Walter Grond - Der gelbe Diwan

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  • Walter Grond „Der gelbe Diwan“


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    Ein Sprung in den Zeitstrudel


    Walter Gronds „Der gelbe Diwan“ gehört für mich nicht gerade zu der Sorte Buch, die man entspannt an einem Wochenende mit literweise Tee genießen kann. Wer dieses Buch aufschlägt, sollte sich vorher darüber bewusst sein, dass der Autor den Leser herausfordern, verwirren und berühren wird.
    Paul Clement, wahrscheinlich so etwas wie die Hauptfigur dieses Romans, Journalist und gänzlich unentschlossen, begibt sich nach dem Selbstmord eines Schriftstellers, zu dessen Gunstkreis er ehemals gehörte, in die Vergangenheit, in die Jahre mit Johan, dem Selbstmörder, in eine Zeit, in der ihm alles möglich schien, aber nie länger als einen Augenblick.
    Dieser Roman ist äußerst unruhig, Struktur nicht vorhanden, die Sprache alles andere als ein literarischer Fluss.
    Man erfährt vieles und doch fast nichts. Es ist ein Sprung in den Zeitstrudel, zwischen Menschenschicksalen balancierend hantiert der Autor mit Emotionen, lebendigen und verstorbenen, mit Träumen und Illusionen, jongliert mit Gegenwart, Vergangenheit und einer möglichen Zukunft, umkreist ständige Eckpfeiler der Geschichte mal geschickt, mal ungelenk.
    Paul Clement ist der Träger dieser Entwicklung, derjenige, zu dem in jedem Falle immer eine Verbindung besteht, der sich selbst, wie es scheint, aber noch nicht recht einzuordnen weiß. Über ihn erfährt man die unglücklichen Zwiespälte Flauberts, den stetig tragisch anmutenden Versuch einer Brückenschlagung zwischen Orient und Okzident, zwischen einem jahrhundertelangem Konflikt, zwischen ihm und seiner Frau. Er schaut zurück auf seine Jahre mit Johan, auf eine Zeit, in der man rücksichtslos, radikal, selbstzerstörerisch der Selbstfindung huldigt und merkt sehr spät, dass er droht, in den Erinnerungen stecken zu bleiben, rückwärts zu laufen und die Gegenwart aus den Händen zu verlieren.
    Es ist nicht ein, sind nicht zwei oder drei Leben, von denen man hier erfährt. Es scheinen vielmehr nahezu alle Menschenleben dieser Welt in einigen wenigen Figuren vereint.
    Dieses Buch ist keines, dessen Handlung sich gegliedert und analytisch erzählen ließe, dessen Personen erfunden wurden, um eine Geschichte zu tragen. Es gibt die Figuren und deren Innenleben, ihre Gedanken, Sehnsüchte, Illusionen, Emotionen, denn sie wirken nicht erfunden, sondern dem Leben entnommen und es gibt ihre Schicksale, ihr Scheitern und Gelingen, ihr Suchen und Finden, um ihnen ein Gerüst zu geben, auf welches der Autor sie stützen konnte, um sie in Buchstaben und Wörter gekleidet dem Leser vorführen zu können.


    Ist man einmal gesprungen, kann man das Buch nicht mehr aus den Händen legen, will wissen, wie sich alles entwickelt hat und entwickeln wird.
    Letztendlich ist es anstrengend und fließt trotzdem wie von selbst. Der Aufprall nach etwas mehr als 300 Seiten tut zugegebenermaßen ein bißchen weh, aber das war es allemal wert.


    4ratten