoch weder in der Pressemappe noch auf der Verlags- oder Autorenseite und schon gar nicht irgendwo im Buch oder auf dem Buchumschlag einen Hinweis gefunden, der bestätigt, dass es sich hier um einen Auftaktroman handelt. Alles in allem möchte ich Liberty 9 nur einen von fünf Punkten geben, da ich den Roman weder sonderlich spannend noch eindrucksvoll, die Charaktere viel zu schwach und die Geschichte insgesamt zu konstruiert empfunden und von einem Autor wie Schröder einfach mehr erwartet habe.



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    Mark Gartside: Zwei und Zwei
    Droemer Verlag
    Originaltitel: What will survive aus dem Englischen übersetzt von Angelika Naujokat
    ISBN 13: 9783426199367
    ISBN 10: 342619936X
    Belletristik, Familiengeschichte
    1. Auflage 09/2012
    Hardcover mit Schutzumschlag, 448 Seiten
    [D] 19,99 €


    Verlagsseite: http://www.droemer-knaur.de/home


    Viel findet man nicht, wenn man sich hierzulande auf die Suche nach Informationen über Mark Gartside macht. Sein Autorenblog wird gerade erst aufgebaut. Laut Verlagsseite ist Gartside verheiratet, hat zwei Kinder und lebt mal in den USA, mal in seiner Geburtsheimat England. Dort, wo er in den 1970ern aufwuchs, spielt auch sein Debütroman Zwei und Zwei - in Warrington/Nordengland. Und auch seine Hauptfigur dürfte in seinem Alter sein.


    Es gibt den Spruch, dass das Leben die schönsten Geschichten schreibt. Eigene Erfahrungen werden den einen oder anderen an dieser Stelle denken lassen, dass schön relativ ist. Dass das nicht stimmt, weil das Leben ungerecht ist.


    Mark Gartside verwendet in seinem Debüt keine fantastischen Elemente. Er bemüht auch keine blutig-konstruierten Verbrechen, schockierende Horrorszenen oder reiht aufregende Sexszenen aneinander. Stattdessen verfasste er eine Geschichte, die auch das Leben geschrieben haben könnte. Berührend, erschütternd und aufwühlend ist sie jedoch allemal.


    Seine, Zwei und Zwei erzählende Hauptfigur Graham, hat das Glück, der Liebe seines Lebens bereits als Teenager zu begegnen. Jahre später bekommen sie einen Sohn, wollen heiraten. Dann allerdings wird Charlotte viel zu früh und vollkommen überraschend aus dem Leben gerissen. Graham trinkt danach zu viel, droht völlig abzustürzen und dadurch auch noch den kleinen Michael zu verlieren. Doch er schafft es, sich zu fangen. Michael wird älter, kommt in die Pubertät und bringt seine erste Freundin mit nach Hause. Gleichzeitig bemüht er sich darum, seinem Vater eine Freundin zu verschaffen. Was ihm mit List und Tücke auch gelingt, obwohl Graham eigentlich längst schon mit dem Kapitel Partnerschaft abgeschlossen hat. Zu verbunden fühlt er sich nach wie vor seiner verstorbenen Frau. Doch das Leben meint es gut mit Graham, findet er doch mit Pippa eine zweite Liebe. Allerdings muss er bald darauf erneut erleben, dass Glück überaus zerbrechlich ist. Das Schicksal droht ihm nicht nur Pippa, sondern auch Michael ein zweites Mal zu entreißen. Und er muss noch weitere Verluste hinnehmen.


    Klingt ein wenig melodramatisch? Keine Sorge. Dramatik findet man in Zwei und Zwei - Melodramatik jedoch nicht. Der Autor webt zwei Erzählstränge. Der eine umfasst die Zeit ab 2009, der andere den Zeitraum von 1985 bis 1999 bzw. mit einem großen Sprung noch bis 2008. Abwechselnd lässt Gartside seine LeserInnen einen Blick auf die jüngere und ältere Vergangenheit Grahams und Michaels werfen, bis sich die beiden Stränge dann gleichermaßen harmonisch wie dramatisch im 28. Kapitel im Jahr 2010 vereinen.


    Durchweg alle Kapitel lesen sich sehr angenehm. Der flüssige, plakative Schreibstil lässt die Handlungsorte authentisch wirken. An denen geht es um Liebe und Freude. Um Träume und Wünsche. Um Trauer und Verzweiflung. Um Versagen und Schwächen. Um Familie und Freundschaft. Um Hilfe und die Fähigkeit Hilfe anzunehmen. Der Humor kommt darüber ebenfalls nicht zu kurz. Nicht nur durch Grahams teils selbstironische Gedanken und den Passagen, die die glückliche Seite von Grahams und Michaels Leben beleuchten. Nicht nur, aber noch immer heben sich automatisch meine Mundwinkel, wenn ich an Michaels Dating-Aktion oder an Tommys Truthahneinkauf denke.


    Emphatisch lässt der Autor seine LeserInnen einen unverstellten Blick in das Empfindungsleben eines Menschen werfen, der die ganze Bandbreite an Gefühlen erleben darf aber auch muss. Dabei lässt Gartside unschöne Dinge, wie Alkoholismus, Gewalt und die Perspektivlosigkeit einer ganzen Generation ebenfalls nicht außer Acht. Die Art und Weise, wie er ohne Beschönigungen die hilflose Seite Grahams darstellt, sorgt dafür, dass man sich gut in ihn hineinversetzen kann. Genau wie in alle anderen Figuren, egal ob es sich um Charlotte oder Pippa, Grahams Schwager Richard oder seine Eltern und Schwiegereltern, um Michael, dessen Freundin Carly, deren Vater Billy oder Grahams Freund Tommy handelt. Sie alle machen Fehler und haben Schwächen. Demgegenüber stehen jedoch ihre liebenswerten, hilfsbereiten und starken Seiten. Sie alle sind nicht perfekt. Nicht jeder durchweg sympathisch. Allen gemeinsam ist jedoch, dass sie lebensnah und echt wirken.


    Der mattgriffig bedruckte Schutzumschlag zeigt übrigens einen Strand, an dem zwei im Gegenlicht dargestellte Personen laufen. Vater und Sohn. Dieses Bild spiegelt die Einsamkeit, die Graham über lange Zeit begleitet, treffend wieder. Der Orangeton, indem sowohl die Wolken als auch der Strand verwaschen übermalt, passt sowohl auf die Hilflosigkeit wie auch auf Kraft, die Gartsides Figuren innewohnt. Genauso lässt der blau angedeutete Himmel, trotz aller Wolken, auf Hoffnung schließen.


    Fazit: 5ratten


    Die schönsten Geschichten schreibt das Leben? Darüber muss man, glaube ich, nicht streiten. Ebenso wenig darüber, dass es wohl auch die berührendsten Geschichten schreibt. Genau wie Gartside, denn Zwei und Zwei ist wie gesagt einer der Romane, der mitten aus dem Leben stammen könnte. In denen unsere Nachbarn, Freunde oder wir selbst eine Rolle spielen könnten. Einer der Romane, die ohne große Crash-Boom-Bang- oder Gruseleffekte unter die Haut gehen, weil das, was darin passiert, jedem von uns widerfahren könnte. Keinesfalls nur, aber doch auch Sparks-LeserInnen dürften an Gartsides Roman Gefallen finden. Ich möchte für Zwei und Zwei fünf von fünf Punkten vergeben, ist es doch ein gelungenes leises, nachdenkliches, gleichermaßen tragisches wie hoffnungsmachendes Debüt. Denn egal, was uns auch geschieht, laut der Seite 265 erwähnten Ringgravur König Salomons sollten wir nie vergessen: Auch das wird vorübergehen ...


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    Gabriele Lendle & Dr. med. Ernst Walter Henrich: Ab jetzt vegan
    TRIAS Verlag
    ISBN 13: 9783830466604
    ISBN 10: 3830466609
    Sachbuch Kochen, Gesundheit
    1. Auflage 2012
    Softcover, 156 Seiten
    [D] 17,99


    Verlagsseite: http://www.medizinverlage.de/html/index-trias.html
    Autorenseite Gabriele Lendle: http://www.gabriele-lendle.de
    Autorenseite Ernst Walter Henrich: http://www.provegan.info



    Nicht alle Lebensmittel sind gesund. Auch die pflanzlichen nicht, keine Frage. Schließlich kommt es auch dabei auf die Bodenverhältnisse und Anbaubedingungen an. Auch dort nimmt die Natur im ungünstigen Fall Schaden. Auch dort kommen (bei uns) unerlaubte Mittel zum Einsatz, je nachdem wo das Produkt herkommt. Auch dort heißt es, Augen auf beim Einkauf.


    Dennoch: Gute Gründe, sich vegetarisch oder gar vegan zu ernähren, gibt es viele. Dabei denke ich nicht nur an die Massentierhaltung, wo man Tiere nicht als fühlende Lebewesen, sondern lediglich als Produkte sieht, mit denen man Profit machen kann. Die Haltungsbedingungen erinnern oft an KZs, wobei die Tiere jedoch mehr zu fressen bekommen. Was ist natürlich fraglich, denn bedauerlicherweise werden heutzutage nicht nur unsere Lebensmitteln mit Zusatzstoffen und Geschmacksverstärkern versetzt, nein auch die Tiere bekommen Futter, das mit Geschmacksverstärkern aufgepeppt wird. Klingt seltsam, ist aber EU-seitig erlaubt, wie man u. a. im Internet auf efsa.europa.eu nachlesen kann. Die Schlachtbedingungen? Weder das geruchsneutral verpackte Fleisch im Supermarkt noch das appetitlich aussehende offen präsentierte Fleischstück beim Schlachter zeigt uns, was die Tiere auf dem Weg zum Schlachthof erleiden oder wie besagte Schlachtung aussieht. Oder denken wir an die Antibiotika und sonstigen Medikamente, die in der Massentierhaltung eingesetzt werden. Die wirken sich nicht nur auf das Fleisch, sondern auch auf die Milchprodukte, und damit auf uns aus. Oder daran, dass Fleisch in den Massen, in denen es hierzulande genossen wird, für eine stetig steigende Zahl an Zivilisationskrankheiten sorgt. Oder daran, dass die oft minderwertige Qualität von tierischen Produkten (rein haltungsbedingt entstanden) mit Zusatzstoffen aufgepeppt werden muss, die wiederum für Allergien und Ähnliches beim Verbraucher sorgen. Dass vieles (bedauerlicherweise auch pflanzliche Produkte) mit bisweilen betrügerischen Kennzeichnungen und Marketingtricks an den Mann gebracht wird. Erst vorgestern kam auf SWR eine NDR-Produktion genau darüber, in dem von Klebefleisch und Konsorten die Rede war. Nicht zu vergessen natürlich die Milliardensubventionen, die der Massentierhaltung zugutekommen. Auch dazu gab es erst kürzlich einen sehr interessanten Bericht. Gründe über Gründe also, bisherige Ernährungsweisen zu überdenken, nicht wahr?


    Ich hoffe, dass ich mit dem gerade Geschriebenen niemandem den Appetit verdorben habe. Das wäre schade. Obwohl ich mir durchaus hin und wieder etwas Fleisch gönne und auch tierischen Produkten wie Eiern, Milch oder Honig nicht zu 100% abgeneigt gegenüberstehe, habe ich nämlich gerade einen Titel aus dem Hause TRIAS vor mir liegen, der Ab jetzt vegan heißt. Das Autorenduo Gabriele Lendle und Dr. med. Ernst Walter Henrich präsentiert darin einiges, was sich nicht nur interessant, sondern auch sehr lecker liest oder ansieht.


    Lendle, die nach einer rheumatischen Erkrankung ihre Ernährung zunächst auf vegetarisch und dann vegan umstellte, merkte eine verblüffende gesundheitliche Veränderung. Kein Wunder also, dass sie begeistert herumexperimentiert, was man aus pflanzlichen Lebensmitteln so alles zaubern kann. Wer mehr über die in Stuttgart lebende Autorin erfahren möchte, sollte ihre Autorenseite aufsuchen (gabriele-lendle.de).


    Auch Henrich ist Veganer, ernährt sogar seinen Hund so. Da der mittlerweile 19 Jahre alt ist, kann diese Ernährungsform nicht so schädlich für ihn sein. Henrich, Mediziner und Naturheilkundler, engagiert sich im Bereich Gesundheitsvorsorge, Hautpflege und Ernährung, und vermittelt sein Wissen auch in Seminaren. Auch er hat eine Homepage, die einen Blick darauf wert ist (provegan.info).


