Halldór Laxness - Das Fischkonzert

Es gibt 67 Antworten in diesem Thema, welches 16.940 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von kaluma.


  • @Spoilerproblem:
    Stimmt, nicht eingeloggt kann man keine Spoiler lesen.


    Aber zum Beispiel in diesem Thread sehe ich die Spoiler auch dann, wenn ich nicht eingeloggt bin. Und in allen anderen bisher eigentlich auch. Das Problem ist mir erstmals hier in diesem Thread aufgefallen. Mache ich beim verspoilern was falsch? (ich benutze den Button)



    Ich habe die Stelle gerade noch mal nachgelesen. Drängen tut ihn eigentlich niemand.


    :gruebel: Hm, aber sie haben doch da ein Lied vorbereitet, was alle mitsingen sollen. Und da wäre es doch sehr seltsam, wenn ausgerechnet ein Sänger nicht mitsingt...
    Ich glaube, ich muß die letzten Kapitel dringend nochmal lesen. Finde es aber schön, daß man nach dem Ende des Buches noch so viel zum Grübeln hat. :breitgrins:


    Über den Titel denke ich auch noch nach (mehr dazu später).

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.

  • Was für eine infame Sauerei das Ganze doch ist! :grmpf: :grmpf:


    Doch Alfgrimur nimmt das Angebot nicht an und so ähnlich wie sein Leben dem Gardar Holms bis zu diesem Moment war, hier ist die Stelle wo Alfgrimur einen anderen Weg einschlägt (er hatte ja Gardars Beispiel vor Augen, und er hat seine Familie, die hinter ihm steht).


    Und hier liegt wohl auch der Sinn, warum Alfgrimur und Gardar immer gegenseitig aufeinandertrweffen und warum nach und nach Alfgrimur die ganze Wahrheit in kleinen Stücken offenbart wird. Gardar warnt ihn, so zu enden wie er selbst, denn Alfgrimur ist praktisch als neuer Garder Holm vorgesehen. Das die beiden einander so wahnsinnig ähnlich sind, lässt Laxness den Leser ja schon am Nachnamen merken Alfgrimur Hansson und Georg Hansson - beide irgendwo vaterlos, das Singen...


    Stellte sich mir aber auch immer die Frage, wozu das ganze Lügenmärchen um den großartigen Sänger? Wieso steckt Gudmunsen so viel Geld in "heiße Luft? Was hat er davon? - macht er es für sein eigenes Ansehen? als "Werbung" für sich selbst und zur "Vermarktung" im Rahmen seines kaufmännischen Handelns?


    Wenn ich mir aber die Schlagzeilen der Zeitungen etc. ansehe, dann hat im Endeffekt diese "Sauerei" (wie kaluma es trffend nennt) auch sein Gutes. In sämtlichen literarischen Texten werden die Isländer als unfähiges, kleines, unbedeutendes, zu nichts zu gebrauchendes Völkchen am Rande der Welt dargestellt und dann kommt einer wie Gardar Holm - der kann etwas und ist JEMAND. Das rückt doch dieses Völkchen ins Weltbewußtsein und verleiht ihnen auf ihre Art SELBSBEWUSSTSEIN...


    Damit hat alles Schlechte auch sein Gutes oder? :rollen:


    So wird im Nachhinein auch klar, warum Björn seinen Hof nicht an Gudmunsen verkaufen wollte. Es war nicht Widerwille gegen Veränderung, sondern vermutlich wußte Björn, was Gudmunsen für einer ist und daß ihm nicht zu trauen ist.
    Die Erklärung, wie Gudmunsen zu seinem Reichtum kam, und wie er dabei die Lebensgrundlage der einfachen Leute zerstörte, läßt ihn zusätzlich in einem sehr negativen Licht erscheinen.


    Dadurch, daß Björn seinen Hof am Ende doch verkauft, zeigt er, daß er die Veränderungen als unvermeidlich akzeptiert (auch wenn er sie nicht gutheißt) und reagiert darauf. Und nur so kann der Übergang von der alten, ländlichen in die neue, moderne städtische Gesellschaft funktionieren: wenn die einfachen Leute ihr Schicksal selber in die Hand nehmen, und sich sich nicht zum Spielball der Mächtigen machen lassen wie Gardar Holm.


    Das Ganze erinnert mich irgendwie aber auch ein bisschen an "Fausts Vision" - der Fortschritt hält Einzug und irgendwer bleibt dabei immer auf der Strecke. :rollen:


    Björn akzeptiert nicht nur den Fortschritt, er versucht ihn auch irgendwo zu fördern, indem er Alfgrimur das erzielte Geld für seine Zukunft zur Verfügung stellt. Bis dahin hatte Alfgrimur ja immer den Wunsch Quabbenfischer zu werden wie Björn.



    @ kaluma
    Aus Deinem Fazit hast Du mir sicherlich noch ein paar neue Hinweise gegeben, wie was einzuorden ist. Ich habe mich gefragt, was die merkwürdigen Szenen mit der sterbenden Frau oder auch Ebeneser Draummann auf sich haben. Ich habe das "religöse" Zwischenspiel einfach für eine Eigenart des Autors gehalten und habe nicht weitergedacht wie Du. :zwinker:

  • @jääkaappirunous
    (schön, daß du den Baum wieder hast - gefällt mir viel besser als das andere Bild!)



    Und hier liegt wohl auch der Sinn, warum Alfgrimur und Gardar immer gegenseitig aufeinandertrweffen und warum nach und nach Alfgrimur die ganze Wahrheit in kleinen Stücken offenbart wird. Gardar warnt ihn, so zu enden wie er selbst, denn Alfgrimur ist praktisch als neuer Garder Holm vorgesehen.


    Stimmt. Und so würde sich auch erklären, wieso Großvater, Großmutter und Kristin dem kleinen Alfgrimur niemals richtig antworteten, wenn er nach Gardar Holm fragte. Vielleicht hätte er ihnen nie und nimmer geglaubt - es gibt ja Dinge, die muß man einfach selber erfahren. Und mit Gardar Holm als leibhaftigem Beispiel vor Augen war Alfgrimur dann gewarnt.


    Damit relativiert sich auch wieder der Eindruck von Desinteresse und Kälte, den Bettina und ich eine Zeitlang hatten. Und der ja sowieso nicht zu dem paßte, was ganz am Anfang des Buches über Björn und die Großmutter gesagt wird.



    Stellte sich mir aber auch immer die Frage, wozu das ganze Lügenmärchen um den großartigen Sänger? Wieso steckt Gudmunsen so viel Geld in "heiße Luft? Was hat er davon? - macht er es für sein eigenes Ansehen? als "Werbung" für sich selbst und zur "Vermarktung" im Rahmen seines kaufmännischen Handelns?


    Ja. Ich sehe das Ganze als gigantischen Werbecoup.
    Und so viel Geld war es ja nun auch wieder nicht. Jedenfalls habe ich Gardar so verstanden, daß die Schecks aus Island nie kamen und daß er die ganze Zeit von Gelegenheitsarbeit und vom Lohn des Aufsehers gelebt hat.



    Wenn ich mir aber die Schlagzeilen der Zeitungen etc. ansehe, dann hat im Endeffekt diese "Sauerei" (wie kaluma es trffend nennt) auch sein Gutes. In sämtlichen literarischen Texten werden die Isländer als unfähiges, kleines, unbedeutendes, zu nichts zu gebrauchendes Völkchen am Rande der Welt dargestellt und dann kommt einer wie Gardar Holm - der kann etwas und ist JEMAND. Das rückt doch dieses Völkchen ins Weltbewußtsein und verleiht ihnen auf ihre Art SELBSBEWUSSTSEIN...


    Nur daß es in dem Fall ein Windei war, denn von außen gesehen, also im Rest der Welt war Gardar ja gar nicht wirklich berühmt... Aber für die Selbstwahrnehmung der Isländer stimmt es natürlich.
    Aber ist das wirklich so, daß die Isländer als unfähig und nicht zu gebrauchen dargestellt werden? Es ist mir bis jetzt nicht aufgefallen, aber ich weiß ja auch viel weniger über das Land als du.
    Und hier kommt mir noch ein anderer Gedanke. Laxness hat das Buch 1956-57 geschrieben, nachdem er 1955 den Literatur-Nobelpreis bekommen hatte. Einer der bekanntesten Isländer zu dieser Zeit war also: vermutlich Halldór Laxness...
    Kann es sein, daß er wohl hier ein bißchen tiefstapeln wollte?? :gruebel: Hm, ich weiß nicht, ob er diese Parallele wohl beabsichtigt hat, oder ob ich jetzt ein bißchen zu weit gehe mit dem Interpretieren...

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.

    Einmal editiert, zuletzt von kaluma ()


  • Nur daß es in dem Fall ein Windei war, denn von außen gesehen, also im Rest der Welt war Gardar ja gar nicht wirklich berühmt... Aber für die Selbstwahrnehmung der Isländer stimmt es natürlich.
    Aber ist das wirklich so, daß die Isländer als unfähig und nicht zu gebrauchen dargestellt werden? Es ist mir bis jetzt nicht aufgefallen, aber ich weiß ja auch viel weniger über das Land als du.
    Und hier kommt mir noch ein anderer Gedanke. Laxness hat das Buch 1956-57 geschrieben, nachdem er 1955 den Literatur-Nobelpreis bekommen hatte. Einer der bekanntesten Isländer zu dieser Zeit war also: vermutlich Halldór Laxness...
    Kann es sein, daß er wohl hier ein bißchen tiefstapeln wollte?? :gruebel: Hm, ich weiß nicht, ob er diese Parallele wohl beabsichtigt hat, oder ob ich jetzt ein bißchen zu weit gehe mit dem Interpretieren...


