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Auf der Rückseite wird die Neue Zürcher Zeitung zitiert: „In den Gedichten der Wisława Szymborska geschieht etwas Wundersames. Lauter einfache Wörter fügen sich zu lauter einfachen Sätzen, und doch beginnen diese Sätze, in denen von den alltäglichsten Dingen gesprochen wird, mit einem Mal zu schweben.“
Das ist eine wirklich gute Zusammenfassung. Das Bändchen enthält eine Auswahl aus Szymborskas Werken, chronologisch rückwärts gehend, was mal eine ganz andere Perspektive auf die Entwicklung einer Dichterin erlaubt. In den neueren hat sie ein Faible für Aufzählungen entwickelt, die ihren Gedichten zwar einen höchst eigenen Rhythmus geben, aber es wirkte an der ein oder anderen Stelle auch schon mal übertrieben.
Nicht mit allen Gedichten konnte ich etwas anfangen, aber es waren wirklich etliche dabei, die mich einfach zum Schmunzeln gebracht haben, und manche, die ganz grundlegende Fragen auf eine höchst eigentümliche Weise auf den Punkt bringen. Szymborska schafft das oft mit Negationen, die den Blickwinkel neu setzen oder auch die Absurdität einzelner Situationen, Dinge, Konventionen erst recht zum Vorschein bringen. Das funktioniert auch mit der Übertragung aus anderen künstlerischen Bereichen wie z. B. in Mittelalterliche Miniatur, das wie folgt beginnt:
Über den allergrünsten Hügel,
im allerberittensten Gefolge,
in allerseidigsten Mänteln.
Zur Burg der sieben Türme,
von denen jeder allerhöchst ist.
Und so geht die Beschreibung des Bildes weiter, bis es dann heißt:
Wer aber traurig und geplagt ist,
ein Loch im Ärmel, ein Schielauge hat,
der ist hier am allerdeutlichsten nicht zu sehen.
Kein allereinzigstes der Probleme,
ob bürgerlich oder bäuerisch,
ist unter dem allerblauesten Himmel zu sehen.
Nicht einmal den klitzekleinsten Galgen
erspäht das falkenhafteste Auge,
nicht eine Spur vom Schatten des Zweifels.
Und die Auflösung, wie das zusammenpaßt, gibt es natürlich auch noch in den folgenden Versen.
Sehr beeindruckt wegen seiner Aktualität, obwohl es aus einem schon 1976 veröffentlichten Band stammt, hat mich auch Der Terrorist, er sieht. Szymborska läßt hier den Terroristen gegenüber des Lokals, in dem er eine Bombe deponiert hat, die Minuten vor der geplanten Detonation um 13:20 Uhr verfolgen. Man sieht Leute hinein- und hinausgehen und die ganze Zufälligkeit, mit der es jemanden treffen kann oder eben nicht, wird deutlich, wenn es schließlich heißt:
Dreizehn neunzehn.
Niemand geht rein.
Dafür kommt ein Dicker mit Glatze heraus.
Doch so, als suche er etwas in seinen Taschen, und
geht zehn Sekunden vor dreizehn zwanzig
zurück, seinen elenden Handschuh zu holen.
Szymborska hat mich definitiv damit versöhnt, daß ich schon einiges an weniger überzeugender Lyrik von Literaturnobelpreisträgern lesen „mußte“, dem nächsten Lyriker dieser Kategorie kann ich jetzt wieder etwas entspannter entgegensehen ...
Schönen Gruß,
Aldawen