    Das Duo präsentiert denn auch in Ab jetzt vegan über 140 Rezepte ohne tierische Produkte und Wissen über die vegane Ernährung, das es sich anzueignen lohnt. Von außen hätte ich jetzt (den Titel einmal außer Acht lassend) nicht sofort auf ein Kochbuch getippt. Es sieht gleichermaßen sachlich wie comicartig aus. Denn auf dunkelblauem Grund sieht man neben der in verschiedenen Grüntönen gehaltenen Schrift auf dem Cover ein Schweinchen. Oder jedenfalls seinen Kopf (von den Ohren bis zur Nase). Think pink scheint es zu denken, öffnet es doch hoffnungsfroh ein Auge und starrt den Betrachter des Covers an, während es ihm auf der Buchrückseite vertrauensvoll den Rücken zuwendet und sein Ringelschwänzchen zeigt. Dort kommt dann der Kochbuchgedanke schon näher, da man darauf auch drei Fotos von Rouladen, einer Maispizza oder eines Heidelbeer-Pancakes findet. Besagtes Schweinchen begegnet uns innen auf der Titelseite übrigens ein weiteres Mal. Gleich darauf erwartet LeserInnen auf Seite 4 und 5 das Foto einer Mais-Pizza, bevor die Aufmerksamkeit mit der Inhaltsangabe auf die einzelnen Kapitel des Buches gelenkt wird.


    Nach einem Vorwort Lendles geht es dann schon an die Basics veganer Ernährung, die unter anderem offenbart, dass sich unangenehmer Schweißgeruch verflüchtigt, wenn man auf tierische Produkte verzichtet. Den kann man natürlich auch mit Wasser und Seife sowie Deos bekämpfen, aber in dem Moment, als ich das las, fiel mir tatsächlich ein Bekannter (Veganer) ein, der trotz intensivem Sport (Triathlon und Klettern) auch schweißüberströmt nie unangenehm nach diesem riecht bzw. roch, obwohl ich nie ein Deo in seinem Bad gesehen habe. Und die Bemerkung einer serbischen Kollegin (muslimischen Glaubens), die ihren Freund (christlichen Glaubens und überzeugter Schweinefleischesser) immer mal wieder mit den Worten begrüßte „Boah, hast du wieder Schweineschnitzel gegessen? Du stinkst danach.“ Das bekommt in dem Zusammenhang eine ganz andere Bedeutung …


    Wie auch immer. Man bekommt Tipps wie man vegan unterwegs sein kann und erfährt, warum man vor makrobiotischen Zutaten keine Angst haben muss. Wird darüber informiert, wie man seine Ernährung erfolgreich umstellt, und bekommt Anregungen für eventuelle Antworten auf die typischen Fragen, die man im Zuge einer solchen Umstellung sicherlich zu hören bekommt.


    Dann folgen Lendles Rezepte, die von Frühstücksideen bis zu festlichen Menüs alles abdecken. Etliche halb oder ganzseitige, manchmal auch Seiten übergreifende Fotos machen eindeutig Appetit. Nicht jeder im Bekanntenkreis ist Veganer? Auch die kann man mit beruhigtem Gewissen nach den in Ab jetzt vegan kenntnisreich und liebevoll zusammengestellten Rezepten bekochen, ohne Angst haben zu müssen, dass jemand davonläuft. Es gibt ganze Jahreszeitenmenüs. Anregungen für Variationen und kleinere Tipps für besseres Gelingen runden alles gekonnt ab. Und mit der Suche nach den Zutaten dazu muss man heutzutage glücklicherweise auch auf dem Land keine Tage mehr verbringen. Sprich, man kann die gut beschriebenen Anleitungen (auch als Novize in der Küche oder grundsätzlich veganer Ernährung) leicht nachmachen. Bereits in diesem Rezeptteil erfährt man auch generell Wissenswertes. Etwa, dass Gerste sich positiv auf unser Nervensystem auswirkt und die Konzentrationsfähigkeit fördert, Gelenkschäden und Krampfadern vorbeugen und einen gereizten Darm beruhigen kann.


    Warum die vegane Ernährung das Beste ist, was unserer Gesundheit, unserem Körper, passieren kann, darauf geht Henrich dann im Kapitel Vegan – was sagt die Medizin dazu? ausführlicher ein. Bevor es jedoch soweit ist, finden interessierte LeserInnen ein Interview mit dem Autor, da auch der Verlag mit dem Buch Neuland betritt.


    Übrigens: Obwohl man mit veganem Essen Gutes für die Gesundheit tun kann, habe ich darin ein Rezept gefunden, das tatsächlich den Untertitel Sehr ungesund, aber sündhaft lecker trägt. Und auch das Rezept für das Mousse au Chocolat zeugt davon, dass veganes Essen längst aus weit mehr als gekeimten Körnern und Rohkost besteht. Prompt habe ich das Tiramisu ausprobiert und muss sagen, ja, mhm, ich hätte gerne noch eine Portion. Und – Vorratsschrank sei Dank – die Zutaten für das auf Seite 56 beschriebene Couscous mit getrockneten Tomaten fanden sich auch sofort auf der Arbeitsplatte, besagter Couscous bald darauf noch vor dem Tiramisu in unseren Mägen. Sogar meine kleine Nichte, hauptamtlicher und absoluter echter Rührei-Fan, aß das Tofu-Rührei (ohne Ei natürlich) mit Hochgenuss, nachdem sie sich zunächst über Tomaten und Sprossen gewundert und ihr Näschen hochgezogen hatte. Den veganen Parmesan teste ich heute Abend. Und in den nächsten Tagen sukzessive weitere Rezepte. Übrigens, wer Kalorien zählt und es sich mit einem Blick auf Kalorienangaben leichter machen will, wird diese vergeblich suchen.


    Fazit: 5ratten


    Ob man bei seiner Ernährung gänzlich auf tierische Lebensmittel verzichten möchte oder nicht, muss jeder für sich selbst entscheiden. Ratgeber und Kochbücher wie das vor mir liegende Ab jetzt vegan erleichtern die Entscheidung eventuell. Aufschlagen, nachschlagen und vor allem nachkochen lohnt sich bei diesem Ab jetzt vegan auf jeden Fall und ich denke, sowohl die, die persönliches (Ernährungs-)Neuland betreten, wie auch jene, die sich schon in der veganen Küche auskennen, werden ihre Freude daran haben. Für diejenigen, die keinen Wert auf das haptische Vergnügen eines gedruckten Buches legen, gibt es übrigens auch die E-Book-Variante. Ob so oder so, man findet neben einer Fülle an Informationen leckere Rezepte darin. Diese lassen sich leicht nachkochen. Auch schnell. Was ja heute neben günstig ein wichtiger Aspekt für viele ist. Doch die bei den Rezepten angegebenen Zeitangaben erleichtern die Rezeptwahl eindeutig. Und dann bleibt nur noch auf den Tisch damit und genießen … Ab jetzt vegan bekommt fünf von fünf Punkten von mir.


    Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)

    Ups, jetzt gehöre ich, weil ich anders denke, nicht nur in den Kreis der Verschwörungstheoretiker, sondern habe auch noch meinen gesunden Menschenverstand abgegeben? So schnell kann es gehen ....


    Wie auch immer. Die Meinungen über den Autor und seine Bücher sind eindeutig geteilt und jeder muss und kann für sich entscheiden, ob er sie lesen will oder nicht. Ob er wirklich hinter allem Verschwörungen vermutet, mag dahingestellt sein. Macht natürlich Sinn, wenn er das bei großen Sachen macht, denn wer würde sich schon für Fragen bezüglich eines in China umgefallenen Reissacks intereressieren (beispielsweise ob der tatsächlich Reis enthalten hat oder nicht).

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    Es gibt Dinge, die sollte man niemals vergessen, so schrecklich sie auch sind. Nicht weil man sie nicht verarbeiten und loslassen kann, sondern weil man sie einfach nicht vergessen darf. Weil sie wieder und wieder passieren sollen. Das klingt jetzt zugegebenermaßen auf den ersten Blick im Zusammenhang mit dem vor mir liegenden Jugendbuch nicht nur seltsam, sondern geradezu falsch. Allerdings nur, bis man sich vor Augen führt, was genau nicht vergessen werden darf und immer wieder passieren sollte.


    In Ein Flüstern in der Nacht geht es um die Geschichte von Rachel Schwarz. 1932 geboren, wächst die Tochter eines jüdischen Arztes zusammen mit ihrer sechs Jahre älteren Schwester Miri und ihrer Mutter in Leipzig direkt in eine Zeit hinein, die wohl das dunkelste Kapiteln der deutschen Geschichte ist. Von der zunehmenden Diskriminierung und Verfolgung, von Deportation und Mord an Unschuldigen, die einfach einem anderen Glauben oder einer Minderheit (wie etwa die Zigeuner) angehörten oder nicht ins Rassebild der Arier passten (neben Juden auch Behinderte und Kranke). Unzählige Filme und Bücher haben sich schon mit der Shoah beschäftigt, fiktiv und/oder reflektiv das damalige Geschehen wiedergebend. Spontan sind mir im Vorfeld Schrei nach Leben, Der Pianist, Schindlers Liste und natürlich Das Tagebuch der Anne Frank, Die Kinder von Blankenese, Die vergessenen Kinder von Strüth oder auch Heimat auf Zeit - Jüdische Kinder in Rosenheim 1946-47 eingefallen. Aus Letzterem ist mir ein Satz aus dem Vorwort von Lawrence Langer im Gedächtnis geblieben. „Sie hatten nicht überlebt, sie existierten einfach länger als die Konzentrationslager.“


    Wie kann man so ein Thema kindgerecht gestalten? Die Altersfreigabe ab 10 Jahren hat mir im Vorfeld doch einiges Kopfzerbrechen bereitet. Eine meiner Nichten ist in diesem Alter, teilweise noch sehr kindlich vom Denken her. Mit dem Thema 2. Weltkrieg oder gar Holocaust kam sie bislang allenfalls oberflächlich in Berührung.


    Moya Simons, bisher eher für lustigere Themen in ihren Kinder- und Jugendbüchern bekannt, wurde 1942 in Australien geboren. Sie beschreibt sich selbst als neugierig (was ich gut finde, denn Neugier bildet, noch dazu in der Regel umsonst, man muss nur immer wieder genau nachfragen) und trotz ihres Alters jung geblieben und mag diese Neugier an Kindern, ihre Art der Ehrlichkeit. Weshalb sie sich auf das Genre Kinder- und Jugendbuch spezialisiert hat. Sie selbst ist keine Jüdin, doch kam bereits früh selbst mit Kindern in Berührung, die den Holocaust überlebt und beispielsweise im Zuge einer Adoption nach Australien gekommen sind. Die Erzählungen dieser Kinder (sofern sie Worte dafür fanden), ihr Verhalten, all das hat die Autorin geprägt und mit zum Entstehen von Ein Flüstern in der Nacht beigetragen. Der Mutter ihrer besten Freundin, die im Konzentrationslager Bergen-Belsen starb, hat sie diesen Roman gewidmet, der so ganz anders ist als das, was sie sonst so schreibt. Aber auch anders als das, was man sonst so liest.


    Denn gleich vorab: Simons hat meine anfängliche Skepsis recht schnell niedergerungen. Ein Flüstern in der Nacht ist für die empfohlene Altersgruppe geeignet, hat mich tief berührt und ein weiteres Mal sehr nachdenklich über die darin enthaltene Grundthematik gemacht. Es geht darin weniger - obwohl natürlich omnipräsent vorhanden - um die entsetzlichen Vorgänge, um die Entmenschlichung und menschenverachtende Brutalität. Simons geht zwar sehr wohl auf die falschen Ideale, die beispielsweise Freddie, ein deutscher Junge, in sich aufgesogen hat, ein. Sie beschreibt auch anschaulich die Angst, die Rachel und ihre Familie befällt, die sukzessive Einschränkung ihres Lebens, die Verachtung, den Abtransport von Rachels Familie. Doch das ist es nicht alleine.


    Rachel erzählt ihre Geschichte selbst. Simons wählt dafür die Erzählweise großer Erzähler. Ein Satz geht fließend in den anderen über, große Zeitsprünge werden vermieden. Kleine Details weben eine dichte und lebensechte Atmosphäre, obwohl die Autorin über erschöpfende Schilderungen hinweggeht. Dies wirkt jedoch nicht flüchtig oder unvollkommen, sondern überaus passend angesichts der avisierten Zielgruppe. Leser/innen begleiten Rachel Jahr für Jahr von der Zeit vor dem Krieg bis hinüber nach Australien, wo sie letztlich einige Jahre nach dem Krieg landet. Einfühlsam baut die Autorin in die über 10 Jahre währende Geschichte ein, was sie von Opfern der damaligen Zeit hörte.


