Thomas Bernhard/ Siegfried Unseld - Der Briefwechsel

Es gibt 15 Antworten in diesem Thema, welches 4.187 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Klassikfreund.

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    Was für ein monumentales Werk hat uns hier der Suhrkamp Verlag zusammengestellt. Ja, ich habe mich geärgert, dass der Veröffentlichungstermin 2 Jahre lang immer wieder verschoben wurde. Aber, das Warten hat sich gelohnt.
    Um was geht es? Hauptsächlich um`s gute alte Geld. Zumindest finde ich, dass Herr Dr. Unseld der gutmütigste Mensch aller Zeiten war. Ich hätte den sogenannten großen Dichter schon tausendmal vor die Türe geschmissen. Manchmal ist Bernhard so frech, dass es mir den Atem stockt, Unseld dagegen bleibt ruhig. Ich würde es "diplomatisch" nennen. Er wusste wahrscheinlich instinktiv, dass aus dem Menschen etwas ganz Großes werden würde.


    Lesevergnügen würde ich es nicht nennen, manchmal kommt mir ein Gähnen, besonders wenn sich die Themen im Kreis drehen, doch ich möchte das Buch nie wieder hergeben. Das sagt alles. Ich möchte immer wieder in den Briefen lesen und ich möchte es als Highlight in meiner Bernhard - Sammlung bezeichnen.


    Abgesehen vom Preis, der ziemlich abschreckt, so erschütterte mich auch die Tatsache, dass mein "heißgeliebter" Bernhard ein ziemlicher Unsympathler war und so rein gar nichts liebeswürdiges an sich hatte, außer vielleicht den trockenen Humor. Hingegen Dr. Unseld ist einfach nur ein Goldstück, zumindest in diesen Briefen, von mehr oder weniger weiß ich nichts.


    Aber, interessant ist auch, dass ein Bernhard, der in den Briefen nur am Nörgeln war, seine wahren Gedanken in den Büchern hinterließ. Nein, das war keine Farce, das war die Wahrheit. Das war er. Privat war er genau der gleiche "Quärulant", wie ihn die Österreicher gerne bezeichneten. Das bringt mich wieder zum Schmunzeln.


    Also, ich würde sagen: Für Bernhardisten ein Genuss, für Anfänger ein Greul. Ich würde das Buch erst lesen, wenn ich schon viele, wirklich viele Bernhard Bücher gelesen hätte und richtiggehend "geiimpft" wäre. Ja, so kann man es ausdrücken. Sonst könnte man voreingenommen an sein Werk gehen und das wäre ja schade.


    Mir bleibt nur noch zu sagen, dass ich dem Verlag zu seinem monströsen Werk gratulieren möchte. Das ist Wichtig.


    Ich gebe:


    5ratten für die Zusammenstellung
    5ratten für die Idee
    5ratten für Unselds Geduld
    3ratten für Bernhards Benehmen. Muss sein.

  • Zitat

    von mehr oder weniger weiß ich nichts.


    Vortreffliches Bonmot. :daumen:


    Und vielen Dank für die an (Noch-)Nicht-Bernhardisten gerichtete Warnung - ich wurde doch bereits ein wenig unruhig bzw. in einem gewissen Grade involviert, als ich in der ZEIT, oder wo es war, einen Artikel zu diesem Briefwechsel las.


    Jetzt ist allerdings die Frage geklärt, ob ich mir dieses Werk unweigerlich besorgen sollte oder doch erst so manch anderes Werk von ihm lesen sollte - welches das sein wird, wird nach wie vor zu beantworten sein, aber ein Schritt Richtung Klarheit wäre schon mal getan. :smile:

  • Frau dankt. :breitgrins:


    Gut, wie gesagt, ist nur ein Vorschlag, wie man an das Werk gehen sollte.
    Es gibt ja Briefe, die sind so schön, dass man sich richtig auf die Romane freut. Mir ist es so mit "Briefe an Nora" gegangen von Joyce. Oder Kafka mit seiner Felice oder Milena. Aber, das ist hier ist für Werkkenner.
    Viel Vergnügen und beginne vielleicht wirklich mit "Frost" oder "Beton". Das hab ich ganz gern.

  • Danke cori. Ich bin jetzt schon einige Male um die Briefe herum geschlichen und hab darin geblättert und kaum widerstehen können, aber der Preis ist schon wirklich abschreckend.
    Ich warte noch, vor allem hab ich hier eh noch andere Sachen von Bernhard stehen.


