Hier auch meine Meinung:
Inhalt:
Als Linna nach fünf Jahren eine Einladung zu einem Treffen mit ihren ehemaligen Bandmitgliedern Maggie, Simon, Jules und Falk erhält, hat sie eigentlich keinen Grund, diese anzunehmen. Nicht nur, weil sie seit fünf Jahren kein Wort mehr mit ihnen gewechselt hat, sondern auch, weil sie ebensolange keinen Ton mehr gesungen hat. Doch das wissen die anderen nicht und vorallem Maggie hofft auf ein großes Comeback mit der Band "Linna singt".
Als Linna sich auf das Treffen in einer Berghütte einlässt, um für den ersten Gig seit langem zu proben, weiß sie, dass vorallem eines sie antreibt, sich ihrem alten Leben zu stellen: ihre Erinnerungen an die Nacht mit Falk, dem Gitarristen, die sie nie aus ihrem Gedächtnis löschen konnte. Doch die Stimmung schägt schnell um und was als ein ungezwungenes Wiedersehen gedacht war, wird schnell zu eine zermürbenden Psychospielchen, bei dem Linna immer mehr als Lügnerin und Betrügerin hingestellt wird. Niemand schenkt ihren Worten Glauben und alle ihre Beteuerungen verlaufen sich im Wind. Als dann auch noch anonyme Anschuldigungen an die Wände geschrieben werden, die irgendeiner der auf der Hütte Anwesenden verfasst haben muss, kippt die Stimmung endgültig und Linna kann niemandem mehr trauen.
Meinung:
Dieses Buch hat es mir wirklich extrem schwer gemacht, es gerecht und angemessen zu bewerten. Ich bin ein Mensch, der beim bewerten eines Buches eher auf das Gesamtpaket achtet und sich dabei nicht an Kleinigkeiten aufhängt. Wenn ein Buch also einige kleinere Ungenauigkeiten oder dergleiche aufweist, es mich aber ansonsten von Stimmung und Atmosphäre her total überzeugen kann, vergebe ich gerne die Höchstpunktzahl. Zu Beginn sah alles danach aus, als würde "Linna singt" ein solches Buch mit grandioser Atmosphäre und einigen vernachlässigbaren Minuspunkten werden.
Mit der Zeit habe ich aber bemerkt, dass zwischen meiner Meinung über das Buch während ich es lese und meiner Meinung während ich darüber nachdenke und meine Eindrücke zu Papier bringe, ein Meilenweiter Unterschied entstand. Während des Lesens war ich dem unglaublich spannenden Schreibstil der Autorin und dem Sog, den ihre Worte erzeugen, auswegslos verfallen. Als ich das Buch dann zeitweise beiseite gelegt und über das Gelesene nachgedacht habe, fielen mir aber immer wieder Dinge, die mir im Nachhinein reichlich konstruiert und störend erschienen. Die grandiose Stimmung, die sich während des Lesens also auf mich als Leser übertragen hatte, hinterlies einen schalen Beigeschmack, sobald ich über Einzelheiten genauer nachdachte.
Linna, aus deren Sicht wir den kompletten Roman lesen, wird sofort als ein schwieriger und sperriger Charaktere vorgestellt. Sie ist eine Kämpferin, die ihre Gefühle mit Arroganz und Überheblichkeit überspielt, sieht atemberaubend aus und weiß, wie sie die Männer dazu bringt, genau das zu tun, was sie von ihnen möchte. Linnas Charakter stehe ich mit einer zweigeteilten Meinung gegenüber. Eigentlich liebe ich solche sperrigen Charaktere, bei denen man sofort merkt, dass die Autorin sie mit einiger Distanz zum Leser geschrieben hat. Linna ist ganz anders als die typischen weiblichen Charaktere, die momentan Jugendbücher dominieren, denn sie weiß um ihr gutes Aussehen und ist keinesfalls schüchtern oder naiv. Allerdings ist Linna stellenweise ganz schön herablassend und unfair ihren Mitmenschen gegenüber. Dazu kommt noch, dass ich es als ziemlich störend und dem Identifikationspotential äußerst hinderlich empfunden habe, dass offenbar ausnahmslos jeder Mann Linnas Charme verfällt, sobald diese nur mal mit den Wimpern klimpert. Insgesamt war das meiner Meinung nach einfach ein wenig dick aufgetragen.