    Rachel selbst bleibt ein Konzentrationslager erspart. Sie kann den längsten Schal der Welt (von ihrer Mutter) und das Tagebuch ihrer Schwester über den Krieg hinweg retten. Anderen Kindern ist so ein Glück nicht vergönnt. Sie haben nichts mehr außer ihren Erinnerungen. Und viele davon werden von den grausamen Erlebnissen überdeckt, die sie durchmachen mussten. Ein Mädchen erfindet Geschichten, weil ihre eigenen Erfahrungen zu verstörend sind. Ein anderer schafft es lange nicht damit aufzuhören, Essen zu horten. Ein Junge will nicht mehr hören, weil er zu viel Schreckliches gehört hat. Und Rachel selbst kann lange Zeit nicht mehr sprechen. Nicht weil sie nichts zu sagen hat, sondern weil ihr Vater ihr im letzten Moment, bevor alle abgeholt wurden, nicht nur zuflüsterte, sie solle sich verstecken. Auch weil er dabei sagte, dass sie mucksmäuschenstill sein muss, keinen Ton von sich geben darf, um nicht entdeckt zu werden.


    Die Autorin lässt Rachel jedoch auch von dem Ehepaar erzählen, das sie schließlich findet und bei sich aufnimmt und versteckt. Oder von dem Soldaten, der Rachel bei der Hausdurchsuchung wissentlich übersieht. Sie berichtet auch von anderen Menschen, die ihren Verstand nicht abgegeben haben. Die Gefahr für das eigene Leben und das ihrer Familien riskierten, indem sie Verfolgten halfen. Sie alle waren nur kleine Inseln in einem tosenden Meer des Wahnsinns. Doch diese Inseln boten einen Platz zum Überleben. Einen Platz für Menschlichkeit. Für Hoffnung. Für das Gute. Für Zivilcourage. Das ist das, was ich eingangs meinte. Das sind die Dinge, die man nie vergessen darf, die sich wieder und wieder wiederholen sollen, egal in welchem Kontext. Dazu braucht es keinen Krieg, keinen Völkermord. Das geht auch auf dem Schulhof, wenn Mitschüler drangsaliert werden. In der Fußgängerzone, wenn man etwas Unrechtes sieht. Einfach überall dort, wo sich vermeintlich Stärkere über Schwächere hermachen.


    Die Geschichte führt schließlich über das Kriegsende hinaus nach England, wo die Kinder aufgepäppelt werden, während das Rote Kreuz überlebende Verwandte oder Adoptionsfamilien sucht. Und sie endet gut für Rachel, obwohl sie und die anderen Kinder Unsägliches erleben und schreckliche Verluste hinnehmen müssen. Trotzdem ist Platz für Hoffnung. Nicht nur, weil sie teilweise ihre Angehörigen wiederfindet, auch weil sie bestimmte Dinge nicht vergisst und weil die Freundschaft mit Freddie den Krieg überlebt.


    Das Kriegsgedicht, mit dem die Autorin Rachels Erzählung ausklingen lässt, soll ihrer Aussage nach der kindlichen Zielgruppe ihres Buches zwar verständlich machen, dass Krieg böse ist und neben Tod und Zerstörung noch viele negative Dinge mit sich bringt. Aber noch viel mehr, dass er einen Feind hat: Den, der nicht mitmacht, der Opfern hilft. Mir fiel spontan das Zitat „Selbst die größte Dunkelheit vermag das Licht einer einzelnen Kerze nicht zu löschen“ dazu ein, wobei ich nicht mehr weiß, wer das einmal in welchem Zusammenhang gesagt hat.


    Im Anschluss an das Gedicht folgt eine Zusammenfassung der zeitlichen Abläufe von 1919 bis zur Anerkennung des Staates Israel durch die Vereinten Nationen 1948, bevor das Buch mit einem Nachwort der Autorin endet.


    Fazit: 5ratten


    Ein schwieriges Thema gut und einfühlsam umgesetzt. Ohne die Opfer zu missachten und die damaligen Gräueltaten zu trivialisieren, kann man durchaus ein Buch schreiben, das nicht nur kindgerecht ist, sondern auch hoffnungsvoll endet. Simons hat es mit Ein Flüstern in der Nacht gerade gezeigt. Was die Autorin in ihrem Nachwort über den Holocaust, ihre Geschichte aus Wahrheit oder Fiktion aber auch über die Organisation Courage to Care schreibt, war das Einzige, was ich vorab und sofort als für 10jährige geeignet gehalten hätte. Doch jede sonstige Buchseite hat mich eindeutig eines Besseren belehrt. Ich werde es nochmals und gemeinsam mit meiner Nichte lesen. Nicht nur weil ich das in ihrem Sinn für wichtig halte. Auch weil Ein Flüstern in der Nacht uns Erwachsene an wichtige Werte wie Menschlichkeit erinnert. Eine gleichermaßen aufwühlende wie emphatische Geschichte, für die ich fünf von fünf Punkten vergeben möchte.


    Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)


    Emoticon aus Threadtitel entfernt. LG, Valentine

    Wie gesagt, man muss nicht alles lesen. Und man muss und kann - wie du erwähnt hast - auch nicht alle überzeugen.


    Allerdings muss ich dich enttäuschen. Ich bin keine Anhängerin abstruser Verschwörungstheorien. Allerdings finde ich es auch nicht gut, per se zu verdammen, was man noch nicht einmal selbst gelesen hat.

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    Der 1950 in Herten geborene Bernd Geisler unterrichtet kreatives Schreiben und arbeitet als freier Autor und Journalist. Schriftstellerisch bewegt er sich im Genre Krimi/Thriller. 2005 wurde sein Der Geldwurm für den Deutschen-Kurzkrimi-Preis nominiert. Geislers 2010 veröffentlichter Roman Der geschmackvolle Tod ist nicht nur sein Debütroman, sondern auch der Auftakt einer Trilogie. Dem vor mir liegenden zweiten Band Das Buch Deborah soll der dritte Band mit dem Titel Spitze folgen.


    Die Trilogie spielt in der Gegenwart. Hauptfiguren sind Kriminalkommissar Saupe und Deborah Goldmann, eine junge Frau, die gegen ihren Willen in das mordlastige Geschehen gezogen wird. Mit ihr mischt sich ein Hauch Mystery in die Geschichte, denn Deborah ist nicht ganz so gewöhnlich, wie man vielleicht glauben möchte. Sie kann das Ableben anderer im Voraus sehen. Es äußerst sich in einem Dröhnen in ihren Ohren, Schwindelgefühl und Blutstropfen auf der Stirn der betreffenden Person.


    Im zweiten Band Das Buch Deborah möchte Deborah eigentlich nur einen Neuanfang in Bergisch Gladbach machen. Einen ruhigen, lebenswerten Auftakt. Dieser zweite Band bildet im Übrigen die eigentliche Vorgeschichte zu Band 1. Insoweit muss dieser nicht zwangsläufig vorab gelesen werden.


    Im Zuge des Neuanfangs sucht die arbeitslose Brückeningenieurin auch eine neue Arbeitsstelle und eine Nachbarin möchte ihr bei der Suche helfen. Dazu kommt es allerdings nicht mehr, denn kurz darauf wird eben jene Nachbarin ermordet und zerstückelt. Deborah gerät prompt unter Mordverdacht, doch noch kann ihr niemand etwas beweisen und sie bleibt auf freiem Fuß.


    Das ist allerdings noch längst nicht alles, was schief läuft. Deborah wird in ihrer Wohnung überfallen und muss nach einem Unfall ins Krankenhaus und gerät so ganz nebenbei in den Bannkreis einer obskuren Sekte, die in ihr so etwas wie eine Anführerin sieht. Dass die in Das Buch Deborah vorkommenden Ermordeten allesamt zu eben dieser Sekte gehören, trägt nicht gerade zu Deborahs Entlastung bei.


    Das gezeichnete Cover mit seiner Hand, dem Buch und der gesichtslosen (statt Gesichtszügen findet sich dort eine Turmfassade) mit einem Kapuzenmantel verhüllten Gestalt, finde ich im übrigen gut gelungen. Es vermittelt allerdings nicht unbedingt den absolut stimmigen Hinweis auf den Buchinhalt.


    Saupe versucht Deborah zu überführen, konzentriert sich völlig auf sie. Doch damit ist er bei Deborah an der falschen Adresse. Ihre innere Überzeugung sorgt dafür, dass sie sich trotz aller Vorkommnisse nicht völlig aus der Bahn werfen lässt; ihr Mundwerk dafür, dass sich ihre Versuche für Geislers LeserInnen kurzweilig gestalten. Sie bildet einen relativ sympathischen Gegenpol zu der eher miesepetrig und eigenwillig gestalteten männlichen Hauptfigur Saupe. Trotz der an und für sich brutalen Thematik sorgt Geisler für den einen oder anderen Lacher oder zumindest hochgezogenen Mundwinkel. Der Schnellhefter mit Deborahs Bewerbungsunterlagen begleitet beispielsweise die LeserInnen quer durch die Geschichte, Deborah denkt auch in der unmöglichsten Situation an ihn. Auf glaubhafte Art, denn wer schon einmal eine brenzlige Situation erlebt hat, wird vielleicht wissen, dass einem die seltsamsten Gedanken durch den Kopf schießen (das zuhause noch das Frühstücksgeschirr steht etwa, oder dass man ein Loch im Socken hat, weil man ja eigentlich nur kurz vor die Tür wollte und dachte, dass das mit dem Socken damit gerade noch geht).


    Die Geschichte lässt sich leicht lesen. Geisler knüpft eine Szene an die andere, das Tempo ist relativ hoch. Das eigentlich grausame Geschehen kommt durch den, sagen wir mal, dunkel angehauchten Humor jedoch gar nicht so brutal heraus. Der Spannungsbogen wirkt manchmal allerdings etwas überdehnt. Das liegt auch daran, dass Deborah selbst ermittelt. Angesichts Saupes Verbohrtheit klingt das zwar zunächst durchaus logisch – irgendjemand muss sie ja entlasten. Doch wirklich schlüssig fand ich nicht alle Handlungsansätze und Überlegungen. Es geschieht einfach fast zu viel und vor allem zu schnell. Hier hätten ein paar Kapitel mehr oder der eine oder andere Ansatz weniger notgetan, um das Ganze ausführlicher zu gestalten.


    Allerdings, wer den ersten Teil gelesen hat, wird sich daran erinnern, dass Deborah dort an Saupes Seite ermittelt. In ganz normalen Kriminalfällen, ohne Sektenhintergrund. Der im zweiten Band versuchte Neuanfang gelingt also letztlich doch, wenn auch anders als geplant.


    Fazit: 4ratten


    Wer einen knallharten Thriller sucht, ist mit Das Buch Deborah eher schlechter bedient. Geisler spinnt eher scheinbar mühelos sein Garn als Erzähler für lange Winterabende, in denen es eben auch um Mord geht. Die sind deshalb allerdings noch lange nicht langweilig oder wenig lesenswert. Ich habe mich trotz der kleinen Schwächen gut und kurzweilig unterhalten gefühlt und möchte für Das Buch Deborah vier von fünf Punkten vergeben.


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    Es gibt Dinge im Leben, die prägen sich unauslöschlich in uns ein. Bilder, Gerüche, Worte, Töne, Gefühle. So auch am 11.09.2001. Damals unterstützte ich gerade meinen Bruder als Aufpasserin und Animateurin bei der Geburtstagsfeier meiner Nichte mit ihren Kindergartenfreunden. Irgendwann, während ich Topfschlagen mit den Kindern spielte, flüsterte mir mein Bruder ins Ohr, dass ein Turm des WTC eingestürzt war. Mein Bruder hat zugegebenermaßen einen manchmal bizarren, pechschwarzen Humor und im ersten Moment fragte ich mich, was mich im Folgenden wohl noch erwarten würde. Leider meinte er es todernst und so feierten wir zwar mit den Kleinen, allerdings mit einem überaus schlechten Gefühl. Die Folgetage schürten dieses schlechte Gefühl.


    Nicht nur, weil die Worte Krieg und Terror plötzlich in aller Munde waren. Auch weil hier allzu schnell ein Schuldiger benannt und der Krieg erklärt wurde, während im Zuge anderer terroristischer Aktivitäten oft jahrelang erfolglos ermittelt wird. Ich bin keine Verschwörungstheoretikerin, doch das kam mir mehr als spanisch vor. Eine objektive Berichterstattung vermissten wohl die meisten nicht sofort, dafür war das Geschehen zu aufwühlend.


