Heiko Wolz - Spinnerkind

  • Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Inhalt
    Der fünfzehnjährige Jakob McGhee hat es nicht leicht. Seine Mutter, eine erfolgreiche Anwältin, findet immer mehr Gefallen daran ihre Mitmenschen zu verklagen. Sein Vater, ein ambitionierter Erfinder, steckt ihn in Zirkuskanonen und Todeskugeln. Sein bester Freund kann ein richtiger Fiesling sein und die seltsame Gwendoline hat einen Narren an ihm gefressen. Obendrein ist seine erste große Liebe bereits verheiratet.


    Meine Meinung
    Episodenhaft lässt Heiko Wolz seinen Protagonisten aus seinem Leben erzählen, als wirklich alles drunter und drüber geht und er einen Schritt zum Erwachsen werden macht. Das fiktive Städtchen Hallington ist dabei bevölkert von skurrilen Figuren - und ausgewilderten Zootieren. Tatsächlich ist man als Leser, der John Irving kennt, schnell versucht Parallelen zwischen beiden zu ziehen, was ein Zitat von jemandem, der zur Sicherheit nicht namentlich genannt wird, noch unterstützt: "Wer auch immer jemals dachte, kein deutscher Autor könne Geschichten und Gestalten erfinden wie John Irving, der sollte Heiko Wolz lesen." Leider hat der Verfasser dem Autor damit keinen Gefallen getan, denn den Vergleich kann Wolz nicht bestehen. Deswegen halten wir ihm nur zu Gute, dass er sich in Irving ein würdiges Vorbild gesucht hat, sich aber im Gegensatz zu diesem auch kurz fassen kann. :zwinker:
    Allerdings führt dieses Zitat mich auch direkt zu einem Kritikpunkt: warum siedelt ein deutscher Autor seine Geschichte in Amerika an, wenn es für die Handlung irrelevant ist? Einzig die Einwanderungsgeschichte der elterlichen Familien macht in dem Zusammenhang Sinn, ansonsten bietet der Handlungsort dem Leser nur Klischees, die er bereits aus genug amerikanischen Büchern kennt. Mit diesen Klischees geht Wolz ganz unterschiedlich um, manchmal setzt er sie geschickt ein, manchmal zerstört er sich damit die eigene Pointe. Und auch die Absurdität treibt er manchmal zu weit, so wohnt Jakob mit seinen Eltern in einem Herrenhaus, das so groß ist, dass man sich verläuft und niemand alle Zimmer kennt... :rollen:


    Was er sich vom großen Vorbild abgeschaut hat, ist auch das Einstreuen ernster Untertöne. Auch hier trägt er manchmal zu dick auf, doch wenn er es bei Andeutungen belässt macht er es gut. Über den Jungen, der sich seit der Scheidung seiner Eltern Buntstifte in die Ohren steckt, konnte ich nur anfangs schmunzel, ebenso über das Mädchen, das seinen ständig abwesenden Vater für einen unsichtbaren Superhelden hält. Wolz legt hier seinen Finger auf die alltäglichen Absurditäten, die mir aber deutlich besser gefielen als der Holzhammerhumor.


    Die Figuren selbst haben nicht besonders viel Tiefe, aber schließlich erzählt ein Fünfzehnjähriger, und das auf gerade mal 170 Seiten, daher hat es mich nicht weiter gestört. Auch das Jakob eher passiv bleibt passt ins Bild. Die Geschichte plätschert eher dahin, springt mal in die Vergangenheit eines Protagonisten und macht Andeutungen über die Zukunft. Doch Wolz hat es nicht auf einen steilen Spannungsbogen angelegt, was schon die Vorwegnahme des Endes direkt im ersten Absatz beweist. Vielmehr geht es ihm darum, von einem Außenseiter unter Außenseitern zu erzählen, und das gelingt ihm.


    Auch wenn ich nun ausgiebig auf den vermeintlichen Schächen des Buchs rumgeritten bin habe ich es gerne gelesen. Für viele kleinere Lesehappen über einen heißen Tag verteilt war es perfekt. Allerdings auch nichts, was lange im Gedächtnis bleibt.


    3ratten


    Viele Grüße
    Breña

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges