John Dos Passos – Manhattan Transfer

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    Manhattan Transfer ist einer der bekanntesten Großstadtromane der klassischen Moderne. Er war bei seinem erscheinen ein Verkaufserfolg und begründete den Ruhm von John Dos Passos, der gern in einem Atemzug mit Alfred Döblin und James Joyce genannt wird. Tatsächlich habe ich daher auch etwas anderes erwartet, als ich das Buch zur Hand genommen habe, und muss sagen: Im Vergleich zu Ulysses oder Berlin Alexanderplatz halte ich Manhattan Transfer für wenig spektakulär und eher uninteressant.


    Erzählt werden schlaglichtartig die Leben verschiedener New Yorker Einwanderer oder Ansässiger. Oft kann der Leser nur einen kurzen Blick auf ein bestimmtes Leben werfen, doch einige andere Figuren tauchen immer wieder auf. Die wichtigsten sind Jimmy Herf, der als kleiner Junge aus wohlhabender Familie seine Mutter verliert, bei seinem Onkel aufwächst und schließlich Journalist wird, sein Leben aber die ganze Zeit als leer und bedeutungslos empfindet. Er ist verheiratet mit Elaine Herf geschiedene Oglethorpe, geborene Thatcher, die eine gefeierte Schauspielerin ist und ihr Leben damit zubringt, Glück in Beziehungen zu suchen. Auch von Herf, mit dem sie ein Kind hat, lässt sie sich wieder scheiden und heiratet am Ende den Anwalt George Baldwin. Baldwin ist ein Jurist, der durch einen ersten erfolgreich gelösten Fall immer weiter auf der Karriereleiter nach oben steigt, und sich dann entschließt, in die Politik zu gehen.
    Baldwin und Herf heiratet Elaine Thatcher noch John Oglethorpe, einen faulen aber genialen homosexuellen Theaterregisseur, der mit seinen Fähigkeiten den Grundstein zu ihrer Karriere legt. Elaines große Liebe ist allerdings der Sohn aus reichem Hause Stanwood Emery, der mit dem Leben nicht zurande kommt und schließlich – Unfall oder Selbstmord? – bei einem Brand ums Leben kommt.


    Wenn ich Manhattan Transfer mit Ulysses oder Berlin Alexanderplatz vergleiche, dann schneidet es am schlechtesten ab. Es ist für mich als heutigen Leser nicht besonders originell geschrieben, Romane, die episodenhaft verschiedenen Figuren folgen und deren Lebenswege dann irgendwann miteinander verschränken, sind mir und wahrscheinlich allen anderen hier auch vertraut. Die Technik des stream of consciousnesss habe ich in MT vergleichsweise selten bemerkt, die Episoden sind vergleichsweise herkömmlich geschrieben und die für den Bewusstseinsstrom irgendwie konstitutive Innenperspektive bleibt hier relativ zurückgenommen, kein Vergleich zu Experimenten wie dem Ohne Punkt und Komma-Reden einer Molly Bloom.
    Mit dem Etikett „Großstadtroman“ kann ich ohnehin relativ wenig anfangen, wenn es auf eine bestimmte Stadt gemünzt wird. Großstadterfahrungen gleichen sich natürlich ein Stück weit, und was das Leben in Dublin von dem in Berlin oder in New York unterscheidet sind in meinen Augen eher die geschichtlichen Rahmenbedingungen als die Verhaltensweisen der Protagonisten. In MT stehen diese auch viel mehr im Vordergrund als etwa beim Ulysses, man kann das Buch gut lesen, ohne über den 1. Weltkrieg oder die Prohibition Bescheid zu wissen, wohingegen die Lektüre des Ulysses ohne genauere Kenntnis der irischen Unabhängigkeitsbewegung doch häufig dunkel bleibt.


    Insofern ist Manhattan Transfer ein Buch, das man der Vollständigkeit halber sicher lesen kann, das aber jemandem, der sich in der klassischen Moderne gut auskennt eher wenig Neues bietet.



    [size=1]Betreff etwas übersichtlicher gestaltet und amazon-Link an den Anfang gesetzt. LG, Aldawen[/size]

    Einmal editiert, zuletzt von Aldawen ()

  • Ich musste "Manhattan Transfer" für die Uni lesen. Zuerst viel es mir schwer, ein Zugang zum Buch zu finden. Das ständige Hin-Und-Her-Springen zwischen den Figuren machte es mir nicht unbedingt leichter mich für sie zu interessieren, oder auch nur den Überblick zu behalten, wer wer ist. Vermutlich hätte es hier auch nicht geschadet, etwas mehr Zeit zum aufmerksameren Lesen zu haben, aber ich hatte nun mal eine Deadline für die Lektüre. Irgendwann in der zweiten Hälfte hat dieses Mosaik von Einblicken in verschiedene Leben dann aber doch Angefangen, einen gewissen Sog auszuüben.