Thomas Hardy - Blaue Augen

  • Thomas Hardy
    Blaue Augen (A Pair of Blue Eyes, aus dem Englischen von Andreas Lorenzcuk)
    (erschienen 1873, dt.?)


    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Klappentext
    Kaum ist der junge Londoner Architekt Stephen Smith im ländlichen Pfarrhaus als Logiergast angekommen, beginnt er eine Romanze mit der in jedem Sinne blauäugigen Tochter. Als ihr Vater sich der Heirat des jungen Paares widersetzt, fliehen die beiden heimlich nach London. Doch nach 24 Stunden kehrt Elfride, von Skrupeln gequält, alleine zurück. Bald darauf folgt ihre standesgemäße Verlobung mit Stephens Freund Henry Knight. Als diesem jedoch allmählich dämmert, dass seine Zukünftige nicht ganz so unschuldig ist, nehmen unerfreuliche Ereignisse ihren Lauf.


    Thomas Hardy (1840 – 1928) gilt als der bedeutendste englische Romancier an der Schwelle zur Moderne. Blaue Augen ist sein vierter Roman, jedoch der erste, den er unter eigenem Namen veröffentlichte. Er zählt zu den „Wessex“-Romanen, eine fiktive Landschaft im Südwesten Englands, die Hardy als Schauplatz einiger Bücher dient. Es ließ sich nicht herausfinden, ob er eigene Erlebnisse in diesem Buch verarbeitet hat, Parallelen bestehen allerdings zur Figur des Stephen, der ebenfalls als angehender Architekt aus London Kirchen restaurierte.


    Im Vergleich zu den späteren Werken wirkt der wohl bekannte Stil des Autors in den ersten Kapiteln noch nicht so ausgereift, doch mit dem Fortgang der Geschichte nehmen Ernsthaftigkeit und Tiefe mehr Raum ein. Hardy nimmt sich bevorzugt sozialer, zwischenmenschlicher Themen an, aber hier klingen zwischendurch auch positive, sogar humorvolle Töne an, die man aus anderen Büchern eher weniger kennt. Während sonst mehr die Arbeiterklasse im Mittelpunkt steht, spielt diese Geschichte zum Großteil in der begüterten mittleren Gesellschaftsschicht, nur im elterlichen Umfeld von Stephen werden Einblicke ins Handwerkermilieu gewährt. Die malerischen Landschaftsbeschreibungen, die Hardys Romanen zu Eigen sind, entfalten sich aber schon in aller Pracht.


    Besonders anfangs las sich das Buch ganz anders als der vertraute Hardy aus „Tess“ oder „Die Woodlanders“, weniger unheilvoll und Besorgnis erregend, was aber auch zum Teil der Übersetzung geschuldet sein mag: Welche zwanzigjährige Frau schläft in einem „Bettchen“? Besonders Elfride, die junge Verliebte, trägt mit ihrer Naivität und Spontanität einiges zur ungewohnten Leichtigkeit bei. Nicht nur weil sie das Opfer der Umstände ist, vereint sie alle Sympathien auf sich. Die sprichwörtliche Blauäugigkeit beweist sie gleich bei mehreren Gelegenheiten, und obwohl sie eine gewisse Entwicklung durchmacht, fehlt es ihr dennoch an Reife und Selbstvertrauen. Auch Henry Knight, für mich der farbigste Charakter, offenbart im Lauf der Handlung eine ganz andere Seite, als man auf den ersten Blick bei ihm vermutet. Andere Mitspieler „glänzen“ durch Egoismus, Habgier, Stolz und Passivität. Wenn man Hardy kennt und weiß, dass er sich nicht verbiegt, um fragwürdige Endlösungen zu präsentieren, ist bei diesen Beteiligten irgendwann offensichtlich, dass die Angelegenheit nur mit einer Tragödie enden kann.


    Trotzdem oder gerade deswegen ist es immer ein Genuss, Thomas Hardy zu lesen. Er schafft es, auf eine besondere Art von Beziehungen zu schreiben, ohne dabei kitschig zu werden und den Boden der Realität zu verlassen, auch wenn der eine oder andere Zufall etwas zu viel des Guten war.


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus: