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Michael Jürgs (geb. 1945) Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden Erstveröffentlichung: 2009 Verlag: Bertelsmann gebundene Ausgabe 255 Seiten |
Kurzbeschreibung (übernommen von amazon)
Alle wissen es, keiner schreit auf: Ob falsche Betroffenheit in Talkshows, prollige Vorbilder wie Mario Barth oder Dieter Bohlen, von Supernannys statt von ihren Eltern erzogene Kinder oder die selbst vom Feuilleton zu Ikonen der Subkultur stilisierten Bestsellerautoren à la Roche, Bushido und Co. - überall breiten sich Seichtgebiete und Verblödung aus. Jürgs prangert nicht deutsch bierernst, sondern indem er sie lächerlich macht, jene an, die zynisch schamlos mit der Verdummung Geld machen. Er schont auch nicht sich und seine Branche, und erst recht nicht die Oberlehrer der Nation, die nur angeekelt ihre Nasen rümpfen. Mit seiner provokanten Streitschrift warnt Jürgs vor den Folgen einer verödenden demokratischen Kultur.
Über den Autor (übernommen von amazon)
Michael Jürgs ist Journalist und war u.a. Chefredakteur von »Stern« und »Tempo«. Er hat sich mit großen Biographien (z.B. über Romy Schneider, Axel Springer und Günter Grass) und engagierten Sachbüchern (u.a.»Der kleine Frieden im Großen Krieg«, »Alzheimer - Spurensuche im Niemandsland« oder zuletzt »Wie geht's, Deutschland?«) einen Namen gemacht. Viele seiner Bücher wurden verfilmt.
Meine Meinung
Nun, um es vorweg zu nehmen: Eine "provokante Streitschrift", wie im Klappentext vollmundig beworben, sind die "Seichtgebiete" leider nicht geworden. Es ist ein locker-flockig geschriebenes und - zugegeben - an einigen Stellen recht amüsant geratenes Buch, in dem sich Michael Jürgs lautstark und wortgewandt über die zunehmende Ausbreitung der Blöden (dieses Wort benutzt er häufig und gerne) in unserer Gesellschaft und die wachsenden Verdummungstendenzen in der Bevölkerung beklagt und natürlich schnell zu den üblichen Verdächtigen gelangt: Barth, Bushido, Bild und Co. Aber eine Analyse, warum das so ist und was dagegen getan werden kann, liefert Jürgs nicht. Wie formulierte es Denis Scheck: "Weil sich Jürgs aber um echte Recherche drückt, weder Entscheidungswege in den Redaktionen analysiert, die Interessenlagen von Wirtschaft und Politik benennt oder gar die Strukturen unseres Begehrens diskutiert, bleibt seine Kampfschrift wider den öffentlich-rechtlichen und privaten Schwachsinn im Bierdunst des Stammtischs stecken und kommt über die Form eines 256 Seiten langen Leitartikels kaum hinaus."
Nach den Interviews mit Jürgs, die ich vorher gelesen habe, hatte ich eigentlich erhofft, hier endlich mal einen praktischen Handlungsleitfaden an die Hand zu bekommen, in dem erklärt wird, wie man sich denn nun gegen all' die Blödmacher im Fernsehen und der Presse wehren kann. Schließlich ist Jürgs der Meinung, dass sie massiv zur Verdummung immer größerer Teile der Bevölkerung beitragen, mithin staatszersetzend und demokratiegefährdend wirken. Und da wir somit alle davon betroffen sind, bleibt nur aktiver Widerstand, schließlich hieß es schon zu 68er-Zeiten: "Macht kaputt, was Euch kaputt macht". Fand ich in der Argumentationskette schon mal logisch und zwingend...
Immer also, wenn er aktive Lösungen im Buch ankündigte, schien es interessant zu werden. Doch dann kamen lediglich solche seltsamen Vorschläge wie derjenige, man möge mal all' die Dummköpfe in einer "Dokusoap mit dem Leergut der Nation" zusammentrommeln, vorzugsweise auf 3sat oder arte, moderiert von Gerd Scobel, und irgendwie lächerlich machen und das übliche Blödfernsehpublikum zwingen, dabei zuzusehen. Hm, naja. Da habe ich schon Pointenreicheres gelesen.
Da sich seine Litaneien und Klagen mehrfach im Buch wiederholen, war ich zum Schluss auch bereits etwas gelangweilt. Klar, auch ich hege und pflege mein kleines bisschen Kulturpessimismus , aber bei Michael Jürgs nimmt der schon manische Züge an.
Immerhin habe ich bei der Lektüre des Buches doch noch was gelernt, nämlich eine neue Vokabel, die ich in meinen Wortschatz übernommen habe, die aber ironischerweise nicht mal von Jürgs selbst stammt: "Knallpresse" für Druckerzeugnisse (ich mag's nicht Zeitungen nennen) wie das Blatt mit den vier großen Buchstaben, die unter dem Deckmantel der Information doch nur die niedersten Instinkte des Volkes ansprechen und ordentlich zu seiner Verdummung beitragen. Aber mehr als das schöne Wort "Knallpresse" kam für mich bei den "Seichtgebieten" unterm Strich dann doch nicht raus.
Von mir gibt's leider nur