[Peru] José Maria Arguedas – Die tiefen Flüsse

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    Inhalt: Der Ich-Erzähler Ernesto hat seinen Vater lange bei dessen Reisen in die Dörfer begleitet, wo dieser als Rechtsanwalt seine Dienste den Indios und Mestizen anbietet. Der Junge ist zuvor schon bei Indios aufgewachsen, spricht Quetchua und kennt die indianischen Sitten und Gedankenwelt gut. Das gemeinsame Leben mit dem Vater endet, als dieser Ernesto in eine Klosterschule gibt und selber weiterzieht. Der Schulalltag ist von Gewalt und Demütigungen unter den Schülern geprägt. Ernesto bleibt ein Außenseiter, denn seine Schulkameraden verstehen zum Beispiel nicht, warum er sich über die Benachteiligung der Indios aufregen kann. Dies findet seinen Höhepunkt darin, daß er sich an einer Protestaktion der Frauen beteiligt, als Großgrundbesitzer Salz zurückhalten oder lieber an ihr Vieh verfüttern, statt es ihren Arbeitern zu geben. Dem erwarteten Aufstand wird von Seiten der Obrigkeit sofort mit der Verlegung von Truppen begegnet, was sich letztlich als Überreaktion herausstellt. Aber die Anwesenheit der Soldaten führt zu einer Art Ausnahmezustand in der Stadt, wodurch Ernesto auch neue Seiten an einigen seiner Mitschülern erfährt. Dann bricht in der Nähe noch eine Seuche aus und droht, in die Stadt überzugreifen.



    Meine Meinung: In diesen Roman sind wohl Arguedas' eigene Erfahrungen eingeflossen, sein Lebenslauf hat in den Grundzügen Ähnlichkeiten mit Ernestos. Arguedas gilt auch als einer der führenden Vertreter des indigenismo in der peruanischen Literatur, daher gehe ich davon aus, daß die Indios hier in ihrem Leben und ihren Gebräuchen richtig dargestellt werden.


    Dadurch daß der Ich-Erzähler eigentlich einer anderen Welt angehört, wird ihm von Lehrern und Mitschülern unterstellt, er müsse ihre abschätzige Ansicht über die Indios teilen – was aber eben nicht der Fall ist. Ernesto erkennt sehr gut, wie gesellschaftliche Unterschiede zementiert werden, und auch die (wenig schmeichelhafte) Rolle, die die Kirche dabei einnimmt, erschließt sich ihm aus den unterschiedlichen Predigten des Mönches und Schulvorstehers. Nicht, daß er dies explizit für sich, geschweige denn andere, formuliert, aber als Unbehagen ist es nahezu ständig bei ihm spürbar.


    Anfänglich wirkte der Erzähler auf mich etwas arg frühreif, seine Wahrnehmungen schienen mir nicht zu einem zwölf(?)-jährigen Jungen zu passen. Und an manchen Stellen wurde der Romanfluß für mein Empfinden durch etwas bemüht wirkende Exkurse z. B. zum Quetchua unterbrochen. Aber davon abgesehen fand ich es als Gesellschaftskritik von innen durchaus lesenswert, zumal es, obgleich bereits 1958 erschienen, bis heute wohl nicht allzuviel von seiner Aktualität eingebüßt hat, wenn ich mir die Berichterstattung aus den Andenländern in den letzten Jahren vor Augen führe.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


    Schönen Gruß,
    Aldawen

    Einmal editiert, zuletzt von Aldawen ()

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    Oben steht bereits eine kurze Zusammenfassung des Inhalts, wenn auch sehr peripher. Ich möchte gar nicht weiter auf die Geschickte an sich eingehen, das sollten interessierte selbst lesen, kein Spoileralarm.

    Mir hat an dem Buch gefallen, dass es sich mit den verschiedenen Kulturen und auch wie sie ineinander schmelzen auseinandersetzt.


    Einerseits die Herrschenden und Mächtigen - Großgrundbesitzer, Kleriker und Militärangehörige, andererseits die Unterklassen Indios, Mestizen und Schwarze.


    Das Buch handelt in den 1950er Jahren in den Andengebieten Perus. Rund um Cuzco und Abancay (auch in der Nähe der Ausgrabungen von Machu Picchu. Der Aberglaube ist sowohl im Indianischen als auch katholischen Glauben tief verwurzelt. Teile dieses Aberglaubens werden auch in die jeweils andere Kultur übernommen. Wie z.B. der Glaube dass ein Kreiselspiel, das Musikgeräusche macht transzendente Nachrichten absetzen kann.


    Frauen, die sich auflehnen werden ebenso verfolgt wie Leibeigene. Als eine Gruppe von Frauen Salz beschlagnahmt von der Gemeinde, um es den Armen zu schenken in einem amazonenhaften Reiterzug zu einem Indiodorf wird das Militär zu Hilfe gerufen. Die Truppen zogen von der nächst größeren Stadt ein. Zwei der Heldinnen können flüchten, und das ganze Dorf fürchtet sich vor ihrer Rache.


    Interessant war, dass die soziologische Entwicklung, die zum Beispiel in Europa nach den beiden Weltkriegen sich durchsetzte hier nicht mal noch angedacht war.

    Frauenrechte, Minderheitenrechte und Freiheit der Einzelnen sind in Peru dieser Zeit noch Fremdwörter. Unterschiede gibt es im Land an sich. Küstenregion und Bergregion sind anders sozialisiert. Vielen Menschen wurde durch die Indoktrination der Europäer und vor allem der Kirche die eigene Identität gestohlen.


    Selbst die medizinischen Möglichkeiten sind nicht gegeben. Es gibt in der Mitte des 20. Jahrhunderts noch Seuchenausbrüche, die andernorts bereits sehr gut behandelbar waren. Die Prioritäten werden dort gesetzt, wo auch Profit zu erwarten ist.

    Das Thema ist in pandemischen Zeiten aktuell wie lange nicht mehr.


    Von mir eine klare Leseempfehlung :)