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    Autorin


    Eva Menasse, geboren 1970 in Wien, begann als Journalistin beim österreichischen Nachrichtenmagazin Profil. Sie wurde Redakteurin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und begleitete den Prozess um den Holocaust-Leugner David Irving in London. Nach einem Aufenthalt in Prag arbeitete sie als Kulturkorrespondentin in Wien. Sie lebt seit 2003 als Publizistin und freie Schriftstellerin in Berlin. Ihr Debütroman »Vienna« sowie ihr Erzählungsband »Lässliche Todsünden« waren bei Kritik und Lesern ein großer Erfolg. (Kiepenheuer & Witsch)


    Klappentext (Auszug)


    Was wissen wir wirklich über uns selbst? Und was vom anderen? In dreizehn Kapiteln zerlegt Eva Menasse die Biografie einer Frau in ihre unterschiedlichen Aspekte. Aus diesem Mosaik tritt auf magische Weise ein kühner Roman hervor, der wie nebenbei die Fragen nach Wahrnehmung und Wahrheit stellt.
    • Gebundene Ausgabe: 432 Seiten
    • Verlag: Kiepenheuer&Witsch; Auflage: 7 (14. Februar 2013)
    • Sprache: Deutsch
    • ISBN-10: 346204513X
    • ISBN-13: 978-3462045130


    Meine Meinung


    Nach den vielen Rezensionen, die in ihrer Einschätzung teilweise sehr voneinander abwichen, war ich natürlich sehr gespannt, wie der Lesegenuss der „Quasikristalle“ für mich ausfallen würde.


    In vielen anderen Romanen, in denen eine Lebensgeschichte aus verschieden Perspektiven oder in unterschiedlichen Zeiten geschildert wird, hangelt der Leser sich an einer Art Faden durch das Leben des Protagonisten. Dieser Faden dient sozusagen als Gerüst oder verbindendes Element; durch ihn werden die einzelnen Komponenten in Bezug zueinander gestellt. Auf diesen Faden verzichtet Eva Menasse.


    In 13 Kapiteln lernen wir die Protagonistin Xane in verschiedenen Stadien ihres Lebens kennen, jeweils geschildert aus dem Blickwinkel einer anderen Person, in deren Leben Xane eine mehr oder weniger bedeutende Rolle spielt. Sie reiht die Schilderungen wahllos aneinander, so scheint es. Ich habe mich öfters gefragt, was mir die Autorin damit sagen möchte, was diese Personen so wichtig macht, welche Relevanz sie für die Vita der Hauptperson haben und wie sich die einzelnen Elemente zu etwas Ganzem verbinden sollen. Eva Menasse beschreibt unterschiedlichste Charaktere - manche neutral, manche sehr tiefgehend und präzise: die beste Freundin in den letzten, lässig-trägen Ferientagen vor dem Wechsel in die Oberstufe; den Reiseführer einer Auschwitz-Exkursion; den frömmelnden Vermieter mit dem Hang, seine Nase eine Spur zu tief in die Angelegenheiten anderer Leute stecken zu müssen und unter dessen vordergründiger Freundlichkeit Abgründe eigener Un-Verantwortung brodeln. Wir lernen den Alltag einer Reproduktionsmedizinerin kennen (dieses Kapitel war mir eindeutig zu lang und Leser ohne ansatzweise medizinische Vorkenntnisse sollten für ein paar fachbezogene und meiner Meinung nach überflüssige Abkürzungen ein Nachschlagwerk bereit legen) und dürfen einen Blick in das Innenleben eines vom Bürgerkrieg traumatisierten Mannes werfen, der sich in sich selbst zurückgezogen hat und der für Roxane seinen Schutzpanzer einen Spalt breit öffnen kann.


    Genau in der Mitte des Buches, im siebenten Kapitel, kommt Xane selbst zu Wort. Und genau hier, wo man das erste Mal vielleicht direkteren Zugang zur „Person Xane“ erlangt, verändert sich auch die Erzählstruktur. Ab diesem und den folgenden Kapiteln lassen sich Verbindungen erkennen und Rückschlüsse ziehen.


    Treffenderweise ist auch genau dieser Umstand eine Besonderheit der Quasikristalle: Schneidet man einen Quasikristall in der Mitte durch, kann man das einzigartige Muster, das ihn ausmacht, erkennen (für Interessierte: das „Penrose-Parkett“).
    Und so führt uns Eva Menasse weiter durch das Leben Xanes als Professorengattin, als Mutter eines ehelichen Sohnes und seiner zwei pupertären Halbschwestern, als Tochter eines langsam in den Nebel der Demenz verschwindenden Vaters, als Geschäftsführerin einer unkonventionellen Agentur, als langjährige Freundin, als Gegenstand einer zufälligen Beobachtung.


    Mit den letzten Kapiteln, die in der Zukunft liegen, fügen sich die einzelnen Lebensgeschichten zu einem Ganzen. Nicht zu einem harmonischen Ganzen, aber zu einem stimmigen. Es bleibt viel Platz für eigene Interpretationen; die Lebensabschnitte sind nicht vollständig ausgeleuchtet, sondern geben eher eine Ahnung von dem, wie es gewesen sein könnte, wie es sein kann, wie es vielleicht werden könnte.
    Man bekommt wieder einen Eindruck, wie subjektiv die Wahrnehmung im Allgemeinen und von Personen im Besonderen ist, wie unterschiedlich die Wertigkeiten ausfallen, wie sehr alles mit allem verbunden sein kann – und wie schnell sich das gemachte Bild oder die Erwartung wieder in eine völlig andere Richtung bewegen kann.


    Mein Fazit: wer sich etwas Zeit beim Lesen lassen kann und keine bis ins Detail ausgeschmückte Lebensgeschichte mit Happy-End erwartet – für den sind die „Quasikristalle“ absolut zu empfehlen.


    EDIT: Amazonlink eingefügt. LG, Saltanah