    Übrigens: Ich komm mir mit meinen Verschiebungsbitten schon so lästig vor, aber ich würde das zu den Briefen stecken. :winken:

  • Ich glaube nicht, dass es das Buch Mal auf TB geben wird...befürchte es.
    Aber, wie gesagt, halte Dich ruhig an seine Prosa. Und, wenn Du Lust hast, lies das Buch. Es ist wirklich für eingefleischte Fans.
    Alles Liebe cori


    P.s.: Ja und nein. Es ist irgendwie ein Zeitdokument.


  • Jetzt ist allerdings die Frage geklärt, ob ich mir dieses Werk unweigerlich besorgen sollte oder doch erst so manch anderes Werk von ihm lesen sollte - welches das sein wird, wird nach wie vor zu beantworten sein, aber ein Schritt Richtung Klarheit wäre schon mal getan. :smile:


    Nein, das ist sie nicht. Ich lese das Buch auch gerade und m.E. ist es sehrwohl für Bernhard-Anfänger geeignet, da es Lust auf seine Bücher macht. Zumindest ein Buch von Bernhard sollte man aber schon kennen, damit man seinen Stil (in seinen Briefen) etwas einschätzen kann.


    Gruß, Thomas

  • Klassikfreund, nein, das Buch verrät so manche Dinge und die sollte man nicht wissen, wenn man ans Werk geht.
    Aber gut, jeder liest anders, lg cori

  • Nein, das ist sie nicht. Ich lese das Buch auch gerade und m.E. ist es sehrwohl für Bernhard-Anfänger geeignet, da es Lust auf seine Bücher macht. Zumindest ein Buch von Bernhard sollte man aber schon kennen, damit man seinen Stil (in seinen Briefen) etwas einschätzen kann.


    Gruß, Thomas


    Mit dem Kommentar ist sie das tatsächlich nicht (mehr). :sauer: :zwinker:


    Ich werde aber doch erstmal einen Einstieg ins literarische Werk Bernhards suchen - ich gedenke ebendieses womöglich mit dieser Anthologie von Suhrkamp Quarto zu gestalten, eine entsprechende Ausgabe besitze ich bereits von Hesse:



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    Im Detail wären das folgende Romane:


    Frost
    Verstörung
    Kalkwerk
    Korrektur
    Beton
    Untergeher
    Holzfällen
    Alte Meister
    Auslöschung


    Vielleicht entscheide ich mich jedoch aus ästhethischen/pragmatischen, vor allem pragmatischen Gründen eher für Einzelausgaben - preislich ist diese Ausgabe wohl ziemlich unschlagbar, jedoch möchte ich solch einen Wälzer nicht unbedingt im Bus in Händen halten bzw. die Verantwortung, es im ohnehin stets sehr vollen Rucksack schadfrei zu verstauen, auf mich nehmen.

    Einmal editiert, zuletzt von Hildegunst ()

  • NEIN! Ich habs: Hildegunst, beginne mit "JA" oder "Gehen"....nein, mit "JA"...tu mir den gefallen. Das wird Dir gefallen. Sicher, sogar. Und es ist ein dünnes Büchlein.

  • Thomas Bernhard, Siegfried Unseld: Der Briefwechsel. Suhrkamp Verlag, 869 Seiten.


    Amazon-Kurzbeschreibung
    30 Jahre alt, ohne Resonanz auf seine bis dahin veröffentlichten drei Gedichtbände, vom eigenen überragenden schriftstellerischen Können allerdings überzeugt, schreibt Thomas Bernhard im Oktober 1961 an Siegfried Unseld: "Vor ein paar Tagen habe ich an Ihren Verlag ein Prosamanuskript geschickt. Ich kenne Sie nicht, nur ein paar Leute, die Sie kennen. Aber ich gehe den Alleingang."
    Obwohl der Suhrkamp Verlag das Manuskript ablehnte, gingen der Alleingänger und der Verleger seit dem Erscheinen von Bernhards erstem Roman "Frost" 1963 gemeinsam den Weg, der den Autor in die Weltliteratur führte.