    Ich denke, dafür müsste man die Biografie lesen, vielleicht verschafft diese mehr Aufklärung oder auch sein autobiografisches Wekt "Zeit zu schreiben" Der Gedankengang ist auf jedenfall gut.


    In der isländischen Literatur (nach 1955), die ich so in diesem Jahr gelesen habe, spielt Laxness mehr oder weniger immer eine Rolle - es erscheint mir ein bisschen wie ein "isländisches Trauma" - mal heroisch, mal sarkastisch abwertend, bewundernd aber erwähnt wird er fast immer. :breitgrins:

  • Aber ist das wirklich so, daß die Isländer als unfähig und nicht zu gebrauchen dargestellt werden? Es ist mir bis jetzt nicht aufgefallen, aber ich weiß ja auch viel weniger über das Land als du.


    Wirklich wissen tue ich darüber auch nichts, aber Vermutungen kann ich anstellen. Wohlgemerkt rede ich jetzt über die Zeit, in der das Buch spielt, als Island also noch ein teil von Dänemark war.
    Besonders angesehen war Island im Ausland damals sicher nicht. Ich denke auch, dass es außerhalb von Dänemark und Skandinavien auch kein schlechtes Ansehen hatte, sondern viel mehr völlig unbekannt oder irrelevant war. Diese Insel - weit ab vom Schuss - mit ihren paar Einwohnern (selbst heute sind es nur ca. 320.000, soviel wie das ehemalige Bundesdorf Bonn :zwinker: ) und als einzigem "Reichtum" den Fisch, war einfach allerhinterste Provinz, ohne die Europa auch nicht anders wäre als mit.
    In Dänemark könnte die Lage schon etwas anders gewesen sein. Island war schon im Bewusstsein der Leute vorhanden, allerdings war das Ansehen wohl eher gering. Was stellte Island auch schon dar? Ein bitterarmes Land, das kulturell Pampa ist, dessen normale Bewohner in Lumpen herumlaufen und in Katen leben, und dessen feinste Leute simple Ladenbesitzer sind? Pfui - damit kann man doch keinen Staat machen.
    Dass Island unter anderem gerade wegen Dänemark so arm ist, das Geld aus seiner "Kolonie" (mir fällt kein passenderes Wort ein) melkt, aber kein Öre ins Land reinsteckt, ist bei dieser Überlegung irrelevant. Statt dessen wird über die "Bauern" dort herablassend gelacht.
    Für eine Gegend, die gerne ein selbständiger Staat werden will, ist es natürlich nicht gut, nichts zum vorzeigen zu haben. Nicht für's internationelle Ansehen und auch nicht für das eigene Selbstwertgefühl. Da kommt ein "Held" wie Gardar gerade recht. Endlich jemand, auf den man stolz sein kann! das ist wohl auch der Grund dafür, dass niemand den Schwindel ent- oder zumindest aufdeckt.


    Auch dass Laxness selbst ein solcher "Gigant" im Land ist, erklärt sich aus der Kleinheit Islands. Wieviele berühmte Bonner gibt es denn?

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Laxness ist in Island bis heute wohl ziemlich wichtig. Ich lese das jedenfalls daraus ab, dass seine Bücher in fast jedem Souvenirladen dort zu finden sind. So wie Pullis, Postkarten und Vulkangestein. Je nach Ladengröße in einer variablen Sprachenauswahl. Auch der Hof Laxness, auf dem er seine Kindheit verbracht hat, ist heute Museum. Beim nächsten Island-Besuch gehe ich da auch noch hin.
    So bin ich übrigens auf Laxness gekommen: Einkauf von Atomstation im Souvenirladen am Flughafen :zwinker:

    ☞Schreibtisch-Aufräumerin ☞Chief Blog Officer bei Bleisatz ☞Regenbogen-Finderin ☞immer auf dem #Lesesofa

  • Ich habe unserem jüngsten Laxness-Zuwachs eine Rezi geschrieben.
    Vielleicht mag der eine oder andere noch kommentieren, wie sein Fazit in der Summe aussieht :winken:


    Danke für die wie immer tolle Leserunde und ich freue mich jetzt schon auf Nummer 7.

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  • Hallo Bettina,


    ich dachte gar nicht, daß du das Buch so schlecht findest..
    Natürlich kommt von mir auch noch eine Rezi, zumal das Buch auf meiner SLW-Liste steht.


    Auch ich danke euch für eure Beiträge, die mir den einen oder anderen neuen Blickwinkel auf das Gelesene eröffnet haben.


    Jetzt werde ich mal gleich noch die Spoiler in meinen Beiträgen entfernen, damit die Beiträge nicht unverständlich werden, wenn die Leserunde ins Archiv verschwindet.


    Viele Grüße
    Katja

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

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