    Der 1959 in Krumbach geborene Gerhard Wisnewski, der es nach eigener Aussage als seinen Auftrag ansieht, ein unbequemer Journalist zu sein, produzierte zusammen mit Willy Brunner die Sendung Aktenzeichen 11.9. ungelöst für den WDR. Im Gegensatz zu den emotionsüberfrachteten Dokumentationen, die man sonst zu sehen bekam, verfolgte er dabei einen überaus kritischen Ansatz. Während meiner (Aushilfs-)Tätigkeit in den Redaktionen Fernsehen In- und Ausland beim (damals noch) SDR, merkte einmal einer der dort arbeitenden Redakteure bitter und desillusioniert an, dass der Zuschauer keine Meinung zu haben hat, weil Meinung gemacht wird. Diese Worte waren und sind nicht völlig aus der Luft gegriffen, denn nach einer fragwürdigen Kampagne des Spiegels und anderer Kritiker gegen ihn endete nicht nur Wisnewskis Tätigkeit für den WDR. Zudem folgte sein halboffizieller Ausschluss aus dem Journalistenverband. Warum? Weil er etwas aussprach, was man nicht aussprechen durfte? Es gab und gibt unzählige Journalisten, die alle möglichen schlecht recherchierten und aus Halbwahrheiten gesponnenen Beiträge produzieren und überraschenderweise dennoch weitaus weniger Folgen fürchten müssen.


    Wisnewski brauchte länger als die Ermittler der Anschläge, um diverse Dinge zu präsentieren. Doch 2003 erschien bei Knaur sein Buch Operation 9/11 Angriff auf den Globus, welches ich mir gleich nach Erscheinen besorgte und geradezu verschlang. Wie gesagt: Ich bin keine Anhängerin von abstrusen Verschwörungstheorien. Doch ich lebe in einer Welt, in der alles zusammenhängt. Was mich deshalb interessiert, ist eine Beleuchtung des Weltgeschehens aus verschiedenen Blickwinkeln. Und dies wurde mir vom Autor durch seine Recherchen geliefert. Sie betrafen nicht nur Überlegungen zu den schnellen Ermittlungserfolgen, den Filmbeiträgen (mit denen wir überschwemmt wurden) und Zeugenaussagen von ansonsten eher totgeschwiegenen Zeugen. Er zeigte logische Widersprüche auf und ging möglichen Motiven auf den Grund. Wisnewski lenkte den Blick auf relevante Fragen, allerdings deuteten die von ihm angesprochenen Kausalitäten und Folgerungen sehr schnell in Richtung einer Verschwörung. Dieses unschöne Ergebnis brachte ihm dann prompt (und nicht zum ersten Mal) den Vorwurf eines Verschwörungstheoretikers ein.


    Unglaubwürdig wirkten seine Fragen und Mutmaßungen jedoch nicht zwingend, denn die Vergangenheit hat gezeigt, dass Verschwörungen nicht nur theoretisch existieren. Zu viele Zufälle, zu viele Ungereimtheiten, zu schnelle Verlautbarungen sorgten zunehmend für Stirnrunzeln. Und die Folgen für die Welt (der schnell ausgerufene Krieg, die Aushebelung von Gesetzen) wie für ihn selbst (Kündigung, Rufschädigung, etc.) untermauerten für mich seine Aussagen. Sie lassen mich ihn weiterhin als das sehen, was er ist: ein investigativer Journalist, der sich glücklicherweise nicht so schnell unterkriegen lässt.


    10 Jahre nach den Anschlägen erinnerten sowohl die Printmedien als auch Film und Fernsehen an die damaligen Geschehnisse. Und wieder konnte man feststellen, dass im Gros der Blick eher auf emotionsgeschüttelte, tränenüberströmte Angehörige oder Beteiligte geschwenkt wurde, als auf tatsächlich nach wie vor nicht zufriedenstellend aufgeklärte Widersprüche. Dass die Ereignisse damals schrecklich waren, steht außer Frage. Dass Emotionen mit ihnen verbunden sind ebenfalls. Doch gerade deshalb tut Aufklärung not.


    KNAUR veröffentlichte dankenswerterweise 2011 eine völlig überarbeitete Fassung von Operation 9/11 mit dem Untertitel Der Wahrheit auf der Spur. Genau wie das erste Buch sorgte auch dieses neben einigem Lob und Anerkennung für Aufruhr und Vorwürfe. Und für Magendrücken, weil die bereits früher gezogenen Rückschlüsse sich nicht nur bestätigen, sondern nach wie vor nichts von ihrer bestürzenden Aussagekraft verloren haben.


    Die Überarbeitung bietet keinen flachen Aufguss, sondern abermals viele gut ermittelte Fakten und daraus resultierende Überlegungen. So geht Wisnewski etwa darauf ein, dass die oft vorgespielten Telefonmitschnitte von Bordtelefonen Lügen gestraft wurden, weil es in dem Flugzeugtyp der betreffenden Maschine gar keine gab. Oder fragt nach, warum der offizielle Schuldige Bin Laden sich trotz der Anschläge anscheinend seltsamerweise nicht auf der offiziellen Liste der Top-Terroristen der amerikanischen Regierung befunden hat. Er setzt fragmentierte Erkenntnisse puzzlegleich zusammen und verfestigt seine damals gefundenen, teils harsch angeprangerten, logischen Widersprüche. Ein weiteres Mal konfrontiert er die tatsächlichen Ungereimtheiten mit den offiziellen Wahrheiten und lässt Letztere schlecht aussehen. Ein weiteres Mal streitet er nicht den terroristischen Angriff an sich ab, sondern hinterfragt differenziert die damit verbundene Suggestion bezüglich vermeintlicher Hintermänner und Hintergründe. Oder die Verschleierung der tatsächlichen Strippenzieher und ihre Motive.


    Seine Überlegungen sind abermals flüssig leicht zu lesen. Seine Argumentationskette reißt nicht ab. Wisnewski langweilt nicht mit dem, was er herausgefunden hat, sondern verursacht erneut Schluckbeschwerden. Die Flut der zusätzlichen Informationen und die daraus resultierenden Fragen und Schlüsse regen zum Nachdenken an. Sie erschüttern das Weltbild noch ein wenig mehr – zumindest all derer, die kritische Fragen zulassen.


    Fazit: 5ratten


    Wie sagte mein Kollege damals so bitter und desillusioniert? „Der Zuschauer hat keine Meinung zu haben, weil Meinung gemacht wird“. Wer die Berichterstattung bestimmter Ereignisse aufmerksam verfolgt (nicht nur die vom 11. September) merkt sehr schnell, dass da etwas daran ist. Wir leben in einer globalen Welt. Es soll uns interessieren, was etwa in Afghanistan passiert. Gleichzeitig sollen wir anscheinend die Augen vor allzu kritischen Fragen verschließen. Wer sich dieser Denkweise anpassen kann und möchte, sollte die Finger von dem Buch lassen. Alle anderen, die über den Tellerrand hinausschauen und differenzierte Zweifel erlauben, kann ich es jedoch empfehlen. Wie man die daraus gewonnenen Ansichten bewertet, bleibt jedem letztlich selbst überlassen. Operation 9/11, egal ob die 2003er-Ausgabe mit dem Untertitel Angriff auf den Globus oder die 2011er-Ausgabe mit dem Untertitel Der Wahrheit auf der Spur, erschüttert. Macht Angst und wütend. Nicht nur weil es deutlich macht, wie leicht man manipuliert werden kann, sondern auch angesichts des Umstandes, dass die Manipulatoren keine allzugroßen Strafen befürchten müssen.


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    Knaur Taschenbuch Verlag
    ISBN-13: 9783426510933
    ISBN-10: 3426510936
    Belletristik
    1. Auflage 10/2012
    Taschenbuch, 288 Seiten
    [D] 9,99 €


    Verlagsseite http://www.droemer-knaur.de/bu…erne+Tochter.7772334.html
    Autorenseite http://www.renate-ahrens.de


    Eine Geschichte beginnt immer mit einer Figur, sagt Renate Ahrens. Die Geschichte ihres Lebens begann mit ihrer Geburt 1955 in Herford. Die Autorin studierte Englische Philologie und Romanistik und arbeitete vor ihrer Tätigkeit als freie Autorin als Lehrerin. Ihr Leben teilt sie nach Aufenthalten in Italien, Südafrika, Frankreich und Irland heute zwischen Dublin und Hamburg auf. Sie bezeichnet sich selbst als neugierigen Menschen, der gerne neue Welten – bei Auslandsaufenthalten – entdeckt.


    Die Figur, um die es im neuesten Roman von Renate Ahrens geht, heißt jedoch Judith. Judith ist Restauratorin, lebt in Italien und hütet sehr erfolgreich ein Geheimnis aus ihrer Vergangenheit. Am 28. September diesen Jahres war ich zur Buchpremiere von Ferne Tochter im Speicherstadtmuseum Hamburg eingeladen. Leider konnte ich nicht hingehen. Umso mehr habe ich mich gefreut, als ich dann das Buch in Händen hielt.


    Niemand kann vor seiner Vergangenheit auf Dauer davonlaufen


    Rom, seit nahezu vierzig Jahren die Lieblingsstadt der Autorin, ist einer der Schauplätze, an dem die Geschichte der Hauptfigur Judith spielt. Judiths sorgsam aufgebautes Lügenkonstrukt bezüglich ihrer Vergangenheit samt bis dahin gut funktionierender Verdrängungstaktik droht ihre glückliche, aber kinderlose Ehe mit Francesco von heute auf morgen zu zerbrechen, als eine ehemalige Freundin aus ihrer alten Heimat sich meldet. Er weiß, dass sie alle Brücken hinter sich abgebrochen hat, kennt jedoch nicht den wahren Grund. Er ahnt nicht, dass sie eine mittlerweile erwachsene Tochter hat, die sie gleich nach der Geburt zur Adoption freigab. Er weiß nicht, die wahren Gründe für Judiths Flucht aus Deutschland. Und sie weiß nicht, wie sie ihm erklären soll, warum sie sich alleine um ihre Mutter kümmern muss, die nach einem Schlaganfall im Krankenhaus gelandet ist. Oder wie sie ihm gar von ihrer Tochter erzählen könnte, die den Kontakt zu ihr sucht. Bei ihrem anfangs widerwilligen Versuch, sich um ihre Mutter zu kümmern bzw. die Dinge zu klären, muss sich Judith nicht nur ihrer Vergangenheit stellen. Sie lernt auch ihre Mutter in gewisser Weise neu kennen und bekommt zumindest die Chance die Folgen ihrer aus Verzweiflung getroffenen Entscheidung abzumildern.


    Der Titel passt in meinen Augen sehr gut, spiegelt er doch nicht nur Judiths Verhältnis zu ihrer Mutter, sondern auch zu ihrer Tochter wieder, das anfangs nicht distanzierter hätte sein können. Ferne Tochter ist aus Judiths Sicht geschrieben. Die kurzen Sätze spiegeln nicht nur die innere Zerrissenheit von Ahrens Romanfiguren wieder, sie unterstreichen die aufwühlenden Emotionen der Grundthematik geradezu. Gefühlvoll und emphatisch führt die Autorin ihre LeserInnen wie ihre Figuren durch den Roman. Unfassbar, aber keinesfalls unmöglich, scheint dabei die Denkweise der Eltern Judiths anlässlich der Zeit, in der sie ihr uneheliches Kind bekommt. Die Geschehnisse der Vergangenheit sind gut proportioniert und gezielt in das aktuelle Geschehen eingestreut. Obwohl der Fokus eindeutig auf Judith liegt, bleiben auch Francesco und andere Figuren nicht flach und schon gar nicht nebensächlich.


    Ohne überfrachtete Beschreibungen oder gar melodramatische Auswüchse erzählt Ahrens Judiths Geschichte und regt zum Nachdenken an. Nicht nur, wie gefährlich noch so kleine Lügen sein können, sondern auch welchen Stellenwert die Familie hat oder zumindest haben sollte. Darüber, wie wichtig es ist, seine Wurzeln zu kennen. Darüber, wie blind man gegenüber Hilfsangeboten sein kann, oder wie schwer manche Dinge wieder gutzumachen sind. Erzählt von etwas, das direkt um uns passieren könnte. Authentisch, lebensnah, glaubhaft.


    Fazit 5ratten


    Ein sehr berührendes Buch, das ich nur empfehlen kann. Ein Roman über Schuld und Vergebung, über Enttäuschung, Verzweiflung und Hilflosigkeit. Keine heitere Geschichte, aber trotz allem ganz und gar nicht hoffnungslos. Ferne Tochter hat mir Appetit auf weitere Romane der Autorin gemacht. Wie gut, dass es da schon welche gibt.