    In den etwa 500 Briefen zwischen beiden entwickelt sich ein einzigartiges Zwei-Personen-Schauspiel: Mal ist es eine Tragödie, wenn etwa Bernhard die aus seinen Werken bekannten Schimpftiraden auf den Verleger loslässt, der seinerseits auf die Überzeugungskraft des Arguments setzt. Dann gibt Bernhard ein Kammerspiel mit Unseld als Held - 1973 schreibt er ihm: "mit größter Aufmerksamkeit, mit allen Möglichkeiten, gehe ich gern mit Ihnen." 1984 agieren beide, bei der Beschlagnahme von "Holzfällen", als Kämpfer für die Literatur in einem von Dritten inszenierten Schurkenstück.


    Es dominiert das Beziehungsdrama: Der Autor stellt die für sein Werk und seine Person unabdingbaren Forderungen. Der Verleger seinerseits weiß, dass gerade bei Bernhard rücksichtslose Selbstbezogenheit notwendige Voraussetzung der Produktivität ist.
    Solch einen dramatischen Briefwechsel zwischen Autor und Verleger, in dem bei jeder Zeile alles auf dem Spiel steht, kennt das Publikum bislang nicht.


    Meinung
    Dieser Briefwechsel zwischen Bernhard und seinem Verleger Unseld erscheint zwei Jahre später als geplant. Wenn man den vorliegenden Band nun zur Hand nimmt, dann verwundert dies auch nicht weiter, denn das ursprüngliche Konzept, lediglich die Briefe des Autors und seines Verlegers zu veröffentlichen wurde stark erweitert. Alle Briefe sind in Fußnoten ausführlich kommentiert. Die wichtigsten Kommentare sind dabei die von Unseld sehr akribisch festgehaltenen Begegnungen mit Bernhard in seinen Reiseberichten sowie seiner Chronik, einer Art Tagebuch. Diese beiden zusätzlichen Quellen machen aus dem Buch mehr als nur einen Briefwechsel. Vom Umfang her nehmen sie einen erheblichen Anteil des Buches in Anspruch, so dass der nicht abgeänderte Titel „Der Briefwechsel“ nun eigentlich zu kurz greift. Zudem werden unter „Briefen“ auch Postkarten und die zahlreichen Telexe verstanden.


    Chronik und Reisebericht tragen erheblich zum Verständnis des Verhältnisses zwischen Bernhard und Unseld bei. Eines der wichtigsten Themen im Briefwechsel ist Geld, welches der Autor für seine Arbeit beansprucht. Unseld tritt dabei häufiger mit großen Summen in Vorleistung, Bernhard ist oft unzufrieden und die Worte in seinen Briefen eskalieren. Man trifft sich dann immer persönlich und kann die Differenzen ausräumen. Ebenso interessant ist auch die Wiedergabe von Briefen Bernhards, die sich im Nachlass befinden, aber nie an den Verleger abgeschickt wurden. Sie zeigen in aller Deutlichkeit die innere Verärgerung Bernhards über den Suhrkamp-Verlag. Trotz aller bissigen Worte hat Bernhard seinen Verleger hoch geschätzt, auch das klingt immer wieder durch. An nicht wenigen Stellen werden die Inhalte seiner Bücher kurz rezipiert, das nimmt aber m.E. nicht die Spannung einer späteren Lektüre, bei Bernhard kommt es ohnehin mehr auf den Stil an als auf eine Zusammenfassung in drei Sätzen.


    Beide Protagonisten waren sich darüber bewusst, dass in späteren Zeiten (und dieser Zeitpunkt ist ja nun gekommen) ihre Briefe einer Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Daher muss man als Leser etwas skeptisch bleiben hinsichtlich der „Wahrheit“, die in den Briefen und vor allem in den zusätzlichen Aufzeichnungen Unselds enthalten ist.


    Über den Inhalt des Briefwechsels möchte ich nicht allzu viele Worte verlieren, das würde den Lesespaß mindern, nur einige Auffälligkeiten, die sich eher indirekt aus dem Inhalt ergeben, möchte ich herausgreifen:


