Leopoldo Brizuela - Inglaterra

  • Seit Shakespeares Zeiten ist die englische Schauspielertruppe namens “The Great Will” auf der Suche nach Publikum von Hafen zu Hafen unterwegs. Doch die modernen Zeiten machen ihnen ihr Auskommen zunehmend schwieriger, und ihr Schiff, die “Almighty Word”, steht kurz vor dem endgültigen Auseinanderbrechen. Und so wird 1914 als Rettungsanker das Angebot angenommen, anlässlich der Eröffnung des Panamakanals auf der anderen Seite des Atlantiks aufzuspielen.


    Die Chefin der skurrilen, über Jahrhunderte inzestgeprägten Truppe ist die “Gräfin”, Witwe eines Lebemanns und Wüstlings, der Jahrzehnte lang die finanzielle Absicherung der Mitglieder übernommen hat. Die geheime Mission dieser “Gräfin”, die ihr von ihrem sterbenden Mann aufgetragen wurde, ist es, den “geheimen Namen ihres Schicksals” zu finden. Sie glaubt, dass in Caliban, der Figur aus Shakespeares “Sturm”, der Schlüssel liegt - und sie macht sich nach dem Panama-Ereignis mitsamt ihrer Truppe auf den Weg in den tiefsten Süden, in die Einsamkeit Patagoniens, um dort Calibans Insel wiederzufinden. Dort treffen sie allerdings zunächst nur auf alleingelassene Missionare und müssen außerdem den Genozid an den übrig gebliebenen feuerländischen Indianern miterleben.


    Eigentlich ist es das Erlösungsthema, das immer wieder und in den unterschiedlichsten Zusammenhängen aufscheint. Die heidnischen Indios werden, nach dem Versagen der Missionare, mit Hilfe eines Massakers endgültig von ihrem Unglauben erlöst. Die Erlösung von Calibans Insel von der Barbarei erfolgt durch die Ankunft der Schauspieler, und auch ganz England soll durch diese Reise irgendwie erlöst werden - vielleicht von der Abkehr von einer Kultur, die sich am edelsten in den Werken ihres größten Dichters manifestiert. Eindeutig ist aber die Erlösung der Gräfin, die schließlich in der Symbiose zwischen Engländern und “Wilden” eine “neue Dichtung” entstehen sieht.


    Insgesamt war dies eine für mich sehr ungewöhnliche, um nicht zu sagen seltsame Lektüre - und ich bin mir nicht ganz sicher, ob das Buch mir wirklich gefallen hat. Der streckenweise unerträglich pathetisch Stil ist mir übel aufgestoßen, und es war mir zu überladen mit Metaphern und Verweisen, die in die glorreiche englische Geschichte, die Geschichte der Theatertruppe, in die Stücke Shakespeares und auf reale historische Vorkommnisse in Südamerika verweisen. Häufig handelt es sich dabei nur um Andeutungen, die den Leser dann ratlos zurück lassen; Shakespeares “Der Sturm” ist an sich schon ein derart bedeutungsschwangeres Stück, dass es in der Interpretation nicht noch derartig penetrant zusätzlich verschlüsselt werden muss.


    Dennoch: sprachlich hat es immer wieder sehr schöne, sogar berührende Passagen. Die Unterschiede zwischen der poetischen, in der Vergangenheit verhafteten Welt der Schauspieler und der ganz im entsetzlichen Heute stattfindenden Tragödie der Feuerland-Bewohner werden auch sprachlich deutlich gemacht. Viele Erzählebenen, Rückblicke und eingebettete Anekdoten machen das Lesen weiter interessant. Dennoch hätte dem Roman an vielen Stellen mehr Stringenz und Eindeutigkeit und weniger Abgehobenheit gut getan.


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