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    Der 1946 geborene und in Amsterdam lebende Carel Donck war Kennern der Szene bisher eher durch Drehbücher für Film und Fernsehen ein Begriff. Mit seinem ersten Roman „Nur noch ein einziges Mal“ betritt er also quasi nicht nur Neuland, sondern wagt sich auch gleichzeitig an ein Thema heran, dass viele Menschen seit ewigen Zeiten beschäftigt und wohl auch noch einige Zeit beschäftigen wird.


    Was passiert, wenn wir sterben? Mit denen die wir zurücklassen, aber auch mit uns? Lösen wir uns einfach auf, verpufft unsere Existenz ohne Nachhall? Oder betreten wir eine andere Ebene? Wenn ja, werden wir die, die wir zurücklassen wiedersehen? Wenn es mehr als unser irdisches Leben gibt, wäre es dann nicht wundervoll, wenn wir unsere Lieben wenigstens ab und an etwas lenken könnten? Oder würde es für zu viel Chaos sorgen? Aber beobachten wäre doch auch schon etwas, oder?


    In Doncks Debütroman bekommt die Protagonistin Laura diese Chance. Als sie bei einem Unfall getötet wird, findet sie sich nach ihrem Wiedererwachen in einer Art Zwischenwelt wieder. Lange Flure, kleine Zimmerchen und riesige Säle in unendlicher Fortsetzung. Die Einrichtung im Gesamten eher spartanisch.


    Wer jetzt glaubt, dass Laura als eine Art Engel oder in anderer Gestalt wieder auf die Erde darf, weil sie etwa zu früh gestorben ist, irrt. An ihrem Tod oder am Zeitpunkt ihres Todes besteht kein Zweifel. Und Doncks Vorstellung vom Jenseits ist dann nicht nur räumlich betrachtet ganz anders, als man es gemeinhin zu lesen bekommt.


    Laura ist zum einen zunächst zum puren Zusehen verdammt. Erst nach einiger Zeit gelingt es Laura, über Träume Kontakt mit ihrem Sohn und später auch zu ihrer Tochter aufzunehmen. Bis dahin verfolgt sie in einem kleinen Zimmerchen, das ihr zugewiesen wird, geradezu süchtig, was die „Mitarbeiter“ der Zwischenwelt seit ihrem Tod akribisch aufgezeichnet haben. Doch sie kann auch live den Alltag ihrer zurückgebliebenen Familie am Bildschirm verfolgen. Sie kann beobachten, wie schwer sich ihr Sohn Mark mit ihrem Tod tut. Findet heraus, dass ihr Mann sie vor ihrem Tod betrogen hat und mittlerweile mit ihrer gemeinsamen Freundin lebt. Und weil mit dem Tod nicht alle Emotionen verpuffen, freut sich Laura zunächst einmal, als sie begreift, dass Silvia mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen hat, bei dem Versuch von den Kindern akzeptiert zu werden. Spätestens als sie über die Träume Einfluss auf ihre Kinder nehmen kann, setzt Laura alles daran, Silvia das Leben so schwer wie möglich zu machen, ohne zunächst zu begreifen, was sie ihren Kindern damit antut.


    Daneben gibt es aber auch noch Lauras Dasein in der Zwischenwelt. Donck zeichnet wie bereits erwähnt ein etwas anderes Bild. Es ist sehr still dort, obwohl ganze Säle voller Menschen sind. Monotonie bestimmt den Alltag. Keine bekannten Gesichter begegnen Laura, eine Unterhaltung ist nur den wenigsten möglich. Mit ihr spricht allenfalls der für sie zuständige Mitarbeiter der Zwischenwelt. Die Blicke der Menschen sind leer und niemand – außer einem Mädchen - scheint Laura wirklich wahrzunehmen. Sie fühlt sich einsam, verraten und ohnmächtig. Vor allem, nachdem ausgerechnet das eben erwähnte Mädchen ihr einen Ort zeigt, der in die Unendlichkeit zu führen scheint und sich dann fast unmittelbar danach zu diesem Ort aufmacht.


    Doncks in Gegenwartsform geschriebener Debütroman lässt sich leicht lesen. Man taucht bereits anfangs in eine sehr dramatische und emotionsgeladene Atmosphäre ein. Die Wechsel zwischen den Erlebnissen in der Zwischenwelt und Lauras Beobachtungen ihrer Familie sind sehr fließend und überaus gut gelungen. Und obwohl Donck den Hauptteil der Geschichte von Laura selbst erzählen lässt und ihr Tod eindeutig das Hauptthema ist, bleibt dem Leser doch das nahezu zum Scheitern verurteilte Bemühen Silvias nicht verborgen, die verzweifelt versucht, den Kindern eine gute Mutter und dem Ehemann eine gute Frau zu sein. Ebenfalls sehr ausführlich geht Donck auf Lauras Sohn Mark ein, der sehr unter dem Tod seiner Mutter leidet. Die Elemente des Schmerzes und der Trauer werden sehr einfühlsam übertragen.


    Ohne sich in ausführlichen Charakterbeschreibungen zu ergehen, schafft es Donck, die Welt der Lebenden und ihre Handlungsweise nachvollziehbar lebensecht darzustellen. Demgegenüber stehen die Figuren der Zwischenwelt, die zwar ebenfalls klar gezeichnet, aber durch ihr Verhalten eher vage verschwommen daherkommen und – bis auf das Mädchen - keine große Rolle in dem Geschehen zu spielen scheinen.


    Die eigentliche Grundthematik, die in vielen Büchern verkitscht herüberkommt, wird von dem niederländischen Autor rührend aber nicht rührselig dargestellt. Kleine dramatische Szenen reihen sich aneinander, ohne durch melodramatische Elemente verdorben zu werden. Donck lässt seine Leser an einem kurzweilig zu lesenden aber keinesfalls flüchtigen Entwicklungsprozess seiner Hauptfigur teilnehmen. Lässt ihn miterleben, wie Laura Akzeptanz und Abschied lernen muss. Aber auch Liebe erkennen kann und dass eine vermeintliche Feindin auch zu einer Verbündeten werden kann, wenn es um die Kinder geht. Dass die Figuren in der Zwischenwelt dann doch eine größere Rolle spielen, als zunächst angenommen, zeigt sich spätestens an Lauras Entwicklungsprozess gegen Ende des Buches.


    Was zunächst tröstlich erscheint – nach dem Tod den Kontakt zu denen, die wir lieben, nicht völlig zu verlieren – offenbart sich in Doncks Version vom Leben danach als zunehmend trostloser, da er Laura größtenteils zur stillen und unsichtbaren Beobachterin verdammt. Dennoch erlebt Laura Glücksmomente und das hebt – obwohl das Buch nicht fröhlich ist – die Grundstimmung deutlich. Dazu gehören die Begegnungen mit dem jungen Mädchen ebenso wie die Momente, in denen sie mit ihren Kindern Kontakt aufnehmen kann. Trotz des traurigen Schlusses fühlt man sich versöhnt und in gewisser Weise auch getröstet.


    Fazit: 5ratten


    Doncks Debütroman fesselt unweigerlich. Er ist für mich kein Buch, dass man mal eben so nebenbei liest und dann einfach und schnell wieder vergisst. Zum einen, weil seine Vorstellung vom Leben danach etwas erschreckend trostloses beinhaltet. Zum anderen und vor allem aber, weil er emotional fesselt. Kein Mainstreambuch, aber eines, das man lesen sollte und für das ich fünf von fünf Punkten vergeben möchte.


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    Blanvalet Taschenbuch Verlag
    ISBN-13: 9783442380220
    ISBN-10: 3442380227
    Belletristik
    1. Auflage 10/2012
    Taschenbuch, 416 Seiten
    [D] 8,99 €


    Verlagsseite http://www.randomhouse.de/Tasc…li-Rautenberg/e400916.rhd
    Autorenblog http://www.das-single-experiment.de


    Brächte ich so etwas über mich? Etwas wie die Suche nach dem Partner oder das Leben mit Selbigem in Form eines Blogs und/oder Buches zu veröffentlichen? Vermutlich eher nicht. Die Autorin Juli Rautenberg, die nach ihrem Studium als freie Lektorin arbeitet, hat es jedenfalls getan. Sie gerät nach eigenen Angaben schon mal bei warmem Schokoladenpudding in Versuchung und ist vom inzwischen leider verstorbenen Loriot fasziniert. Persönlich steht sie eher auf Krimis und Thriller.


    Darum handelt es sich bei Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegenteil allerdings nicht. Um einen Direktangriff auf diverse Lachmuskeln allerdings schon. Es ist die Fortsetzung von Zwölf Monate, siebzehn Kerle und ein Happy End: Das Single-Experiment (2011 erschienen über Eichborn Verlag). Der Titel verrät es schon, darin beschäftigt sie sich mit der Suche nach dem Traummann. Bereits damit hatte die Autorin die Lacher auf ihrer Seite. Aber all das war vollkommen nebensächlich und es ist mir, während die diverse Lachsalven mein Zwerchfell erschütterten, nicht einmal andeutungsweise aufgefallen.


    Möglich, dass Rautenberg nicht alle Leser querbeet zum Lachen animieren kann. Aber wer kann das schon von sich behaupten. Bei den Leuten, mit denen ich zwischenzeitlich über Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegenteil gesprochen habe, ist ihr das jedoch durchweg und spielend gelungen.


    Das Buch liest sich sehr leicht. Man kann es in einem Rutsch durchlesen oder es in Häppchen genießen, da es in handliche Kapitel die wiederum zu einem von zwölf Monaten zusammengefasst sind, geschrieben ist. Jedes der Kapitel ist auch mit überaus passenden Überschriften versehen.


    Man merkt schnell, das Juli, die sich manchmal wie der berühmte Elefant im Prozellanladen verhält, absolut nicht perfekt und selbstsicher ist, dafür aber sehr authentisch. Spritzig und freimütig, mit einer mehr als guten Prise Selbstironie, berichtet die Autorin von allem, was in einer neuen Beziehung so alles passieren kann. Was Verdauung und Verliebtsein über das V am Wortanfang hinaus miteinander zu tun haben, etwa. Von Eifersüchteleien und Minderwertigkeitsgefühlen. Von Fettnäpfchen und ersten Gewitterwölkchen. Bösen Schwiegermonstern und peinlichen Eltern. Von im ungünstigsten Moment auftauchenden Expartnern, von falschen Verdächtigungen und infantil-anmutenden Folgeaktionen bis hin zur Angst vor der vermeintlichen Endgültigkeit. Von inneren Schweinehunden und der eigenen anderen bösen, teils missgünstigen Seite. Von Verletzen und Verletztsein. Von allen Gefühlen, die es so zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt eben so gibt.


    Nicht immer hat es Konrad, ihre bessere Hälfte, einfach mit ihr und man kann ihm getrost Sinn für Humor und vor allem Durchhaltevermögen attestieren, weil er mit so ziemlich allem fertig wird. Nicht immer erfüllt er alle Erwartungen, die Juli an ihn stellt und doch begreift sie sukzessive, dass es manchmal besser ist, etwas zurückzustecken, um nicht alles kaputtzumachen. Und nicht alles, was Rautenberg so mitzuteilen hat, ist bei all der spielerischen Leichtigkeit, mit der sie davon berichtet, auch wirklich nur humorig, sie macht sich durchaus auch ernsthafte Gedanken darüber, dass sie sich selbst am meisten im Weg steht.


    Fazit: 5ratten


    Genauso leicht und locker zu lesen, wie es geschrieben ist. Für alle die mal wieder lachen wollen und auch über sich selbst lachen können. Denn so sehr man sich manchmal an den Kopf fassen möchte, das Buch wirkt stellenweise wie ein Spiegel. Herrlich lebendig und mitten aus dem Leben bekommt es fünf von fünf Punkten von mir.


    Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)

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    Königsfurt-Urania
    ISBN: 9783868261080
    ISBN: 3868261087
    Sachbuch, Gesundheit, Lifestyle
    Ausgabe 01/2011
    Karton-Box mit 68 Übungskarten und Anleitung, Booklet 46 Seiten
    [D] Preis 19,90 €


    Verlagsseite http://www.koenigsfurt-urania.com
    Autorenseite http://www.yogaschulezuerich.ch


    Seit mir vor etwa dreieinhalb Jahrzehnten ein vereiterter Milchzahn gezogen werden musste, plagt mich die Angst vor Zahnarztbesuchen. Dafür kann allerdings besagter Backenzahn, so schmerzhaft er auch war, nichts. Vielmehr wurzelt diese Angst in der lebhaften Erinnerung an die überaus resolute Zahnärztin. Noch heute höre ich die barsche, in feldwebelhaftem Ton geraunzte Anweisung, mich nicht so anzustellen. Noch immer habe ich auch – das fasse ich bis heute nicht – die direkt neben dem Behandlungsstuhl platzierten beiden Doggen nicht vergessen. Ob diese Hunde wirklich so groß waren, wie mir meine Erinnerung suggeriert, mag dahingestellt sein. Fakt ist, dass ich heute noch ihr Hecheln und das überaus interessierte Schnüffeln im Ohr habe, nicht nur während der Prozedur an sich, sondern auch als sie mich aus dem Behandlungszimmer geleitet haben. Mein Bruder, der mich damals begleitete, muss bei meiner Gesichtsfarbe, meines Gesichtsausdrucks und angesichts des Umstandes, dass ich auf dem langen Weg zum Bahnhof alle zwei Schritte Blut ausspucken musste, so einen Schrecken bekommen haben, dass er zuließ, dass ich mein angstfeuchtes Patschehändchen in seine deutlich größere und griffigere Hand geschoben habe (was sonst eher nicht so sein Ding war). Sobald ich fortan auch nur das Wort Zahnarzt las, litt ich an Kurzatmigkeit und Herzrasen, Schweißausbrüchen und Magenschmerzen, was samt und sonders stärker wurde, je näher ich einem Behandlungsstuhl kam. Daran konnten weder nette und überaus verständnisvolle Zahnärzte (ohne Hunde) noch Beruhigungsmittel etwas ausrichten. Obwohl ich glücklicherweise mit an sich gesunden Zähnen ausgestattet bin, wurde jeder Kontrolltermin zur Tortour. Der Umstand, dass ich auch zum Kieferchirurgen musste, oder sobald sich die Weisheitszähne bemerkbar machten, fatalerweise bei jedem Eisprung Entzündungen an selbigen bekam, verbesserte die Situation keineswegs. Heute gibt es ja sogenannte „Angst“-Zahnärzte, was eine gute und schöne Sache ist, sofern sich die Zähne daran halten, zu praxiskonformen Zeiten und regulären Terminen Probleme zu bereiten.


    Warum ich das erzähle? Weil mich das vor mir liegende Buch-Karten-Set MUDRAS für Körper, Geist und Seele - Yoga mit dem kleinen Finger daran erinnert hat. Ganz niedergerungen ist meine Angst bis heute nicht. Aber ich halte sie im Fall der Fälle auf einem erträglichen Level. Mit Mudras gehe ich nicht nur dagegen, sondern auch gegen andere Wehwehchen vor, die das Leben so mit sich bringt. Zugegeben, mit dem kleinen Finger allein kommt man beim Praktizieren von Mudras nicht weit. Allerdings muss man sich dabei auch nicht so verrenken wie bei mancher Yogaübung und Mudras strengen eindeutig weniger an. Effektiv sind sie jedoch allesamt, wie ich nach einem Seminar und aus eigener Erfahrung weiß. Ich liebe Mudras. Einfach weil man sie immer und überall praktizieren kann. Ohne Hilfsmittel, ohne lange Vorbereitung. Ob jung oder alt, gesund oder angeschlagen, egal ob im Gehen oder Stehen, im Sitzen oder im Liegen - wer Hände hat, kann sein Glück mit ihnen versuchen.


    Allerdings – ich bin bequem – wende ich die Allermeisten nur im Ernstfall an. Und auf den Gedanken, sie als Orakel zu benutzen (wie auf der Booklet-Rückseite beschrieben), bin ich noch gar nie gekommen. Allerdings hatte ich bisher ja auch noch kein Karten-Set. Mein Wissen um diese nützlichen kleinen Alltagshelfer kann also durchaus noch ausgebaut werden. Wem das zu abgehoben sein sollte, kann diesen Aspekt natürlich auch einfach weglassen.


    Das Booklet enthält eine kurze Beschreibung zur Anwendung der Karten, leicht auch für absolute Laien verständlich. Wer Angaben zur Zeit sucht, die man investieren muss oder soll, der wird sie lediglich bei den Einsteigertipps im Booklet, nicht jedoch auf den farblich sortierten Karten finden. Das liegt nicht daran, dass sie vergessen wurden, sondern – darauf weist Gertrud Hirschi hin – daran, dass die benötigte Zeit bei jedem individuell ist.


    Die Karten selbst sind, wie bereits erwähnt, farblich sortiert. Alle Übungen auf roten und orangenen Karten dienen dazu, Kraft zu tanken. Übungen für geistige Frische findet man auf den gelben, grüne beinhalten Übungen für inneres Gleichgewicht und Harmonie, blaue solche für Ruhe und Entspannung.


    Klingt unwahrscheinlich? Ist es aber nicht. Wie man (nicht nur) aus der Traditionellen Chinesischen Medizin weiß, haben wir an unserem Körper (Rücken, Hände, Füße, Ohren) Punkte, die über Meridiane direkt mit unseren Organen verbunden sind. Wer nachsehen will, welcher Handbereich zu welchem Organ gehört, kann dies anhand des Booklet-Schaubildes (S. 25) tun. Diese Punkte werden mit den Mudras stimuliert. In Verbindung mit der Konzentration auf das Innere, auf die Atmung, einer eventuellen Visualisierungsübung und zusammen mit einer kurzen Vorabmassage, kann man so gezielt Selbstheilungskräfte aktivieren, die innere Balance wiederfinden, sich fokussieren. Das ist natürlich eine stark vereinfachte Betrachtungsweise, aber es lohnt sich auf alle Fälle, Mudras einmal auszuprobieren. Einfach weil sie eine Möglichkeit darstellen, etwas ohne fremde Hilfe für sich zu tun. Wer sich mit Spiritualität, Transformation und Wandel beschäftigt, kommt ebenfalls nicht zu kurz, denn Übungen dazu findet man auf den violetten Karten.


    Auf der Kartenvorderseite findet sich jeweils eine Mudra-Zeichung vor einem auf jeder Karte anders gestalteten, gemalten Hintergrund. Dieser Hintergrund bezieht sich auf Wirkung oder den Namen des Mudras. Hinzu kommt ein(e) Affirmation/Mantra. Auf der Rückseite findet sich die Bezeichnung des Mudras, eventuell wem es ursprünglich geweiht wurde, seine Wirkung, ein Visualisierungsvorschlag und ein(e) weitere(s) Affirmation/ Mantra.


    Was positiv anzumerken ist, ist das Register im Booklet ab Seite 33. Darin führt die Autorin eine Reihe von Beschwerden und die dazu passenden Karten bzw. Mudras auf. Wirklich schade ist jedoch, dass eine explizite Beschreibung zur Haltung und Lage der Finger bzw. der Hand selbst meist auf den Karten fehlt. Nicht immer ist alles selbstredend bereits durch die Zeichnung erklärt. Dies kann Laien die Sache etwas erschweren.


    Abschrecken lassen müssen sie sich davon jedoch auch nicht, denn egal ob im seelisch-geistigen Bereich oder doch eher bei körperlichen, akuten oder chronischen Beschwerden. Unabhängig von seinem Problem oder Anliegen, wird jeder etwas für sich in den 68 Karten finden. Darauf finden neben ältere, bereits von der Autorin in ihren anderen Büchern eingesetzte Mudras, wie auch einige neuere. Es sind natürlich nicht ihre eigenen, denn Mudras sind Handhaltungen, die in fernöstlichen Kulturen seit Jahrhunderten bekannt sind.


    Fazit:


    MUDRAS für Körper, Geist und Seele - Yoga mit dem kleinen Finger bietet empfehlenswerte Alltagshelfer. Das liebevoll gestaltete Set ist allerdings noch etwas ausbaufähig, was die genauere Beschreibung einzelner Mudras betrifft. Dafür gibt es einen kleinen Punktabzug.


    Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)
    4ratten


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    Königsfurt-Urania
    ISBN: 9783868261165
    ISBN: 3868261168
    Sachbuch, Gesundheit, Lifestyle
    Erweiterte Neuausgabe 09/2011
    Karton-Box mit 84 Übungskarten und Begleitbuch, Softcover, 112 Seiten
    [D] Preis 22,99 €


    Verlagsseite http://www.koenigsfurt-urania.com
    Autorenseite http://www.yogaschulezuerich.ch


    Gertrud Hirschi dürfte nicht nur Yoga-Schülern und/oder auch –Lehrern in der Schweiz nicht ganz unbekannt sein. Sie leitet seit beinahe drei Jahrzehnten eine Yogaschule in Zürich; bietet in der Ulmer Gesundheits-Akademie interessierten Yogalehrern Weiterbildungen an und macht ihr Wissen im Bereich Yoga, Mudras oder Meditation nebenbei in Vorträgen und Kurzseminaren im In- und Ausland sowie Büchern oder dem mir hier vorliegenden Buch-Karten-Set einem breiteren Publikum zugänglich.


    Egal ob jung oder alt, gesund oder gesundheitlich eingeschränkt, beweglich oder weniger beweglich: Mit Yoga kann jeder etwas für seine Gesundheit tun und – bei richtiger Anwendung – sehr schnell persönliche Fortschritte erkennen. Bevor ich mich intensiver damit befasst habe, war mir gar nicht bewusst gewesen, wie eingeschränkt ich beispielsweise in meiner Beweglichkeit bereits war. Bedauerlicherweise ließ ich mich anfangs viel zu leicht abschrecken. Das lag jedoch nicht daran, dass Yoga grundsätzlich nichts für mich war, sondern dass ich mir die falschen Kurse, Kursleiter und/oder DVDs für meine ersten Versuche aussuchte. Mittlerweile weiß ich es besser.


    Der Vorteil: Man kann Yoga genau genommen fast überall machen. Mehr als eine bequeme Unterlage und entsprechende Kleidung benötigt man neben der anfänglichen Notwendigkeit den inneren Schweinehund zu überwinden, der eventuell zähnefletschend vor dem überaus bequemen Sofa sitzt und einen am Aufstehen hindert, eigentlich nicht. Okay, ein Spiegel ist in meinen Augen auch noch ganz sinnvoll für alle Übenden. Für Interessierte gibt es glücklicherweise eine Fülle an mehr oder weniger guten Angeboten. Seien es Kurse, Videos oder auch Bücher. Oder das praktischerweise gerade vor mir liegende Buch-Karten-Set YOGA ganz einfach.


    Die darin enthaltenen Karten wurden schon vor knapp zwanzig Jahren vom Bauer-Verlag herausgegeben und bis zur fünften Auflage immer mal wieder überarbeitet. Auch die Idee, die Karten gemeinsam mit einem Buch herauszubringen, ist nicht ganz neu. Ursprünglich war das Begleitbuch allerdings noch eher ein Booklet. Das jetzt im Set enthaltene 112seitige Begleitbuch überraschte mich bereits beim ersten Durchblättern mit der Fülle der darin enthaltenen Informationen. Atmung, Tipps für die tägliche Praxis, ein Ausflug in die Welt der Chakras, Yantras und Mantras – all das kommt neben der eigentlichen Yoga-Thematik nicht zu kurz und wird in einen schlüssigen Zusammenhang gebracht. Man merkt deutlich die Erfahrung der Autorin, die im Übrigen auch auf Meditationen und Mudras (Fingeryoga) und eine Vital-Klopf-Technik eingeht. Wer das Buch aufmerksam liest, wird feststellen, dass Gertrud Hirschi Lebensfreude und Spaß an der Sache damit vermitteln will, was ihr für mein Empfinden auch gut gelungen ist.


    Die 84 Übungskarten bieten neben den eigentlichen Grundübungen auch noch entsprechend beschriebene Varianten. Ich habe noch nicht alle Karten durchprobiert und nachgezählt. Deshalb kann ich ehrlich gesagt nicht sagen, wie viele Varianten es tatsächlich sind (laut Kartonrückseite 180, laut Einleitung S. 8 etwa 170 und laut Beschreibung der Karten an sich auf Seite 29 des Buches sogar 270 – so genau scheint das also irgendwie niemand zu wissen :smile:). Doch das ist ehrlich gesagt zunächst einmal nebensächlich.


    Die nach Farben gegliederten Karten (14 x gelb = Drehungen, 13 x blau = Vorbeugen, 12 x grün = Rückenbeugen, je 11 x rot = allgemeine Aufwärm- und Kraftübungen, orange = Seitenbeugen, violett = Umkehrhaltungen, 10 x weiß = Gleichgewichtsstellungen, je 1 x grau = Ruhelage, braun = Meditationshaltung) zeigen auf der Vorderseite eine Schattenrissdarstellung. Diese hebt sich schwarz (statische Grundübung) und gegebenenfalls grau (dynamische Übungsfolge/ Variation) vor dem farbigen Hintergrund ab. Darunter steht ein(e) passende(s) Affirmation/Mantra als Einstimmung auf die Übung beziehungsweise um eventuell darüber zu meditieren. Ferner findet man darauf ein sogenanntes Yantra (eigenes Symbol) für die jeweilige Farb-/Übungsgruppe. Die ebenfalls auf der Vorderseite angebrachten Zahlen von eins bis vier verdeutlichen, welche Übungen man im Stehen, im Kniestand oder der Bauchlage, im Sitzen oder in der Rückenlage absolvieren sollte.