    [li]In den 70er Jahren wurde im Fernsehen noch Kultur gesendet. Im ZDF wurde zur Hauptsendezeit ein Theaterstück Bernhards ausgestrahlt, anschließend gab es noch eine Fernsehdiskussion darüber mit prominenten Teilnehmern. Heutzutage undenkbar, wobei ich die Fernsehmacher in dieser Frage sogar verstehe. Selbst Opern wirken im Fernsehen auf mich reichlich farblos. Seine Theaterstücke sind neben den Romanen in der "Bibliothek Suhrkamp" erschienen, eine Reihe, die einen Autor zum Weltliteraten adelt. Heutzutage findet man dort fast ausschließlich Prosa.
    [/li]
    [li]Bernhard war zunächst ein recht erfolgloser Autor, ohne seinen Promotor Siegfried Unseld hätte er den Durchbruch wohl auch nicht geschafft.[/li]
    [li]Bis zum Jahre 1980 hatte Bernhard im Suhrkamp-Verlag insgesamt 312.000 Bücher verkauft. Ich finde das eine erstaunlich hohe Zahl, wenn man bedenkt, dass er relativ schwierig zu lesen ist und eben nicht Schullektüre war wie der Suhrkamp-Kollege Max Frisch.[/li]
    [li]Man wundert sich über die große Anzahl von Briefen, viele davon mit einer Länge über mehrere Schreibmaschinenseiten, die die beiden ausgetauscht haben. Schriftliche Kommunikation hatte seinerzeit noch eine ganz andere Bedeutung als heute. E-Mail und Handy waren noch nicht erfunden, das ist natürlich ein Glücksfall für die Nachwelt. Überraschend ist aber auch die hohe Zahl von Telexen, offenbar stand nicht immer ein Telefon zur Verfügung.[/li]
    [li]Große Geldsummen hat Unseld oft persönlich in seinem Aktenkoffer transportiert (ob es tatsächlich Bargeld war oder nur ein Scheck bleibt an einigen Stellen unklar). Das Girokonto war eigentlich schon lange erfunden.[/li]
    [li]Das Buch macht vor allem Lust, seine Theaterstücke zu lesen. Ich werde meine Werkausgabe in diese Richtung noch ergänzen müssen.[/li]


    Bleibt zum Schluss die Wertung. Ein schönes Buch für diejenigen, die dem Autor Thomas Bernhard noch etwas näher kommen möchten. Aber auch ein Buch über einen großartigen Verleger.


    5ratten


    Gruß, Thomas

    Einmal editiert, zuletzt von Klassikfreund ()

  • Zitat

    •Bernhard war zunächst ein recht erfolgloser Autor, ohne seinen Promotor Siegfried Unseld hätte er den Durchbruch wohl auch nicht geschafft


    Gebe ich Dir Recht!!!!!


    Danke für die schöne Rezi - in Österreich ist das Buch schon Platz 1.

  • Abgesehen vom Preis, der ziemlich abschreckt, so erschütterte mich auch die Tatsache, dass mein "heißgeliebter" Bernhard ein ziemlicher Unsympathler war und so rein gar nichts liebeswürdiges an sich hatte, außer vielleicht den trockenen Humor. Hingegen Dr. Unseld ist einfach nur ein Goldstück, zumindest in diesen Briefen, von mehr oder weniger weiß ich nichts.


    Aber, interessant ist auch, dass ein Bernhard, der in den Briefen nur am Nörgeln war, seine wahren Gedanken in den Büchern hinterließ. Nein, das war keine Farce, das war die Wahrheit. Das war er. Privat war er genau der gleiche "Quärulant", wie ihn die Österreicher gerne bezeichneten. Das bringt mich wieder zum Schmunzeln.


    Tja, jetzt wissen wir es auf schwarz und weiß, wie Bernhard war. Sein quärulantes Nörgeln nicht nur in seinen Büchern. :breitgrins:


    Inzwischen nervt mich seine ewige Nörgelei, kann sie nur noch dezidiert vertragen. Aber trotzdem, natürlich reizt mich so ein Briefwechsel, ist ja auch ein Gedenken an einen großen Verleger.


    Herzlichen Dank für den ausführlichen Einblick.


    Liebe Grüße
    mombour

  • Komisch, die Nörglerei fand ich immer sehr amüsant. Vorallem, das muss gesagt sein, die elend langen Sätze sind die Show, schlechthin!


  • Komisch, die Nörglerei fand ich immer sehr amüsant. Vorallem, das muss gesagt sein, die elend langen Sätze sind die Show, schlechthin!


    Ja, sicher, ich habe mich auch amüsiert damals, aber irgendwann dachte ich, mach ich eine Bernhardpause.


    Übrigens, wenn du lange Sätze magst, null Absätze und sprachlich noch herausragenderes, dann empfehle ich dir "Kaddisch für ein nicht geborenes Kind" von Imre Kertész.


    Liebe Grüße
    mombour

  • Danke für den Tipp. Ich werd gleich schauen! Ich mag die wirklich!