Dick aufgetragen sind auch die Persönlichkeiten der anderen Charaktere. Jeder einzelne wirkte auf mich stellenweise ein wenig überzogen und künstlich dramatisiert. Sie alle haben mit mehr oder minder schwerwiegenden Problemen und traumatischen Ereignissen zu kämpfen. Dennoch haben mir die Nebencharaktere recht gut gefallen. Sie alle unterscheiden sich in der Persönlichkeit so sehr, dass ein Zusammenstoß einzelner Charaktere einfach unvermeidlich ist. Jeder Einzelne ist aus dem einen oder anderen Grund kurz davor, die Nerven zu verlieren, so dass Stress und Zickenkrieg quasi vorprogrammiert sind. Gerade diese zwischenmenschlichen Reiberein, größtenteils basierend auf Vorurteilen und falschen Behauptungen, machen diesen Roman so spannend.
Zusätzliche Spannung wird dadurch erzeugt, dass die Hütte in den Bergen komplett abgeschieden liegt. Die Lage spitzt sich noch zu, als die Hütte eines morgens vollkommen eingeschneit ist, die Handys auf mysteriöse Weise verschwinden und das Funkgerät aus unerklärlichen Gründen nicht mehr funktioniert. Als dann auch noch die übelsten Verleumdungen in Form von gehässigen Sprüchen an der Wand zu finden sind, ist klar, dass einer der Anwesenden ein Spielchen mit den anderen treibt und sie versucht, zu manipulieren und gegeneinander aufzuspielen. Gerade hier ist es unheimlich spannend zu erfahren, was Linna, gegen die sich die Hetzjagd größtenteils richtet, denkt und fühlt. Schnell stellt sich nämlich heraus, dass sie gar nicht so ein eiskalter Klotz ist, wie man das anfangs dachte. Schön hätte ich an dieser Stelle gefunden, wenn es mehrere Perspektiven gegeben hätte, sodass man zum Beispiel auch aus Falks Sicht erfährt, wie er zu all den Vorkommnissen steht. Denn gerade Falk nimmt in diesem Buch noch eine große Rolle ein.
Ebenfalls eine große Rolle wird in "Linna singt" der Musik zuteil. Jedes Kapitel beginnt mit einem Songtitel eines Liedes von Mike Oldfield, Linnas Liebingssänger. Teilweise muss ich sagen, dass ich Linnas Gedanken über einzelne Musikstücke ein wenig zu ausschweifend fand. Dennoch finde ich es schön, dass die Autorin das Buch mit einem Soundtrack hinterlegt, sodass man sich die einen oder anderen Lieder zur Unterstützung der Atmosphäre anhören kann.
Wer sich bis zu diesem Punkt meiner Rezension vorgearbeitet hat, der merkt, dass mein größter Kritikpunkt ist, dass die Autorin meiner Meinung nach einfach zu dick aufgetragen hat. Die Charaktere, die Spannung, die Handlung an sich... Alles wirkt ein bisschen zu gewollt, zu künstlich und zu dramatisiert. Nun erwarte ich als Leser aber natürlich, dass der Schluss mit einem gewaltigen Paukenschlag eingeläutet wird, der nochmal einen maßgeblichen Wendepunkt in der Handlung darstellt und alles bisher Geglaubte auf den Kopf stellt. Nun ja, dem war absolut nicht so. Der Schluss ist wirklich schwach, langweilig, einfallslos... Die Autorin scheint ihr Pulver mit den vorangegangenen Ideen und Wendepunkten leider schon verschossen zu haben! Ich fand des allerdings sehr enttäuschend, denn wenn man von Anfang an auf extreme Dramatik setzt, sollte man dieses Schema der Authentizität wegen auch durchziehen.
Dennoch war "Linna singt" mal wieder so ein Buch, dessen Bann man sich einfach nicht entziehen kann. Es wird mich sicherlich noch lange im Gedächtis blieben, denn Bettina Belitz gewährt ihren Lesern einen ziemlich tiefen - und vorallem verstörenden - Einblick in die menschlische Seele. Dennoch hat es mir beinahe körperlich weh getan, dass das Buch so stumpf und einfallslos endet. Knappe vier Ratten sind dennoch durchaus drin für "Linna singt", man hätte aus der Geschichte aber so viel mehr machen können!