    Praktischerweise kann man sich anhand der Farbsortierungen und Nummerierungen immer wieder neue Übungsfolgen zusammenstellen, mit denen Lockerungen und Dehnungen des ganzen Körpers, die Durchlässigkeit der Meridiane, eine Stärkung des Rückens und bessere Gelenkbeweglichkeit ebenso wie Tiefenentspannung trainiert werden können.


    Auf den Rückseiten der Karten findet man ebenfalls eine Fülle an Informationen. Hier wird die Übung an sich erklärt, die Atemfolge ebenso wie passende Ausgangspositionen/ Vorübungen und nachfolgende Ausgleichsübungen und letztlich auch die Wirkung (egal ob körperlich, geistig oder seelisch).


    Kurzum gibt es also sowohl einfache Anfängerübungen als auch schwierigere für Fortgeschrittene.


    Also Buch lesen, Karten aussuchen und einfach loslegen?


    Ganz so einfach ist es dann doch nicht. Denn, wer viele Informationen auf einer 7 x 5 cm großen Karte unterbringen möchte (und man findet auf den Kartenrückseiten wie bereits angedeutet einiges an Informationen), muss eine entsprechend kleine Schrift wählen. Die ist zusätzlich das eine oder andere Mal von einem grau gestalteten Variantenschattenriss unterlegt. Beides erschwert, das einfach so nach den Karten greifen und loslegen etwas. Etwas Zeit muss man also schon aufbringen.


    Und auch sonst gilt: eindeutig JEIN!


    Ja für jene, die Yoga nicht gerade erst neu für sich entdeckt haben und es schon geraume Zeit praktizieren. Wer nicht immer nach dem einmal gelernten Schema-F üben möchte, hat mit dem Set ein probates Mittel gegen Langeweile zur Hand.


    Auch autodidaktisch veranlagte Personen, die eine gesunde Selbsteinschätzung haben, werden mit dem Set alleine bereits gut zurechtkommen, sofern sie sich eingehend mit den Übungskarten und dem Buch beschäftigen. Das allerdings erklärt sich von selbst, denn wenn man sich nicht damit beschäftigen möchte, braucht man sich das Set ja eigentlich gar nicht erst kaufen.


    Trotz der Tatsache, dass alle Übungen samt Varianten mit Sicherheit zu Gesundheit, einer guten Haltung und der Stärkung und Genesung eines vielleicht nicht mehr so ganz perfekten Körpers führen, möchte ich andererseits jedoch ein klares Nein für all jene aussprechen, die absolute Neulinge sind, Yoga einfach mal spaßeshalber ausprobieren möchten oder sich eventuell auch gerne selbst überschätzen. Wer nicht mit der nötigen Einstellung an die Sache herangeht, ärgert sich hinterher möglichenfalls nicht nur über den Preis, sondern muss sich gegebenenfalls auch mit Schmerzen plagen.


    Denn obwohl die Autorin in ihrer Einleitung darauf verweist, dass Yogaübungen ihre Rückenprobleme wie Butter in der Sonne dahinschmelzen ließen, verweist sie auf Seite 106 darauf, dass die Übungen auf den Karten für gesunde Menschen erstellt wurden, und führt auch sonst noch ein paar Kontraindikationen an. Dies muss man jetzt nicht hundertprozentig als Widerspruch in sich sehen, denn mit etwas Selbsteinschätzung kann man durchaus üben, üben, üben. Doch wer überprüft was und ob man überhaupt eine Übung richtig und damit laut Autorin absolut rücken- und nackengerecht durchführt?


    Genau wie bei allen anderen Büchern oder DVDs niemand, das muss jeder für sich tun. Insoweit tut zumindest ein Grundkurs für Neulinge in meinen Augen not, bei dem ein Yogalehrer den interessierten aber bis dahin eben völlig unbeleckten Yogaschüler entsprechend einführt und – noch wichtiger - korrigiert.


    Auch wer sich selbst im Verdacht hat, was auch immer zu verbissen zu üben, sollte die Hände von dem Set lassen. Zwar gibt es grundsätzlich Yogaübungen für jeden, doch die eine oder andere kann bei falscher Ausführung durchaus schaden oder je nach körperlichem Befinden eben kontraproduktiv wirken.


    Fazit:


    Schmälert das alles den guten Eindruck, den YOGA ganz einfach bei mir hinterlassen hat? Eindeutig NEIN! Erstens betrifft das meiste davon nicht das Buch-Karten-Set alleine, sondern wohnt allen Do-it-yourself-Anleitungen inne. Unabhängig davon ist Yoga nichts, was man mal einfach so nebenbei erledigen sollte. Wer sich also ausführlicher sowohl mit dem Thema an sich als auch mit dem Buch-Karten-Set beschäftigt, wird meines Erachtens seine Freude an diesem liebevoll gestalteten Set haben. Nicht nur weil angebotene Kurse vielleicht manchmal einfach nicht in die Tagesplanung passen oder der DVD-Player im entscheidenden Moment mal wieder anderweitig belegt ist. YOGA ganz einfach erleichtert zwar eindeutig die Zusammenstellung neuer Übungsfolgen. Doch die Autorin lief darüber hinaus auch mit ihrer Vital-Klopf-Technik sowie den Ausführungen zum Atmen oder ihren Meditationsvorschlägen offene Türen bei mir ein. Deshalb kann ich YOGA ganz einfach jedem empfehlen, der etwas für sich tun möchte.


    Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)
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    Originaltitel: A friend of the family
    Aus dem Englischen übersetzt von Silvia Morawetz
    Verlag: Klett-Cotta
    ISBN: 9783608938968
    ISBN: 3608938966
    Gebundene Ausgabe: 350 Seiten
    [D] 21,95 €
    1. Auflage Februar 2011


    Verlagsseite http://www.klett-cotta.de
    Autorenseite http://laurengrodstein.com


    Viel findet sich nicht im Netz, wenn man Lauren Grodstein eintippt. Die in New Jersey geborene und aufgewachsene Autorin lebt noch heute mit ihrem Ehemann und Sohn dort. Sie unterrichtet kreatives Schreiben und Literaturwissenschaft in Camden. Ihre bisherigen Arbeiten wurden bereits in mehrere Sprachen übersetzt. So auch ihre Novelle „A friend of the familiy“, die im Februar letzten Jahres von Klett-Cotta auf den deutschen Markt gebracht wurde.


    Eigentlich könnte alles perfekt sein. Der Internist Pete Dizinoff hat Elaine geheiratet, die er liebt. Die beiden haben Alec, ein Wunschkind, mittlerweile mehr oder weniger erwachsen. Das eigene Haus, die eigene Praxis, genügend Geld also, und dazu noch Joe und Iris, gute Freunde aus Studienzeiten in der Nachbarschaft. 20 Jahre heimeliges Mittelstands-Klischee in den Vereinigten Staaten.


    Nun ja, nicht ganz. Denn Wunschkind hin oder her – Alec ist nicht unbedingt der Schwiegermuttertraum schlechthin. Trotz aller Förderung schafft er die Schule mehr schlecht als recht, kommt mit Drogen in Kontakt, weiß nichts mit sich anzufangen, wirft ein teures Studium hin und will Künstler werden. Was macht der stolze Vater? Er knirscht mit den Zähnen und versucht dennoch die perfekte Grundlage für die Zukunft seines Sohnes zu schaffen.


    Das Cover (blauer Himmel mit nur ein paar Wölkchen, ein schlichtes Haus, davor zwei männliche Figuren) ist schlicht und ich hätte beim Betrachten desselben ebenso wenig wie durch den Titel herausgefunden, worum es geht. Denn es geht weniger um besagte Freundin, als um Petes Leben, in dem alles auseinander fällt. Oder vielmehr alles auseinanderfiel. Sein guter Ruf als Arzt, seine Freundschaften, seine Ehe, seine Familie - alles ist anders und nichts scheint gut. Mit Die Freundin meines Sohnes lässt Lauren Grodstein ihre Leserschaft auf Petes Leben zurückblicken, lässt sie mit ihm auf ein Urteil warten und erfahren, was zum abrupten Ende dieses ach so amerikanischen Idylls führte. Lässt ihn erzählen, was passiert ist.


    Hier offenbarte sich für mich ein kleines Manko. Pete stellt sich bereits mit der Schilderung seiner aktuellen Lebenssituation voller Selbstmitleid und wenig sympathisch vor. Das hätte mich das Buch beinahe weglegen lassen. Nach einem anschließenden ausführlicheren Rückblick auf die Umstände, die zu eben dieser Situation führten, lässt die Autorin ihre Hauptfigur an diesen Anfang anknüpfen und beendet dadurch die Geschichte. Das eine oder andere konnte man sich jedoch bereits nach dieser anfänglichen Vorstellung denken.


    Grodsteins Hauptfigur offenbart sich von Anfang an also wie bereits erwähnt nicht unbedingt als der sympathisch-nette Typ von nebenan. Vielmehr wird schnell deutlich, dass er ein Kontrollfreak ist, der letztlich nicht einmal vor Gewalt zurückschreckt, um seinen Willen durchzusetzen. Er ist hochmütig und in seiner Hochmütigkeit falsch, da er beispielsweise auf seine Freunde und deren Leben herabblickt. Doch warum? Weil er grundsätzlich ein schlechter Mensch ist?


    Sicher nicht. Pete ist tatsächlich vielleicht nicht der sympathisch-nette Typ von nebenan. Aber er könnte nebenan oder sogar mit uns wohnen. Seine Taten und Denkweisen entstehen aus dem Wunsch, alles richtig zu machen. Seine Motivation ist die Liebe. Nicht zur Freundin seines Sohnes, wie man jetzt vielleicht vermuten könnte, sondern die zu seinem Sohn. Der eine oder andere mag das aus seinem Leben eher anders herum kennen (Mutter kann Sohn nicht loslassen, Vater die Tochter). Doch Alec ist Petes Wunschkind von seiner Traumfrau Elaine. Für Alec wünscht er sich ein gutes und sicheres Leben. Da passt es überhaupt nicht, dass der sich ausgerechnet in die in den Schoß ihrer Familie zurückkehrende Laura verliebt. Sie ist einige Jahre älter als Alec, die Tochter von Petes eingangs erwähnten guten Freunden Joe und Iris gleich nebenan. Ausgerechnet Laura, die mit 17 unbemerkt schwanger wurde, das Baby in einer Toilette zur Welt brachte und tötete. Ausgerechnet Laura, die danach erst in der Psychiatrie und dann in der Fremde verschwand. Ausgerechnet Laura – genauso interessant wie labil - verdreht Alec völlig den Kopf. Pete versucht alles, um diese Beziehung zu unterbinden. Darüber vernachlässigt er seine Tätigkeit als Arzt. Prompt unterläuft ihm ein fataler und tödlicher Fehler und er landet vor Gericht. Darüber setzt er seine Freundschaft mit Lauras Eltern aufs Spiel, weil er etwas anrührt, das jahrelang nur oberflächlich übertüncht wurde, um den Schein der Normalität zu wahren. Ein Ereignis, das nie richtig aufgearbeitet wurde. Seine Ehe, seine Familie, sie gerät allein dadurch in Gefahr, weil er nicht davor zurückschreckt, auf seiner Sicht der Dinge zu beharren. Während Petes Frau Elaine Mitleid für Laura empfindet, Alec die Welt nicht mehr versteht, Iris für ihre eigene Tochter kämpft, obwohl sie sie für damals hasst, ist sie in Petes Augen einfach eine Mörderin und gefährlich. Sie ist nichts für seinen Sohn, der auch noch verkündet, mir ihr nach Paris gehen zu wollen. Um das zu verhindern, sucht Pete ein letztes Gespräch mit Laura. Es eskaliert und Laura dreht den Spieß um. Sie wehrt sich nicht nur gegen Petes Versuche sie von Alec zu trennen, sie bringt ihn in Misskredit.


    Was grundsätzlich wie ein gutbürgerliches amerikanisches Idyll anmutet, erweist sich sukzessive als oberflächlich gut funktionierende Farce mit etlichen schwelenden Konflikten und jeder Menge Unverständnis. Denn natürlich gab es einen Grund, warum Laura die damalige Schwangerschaft verschwieg. Natürlich gibt es auch einen Grund, warum Alec so ist wie er ist. Und natürlich gibt es 1.000 Gründe den Schein zu wahren, die allesamt wichtiger scheinen, als die wirklichen Probleme. Pete und seine Familie sind bei weitem nicht die Vorzeigetypen, als die er sich und sie selbst gerne sieht. Er wirkt stellenweise arrogant und in seinem Eifer alles richtig zu machen wie bereits erwähnt wenig liebenswürdig. Doch genau das macht ihn wiederum menschlich – wer ist schon perfekt?


