Hergé - Tim im Kongo

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    Der junge, aber schon sehr bekannte Journalist Tim reist mit seinem treuen Begleiter, dem Hund Struppi in den Kongo. Schon auf der Schiffsreise dorthin werden beide von einem schwarzhaarigen Schurken bedroht, der sie auch in Afrika verfolgt und (teilweise auch mit Hilfe eines einheimischen Medizinmannes) zu ermorden versucht. Zwischen den Anschlägen auf sein Leben versucht sich Tim mit eher weniger Erfolg als Großwildjäger, wird Häuptling eines Stammes, und hilft der Polizei, eine Gangsterbande gefangen zu nehmen. Nach erfolgreich bestandenen Abenteuern reist er zum Kummer der ihm nachtrauernden Einheimischen zurück nach Europa, von wo aus er sich in Richtung Amerika abmachen will.


    Dieses zweite der Abenteuer von Tim und Struppi erschien in der Gesamtausgabe des schwedischen Bonnier-Verlages erst als zweiundzwanzigstes - nicht zufällig, denn es gehört nicht gerade zu den Highlights der Serie, was noch sehr gelinde ausgedrückt ist.
    Allzu viel stimmt hier nicht. Das beginnt mit dem Aufbau der Handlung. Unklar ist und bleibt einiges. Woher z. B. kennen die kongolesischen Einheimischen Tim und heißen ihn bei seiner Ankunft begeistert willkommen? Wieso fühlte sich die Gangsterbande so sehr von Tims Anwesenheit bedroht und was tat sie überhaupt? Und vor allem - was wollte Tim überhaupt im Kongo?
    Auch den mich sonst so ansprechenden Witz vermisste ich. Es fehlt eben noch ein beträchtlicher Teil der üblichen Personengallerie. Kein Kapitän Haddock, keine Brüder Schulze & Schultze, kein Professor Bienlein und auch keine Bianca Castafiore. Der vorhandene Witz wirkte auf mich eher unwitzig, lachen oder auch nur lächeln musste ich nicht ein einziges Mal.
    Ein die Geschichte zusammenhaltender Handlungsbogen fehlte ebenso. Es reihten sich einzelne Episoden nur lose zusammengehalten aneinander. Alles das zusammengenommen machte die Lektüre eher langweilig.


    Bleibt noch der Rassismusvorworf zu erwähnen. Schon im kurzen Vorwort meiner schwedischen Ausgabe heißt es

    Zitat

    Das Buch stellt unbarmherzig den damaligen Blick eines Europäers auf die anderen Rassen bloß. Eine tolerante, gebildete Person konnte sich im positivsten Falle im Verhältnis zu Negern zu einer freundlich herablassenden Haltung durchringen, wofür das Buch viele Beispiele gibt.

    (Meine Übersetzung)
    Das klingt nicht gerade gut und ist es auch nicht. Allerdings konnte ich an der Darstellung der Afrikaner als naive "große Kinder" weniger Anstoß nehmen als erwartet, denn die gesamte Darstellung erschien mir so lebensfern, so unrealistisch, dass ich hinter den schwarzen Gestalten nie wirkliche Menschen sehen konnte. Die Figuren waren in meinen Augen nicht einmal Zerrbilder von wirklichen Menschen einer anderen Rasse, sondern - wie soll ich es sagen - irgendwie nichts, sie waren nicht lebendig genug als dass man (ich) dadurch negativ berührt werden konnte. Positiv berührt werden konnte ich natürlich ebensowenig.
    Ähnliches wie für die Einheimischen gilt auch für die afrikanische Fauna. Die Tiere - egal ob Elefant, Löwe, Leopard, Schlange oder sonstwas - waren unglaublich unecht. Zwar natürlich leicht zu identifizieren, aber ohne Leben auch sie. So störte es mich auch nicht weiter, dass Tim sie in bester Großwildjägermanier nur um des Tötens Willen abknallt - oder es zumindest versucht.


    Fazit: Eindeutig ein Comic, den die Verlage der Vergessenheit anheimfallen lassen sollten.
    1ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    Wir sind irre, also lesen wir!

    Einmal editiert, zuletzt von Saltanah ()


  • Bleibt noch der Rassismusvorworf zu erwähnen. Schon im kurzen Vorwort meiner schwedischen Ausgabe heißt es

    (Meine Übersetzung)
    Das klingt nicht gerade gut und ist es auch nicht. Allerdings konnte ich an der Darstellung der Afrikaner als naive "große Kinder" weniger Anstoß nehmen als erwartet, denn die gesamte Darstellung erschien mir so lebensfern, so unrealistisch, dass ich hinter den schwarzen Gestalten nie wirkliche Menschen sehen konnte.


    Das haben Afrikaner schon anders gesehen. Immerhin hat ein kongolesischer Student wegen der Darstellung in Brüssel geklagt. Das kann ich sogar ein Stück weit verstehen, halte aber davon abgesehen derartige Indizierungen für unsinnig. Hergé hat selbst diesen Band rund 15 Jahre nach seinem Ersterscheinen überarbeitet und „entschärft“, aber selbst damit bleibt noch genug Peinlichkeit darin bestehen. Mit dem Verbotsversuch hat der Band allerdings mehr Publicity erhalten als ihm zusteht ...

  • Ich kann gut verstehen, dass Afrikanern beim Lesen des Comics der Hut hochgeht. Schön ist die Darstellung der afrikanischen Bevölkerung wirklich nicht. Aber irgendwie konnte mich das nicht so sehr stören wie erwartet, einfach weil der Comic zu schlecht war. Die Figuren waren so "tot", dass mich das Zerrbild nicht berühren konnte. Ich weiß allerdings nicht, ob jemand nachvollziehen kann, was ich meine.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Ich verstehe sehr gut, was du meinst, Saltanah. Natürlich darf sich jeder berührt fühlen, wovon er möchte, also ich kann den kongolesischen Studenten verstehen, wenn ihm die Darstellung seines Volkes nicht gefällt, natürlich stimmt es, dass gerade dadurch die Neugier auf den Band geweckt wird. Ich kenne bisher nur die Fernsehserie und einen Comic oder so von Hergé, dennoch ist mir dieser Band auch aufgrund der Rassismusvorwürfe ein Begriff.

  • Obwohl mir die Kritikpunkte bekannt waren, habe ich diesen Band gelesen. Zum einen wollte ich mir ein eigenes Bild machen, zum anderen habe ich die komplette Sammlung im Schuber geschenkt bekommen und will sie nun auch nach und nach alle lesen.


    Ich war dann doch etwas überrascht, wie wenig mir dieser Band gefallen hat. Die Darstellung der Einheimischen entspricht dem damals herrschenden primitiven Bild, dass sich Europäer gemacht hatten. Dazu kommt das gnaden- und gedankenlose Töten von Tieren. Was lustig sein soll ist einfach nur erschreckend. Außerdem fehlt mir komplett der Charme der späteren Bände.


    Viele Comics lese ich gerne immer wieder, aber dieser wird definitiv nicht dazugehören.


    2ratten