    Die Autorin springt zwischen den Figuren hin und her, erzeugt durch Andeutungen Spannung – die allerdings durch die eine oder andere langatmige oberflächliche Passage gebrochen wird. Ihre Charaktere sind nicht wirklich diffus, aber auch nicht sonderlich klar herausgearbeitet. Man erkennt durchaus Laura als gleichermaßen schwach wie berechnend. Pete ebenso fatalistisch hilflos wie fanatisch. Dennoch scheint hier etwas zu fehlen. Hinzu kommt, dass der Lesefluss etwas ins Stottern kommt, weil Grodstein in Petes Schilderung der Vorfälle auch noch Zeitsprünge eingebaut hat und auf klitzekleine Nebenschauplätze ausweicht, die nicht zwingend für die Geschichte gewesen wären. Und doch tragen auch diese Abschweifungen, in denen Pete auf an und für sich nebensächliche Erfahrungen seines Lebens eingeht, dazu bei, seine Sorge und Liebe zu Alec herauszuarbeiten.


    Und keines von Petes Problemen wirkt so erfunden, dass man den Kopf schütteln müsste. Alle muten, genau wie seine aus Verzweiflung entspringenden Handlungen und die daraus resultierenden Folgen, real und nachvollziehbar an. Grodsteins Roman zeigt, dass Geld und gut situierte Verhältnisse nicht vor Fehlentscheidungen und Problemen bewahren und sie bisweilen nicht nur nicht abmildern, sondern sogar verstärken können. Die gesamte Entwicklung von Petes Geschichte ist nicht immer akzeptabel aber durchaus nachvollziehbar und gerade dadurch erschreckend. Man stellt sich zwangsläufig die Frage, wie weit sich Eltern in das Leben ihrer erwachsen werdenden Kinder einmischen dürfen. Inwieweit sie sie vor Fehlern bewahren dürfen. Was falsch verstandene Liebe und was natürliches Schutzbedürfnis ist.


    Fazit:


    Die Freundin meines Sohnes lässt sich trotz kleinerer Schwächen leicht lesen, ohne zum Lesequickie zu verkommen. Es soll ein Thriller sein, ist jedoch nicht das spannendste Buch, das ich in letzter Zeit gelesen habe, und hat auch eine eher negative Grundnote. Dennoch konnte ich es nicht einfach so weglegen. Es zog mich langsam aber unaufhörlich bis zum Schluss. Denn durch die Nachvollziehbarkeit bestimmter Handlungen und Gedanken blieb bis zur letzten Seite der Wunsch, zu erfahren, wie die Sache ausgeht.


    Copyright © 2012 Antje Jürgens (AJ)
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    Verlag: rororo
    ISBN: 9783499215773
    ISBN: 3499215772
    Altersempfehlung: 0 - 16 Jahre (???)
    Taschenbuch: 256 Seiten
    [D] 8,99 €
    Erscheinungsdatum Mai 2011


    27 – das ist nicht nur der Titel von Kim Franks Debütroman, das ist auch das Alter des 1982 in Flensburg geborenen und Hamburg lebenden Autors, in dem 27 entsteht. Was autobiografische Züge trägt und was davon schriftstellerischer Freiheit entspringt, wird vermutlich immer sein Geheimnis bleiben. Denn Frank kennt sich in der Musikbranche durchaus aus. Von 1994 bis 2002 war er Mitbegründer, Sänger und Frontmann der Band Echt. Wer sich nicht mehr daran erinnert, dem hilft vielleicht der Titel „Denn du trägst keine Liebe in dir“ oder Textstellen wie „Sag mal weinst du oder ist es der Regen“ auf die Sprünge. Mit dem eben genannten Titel gelang der Band und Frank Ende der 1990er der Durchbruch in Deutschland. Nur vier Jahre später zerbrach die Band dann allerdings. Auch danach beschäftigte sich Frank weiter mit Musik, startete eine Solokarriere, lieh seine Stimme verschiedenen Bands, verdiente sich seine Brötchen jedoch beispielsweise auch als Sprecher von Hörspielen. Außerdem war und ist er als Schauspieler, Fotograf sowie Kameramann und Regisseur von Musikvideos tätig.


    Doch zurück zu seinem Debütroman. Er handelt von dem jungen Mika, der über Nacht zum Star aufsteigt. Ein Traum? Nur bedingt, denn Mika lebt bereits vor seiner steilen Karriere in der Überzeugung, zum Klub der 27 zu gehören.


    Zitat

    Klappentext:
    Mika hat Angst. Angst vor dem Tod. Dem Tod mit 27. Die Zahl verfolgt ihn, so wie sie die meisten großen Musiker verfolgt hat, die dann zu Mitgliedern des Klub 27 wurden, doch Mika hat nichts mit Musik zu tun. Das Bewusstsein niemand zu sein, treibt ihn dazu, jemand gewesen sein zu wollen, und er tut alles, um seinen selbst auferlegten Fluch zu erfüllen. Er wird einer der Großen, eine Ikone, lebt ein Leben, das er nicht mehr kontrollieren kann, das unaufhaltsam auf sein Ende zusteuert.


    Ist es ein Segen oder eher ein Fluch, dass Frank selbst den einen oder anderen musikalischen Erfolg in seinem Lebenslauf vorweisen kann? Faktisch dürfte zumindest seine Fangemeinde mit einigen Erwartungen und Hoffnungen auf spektakuläre Outings und knallharte Abrechnungen an die Sache herangegangen sein. Manch einer dürfte sich auch gefragt haben, was er als Autor wirklich kann oder ob er lediglich mithilfe von Ghostwritern auf einen an sich gemütlich dahinfahrenden Zug aufspringen würde, um mit mehr oder weniger erfundenen Storys wieder weiter nach vorn ins Rampenlicht zu gelangen. 27 hat Frank dann auch prompt sowohl Lob als auch Tadel eingebracht.


    Obwohl ich nicht gerade behaupten kann, ein Echt- und damit Kim Frank-Fan gewesen zu sein, lag das Buch irgendwann auf meinem SUB-Stapel. Nicht nur, aber doch auch aufgrund zahlreicher überaus enthusiastischer und fast genauso zahlreicher negativer Kommentare lag es dann allerdings sehr lange dort, bis ich mich endlich daran machte. Von amüsant und interessant, über langweilig und bedrückend, bis hin zu absolut enttäuschend war da alles dabei. Und nachdem ich es in mehreren Anläufen gelesen hatte, hatte ich auch prompt Probleme, es einzuordnen. Vielleicht weil ich weiblich bin? Vielleicht weil ich die anvisierte Altersgruppe deutlich überschreite? Ich weiß es nicht. Was ich jedoch weiß ist, dass ich es niemandem aus dieser Altersgruppe „0 – 16“ und nur bedingt denen aus der Gruppe „junge Erwachsene“ empfehlen möchte. Vielleicht bin ich altmodisch, doch ich habe etwas dagegen, 16Jährigen die Beschreibung von Blowjobs mit Zimmermädchen oder vom Onanieren unter Zuhilfenahme des Porno-Kanals ans Herz zu legen.


    Franks Geschichte des über Nacht (aufgrund einer Verwechslung) zum gefeierten Rockstar avancierenden Mika birgt keine großen Geheimnisse. Sprache und Schreibstil sind einfach bis vulgär (Zitat S. 161: „Auf drei fickt gerade ein schwarzer Riesenschwanz in Großaufnahme das Arschloch einer schreienden Weißen mit Hängetitten und Zahnlücke.“). Passend zum Klischee der Branche? Ich denke ja. Man muss vielleicht wirklich Musiker sein, um sie wirklich zu genießen, denn sie ist auch mit musikalischen Begriffen durchsetzt. Die gewählte Schriftgröße lässt einen an und für sich schnell durch die 256 Seiten gleiten, der Inhalt selbst jedoch sorgt dafür, dass kein rechter Lesefluss aufkommt. Das Cover passt zum Inhalt, da es bekannte Gesichter von früh verstorbenen 27er-Klub-Mitgliedern darstellt. Und auch der Klappentext verrät gut, worum es geht.


    Oder vielmehr um wen - Mika, der bereits vor seinem steilen Aufstieg von Todessehnsucht, Einsamkeit und der Neurose gequält wird, die ihn dazu zwingt, aus allen Zahlen irgendwie die 27 zu lesen, da er davon ausgeht, dass in diesem Alter sein Leben endet. Die steile Karriere befreit ihn davon nicht, im Gegenteil es wird alles immer schlimmer.


    Frank unterteilt seine Geschichte. Der erste Teil beinhaltet die Heranführung an Mika und den Beginn seiner Karriere, der Zweite geht nach einem Zeitsprung einige Jahre später weiter. Dabei nimmt sein gefühlsmäßiger Abstieg genauso schnell Fahrt auf, wie seine Karriere. Im dritten Teil schließlich erlebt seine Hauptfigur eine Veränderung, wobei sein Ende offenbleibt. Auf Mika geht Frank sehr detailliert ein, was durch den Erzählstil (Mika erzählt in der Ich-Form) bedingt und gleichzeitig verstärkt wird. Die Nebenfiguren erscheinen sehr blass dagegen. Fast zu unsichtbar, andererseits zeichnet sich Mikas Einsamkeit so noch stärker ab und die Seelen raubende Schattenseite seiner an sich traumhaften Karriere wird so umso deutlicher.


    Sympathischer wird Franks Hauptfigur dadurch nicht. Mika wirkt eher selbstmitleidig als bemitleidenswert in seiner gleichermaßen lebensgierigen wie todessehnsüchtigen Art. Oberflächlich und egoistisch. Seine Neurosen wirken dabei gleichermaßen glaubwürdig wie nervig. Als Schutzmechanismus kann das durchaus echt wirken, allerdings – da wir nur Mikas Seite sehen – kommt dieser vermutete Schutzmechanismus nicht wirklich zum Vorschein.


    Doch obwohl es schwerfällt, die zunehmend abstoßend werdende, teils melodramatische Romanfigur zu ertragen, bleibt man dabei. Denn immer deutlicher wird, wie zerbrechlich nicht nur der Erfolg, sondern vor allem Mika ist. Man möchte ihn schütteln und aufrütteln. Das Umfeld (Presse und Management) aufhalten, die zu seinem Zerfall beitragen. Gleichzeitig stellt man sich tatsächlich die Frage, ob und welches der Schlag auf Schlag erzählten und die Schnelllebigkeit und Oberflächlichkeit der Branche widerspiegelnden Ereignisse wohl den tatsächlichen Erfahrungen des Autors entspricht. Wie Frank selbst erklärte, sind darin tatsächlich Erinnerungen verarbeitet. Hoffen wir mal, dass es nicht die beschriebene unschöne Erinnerung an Koks und Erbrochenes ist, denn bekanntermaßen und bekennenderweise hat der einstige Mädchenschwarm Frank selbst jahrelang täglich Drogen konsumiert und stand an manchen Tagen gar nicht mehr auf, bevor er sich gefangen hat und seine Solokarriere startete.


    Fazit:


    Wie bereits erwähnt, bislang gut gehütete Geheimnisse oder sonderlich Positives findet man in 27 sicherlich nicht. Bahnbrechend neu ist Franks Grundidee auch nicht, sie wurde zudem schon besser umgesetzt. Ich hatte auch Probleme, mich wegen der für mich unsympathischen Figur durch das Buch zu arbeiten. Wirklich abgrundtief schlecht empfinde ich 27 jedoch im Nachhinein nicht. Denn auch wenn die Thematik und die Figur mir das eine oder andere Hindernis im Lesefluss bereitet haben, muss ich doch Respekt zollen, für die Art und Weise, wie Frank seinen Mika herausgearbeitet hat. Seine Zerrissenheit, seine Einsamkeit, seine Ruhelosigkeit, seine Selbstzerstörung. Obwohl ich anfangs dachte, dass Franks Debütroman mir nicht sonderlich lange im Gedächtnis bleibt oder mich nicht zum Nachdenken anregt, war letztlich das Gegenteil der Fall. Warten wir mal ab, ob Frank ein Onehit-Wonder-Autor bleibt, oder noch einmal nachlegt. Für seinen Debütroman möchte ich ihm jedenfalls drei von fünf Punkten geben.


    Copyright © 2012 Antje Jürgens (AJ)